Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 R 71/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 774/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 120/12 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Solange zumutbare Behandlungsmöglichkeiten auf psychischem bzw. psychiatrischem Gebiet noch nicht versucht bzw. noch nicht ausgeschöpft wurden und noch ein entsprechend erfolgversprechendes Behandlungspotential besteht, kann eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung nicht auf diese psychische Erkrankung gestützt werden.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.10.2006 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2004 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger aufgrund seines Rentenantrags vom 03.03.2004 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren ist.
Der 1966 geborene Kläger hat von 1982 bis 1984 eine Lehre als Werkzeugmacher absolviert und war anschließend in diesem Beruf auch versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 01.11.2001 war der Kläger arbeitsunfähig, seit dem 01.06.2002 bezog er Leistungen der Arbeitsagentur. Gegenwärtig steht der Kläger im Bezug von Arbeitslosengeld II.
Am 24.07.2003 stellte der Kläger erstmals einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung wegen Fibromyalgie, schwerem HWS-BWS-LWS-Syndrom sowie psycho-vegetativem Syndrom. Diese gesundheitlichen Einschränkungen bestünden seit 01.11.2001. Dieser Rentenantrag wurde mit Bescheid der Beklagten vom 23.09.2003 nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Frau Dr.S. vom 18.09.2003 sowie eines orthopädischen Gutachtens von Frau Dr.B. vom 19.08.2003 abgelehnt. Beide Gutachterinnen sahen den Kläger noch in der Lage, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Werkzeugmacher mehr als 6 Stunden täglich auszuüben, ebenso mehr als 6 Stunden täglich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Der hiergegen mit Schriftsatz vom 09.10.2003 eingelegte Widerspruch wurde durch den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers nach Sichtung der eingeholten Gutachten zurückgenommen.
Ab 01.10.2003 nahm der Kläger wiederum eine versicherungspflichtige Tätigkeit als Werkzeugmacher in Vollzeit auf bis zum Eintritt einer erneuten Arbeitsunfähigkeit am 11.02.2004 und nachfolgendem Krankengeldbezug ab 24.03.2004.
Am 03.03.2004 stellte der Kläger erneut Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente wegen Syringomyelie, HWS- und BWS-Erkrankungen sowie Depressionen. Die Beklagte holte nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten wiederum von Frau Dr.S. ein, die am 15.10.2004 zu dem Ergebnis kam, dass bei dem Kläger eine Neurasthenie mit allmählich zunehmender Entwicklung einer somatoformen Störung vorliege sowie fehlende neurologische Defizite bei bekannter Syrinx ab Unterkante HWK 3 abwärts und operiertem thorakalen Bandscheibenvorfall. Der Kläger sei noch in der Lage, die letzte Tätigkeit als Werkzeugmacher im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten, ebenso Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden und mehr unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Des Weiteren holte die Beklagte ein orthopädisches Gutachten von Frau Dr.B. ein, die am 15.10.2004 zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger trotz der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet noch in der Lage sei, seine Tätigkeit als Werkzeugmacher mehr als 6 Stunden täglich auszuüben, ebenso Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr als 6 Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22.10.2004 den Antrag des Klägers auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente ab. Der hiergegen am 10.11.2004 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.12.2004 zurückgewiesen.
Zur Begründung der hiergegen am 28.01.2005 zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhobenen Klage hat die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, dass lt. Reha-Entlassungsbericht der A. Klinik S. vom 18.03.2005 dokumentiert sei, dass der Kläger an einer schweren Syringomyelie sowie einer somatoformen Schmerzstörung leide. Beide Diagnosen seien als gesichert anerkannt. Ausweislich dieses Reha-Entlassungsberichts könne der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in Form von einfachsten Aufsichtstätigkeiten maximal noch 3 bis unter 6 Stunden verrichten. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte die Rentenberechtigung des Klägers ablehnen könne. Immerhin sei er bereits seit einigen Jahren aufgrund seiner Syringomyelie arbeitsunfähig, sodass keinesfalls von einer nur vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit gesprochen werden könne. Der Kläger habe auch eine Reha-Maßnahme durchgeführt, die keine wesentliche Besserung gebracht habe. Die Ausführungen der Beklagten, im Vordergrund stehe die allgemeine psychische, soziale und berufliche Situation des Klägers (starke Bindung an die Mutter) könne nicht nachvollzogen werden. Festzuhalten sei, dass der Kläger auch an Inkontinenz leide und demnach noch nicht einmal 3 Stunden täglich arbeiten könne.
Im Reha-Entlassungsbericht der A. Klinik S. vom 18.03.2005 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 13.02.2005 bis 05.03.2005 sind als Diagnosen festgehalten:
- Syringomyelie HWK 3 bis BWK 11/12
- somatoforme Schmerzstörung.
Aus dieser Reha-Maßnahme ist der Kläger als arbeitsunfähig entlassen worden sowie mit einem Leistungsbild von unter 3 Stunden für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Werkzeugmacher, für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 3 bis unter 6 Stunden unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Ausgeführt ist, dass aufgrund der starken Schmerzen, die bereits bei leichter körperlicher Belastung aufträten, insbesondere, wenn die Arme gefordert seien, der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur sehr eingeschränkt einsetzbar sei. Einfache Aufsichtstätigkeiten, welche nur teilweise im Gehen und Stehen und überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum Positionswechsel ausgeübt würden, seien aber noch möglich.
Das SG hat nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte zunächst ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr.F. eingeholt, der am 18.01.2006 zu folgenden Diagnosen kam:
1. Syringomyelie
2. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung
3. Asthenische Persönlichkeit
4. Enuresis nocturna und Blasenentleerungsstörung unklarer Genese.
Bei der Untersuchung und Befragung des Klägers hätten sich diagnostisch keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte ergeben. Insbesondere sei bezüglich der kernspintomographisch gesicherten Syringomyelie kein sicher objektivierbares funktionelles Defizit nachweisbar, d.h. keine - prinzipiell mögliche - Kraftminderungen, keine Lähmungserscheinungen und keine Verletzungsfolgen, wie sie bei schweren Sensibilitätsstörungen in typischer Weise vorkommen könnten. Die Syringomyelie habe zu einer Fehlbildung des Hals- und Brustmarks geführt, wobei genetische oder geburtstraumatische Faktoren, möglicherweise auch andere frühere schädigende Einflüsse, die Ausbildung flüssigkeitsgefüllter Hohlräume in den betroffenen Abschnitten bedingt hätten. Empfindungsstörungen und Schmerzen seien für diese Erkrankung sehr typisch, gelegentlich könne es auch zu knöchernen Missbildungen und zu Lähmungserscheinungen kommen. Im Falle des Klägers falle allerdings auf, dass er nach eigenen Angaben entsprechende Schmerzen und Sensibilitätsdefizite erstmals vor 4 Jahren bemerkt habe. Die in den Akten recht gut dokumentierte Krankheitsvorgeschichte weise für die früheren Jahre keine Syringomyelie typische Beschwerdesymptomatik auf. Die vom Kläger beklagten Schmerzen und Sensibilitätsdefizite dürften nur zum kleineren Teil durch die Syringomyelie und psychisch verursacht sein. Hierfür spreche die wenig belastbare, von der Rentengutachterin Dr.S. zu Recht als psychasthenisch bezeichnete Wesensart des Klägers, eine Neigung zu neurotischer Reaktionsbildung, die sich wie ein roter Faden durch die Vorgeschichte ziehe, eine auch jetzt fassbare unfroh-bedrückte Stimmungslage des Klägers und schließlich die Überlegung, dass körperliche Beschwerden fast immer ein Begleiter depressiver Verstimmungen seien. Die Diagnose einer Syringomyelie liefere dem Kläger, der ja anlässlich der neurologischen Rehabilitation über diese Erkrankung eingehend informiert worden sei, gleichsam eine seit langem von ihm gesuchte Erklärung, ein organisches Korrelat für seine vielfältigen, schon seit Jahren dokumentierten, immer wieder wechselnden Beschwerden. Es handele sich dabei wohlgemerkt nicht um Aggravation oder Simulation, sondern um den unbewussten, willentlich nicht bzw. nicht ausreichend steuerbaren Vorgang der Somatisierung. Trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen sei der Kläger noch in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6-stündig zu verrichten. Es müsse sich um leichte Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen, zeitweilig im Stehen und in wechselnder Stellung im Freien wie in geschlossenen Räumen handeln. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie besonderer Zeitdruck, Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Nachtschicht, besondere Verantwortung, besondere Anforderungen an Konzentration und Ausdauer (wegen der kombinierten Auswirkung von Schmerzstörung und asthenischer Persönlichkeit sowie der sich daraus ergebenden besonderen Gefahr einer psychischen Dekompensation und der entsprechenden Belastungen); Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen seien ebenso zu vermeiden wie Tätigkeiten mit besonderer Belastung der Hals- und Brustwirbelsäule wie überwiegendes Stehen, häufiges Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken oder Überkopfarbeit und Arbeiten in Zwanghaltungen. Die Wegefähigkeit des Klägers sei gegeben. Gegenüber den Untersuchungsergebnissen des Rentengutachtens vom 15.10.2004 sei keine wesentliche Änderung eingetreten. Es werde eine stationäre medizinische Rehabilitation in einer neurologisch kompetenten psychosomatischen Fachklinik empfohlen.
Auf Antrag des Klägers hat das SG sodann ein neuro-chirurgisches Gutachten von Dr.K., BW-Krankenhaus U. eingeholt, der am 17.07.2006 zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch unter 3 Stunden täglich verrichten könne. Der Kläger leide unter einer zerviko-thorakale Syringomyelie, Zustand nach OP eines Bandscheibenvorfalls in Höhe BWK 8/9 am 03.09.2004, Zustand nach Meningitis in der Kindheit, neurogene Blasenstörung mit Enuresis nocturna, Depression bei asthenischer Persönlichkeit. Der Kläger könne nur noch unter 3 Stunden täglich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten. Diese zeitliche Einschränkung ergebe sich einerseits aus den progredient für den Patienten extrem einschränkenden Schmerzen, die bei Belastung aufträten. Andererseits sei er aufgrund der Blasenstörung gezwungen, häufig und rasch die Toilette aufzusuchen. Der Kläger könne eine überwiegend leichte Tätigkeit mit wechselnder Stellung in geschlossenen Räumen ausüben, wobei die Möglichkeit eines raschen und regelmäßigen Aufsuchens der Toilette möglich sein müsse. In der Entwicklung seit einem halben Jahr, seit dem Gutachten von Herrn Dr.F., habe die bereits damals bestehende und auch in seinem bisherigen Arbeitsleben oft störende Inkontinenzproblematik zugenommen. Dies sei in den Vorgutachten nicht derartig gewürdigt worden. Aktuell sei es tatsächlich so, dass der Kläger nicht einmal eine Stunde konzentriert an einer Stelle bleiben könne, ohne dass er auf die Toilette müsse. So habe er auch während der körperlichen Untersuchung bei dem Gutachter auf die Toilette gemusst. Blasenstörungen würden bei Syringomyelien, die nicht traumatisch bedingt seien, bei 37 % gesehen und bei posttraumatischen Syringomyelien zu 56 %. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers habe in den letzten Jahren begonnen und habe schrittweise zugenommen. Eine komplette Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehe seit etwa einem halben Jahr. Ob sich daraus eine dauernde Erwerbsminderung einstelle, könne aktuell noch nicht abschließend beurteilt werden.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 18.08.2006 zum Gutachten von Dr.K. Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass die Inkontinenzproblematik des Klägers iS der Enuresis nocturna seit Kindheit bestehe. Eine Auseinandersetzung von Dr.K. mit dem Gutachten von Dr.F. vom 18.01.2006 sei nicht erfolgt, es sei deshalb nicht nachvollziehbar, dass eine komplette Erwerbsminderung des Klägers seit etwa einem halben Jahr angenommen würde. Im Zweifel müsse ein urologisches Gutachten eingeholt werden.
Das SG hat sodann mit Urteil vom 04.10.2006 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2004 verurteilt, den Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung mit dem 23.06.2006 anzuerkennen und ab dem 01.07.2006 die entsprechenden gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Zur Begründung hat das SG auf das Gutachten Dr.K. verwiesen. Dieser halte nur noch eine weniger als 3 Stunden täglich umfassende Tätigkeit mit Einschränkungen für zumutbar. Der Gutachter lege ausreichend dar, dass die nunmehr vorliegende zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers sich einerseits aus den extrem einschränkenden Schmerzen bei Belastung und andererseits aus der Tatsache ergebe, dass der Kläger aufgrund der Blasenstörung gezwungen sei, häufig und rasch die Toilette aufzusuchen. Nach den Ausführungen von Dr.K. habe die Minderung der Erwerbsfähigkeit in den letzten Jahren schrittweise zugenommen. Dies sei für das Gericht ausreichend nachvollziehbar. Bereits im Entlassungsbericht der Klinik S. vom 18.03.2005 sei der Kläger nur noch für fähig erachtet worden, einfache Aufsichtstätigkeiten zwischen 3 und 6 Stunden täglich auszuüben. Auch wenn zwischenzeitlich der ärztliche Sachverständige Dr.F. ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen bescheinigt habe, sei für das Gericht die Beurteilung durch Dr.K. auch aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung ausreichend nachvollziehbar. Zu bedenken sei darüber hinaus, dass allein die Einschränkung, dass der Kläger eine jederzeit erreichbare Toilette benötige, daran zweifeln lasse, ob der Kläger dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt zur Verfügung stehe. Insgesamt halte die Kammer jedenfalls die Beurteilung durch Dr.K. für zutreffend. Gesichert liege dieses eingeschränkte Leistungsvermögen jedenfalls seit der Begutachtung durch Dr.K. am 23.06.2006 vor.
Gegen das Urteil des SG Würzburg vom 04.10.2006 hat die Beklagte am 14.11.2006 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.02.2007 darauf hingewiesen, dass das SG seine Entscheidung in erster Linie auf das Gutachten von Dr.K. gestützt habe. Hinsichtlich der Schmerzsymptomatik stehe dieses Gutachten im Gegensatz zu dem von Amts wegen eingeholten Gutachten von Dr.F ... Dr.K. habe sich mit der Frage der quantitativen Leistungsminderung aufgrund der vom Kläger dargestellten extrem einschränkenden Schmerzen nicht auseinandergesetzt, ebenso wenig mit der Leistungseinschätzung der bereits vorliegenden Gutachten von Dr. F. und Frau Dr. S ... Hinsichtlich der Inkontinenzproblematik könne eine unter 3-stündige Einsatzfähigkeit des Klägers nicht begründet werden. Die tatsächliche Häufigkeit der notwendigen Toilettengänge sowie die Dauer dieser Gänge sei vom SG nicht geklärt worden. Erst wenn betriebsunübliche Pausen vorlägen, könne dies zu einer quantitativen Erwerbsminderung führen. Ferner habe das SG nicht geklärt, ob wirklich eine dauerhafte Erwerbsminderung vorliege, selbst bei unterstellten Annahmen des SG.
Mit gleichem Schriftsatz hat die Beklagte auch Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Urteils des SG gestellt, dem mit Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 01.06.2007 auch stattgegeben wurde (L 19 R 176/07 ER).
Der Senat hat sodann zunächst einen ärztlichen Befundbericht der Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Frau Dr.D. beigezogen, die rezidivierende depressive Störungen, gegenwärtig mittelgradige Episode im Abklingen sowie eine paranoide Persönlichkeitsstörung und Syringomyelie bestätigte. Beim Kläger bestehe eine paranoide Persönlichkeitsstörung mit übertriebener Empfindlichkeit bei Rückschlägen und Zurücksetzung, Neigung zu ständigem Groll auf andere Menschen, mit Schwierigkeiten, Missachtung oder Beleidigung anderer zu verzeihen, der Neigung, Verschwörungen als Hintergründe für erlebte Schwierigkeiten zu sehen und der Neigung, freundliche oder neutrale Haltungen anderer als feindlich oder gegen ihn gerichtet zu deuten. Diese Persönlichkeitsstörung habe sich aufgrund der bereits in der Kindheit bestehenden massiven persönlichen Einschränkungen (Enuresis) und bereits damals eingeschränkten körperlichen Leistungsfähigkeit entwickelt, die in der Primärfamilie zu massiver Entwertung, einer Außenseiterposition und Tabuisierung mit Verhinderung einer schon damals adäquaten Behandlung geführt hätten. Die aktuellen Vorgänge, bei denen ihm trotz nachgewiesener körperlicher Erkrankung (Syringomyelie), die viele Jahre aufgrund der Seltenheit der Diagnose nicht erkannt worden sei, seine Symptomatik mit schneller körperlicher Erschöpfbarkeit und einer massiven Schmerzsymptomatik nicht geglaubt würden, hätten zur erneuten depressiven Episode geführt.
Des Weiteren hat der Senat einen Befundbericht des Hausarztes Dr.H. beigezogen. Dieser bestätigt seit 2001 eine deutliche Verschlechterung des gesamten Zustandes des Klägers. Da die Beschwerden des Klägers sehr komplex gewesen seien und bis 2004 auch eine Vielzahl von Diagnosen gestellt und auch pathologische Befunde erhoben worden seien, aber keine eigentliche Ursache habe gefunden werden können, habe sich auch keine Besserung eingestellt. Erst als über CT- und MRT-Diagnostik wegen des Verdachts auf Bandscheibenvorfälle diese letztlich auch bestätigt worden seien, habe sich sozusagen als "Nebenbefund" auch die Syringomyelie gefunden, die eine Vielzahl der Beschwerden des Klägers erklären könne.
Der Senat hat daraufhin ein urologisches Gutachten von Dr.B. eingeholt, der am 05.03.2008 zu folgenden Diagnosen kam:
1. dissoziierte Empfindungsstörung bei Syringomyelie im Bereich des Hals- sowie Brustwirbelmarks
2. Z.n. operativer Ausräumung eines Bandscheibenvorfalls in Höhe BWK 9/10
3. Z.n. Meningitis im Kindesalter
4. Ausgeprägte Psychasthenie mit Somatisierungstendenz
5. Neurogene Blasenentleerungsstörung mit Enuresis nocturna sowie Dranginkontinenz
Die neurogene Blasenentleerungsstörung des Patienten dürfte für sich gesehen hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Arbeitstätigkeit keine wesentlichen Einschränkungen bedingen, aufgrund der Dranginkontinenz müssten dem Kläger jedoch ein Arbeitsplatz sowie ein Tätigkeitsrahmen eingeräumt werden, der jederzeit das unverzügliche Aufsuchen einer Toilette ermöglichen würde. Dem Kläger seien lediglich leichte Arbeiten zuzumuten, im Stehen, Sitzen, Umhergehen, Bücken, Hocken und Knien. Ein Heben und Tragen schwerer Lasten sollte vermieden werden, ebenso wie das Steigen auf Leitern und Gerüsten. Arbeiten, die besondere Anforderungen an Ausdauer sowie Konzentrationsvermögen stellen würden, seien dem Kläger nicht zumutbar. Exposition gegenüber Kälte und Nässe sollte vermieden werden, ebenso hinsichtlich der psychischen Belastbarkeit des Klägers Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen sowie das Arbeiten unter Zeitdruck sowie in Wechsel- und Nachtschicht. Er sei noch in der Lage, mindestens 3 bis unter 6 Stunden Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Zusätzliche Pausen über diejenigen nach der Arbeitszeitordnung und die ohnehin durch die Art der Arbeit implizierten hinaus würden benötigt dergestalt, dass der Kläger jederzeit in der Lage sein sollte, seine Arbeitstätigkeit zu unterbrechen, um eine Toilette aufzusuchen. Das Zurücklegen des Weges von und zur Arbeit unterliege dahingehend Beschränkungen, dass der Kläger in halbstündlichen bis stündlichen Intervallen in der Lage sein sollte, seine Blase zu entleeren. Der beschriebene Zustand bestehe in jeglicher Hinsicht zumindest seit März 2004.
Zum Gutachten Dr.B. hat die Beklagte unter Übersendung einer ärztlichen Stellungnahme von Dr.H. mit Schriftsatz vom 20.06.2008 Stellung genommen. Dr.B. führe klar aus, dass die "neurogene Blasenentleerungsstörung des Patienten für sich gesehen hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Arbeitstätigkeit keine wesentlichen Einschränkungen bedingen dürfte, aufgrund der Dranginkontinenz des Klägers ihm jedoch ein Arbeitsplatz sowie ein Tätigkeitsrahmen eingeräumt werden müsse, der jederzeit das unverzügliche Aufsuchen einer Toilette ermöglichen" würde. Weshalb der Gutachter dann bei der abschließenden Würdigung zu dem Schluss komme, dass lediglich leichte Arbeiten noch weniger als 6 Stunden möglich seien, sei nicht nachvollziehbar. Auch habe sich der Gutachter Dr.K., dem der Kläger persönlich bekannt sei, wenn überhaupt nur ansatzweise mit der Einschätzung durch Dr.F. auseinandergesetzt. Ob es tatsächlich zu einer wesentlichen Befundverschlechterung gegenüber dem Gutachten Dr.F. gekommen sei, könne wohl nur nach Einholung eines weiteren nervenärztlichen Gutachtens beurteilt werden.
Der Senat hat sodann ein nervenärztliches Gutachten von Dr.H. eingeholt, der am 10.04.2009 zu folgenden Diagnosen gelangt ist:
1. Neurasthenie
2. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung
3. Syringomyelie
4. Enuresis, Blasenentleerungsstörung unklarer Ursache
Der Kläger sei unter Berücksichtigung seiner Gesundheitsstörungen in der Lage, eine mindestens 6-stündige Tätigkeit auszuüben, leichte bis mittlere Arbeiten könnten im Stehen, Sitzen und in wechselnder Stellung durchgeführt werden. Wegen der Blasenstörungen seien Wechsel- und Nachtschicht sowie Akkord-, Fließbandarbeit und Arbeit an laufenden Maschinen zu vermeiden, ebenso Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr, Tätigkeiten mit starken Temperaturschwankungen sowie unter Einflüssen von Kälte, Hitze und Zugluft. Eine Toilette sollte im üblichen Zeitrahmen erreichbar sein. Gegenüber den Vorgutachten von Frau Dr.S. und Herrn Dr.F. habe sich keine Änderung ergeben. Quantitativ habe sich keine Minderung der Erwerbsfähigkeit erkennen lassen, sie bestehe mit Wahrscheinlichkeit seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit und die qualitative Minderung sei auf Dauer vorhanden. Die Wegefähigkeit des Klägers sei gegeben. Der Sachverständige Dr.H. konstatiert, dass bei der neurologischen Untersuchung kein krankhafter Befund habe festgestellt werden können. Hinsichtlich des psychiatrischen Befundes sei festzuhalten, dass der Kläger das Anamnesegespräch im Umfang von 75 Minuten hochkonzentriert durchgehalten habe. Er sei sehr beschwerdefixiert. Antrieb und Psychomotorik seien unauffällig. Der Kläger sei in seinem Familienverbund eingegliedert und habe in der nächsten Umgebung Kontakte, er schildere betont glücklich und selbstzufrieden seine Verbundenheit mit und in der Natur. Ab und zu habe er seine Müdigkeit und seine Abgeschlagenheit betont, ohne jedoch diese zu konkretisieren. Sein Alltagsverlauf und seine Alltagsstrukturierung seien umfangreich, nur teilweise anhedon. Einen konkreten Zusammenhang zwischen körperlicher Schwäche und Erschöpfung nach nur geringer Anstrengung könne er nicht angeben. Nur streckenweise komme es bei ihm, nach seinen Angaben, zu gedrückter Stimmung und Freudlosigkeit. Eine wesentliche Aktivitätseinschränkung im Alltag sei nicht zu erkennen, ebenso wenig werde über ein Morgentief berichtet oder über Suizidgedanken. Der Enuresis messe er keine wesentliche Bedeutung zu. Über quälende Schlaflosigkeit werde nicht berichtet, ebenso wenig über verminderten Appetit. Er betone seine Autonomie, sich durch das Kochen selbst zu versorgen. Er sei in der Lage, auf die freundliche Umgebung der Geschwister und deren Bemühungen emotional adäquat zu reagieren. Beim Kläger lägen unzweifelhaft eine Neurasthenie sowie eine somatoforme Schmerzstörung vor.
Durch den jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde mit Schriftsatz vom 03.03.2010 eine "Stellungnahme zur gesundheitlichen Situation und Erwerbsfähigkeit des Klägers" von Dr.E. vorgelegt, der darin verschiedene kritische Anmerkungen zum Gutachten Dr.H. machte. Aus seiner Sicht sei der Kläger tragischerweise durch seine Lebensgeschichte, möglicherweise auch durch gewisse genetische Belastungen in eine psychosoziale Sackgasse hineingeraten, in der er schon über Jahre psychische und psychosomatische Symptome entwickelt habe. Möglicherweise habe zu den körperlichen Beschwerden auch die Syringomyelie beigetragen. Es sei nicht sinnvoll, hier psychische und somatische Ursachen unterschiedlich zu gewichten oder gegen einander auszuspielen, sondern es sei die gesamte Persönlichkeit des Klägers zu würdigen und ihre subjektive Symptomatik und Notlage anzuerkennen. In diesem Fall stelle das subjektive Erleben des Patienten den glaubhaft limitierenden Faktor für seine Leistungsfähigkeit dar.
Mit Schriftsatz vom 20.08.2010 wurde ein Bericht über eine stationäre Untersuchung des Klägers im BW-Krankenhaus U. in der Zeit vom 02.08. bis 03.08.2010 vorgelegt. Hier wurde ein unauffälliger Hirnnervenstatus festgestellt. Der Kläger habe eine Thermhypästhesie und eine Hypästhesie im Bereich der oberen und unteren Extremitäten angegeben. Die muskeleigenen Reflexe seien seitengleich mittellebhaft auslösbar gewesen, pathologische Reflexe hätten sich nicht gefunden. Paresen hätten sich nicht abgrenzen lassen, der Patient habe insgesamt eine kräftige Muskulatur, es hätten sich keine Atrophien gefunden. Gang- und Standversuche seien unauffällig gewesen. In der MRT-Untersuchung habe sich eine größenstabile, nahezu das gesamte Myelon betreffende, im Verlauf im Kaliber schwankende Syringomyelie in Höhe HWK 2 bis Höhe BWK 11 gefunden. Bei stabilem Bildbefund würde aktuell keine Operationsindikation bestehen. Es werde empfohlen, die krankengymnastische Therapie und ggf. craniosakrale Therapie fortzusetzen.
Der Senat hat nochmals Anschlussbefunde von Dr.D. und Dr.E. seit Januar 2010 eingeholt. Dr.D. teilte mit, dass keine weitere Behandlung stattgefunden hatte. Dr.E. hat im Befundbericht vom 08.09.2010 darauf hingewiesen, dass der Kläger bereits von Juni 1995 bis Okt. 1997 bei ihm in Psychotherapie gewesen sei. Der jahrelange Kampf um die Anerkennung der krankheitsbedingten Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit habe den Kläger schon ganz zermürbt. Er verstehe nicht, warum es ihm so schwer gemacht werde, bei seiner bekannten Erkrankung eine Erwerbsminderungsrente zugesprochen zu bekommen, zumal fast alle, mit denen er aus dem Selbsthilfeverband Kontakt habe und die oft jünger als er seien, bereits eine Erwerbsminderungsrente bezögen. Er fühle sich deshalb manchmal psychisch am Boden, auch habe er schon an Suizid gedacht, fühle sich aber durch seine inzwischen 83-jährige Mutter, bei der er lebe, unterstützt und auch motiviert, weiterzuleben. Das inhaltliche Denken des Klägers sei sehr auf seine neurologische Diagnose fixiert, sonst keine Hinweis auf inhaltliche oder formale Denkstörungen. Während des diesjährigen Behandlungszeitraumes habe eher eine Tendenz zur Verschlechterung bestanden, die neurologische Symptomatik scheine allmählich zuzunehmen. Es bestünden keine neuen Leiden und auch kein Wegfall von alten. Die ambulante Behandlung habe lediglich stützende und begleitende Funktion. Eine wenigstens psychische Beruhigung erhoffe sich der Kläger durch die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der Senat hat daraufhin nochmals eine ergänzende Stellungnahme von Dr.H. zu den beigezogenen ärztlichen Befundberichten eingeholt, der am 07.01.2011 bei seiner bisherigen Einschätzung verblieben ist. Eine quantitative Leistungsminderung des Klägers aus neurologisch-psychiatrischer Sicht lasse sich nicht begründen.
Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 22.03.2011 wurde auf Antrag des Klägers ein neuro-chirurgisches Gutachten von Dr.L. eingeholt, der am 12.10.2011 zu folgenden Diagnosen gelangt:
1. Syringomyelie
2. Z.n. thorakaler Bandscheibenoperation 2004 ohne Komplikationen
3. Enuresis nocturna
4. Asthenische Persönlichkeit (wie in dem Gutachten durch Dr.F. vom 18.01.2006 ausgeführt).
Dem Kläger sei unter Berücksichtigung dieser gesundheitlichen Störungen noch eine mindestens 6-stündige Tätigkeit unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zuzumuten. Es könnten leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, zeitweilig im Stehen in wechselnder Stellung im Freien wie in geschlossenen Räumen durchgeführt werden. Aufgrund des Untersuchungsbefundes könnten keine Hinweise für außergewöhnliche Pausen oder außergewöhnliche Arbeitszeitgestaltung gefunden werden. Die Konzentrations-, Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers sei gegeben. Gegenüber dem Untersuchungsergebnis des Rentengutachtens vom 15.10.2004 sei keine wesentliche Änderung eingetreten. Die durch das BW-Krankenhaus - Neurochirurgie - in U. durch Dr.K. getroffene Einschätzung sei angesichts der Untersuchungsbefunde nicht nachvollziehbar. Es finde derzeit auch keinerlei Schmerzmedikation statt. Ebenso werde hier angegeben, dass die Möglichkeit eines raschen und regelmäßigen Aufsuchens der Toilette möglich sein müsse, auch hier seien aber andere Lösungen denkbar. Im Gegensatz zu der Äußerung in diesem Gutachten (Dr.K.) habe der Kläger bei ihm angegeben, dass die Inkontinenzproblematik nicht zugenommen habe. Angesichts der Aussage des Klägers, dass die Inkontinenzproblematik seit dem 10. Lebensjahr konstant sei und er damit eine Ausbildung abgeschlossen habe, erschienen die Aussagen in dem Gutachten aus der Neurochirurgie nicht nachvollziehbar. Syringomyelie gehe häufig mit stark fortschreitenden massiv beeinträchtigenden Symptomen einher. Zu den typischen Symptomen gehöre neuropathischer Schmerz, Muskelatrophie, Verlust von Schmerz- und Temperaturempfindung und schließlich Bewegungsunfähigkeit der Extremitäten mit Rollstuhlpflichtigkeit. Hinweise für einen solchen Verlauf beim Kläger ergäben sich weder aus Befund und Anamneseerhebung noch aus den radiologischen Befunden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.10.2006 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 22.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2004 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.10.2006 zurückzuweisen, hilfsweise wie im Schriftsatz vom 15.04.2011 beantragt den Sachverständigen Dr. B. mündlich zu seinem erstellten Gutachten einzuvernehmen, hilfsweise das Gutachten schriftlich erläutern zu lassen sowie Dr. E. als sachverständigen Zeugen zu laden, hilfsweise ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. S. auf psychiatrischem Fachgebiet einzuholen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Akten des Verfahrens L 19 R 176/07 ER verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Sie ist auch begründet, da das SG Würzburg dem Kläger zu Unrecht eine volle Erwerbsminderungsrente ab dem 01.07.2006 zuerkannt hat. Der Kläger ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Gemäß § 43 Abs 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbei-
träge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens
6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43
Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Zur Überzeugung des Senates steht fest, dass der Kläger zwar unter gesundheitlichen Einschränkungen leidet, in erster Linie der diagnostizierten Syringomyelie sowie einer psychosomatischen Schmerzstörung mit Neurasthenie. Gleichwohl ist der Kläger mit diesen Erkrankungen in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten, wenn auch unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen. Zu vermeiden sind Tätigkeiten mit Zwangshaltungen, das Heben und Tragen mittelschwerer oder schwerer Lasten, Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie besonderer Zeitdruck, Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Nachtschicht, besondere Verantwortung, besondere Anforderungen an Konzentration und Ausdauer, Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen sowie Tätigkeiten mit besonderer Belastung der Hals- und Brustwirbelsäule.
Der Senat stützt dabei seine Überzeugung auf die im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr.H. vom 10.04.2009 und von Dr.L. vom 12.10.2011 sowie auf das im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten von Dr.F. vom 18.01.2006. Die Gutachter kommen bei vergleichbarer Diagnosestellung übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens des Klägers noch nicht besteht und dass dieser Zustand seit der nervenärztlichen Begutachtung durch Frau Dr. S. am 15.10.2004 im Wesentlichen unverändert ist.
Dr.H. wie auch die Gutachter Frau Dr.S., Frau Dr.B. und Dr.F. kommen zu dem Ergebnis, dass die im Jahre 2004 diagnostizierte Erkrankung Syringomyelie, unter der der Kläger ohne Zweifel leidet, bislang zu keinerlei funktionellen Ausfällen geführt hat, die die Erwerbsfähigkeit des Klägers für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in quantitativer Hinsicht einschränken würden. Zu dem gleichen Ergebnis ist der nach § 109 SGG auf Antrag des Klägers beauftragte Sachverständige Dr.L. gekommen. Dieser führt nach Sichtung umfangreichen Bildmaterials und Untersuchung des Klägers aus, dass neurologische Ausfälle des Klägers nicht vorhanden seien. Der Kläger sei muskulös, die Muskeleigenreflexe seitengleich. Blind- und Seiltänzergang würden sicher demonstriert, der Unterberger-Tretversuch sei regelrecht. Bei der Untersuchung der Sensibilität hätten sich inkonsistente wechselnde Ausfälle bei mehrmaliger Untersuchung ergeben. Eine regelmäßige Schmerztherapie finde nicht statt (einmalige Anwendung eines Schmerzpflasters, bei Bedarf Ibuprofen). Der Befund der Syringomyelie sei seit 2004 konstant und nicht größenprogredient. Angesicht der Untersuchungsergebnisse kommt der Sachverständige Dr.L. zu dem Ergebnis, dass die Leistungseinschätzung von Dr. K. im Gutachten vom 17.07.2006 nicht nachvollziehbar sei.
Auch Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 10.04.2009 bereits auf widersprüchliche neurologische Untersuchungsbefunde des BW-Krankenhauses U. in den Befundberichten aus 2004 und 2009 hingewiesen und auf Widersprüchlichkeiten im Gutachten von Dr. K ... Es sei weder eine entsprechend intensive Schmerzmedikation noch psychopharmakologische Medikation dokumentiert noch eine entsprechend konsequente Psychotherapie, obwohl der Kläger massive Schmerzzustände bereits bei geringer körperlicher Belastung sowie massive psychische Einschränkungen geltend mache.
Auch die Einschränkungen infolge der neurogenen Blasenentleerungsstörung, die in den Gutachten von Dr. K. und Dr. B. abgeleitet werden, sind nach Überzeugung des Senats nicht nachvollziehbar. Hierauf weisen sowohl Dr.H. und Dr.L. als auch Dr.H. in seiner Stellungnahme vom 20.06.2008 hin. Der urologische Sachverständige Dr.B. kommt zu dem Ergebnis, dass eine neurogene Blasenstörung vorliegt, und zwar eine Enuresis nocturna sowie eine Dranginkontinenz. Die neurogene Störung als solche führt nach Dr.B. nicht zu einer quantitativen Leistungseinschränkung auf unter 6 Stunden täglich. Jedoch leitet der Sachverständige aus dem Umstand, dass der Kläger wegen der Dranginkontinenz in kurzer Zeit eine Toilette aufsuchen können müsse, eine quantitative Leistungsminderung auf 3 bis unter 6 Stunden täglich ab. Eine vergleichbare Einschränkung hatte bereits der Neurologe Dr.K. in seinem Gutachten mit dem Hinweis gesehen, dass die Inkontinenzproblematik sich seit Antragstellung und auch gegenüber der Begutachtung durch Dr.F. verschlimmert habe und bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Dieser Einschätzung folgt der Senat jedoch nicht: Sowohl Dr.H. als auch Dr.L. führen aus, dass nach den eigenen Angaben des Klägers in der Anamneseerhebung keine wesentliche Verschlechterung der Inkontinenzproblematik geltend gemacht wurde. Dr.H. weist - ebenso wie Dr.H. und Dr.L. - zutreffend darauf hin, dass die Inkontinenzproblematik beim Kläger seit etwa dem 10. Lebensjahr besteht und er mit dieser Erkrankung in der Lage gewesen ist, eine Berufsausbildung erfolgreich zu absolvieren und auch vollschichtig viele Jahre in diesem Beruf ohne Probleme tätig zu sein. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die vom Kläger benötigten Pausen für den Toilettengang eine ungewöhnlich lange Zeitdauer beanspruchen würden, erst dann könnte gegebenenfalls eine quantitative Leistungsminderung angenommen werden. Der möglichst raschen und unkomplizierten Erreichbarkeit einer Toilette kann im Rahmen der in den Gutachten aufgelisteten qualitativen Einschränkungen Rechnung getragen werden.
Im Hinblick auf die unstreitig vorliegende Neurasthenie und somatoforme Schmerzstörung, die sicherlich auch organische Ursachen hatte, weisen sowohl Dr.H. als auch Dr.L. in ihren Gutachten darauf hin, dass eine entsprechende Behandlung des Klägers weder in der Vergangenheit noch aktuell stattfindet. Die Behandlung bei Frau Dr.D. wurde beendet. Psychopharmaka nahm der Kläger bislang nicht ein. Die letzte stationäre Reha-Maßnahme des Klägers war im Jahr 2005 in der A.-Klinik S., bei der es sich um eine neurologische, orthopädische Maßnahme gehandelt hat. Dr.F. hat ebenso wie Dr.H. eine stationäre medizinische Reha-Maßnahme in einer speziellen psychosomatischen Klinik für sinnvoll erachtet. Dies hat der Kläger bislang jedoch abgelehnt, was wiederum in dem aktuell vorgelegten Behandlungsbericht der Neurologischen Klinik D-Stadt vom 16.01.2012 erneut bestätigt wird. Ein entsprechend hoher Leidensdruck beim Kläger kann daraus wohl nicht abgeleitet werden. Solange zumutbare Behandlungsmöglichkeiten auf psychischem bzw. psychiatrischem Gebiet noch nicht versucht bzw. noch nicht ausgeschöpft wurden und noch ein entsprechend erfolgversprechendes Behandlungspotential besteht, kann nach ständiger Rechtsprechung des BSG und des Senats eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung nicht auf diese psychische Erkrankung gestützt werden (vgl. BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89; BSG Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 31/05 R - jeweils veröffentlicht bei juris; Urteile des Bayer. Landessozialgerichts vom 12.10.2011 - L 19 R 738/08, Urteil vom 30.11.2011 - L 20 R 229/08, Urteil vom 18.01.2012 - L 20 R 979/09). Auch die in den Gutachten festgehaltenen Schilderungen des Tagesablaufs des Klägers und seiner Interessen sprechen noch nicht für eine dauerhafte und nachhaltige Störung seiner psychischen Fähigkeiten. Zwar wird jetzt in dem Bericht der Klinik D-Stadt vom 16.01.2012 psychopathologisch eine depressive Stimmungslage mit vermindertem Antrieb und formalgedanklicher Verlangsamung beschrieben, die nach komplexer Medikamentenanamnese jetzt zur Verordnung der antidepressiven Medikation mit Venlafaxin geführt hat, die im weiteren Verlauf dosisadaptiert werden sollte. Daraus kann aber noch kein weiterer Rückschluss auf einen künftigen Rentenanspruch des Klägers abgeleitet werden. Für den bisher streitgegenständlichen Zeitraum kann ein Rentenanspruch daraus jedenfalls nicht begründet werden. Empfohlen wurde seitens der Klinik auch die bereits angesprochene stationäre medizinische Rehabilitation in einer speziellen psychosomatischen Klinik und im Falle einer Symptomexacerbation der psychischen Erkrankung eine stationäre psychiatrische Behandlung, so dass weitere Behandlungsoptionen bestehen.
Nach alledem ist nach Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass der Kläger nach wie vor seit Rentenantragstellung bis aktuell in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Eine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI liegt somit nicht vor.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI kommt vorliegend nicht in Betracht, da der Kläger erst 1966 geboren ist.
Den Anträgen auf Ladung von Dr.B. und Dr.E. zur mündlichen Verhandlung war nicht zu folgen. Das urologische Gutachten von Dr.B. ist vollständig in den Akten vorhanden, wurde den Beteiligten auch zur Kenntnis übersandt. Es ist allgemein verständlich abgefasst und frei von Widersprüchlichkeiten. Welche Fragenkomplexe der Sachverständige Dr.B. konkret in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf sein Gutachten hätte erläutern sollen, wurde vom Prozessbevollmächtigten des Klägers jedoch weder schriftsätzlich noch in den durchgeführten Erörterungsterminen vom 22.03.2011 und 29.11.2011 oder im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 15.02.2012 präzisiert. Die Fragen an den Sachverständigen müssen auch sachdienlich sein (§ 116 S 2 SGG; BSG Urteil vom 12.04.2000 - B 9 VS 2/99 R - veröffentlicht bei juris). Zur Beurteilung der Sachdienlichkeit müssen zumindest die erläuterungswürdigen Punkte genau bezeichnet werden (BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 60/07 B - veröffentlicht bei juris). Gleiches gilt für den Antrag auf Ladung des behandelnden Arztes Dr. E. als sachverständigen Zeugen. Die Berichte von Dr. E. lagen dem Senat vor, wurden den Beteiligten auch rechtzeitig zur Kenntnis gegeben. Konkrete Fragen an den Zeugen zu seinen Befundberichten wurden vom Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht benannt. Die Wertung dieser Befunde - wie auch der im Verfahren eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten - obliegt jedoch dem Senat. Allein der Umstand, dass sich ärztliche Befundberichte und Gutachten (zumindest teilweise) widersprechen, begründet noch keine Notwendigkeit auf Anhörung eines Arztes oder Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung.
Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG auf psychiatrischem Fachgebiet beantragt hat, musste der Senat diesem Antrag nicht nachkommen, da sich hierdurch lediglich das Verfahren weiter verzögert hätte (§ 109 Abs 2 SGG). Es wurden im Verfahren bereits mehrere Gutachten auf nervenärztlichem bzw. neurologisch/ psychiatrischem Fachgebiet von Amts wegen und auf Antrag des Klägers (Gutachten Dr. K.) eingeholt. Hinweise auf die Notwendigkeit einer weiteren neurologisch/psychiatrischen Begutachtung haben sich weder aus den beigezogenen Befundberichten noch im Gutachten von Dr.L. ergeben und konnten auch vom Prozessbevollmächtigten des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht spezifiziert werden. Allein die Bezugnahme auf den aktuellen Befundbericht der Klinik D-Stadt vom 16.01.2012 ist hierfür nicht ausreichend. Einem wiederholten Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG - zumal im gleichen Fachgebiet, das bereits Gegenstand eines Gutachtens nach § 109 SGG gewesen ist - ist grundsätzlich nur bei Geltendmachung besonderer Umstände zu folgen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 109 Rdnr. 10 b und 11 b m.w.N.). Derartige besondere Umstände wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
Nach alledem war der Berufung der Beklagten zu entsprechen, das Urteil des SG Würzburg vom 04.10.2006 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 22.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.12.2004 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger aufgrund seines Rentenantrags vom 03.03.2004 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren ist.
Der 1966 geborene Kläger hat von 1982 bis 1984 eine Lehre als Werkzeugmacher absolviert und war anschließend in diesem Beruf auch versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 01.11.2001 war der Kläger arbeitsunfähig, seit dem 01.06.2002 bezog er Leistungen der Arbeitsagentur. Gegenwärtig steht der Kläger im Bezug von Arbeitslosengeld II.
Am 24.07.2003 stellte der Kläger erstmals einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung wegen Fibromyalgie, schwerem HWS-BWS-LWS-Syndrom sowie psycho-vegetativem Syndrom. Diese gesundheitlichen Einschränkungen bestünden seit 01.11.2001. Dieser Rentenantrag wurde mit Bescheid der Beklagten vom 23.09.2003 nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Frau Dr.S. vom 18.09.2003 sowie eines orthopädischen Gutachtens von Frau Dr.B. vom 19.08.2003 abgelehnt. Beide Gutachterinnen sahen den Kläger noch in der Lage, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Werkzeugmacher mehr als 6 Stunden täglich auszuüben, ebenso mehr als 6 Stunden täglich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Der hiergegen mit Schriftsatz vom 09.10.2003 eingelegte Widerspruch wurde durch den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers nach Sichtung der eingeholten Gutachten zurückgenommen.
Ab 01.10.2003 nahm der Kläger wiederum eine versicherungspflichtige Tätigkeit als Werkzeugmacher in Vollzeit auf bis zum Eintritt einer erneuten Arbeitsunfähigkeit am 11.02.2004 und nachfolgendem Krankengeldbezug ab 24.03.2004.
Am 03.03.2004 stellte der Kläger erneut Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente wegen Syringomyelie, HWS- und BWS-Erkrankungen sowie Depressionen. Die Beklagte holte nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten wiederum von Frau Dr.S. ein, die am 15.10.2004 zu dem Ergebnis kam, dass bei dem Kläger eine Neurasthenie mit allmählich zunehmender Entwicklung einer somatoformen Störung vorliege sowie fehlende neurologische Defizite bei bekannter Syrinx ab Unterkante HWK 3 abwärts und operiertem thorakalen Bandscheibenvorfall. Der Kläger sei noch in der Lage, die letzte Tätigkeit als Werkzeugmacher im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten, ebenso Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden und mehr unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Des Weiteren holte die Beklagte ein orthopädisches Gutachten von Frau Dr.B. ein, die am 15.10.2004 zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger trotz der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet noch in der Lage sei, seine Tätigkeit als Werkzeugmacher mehr als 6 Stunden täglich auszuüben, ebenso Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr als 6 Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22.10.2004 den Antrag des Klägers auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente ab. Der hiergegen am 10.11.2004 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.12.2004 zurückgewiesen.
Zur Begründung der hiergegen am 28.01.2005 zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhobenen Klage hat die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, dass lt. Reha-Entlassungsbericht der A. Klinik S. vom 18.03.2005 dokumentiert sei, dass der Kläger an einer schweren Syringomyelie sowie einer somatoformen Schmerzstörung leide. Beide Diagnosen seien als gesichert anerkannt. Ausweislich dieses Reha-Entlassungsberichts könne der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in Form von einfachsten Aufsichtstätigkeiten maximal noch 3 bis unter 6 Stunden verrichten. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte die Rentenberechtigung des Klägers ablehnen könne. Immerhin sei er bereits seit einigen Jahren aufgrund seiner Syringomyelie arbeitsunfähig, sodass keinesfalls von einer nur vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit gesprochen werden könne. Der Kläger habe auch eine Reha-Maßnahme durchgeführt, die keine wesentliche Besserung gebracht habe. Die Ausführungen der Beklagten, im Vordergrund stehe die allgemeine psychische, soziale und berufliche Situation des Klägers (starke Bindung an die Mutter) könne nicht nachvollzogen werden. Festzuhalten sei, dass der Kläger auch an Inkontinenz leide und demnach noch nicht einmal 3 Stunden täglich arbeiten könne.
Im Reha-Entlassungsbericht der A. Klinik S. vom 18.03.2005 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 13.02.2005 bis 05.03.2005 sind als Diagnosen festgehalten:
- Syringomyelie HWK 3 bis BWK 11/12
- somatoforme Schmerzstörung.
Aus dieser Reha-Maßnahme ist der Kläger als arbeitsunfähig entlassen worden sowie mit einem Leistungsbild von unter 3 Stunden für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Werkzeugmacher, für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 3 bis unter 6 Stunden unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Ausgeführt ist, dass aufgrund der starken Schmerzen, die bereits bei leichter körperlicher Belastung aufträten, insbesondere, wenn die Arme gefordert seien, der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur sehr eingeschränkt einsetzbar sei. Einfache Aufsichtstätigkeiten, welche nur teilweise im Gehen und Stehen und überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum Positionswechsel ausgeübt würden, seien aber noch möglich.
Das SG hat nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte zunächst ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr.F. eingeholt, der am 18.01.2006 zu folgenden Diagnosen kam:
1. Syringomyelie
2. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung
3. Asthenische Persönlichkeit
4. Enuresis nocturna und Blasenentleerungsstörung unklarer Genese.
Bei der Untersuchung und Befragung des Klägers hätten sich diagnostisch keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte ergeben. Insbesondere sei bezüglich der kernspintomographisch gesicherten Syringomyelie kein sicher objektivierbares funktionelles Defizit nachweisbar, d.h. keine - prinzipiell mögliche - Kraftminderungen, keine Lähmungserscheinungen und keine Verletzungsfolgen, wie sie bei schweren Sensibilitätsstörungen in typischer Weise vorkommen könnten. Die Syringomyelie habe zu einer Fehlbildung des Hals- und Brustmarks geführt, wobei genetische oder geburtstraumatische Faktoren, möglicherweise auch andere frühere schädigende Einflüsse, die Ausbildung flüssigkeitsgefüllter Hohlräume in den betroffenen Abschnitten bedingt hätten. Empfindungsstörungen und Schmerzen seien für diese Erkrankung sehr typisch, gelegentlich könne es auch zu knöchernen Missbildungen und zu Lähmungserscheinungen kommen. Im Falle des Klägers falle allerdings auf, dass er nach eigenen Angaben entsprechende Schmerzen und Sensibilitätsdefizite erstmals vor 4 Jahren bemerkt habe. Die in den Akten recht gut dokumentierte Krankheitsvorgeschichte weise für die früheren Jahre keine Syringomyelie typische Beschwerdesymptomatik auf. Die vom Kläger beklagten Schmerzen und Sensibilitätsdefizite dürften nur zum kleineren Teil durch die Syringomyelie und psychisch verursacht sein. Hierfür spreche die wenig belastbare, von der Rentengutachterin Dr.S. zu Recht als psychasthenisch bezeichnete Wesensart des Klägers, eine Neigung zu neurotischer Reaktionsbildung, die sich wie ein roter Faden durch die Vorgeschichte ziehe, eine auch jetzt fassbare unfroh-bedrückte Stimmungslage des Klägers und schließlich die Überlegung, dass körperliche Beschwerden fast immer ein Begleiter depressiver Verstimmungen seien. Die Diagnose einer Syringomyelie liefere dem Kläger, der ja anlässlich der neurologischen Rehabilitation über diese Erkrankung eingehend informiert worden sei, gleichsam eine seit langem von ihm gesuchte Erklärung, ein organisches Korrelat für seine vielfältigen, schon seit Jahren dokumentierten, immer wieder wechselnden Beschwerden. Es handele sich dabei wohlgemerkt nicht um Aggravation oder Simulation, sondern um den unbewussten, willentlich nicht bzw. nicht ausreichend steuerbaren Vorgang der Somatisierung. Trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen sei der Kläger noch in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6-stündig zu verrichten. Es müsse sich um leichte Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen, zeitweilig im Stehen und in wechselnder Stellung im Freien wie in geschlossenen Räumen handeln. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie besonderer Zeitdruck, Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Nachtschicht, besondere Verantwortung, besondere Anforderungen an Konzentration und Ausdauer (wegen der kombinierten Auswirkung von Schmerzstörung und asthenischer Persönlichkeit sowie der sich daraus ergebenden besonderen Gefahr einer psychischen Dekompensation und der entsprechenden Belastungen); Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen seien ebenso zu vermeiden wie Tätigkeiten mit besonderer Belastung der Hals- und Brustwirbelsäule wie überwiegendes Stehen, häufiges Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken oder Überkopfarbeit und Arbeiten in Zwanghaltungen. Die Wegefähigkeit des Klägers sei gegeben. Gegenüber den Untersuchungsergebnissen des Rentengutachtens vom 15.10.2004 sei keine wesentliche Änderung eingetreten. Es werde eine stationäre medizinische Rehabilitation in einer neurologisch kompetenten psychosomatischen Fachklinik empfohlen.
Auf Antrag des Klägers hat das SG sodann ein neuro-chirurgisches Gutachten von Dr.K., BW-Krankenhaus U. eingeholt, der am 17.07.2006 zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch unter 3 Stunden täglich verrichten könne. Der Kläger leide unter einer zerviko-thorakale Syringomyelie, Zustand nach OP eines Bandscheibenvorfalls in Höhe BWK 8/9 am 03.09.2004, Zustand nach Meningitis in der Kindheit, neurogene Blasenstörung mit Enuresis nocturna, Depression bei asthenischer Persönlichkeit. Der Kläger könne nur noch unter 3 Stunden täglich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten. Diese zeitliche Einschränkung ergebe sich einerseits aus den progredient für den Patienten extrem einschränkenden Schmerzen, die bei Belastung aufträten. Andererseits sei er aufgrund der Blasenstörung gezwungen, häufig und rasch die Toilette aufzusuchen. Der Kläger könne eine überwiegend leichte Tätigkeit mit wechselnder Stellung in geschlossenen Räumen ausüben, wobei die Möglichkeit eines raschen und regelmäßigen Aufsuchens der Toilette möglich sein müsse. In der Entwicklung seit einem halben Jahr, seit dem Gutachten von Herrn Dr.F., habe die bereits damals bestehende und auch in seinem bisherigen Arbeitsleben oft störende Inkontinenzproblematik zugenommen. Dies sei in den Vorgutachten nicht derartig gewürdigt worden. Aktuell sei es tatsächlich so, dass der Kläger nicht einmal eine Stunde konzentriert an einer Stelle bleiben könne, ohne dass er auf die Toilette müsse. So habe er auch während der körperlichen Untersuchung bei dem Gutachter auf die Toilette gemusst. Blasenstörungen würden bei Syringomyelien, die nicht traumatisch bedingt seien, bei 37 % gesehen und bei posttraumatischen Syringomyelien zu 56 %. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers habe in den letzten Jahren begonnen und habe schrittweise zugenommen. Eine komplette Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehe seit etwa einem halben Jahr. Ob sich daraus eine dauernde Erwerbsminderung einstelle, könne aktuell noch nicht abschließend beurteilt werden.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 18.08.2006 zum Gutachten von Dr.K. Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass die Inkontinenzproblematik des Klägers iS der Enuresis nocturna seit Kindheit bestehe. Eine Auseinandersetzung von Dr.K. mit dem Gutachten von Dr.F. vom 18.01.2006 sei nicht erfolgt, es sei deshalb nicht nachvollziehbar, dass eine komplette Erwerbsminderung des Klägers seit etwa einem halben Jahr angenommen würde. Im Zweifel müsse ein urologisches Gutachten eingeholt werden.
Das SG hat sodann mit Urteil vom 04.10.2006 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2004 verurteilt, den Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung mit dem 23.06.2006 anzuerkennen und ab dem 01.07.2006 die entsprechenden gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Zur Begründung hat das SG auf das Gutachten Dr.K. verwiesen. Dieser halte nur noch eine weniger als 3 Stunden täglich umfassende Tätigkeit mit Einschränkungen für zumutbar. Der Gutachter lege ausreichend dar, dass die nunmehr vorliegende zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers sich einerseits aus den extrem einschränkenden Schmerzen bei Belastung und andererseits aus der Tatsache ergebe, dass der Kläger aufgrund der Blasenstörung gezwungen sei, häufig und rasch die Toilette aufzusuchen. Nach den Ausführungen von Dr.K. habe die Minderung der Erwerbsfähigkeit in den letzten Jahren schrittweise zugenommen. Dies sei für das Gericht ausreichend nachvollziehbar. Bereits im Entlassungsbericht der Klinik S. vom 18.03.2005 sei der Kläger nur noch für fähig erachtet worden, einfache Aufsichtstätigkeiten zwischen 3 und 6 Stunden täglich auszuüben. Auch wenn zwischenzeitlich der ärztliche Sachverständige Dr.F. ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen bescheinigt habe, sei für das Gericht die Beurteilung durch Dr.K. auch aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung ausreichend nachvollziehbar. Zu bedenken sei darüber hinaus, dass allein die Einschränkung, dass der Kläger eine jederzeit erreichbare Toilette benötige, daran zweifeln lasse, ob der Kläger dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt zur Verfügung stehe. Insgesamt halte die Kammer jedenfalls die Beurteilung durch Dr.K. für zutreffend. Gesichert liege dieses eingeschränkte Leistungsvermögen jedenfalls seit der Begutachtung durch Dr.K. am 23.06.2006 vor.
Gegen das Urteil des SG Würzburg vom 04.10.2006 hat die Beklagte am 14.11.2006 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.02.2007 darauf hingewiesen, dass das SG seine Entscheidung in erster Linie auf das Gutachten von Dr.K. gestützt habe. Hinsichtlich der Schmerzsymptomatik stehe dieses Gutachten im Gegensatz zu dem von Amts wegen eingeholten Gutachten von Dr.F ... Dr.K. habe sich mit der Frage der quantitativen Leistungsminderung aufgrund der vom Kläger dargestellten extrem einschränkenden Schmerzen nicht auseinandergesetzt, ebenso wenig mit der Leistungseinschätzung der bereits vorliegenden Gutachten von Dr. F. und Frau Dr. S ... Hinsichtlich der Inkontinenzproblematik könne eine unter 3-stündige Einsatzfähigkeit des Klägers nicht begründet werden. Die tatsächliche Häufigkeit der notwendigen Toilettengänge sowie die Dauer dieser Gänge sei vom SG nicht geklärt worden. Erst wenn betriebsunübliche Pausen vorlägen, könne dies zu einer quantitativen Erwerbsminderung führen. Ferner habe das SG nicht geklärt, ob wirklich eine dauerhafte Erwerbsminderung vorliege, selbst bei unterstellten Annahmen des SG.
Mit gleichem Schriftsatz hat die Beklagte auch Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Urteils des SG gestellt, dem mit Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 01.06.2007 auch stattgegeben wurde (L 19 R 176/07 ER).
Der Senat hat sodann zunächst einen ärztlichen Befundbericht der Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Frau Dr.D. beigezogen, die rezidivierende depressive Störungen, gegenwärtig mittelgradige Episode im Abklingen sowie eine paranoide Persönlichkeitsstörung und Syringomyelie bestätigte. Beim Kläger bestehe eine paranoide Persönlichkeitsstörung mit übertriebener Empfindlichkeit bei Rückschlägen und Zurücksetzung, Neigung zu ständigem Groll auf andere Menschen, mit Schwierigkeiten, Missachtung oder Beleidigung anderer zu verzeihen, der Neigung, Verschwörungen als Hintergründe für erlebte Schwierigkeiten zu sehen und der Neigung, freundliche oder neutrale Haltungen anderer als feindlich oder gegen ihn gerichtet zu deuten. Diese Persönlichkeitsstörung habe sich aufgrund der bereits in der Kindheit bestehenden massiven persönlichen Einschränkungen (Enuresis) und bereits damals eingeschränkten körperlichen Leistungsfähigkeit entwickelt, die in der Primärfamilie zu massiver Entwertung, einer Außenseiterposition und Tabuisierung mit Verhinderung einer schon damals adäquaten Behandlung geführt hätten. Die aktuellen Vorgänge, bei denen ihm trotz nachgewiesener körperlicher Erkrankung (Syringomyelie), die viele Jahre aufgrund der Seltenheit der Diagnose nicht erkannt worden sei, seine Symptomatik mit schneller körperlicher Erschöpfbarkeit und einer massiven Schmerzsymptomatik nicht geglaubt würden, hätten zur erneuten depressiven Episode geführt.
Des Weiteren hat der Senat einen Befundbericht des Hausarztes Dr.H. beigezogen. Dieser bestätigt seit 2001 eine deutliche Verschlechterung des gesamten Zustandes des Klägers. Da die Beschwerden des Klägers sehr komplex gewesen seien und bis 2004 auch eine Vielzahl von Diagnosen gestellt und auch pathologische Befunde erhoben worden seien, aber keine eigentliche Ursache habe gefunden werden können, habe sich auch keine Besserung eingestellt. Erst als über CT- und MRT-Diagnostik wegen des Verdachts auf Bandscheibenvorfälle diese letztlich auch bestätigt worden seien, habe sich sozusagen als "Nebenbefund" auch die Syringomyelie gefunden, die eine Vielzahl der Beschwerden des Klägers erklären könne.
Der Senat hat daraufhin ein urologisches Gutachten von Dr.B. eingeholt, der am 05.03.2008 zu folgenden Diagnosen kam:
1. dissoziierte Empfindungsstörung bei Syringomyelie im Bereich des Hals- sowie Brustwirbelmarks
2. Z.n. operativer Ausräumung eines Bandscheibenvorfalls in Höhe BWK 9/10
3. Z.n. Meningitis im Kindesalter
4. Ausgeprägte Psychasthenie mit Somatisierungstendenz
5. Neurogene Blasenentleerungsstörung mit Enuresis nocturna sowie Dranginkontinenz
Die neurogene Blasenentleerungsstörung des Patienten dürfte für sich gesehen hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Arbeitstätigkeit keine wesentlichen Einschränkungen bedingen, aufgrund der Dranginkontinenz müssten dem Kläger jedoch ein Arbeitsplatz sowie ein Tätigkeitsrahmen eingeräumt werden, der jederzeit das unverzügliche Aufsuchen einer Toilette ermöglichen würde. Dem Kläger seien lediglich leichte Arbeiten zuzumuten, im Stehen, Sitzen, Umhergehen, Bücken, Hocken und Knien. Ein Heben und Tragen schwerer Lasten sollte vermieden werden, ebenso wie das Steigen auf Leitern und Gerüsten. Arbeiten, die besondere Anforderungen an Ausdauer sowie Konzentrationsvermögen stellen würden, seien dem Kläger nicht zumutbar. Exposition gegenüber Kälte und Nässe sollte vermieden werden, ebenso hinsichtlich der psychischen Belastbarkeit des Klägers Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen sowie das Arbeiten unter Zeitdruck sowie in Wechsel- und Nachtschicht. Er sei noch in der Lage, mindestens 3 bis unter 6 Stunden Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Zusätzliche Pausen über diejenigen nach der Arbeitszeitordnung und die ohnehin durch die Art der Arbeit implizierten hinaus würden benötigt dergestalt, dass der Kläger jederzeit in der Lage sein sollte, seine Arbeitstätigkeit zu unterbrechen, um eine Toilette aufzusuchen. Das Zurücklegen des Weges von und zur Arbeit unterliege dahingehend Beschränkungen, dass der Kläger in halbstündlichen bis stündlichen Intervallen in der Lage sein sollte, seine Blase zu entleeren. Der beschriebene Zustand bestehe in jeglicher Hinsicht zumindest seit März 2004.
Zum Gutachten Dr.B. hat die Beklagte unter Übersendung einer ärztlichen Stellungnahme von Dr.H. mit Schriftsatz vom 20.06.2008 Stellung genommen. Dr.B. führe klar aus, dass die "neurogene Blasenentleerungsstörung des Patienten für sich gesehen hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Arbeitstätigkeit keine wesentlichen Einschränkungen bedingen dürfte, aufgrund der Dranginkontinenz des Klägers ihm jedoch ein Arbeitsplatz sowie ein Tätigkeitsrahmen eingeräumt werden müsse, der jederzeit das unverzügliche Aufsuchen einer Toilette ermöglichen" würde. Weshalb der Gutachter dann bei der abschließenden Würdigung zu dem Schluss komme, dass lediglich leichte Arbeiten noch weniger als 6 Stunden möglich seien, sei nicht nachvollziehbar. Auch habe sich der Gutachter Dr.K., dem der Kläger persönlich bekannt sei, wenn überhaupt nur ansatzweise mit der Einschätzung durch Dr.F. auseinandergesetzt. Ob es tatsächlich zu einer wesentlichen Befundverschlechterung gegenüber dem Gutachten Dr.F. gekommen sei, könne wohl nur nach Einholung eines weiteren nervenärztlichen Gutachtens beurteilt werden.
Der Senat hat sodann ein nervenärztliches Gutachten von Dr.H. eingeholt, der am 10.04.2009 zu folgenden Diagnosen gelangt ist:
1. Neurasthenie
2. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung
3. Syringomyelie
4. Enuresis, Blasenentleerungsstörung unklarer Ursache
Der Kläger sei unter Berücksichtigung seiner Gesundheitsstörungen in der Lage, eine mindestens 6-stündige Tätigkeit auszuüben, leichte bis mittlere Arbeiten könnten im Stehen, Sitzen und in wechselnder Stellung durchgeführt werden. Wegen der Blasenstörungen seien Wechsel- und Nachtschicht sowie Akkord-, Fließbandarbeit und Arbeit an laufenden Maschinen zu vermeiden, ebenso Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr, Tätigkeiten mit starken Temperaturschwankungen sowie unter Einflüssen von Kälte, Hitze und Zugluft. Eine Toilette sollte im üblichen Zeitrahmen erreichbar sein. Gegenüber den Vorgutachten von Frau Dr.S. und Herrn Dr.F. habe sich keine Änderung ergeben. Quantitativ habe sich keine Minderung der Erwerbsfähigkeit erkennen lassen, sie bestehe mit Wahrscheinlichkeit seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit und die qualitative Minderung sei auf Dauer vorhanden. Die Wegefähigkeit des Klägers sei gegeben. Der Sachverständige Dr.H. konstatiert, dass bei der neurologischen Untersuchung kein krankhafter Befund habe festgestellt werden können. Hinsichtlich des psychiatrischen Befundes sei festzuhalten, dass der Kläger das Anamnesegespräch im Umfang von 75 Minuten hochkonzentriert durchgehalten habe. Er sei sehr beschwerdefixiert. Antrieb und Psychomotorik seien unauffällig. Der Kläger sei in seinem Familienverbund eingegliedert und habe in der nächsten Umgebung Kontakte, er schildere betont glücklich und selbstzufrieden seine Verbundenheit mit und in der Natur. Ab und zu habe er seine Müdigkeit und seine Abgeschlagenheit betont, ohne jedoch diese zu konkretisieren. Sein Alltagsverlauf und seine Alltagsstrukturierung seien umfangreich, nur teilweise anhedon. Einen konkreten Zusammenhang zwischen körperlicher Schwäche und Erschöpfung nach nur geringer Anstrengung könne er nicht angeben. Nur streckenweise komme es bei ihm, nach seinen Angaben, zu gedrückter Stimmung und Freudlosigkeit. Eine wesentliche Aktivitätseinschränkung im Alltag sei nicht zu erkennen, ebenso wenig werde über ein Morgentief berichtet oder über Suizidgedanken. Der Enuresis messe er keine wesentliche Bedeutung zu. Über quälende Schlaflosigkeit werde nicht berichtet, ebenso wenig über verminderten Appetit. Er betone seine Autonomie, sich durch das Kochen selbst zu versorgen. Er sei in der Lage, auf die freundliche Umgebung der Geschwister und deren Bemühungen emotional adäquat zu reagieren. Beim Kläger lägen unzweifelhaft eine Neurasthenie sowie eine somatoforme Schmerzstörung vor.
Durch den jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde mit Schriftsatz vom 03.03.2010 eine "Stellungnahme zur gesundheitlichen Situation und Erwerbsfähigkeit des Klägers" von Dr.E. vorgelegt, der darin verschiedene kritische Anmerkungen zum Gutachten Dr.H. machte. Aus seiner Sicht sei der Kläger tragischerweise durch seine Lebensgeschichte, möglicherweise auch durch gewisse genetische Belastungen in eine psychosoziale Sackgasse hineingeraten, in der er schon über Jahre psychische und psychosomatische Symptome entwickelt habe. Möglicherweise habe zu den körperlichen Beschwerden auch die Syringomyelie beigetragen. Es sei nicht sinnvoll, hier psychische und somatische Ursachen unterschiedlich zu gewichten oder gegen einander auszuspielen, sondern es sei die gesamte Persönlichkeit des Klägers zu würdigen und ihre subjektive Symptomatik und Notlage anzuerkennen. In diesem Fall stelle das subjektive Erleben des Patienten den glaubhaft limitierenden Faktor für seine Leistungsfähigkeit dar.
Mit Schriftsatz vom 20.08.2010 wurde ein Bericht über eine stationäre Untersuchung des Klägers im BW-Krankenhaus U. in der Zeit vom 02.08. bis 03.08.2010 vorgelegt. Hier wurde ein unauffälliger Hirnnervenstatus festgestellt. Der Kläger habe eine Thermhypästhesie und eine Hypästhesie im Bereich der oberen und unteren Extremitäten angegeben. Die muskeleigenen Reflexe seien seitengleich mittellebhaft auslösbar gewesen, pathologische Reflexe hätten sich nicht gefunden. Paresen hätten sich nicht abgrenzen lassen, der Patient habe insgesamt eine kräftige Muskulatur, es hätten sich keine Atrophien gefunden. Gang- und Standversuche seien unauffällig gewesen. In der MRT-Untersuchung habe sich eine größenstabile, nahezu das gesamte Myelon betreffende, im Verlauf im Kaliber schwankende Syringomyelie in Höhe HWK 2 bis Höhe BWK 11 gefunden. Bei stabilem Bildbefund würde aktuell keine Operationsindikation bestehen. Es werde empfohlen, die krankengymnastische Therapie und ggf. craniosakrale Therapie fortzusetzen.
Der Senat hat nochmals Anschlussbefunde von Dr.D. und Dr.E. seit Januar 2010 eingeholt. Dr.D. teilte mit, dass keine weitere Behandlung stattgefunden hatte. Dr.E. hat im Befundbericht vom 08.09.2010 darauf hingewiesen, dass der Kläger bereits von Juni 1995 bis Okt. 1997 bei ihm in Psychotherapie gewesen sei. Der jahrelange Kampf um die Anerkennung der krankheitsbedingten Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit habe den Kläger schon ganz zermürbt. Er verstehe nicht, warum es ihm so schwer gemacht werde, bei seiner bekannten Erkrankung eine Erwerbsminderungsrente zugesprochen zu bekommen, zumal fast alle, mit denen er aus dem Selbsthilfeverband Kontakt habe und die oft jünger als er seien, bereits eine Erwerbsminderungsrente bezögen. Er fühle sich deshalb manchmal psychisch am Boden, auch habe er schon an Suizid gedacht, fühle sich aber durch seine inzwischen 83-jährige Mutter, bei der er lebe, unterstützt und auch motiviert, weiterzuleben. Das inhaltliche Denken des Klägers sei sehr auf seine neurologische Diagnose fixiert, sonst keine Hinweis auf inhaltliche oder formale Denkstörungen. Während des diesjährigen Behandlungszeitraumes habe eher eine Tendenz zur Verschlechterung bestanden, die neurologische Symptomatik scheine allmählich zuzunehmen. Es bestünden keine neuen Leiden und auch kein Wegfall von alten. Die ambulante Behandlung habe lediglich stützende und begleitende Funktion. Eine wenigstens psychische Beruhigung erhoffe sich der Kläger durch die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der Senat hat daraufhin nochmals eine ergänzende Stellungnahme von Dr.H. zu den beigezogenen ärztlichen Befundberichten eingeholt, der am 07.01.2011 bei seiner bisherigen Einschätzung verblieben ist. Eine quantitative Leistungsminderung des Klägers aus neurologisch-psychiatrischer Sicht lasse sich nicht begründen.
Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 22.03.2011 wurde auf Antrag des Klägers ein neuro-chirurgisches Gutachten von Dr.L. eingeholt, der am 12.10.2011 zu folgenden Diagnosen gelangt:
1. Syringomyelie
2. Z.n. thorakaler Bandscheibenoperation 2004 ohne Komplikationen
3. Enuresis nocturna
4. Asthenische Persönlichkeit (wie in dem Gutachten durch Dr.F. vom 18.01.2006 ausgeführt).
Dem Kläger sei unter Berücksichtigung dieser gesundheitlichen Störungen noch eine mindestens 6-stündige Tätigkeit unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zuzumuten. Es könnten leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, zeitweilig im Stehen in wechselnder Stellung im Freien wie in geschlossenen Räumen durchgeführt werden. Aufgrund des Untersuchungsbefundes könnten keine Hinweise für außergewöhnliche Pausen oder außergewöhnliche Arbeitszeitgestaltung gefunden werden. Die Konzentrations-, Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers sei gegeben. Gegenüber dem Untersuchungsergebnis des Rentengutachtens vom 15.10.2004 sei keine wesentliche Änderung eingetreten. Die durch das BW-Krankenhaus - Neurochirurgie - in U. durch Dr.K. getroffene Einschätzung sei angesichts der Untersuchungsbefunde nicht nachvollziehbar. Es finde derzeit auch keinerlei Schmerzmedikation statt. Ebenso werde hier angegeben, dass die Möglichkeit eines raschen und regelmäßigen Aufsuchens der Toilette möglich sein müsse, auch hier seien aber andere Lösungen denkbar. Im Gegensatz zu der Äußerung in diesem Gutachten (Dr.K.) habe der Kläger bei ihm angegeben, dass die Inkontinenzproblematik nicht zugenommen habe. Angesichts der Aussage des Klägers, dass die Inkontinenzproblematik seit dem 10. Lebensjahr konstant sei und er damit eine Ausbildung abgeschlossen habe, erschienen die Aussagen in dem Gutachten aus der Neurochirurgie nicht nachvollziehbar. Syringomyelie gehe häufig mit stark fortschreitenden massiv beeinträchtigenden Symptomen einher. Zu den typischen Symptomen gehöre neuropathischer Schmerz, Muskelatrophie, Verlust von Schmerz- und Temperaturempfindung und schließlich Bewegungsunfähigkeit der Extremitäten mit Rollstuhlpflichtigkeit. Hinweise für einen solchen Verlauf beim Kläger ergäben sich weder aus Befund und Anamneseerhebung noch aus den radiologischen Befunden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.10.2006 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 22.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2004 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.10.2006 zurückzuweisen, hilfsweise wie im Schriftsatz vom 15.04.2011 beantragt den Sachverständigen Dr. B. mündlich zu seinem erstellten Gutachten einzuvernehmen, hilfsweise das Gutachten schriftlich erläutern zu lassen sowie Dr. E. als sachverständigen Zeugen zu laden, hilfsweise ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. S. auf psychiatrischem Fachgebiet einzuholen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Akten des Verfahrens L 19 R 176/07 ER verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Sie ist auch begründet, da das SG Würzburg dem Kläger zu Unrecht eine volle Erwerbsminderungsrente ab dem 01.07.2006 zuerkannt hat. Der Kläger ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Gemäß § 43 Abs 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbei-
träge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens
6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43
Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Zur Überzeugung des Senates steht fest, dass der Kläger zwar unter gesundheitlichen Einschränkungen leidet, in erster Linie der diagnostizierten Syringomyelie sowie einer psychosomatischen Schmerzstörung mit Neurasthenie. Gleichwohl ist der Kläger mit diesen Erkrankungen in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten, wenn auch unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen. Zu vermeiden sind Tätigkeiten mit Zwangshaltungen, das Heben und Tragen mittelschwerer oder schwerer Lasten, Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie besonderer Zeitdruck, Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Nachtschicht, besondere Verantwortung, besondere Anforderungen an Konzentration und Ausdauer, Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen sowie Tätigkeiten mit besonderer Belastung der Hals- und Brustwirbelsäule.
Der Senat stützt dabei seine Überzeugung auf die im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr.H. vom 10.04.2009 und von Dr.L. vom 12.10.2011 sowie auf das im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten von Dr.F. vom 18.01.2006. Die Gutachter kommen bei vergleichbarer Diagnosestellung übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens des Klägers noch nicht besteht und dass dieser Zustand seit der nervenärztlichen Begutachtung durch Frau Dr. S. am 15.10.2004 im Wesentlichen unverändert ist.
Dr.H. wie auch die Gutachter Frau Dr.S., Frau Dr.B. und Dr.F. kommen zu dem Ergebnis, dass die im Jahre 2004 diagnostizierte Erkrankung Syringomyelie, unter der der Kläger ohne Zweifel leidet, bislang zu keinerlei funktionellen Ausfällen geführt hat, die die Erwerbsfähigkeit des Klägers für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in quantitativer Hinsicht einschränken würden. Zu dem gleichen Ergebnis ist der nach § 109 SGG auf Antrag des Klägers beauftragte Sachverständige Dr.L. gekommen. Dieser führt nach Sichtung umfangreichen Bildmaterials und Untersuchung des Klägers aus, dass neurologische Ausfälle des Klägers nicht vorhanden seien. Der Kläger sei muskulös, die Muskeleigenreflexe seitengleich. Blind- und Seiltänzergang würden sicher demonstriert, der Unterberger-Tretversuch sei regelrecht. Bei der Untersuchung der Sensibilität hätten sich inkonsistente wechselnde Ausfälle bei mehrmaliger Untersuchung ergeben. Eine regelmäßige Schmerztherapie finde nicht statt (einmalige Anwendung eines Schmerzpflasters, bei Bedarf Ibuprofen). Der Befund der Syringomyelie sei seit 2004 konstant und nicht größenprogredient. Angesicht der Untersuchungsergebnisse kommt der Sachverständige Dr.L. zu dem Ergebnis, dass die Leistungseinschätzung von Dr. K. im Gutachten vom 17.07.2006 nicht nachvollziehbar sei.
Auch Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 10.04.2009 bereits auf widersprüchliche neurologische Untersuchungsbefunde des BW-Krankenhauses U. in den Befundberichten aus 2004 und 2009 hingewiesen und auf Widersprüchlichkeiten im Gutachten von Dr. K ... Es sei weder eine entsprechend intensive Schmerzmedikation noch psychopharmakologische Medikation dokumentiert noch eine entsprechend konsequente Psychotherapie, obwohl der Kläger massive Schmerzzustände bereits bei geringer körperlicher Belastung sowie massive psychische Einschränkungen geltend mache.
Auch die Einschränkungen infolge der neurogenen Blasenentleerungsstörung, die in den Gutachten von Dr. K. und Dr. B. abgeleitet werden, sind nach Überzeugung des Senats nicht nachvollziehbar. Hierauf weisen sowohl Dr.H. und Dr.L. als auch Dr.H. in seiner Stellungnahme vom 20.06.2008 hin. Der urologische Sachverständige Dr.B. kommt zu dem Ergebnis, dass eine neurogene Blasenstörung vorliegt, und zwar eine Enuresis nocturna sowie eine Dranginkontinenz. Die neurogene Störung als solche führt nach Dr.B. nicht zu einer quantitativen Leistungseinschränkung auf unter 6 Stunden täglich. Jedoch leitet der Sachverständige aus dem Umstand, dass der Kläger wegen der Dranginkontinenz in kurzer Zeit eine Toilette aufsuchen können müsse, eine quantitative Leistungsminderung auf 3 bis unter 6 Stunden täglich ab. Eine vergleichbare Einschränkung hatte bereits der Neurologe Dr.K. in seinem Gutachten mit dem Hinweis gesehen, dass die Inkontinenzproblematik sich seit Antragstellung und auch gegenüber der Begutachtung durch Dr.F. verschlimmert habe und bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Dieser Einschätzung folgt der Senat jedoch nicht: Sowohl Dr.H. als auch Dr.L. führen aus, dass nach den eigenen Angaben des Klägers in der Anamneseerhebung keine wesentliche Verschlechterung der Inkontinenzproblematik geltend gemacht wurde. Dr.H. weist - ebenso wie Dr.H. und Dr.L. - zutreffend darauf hin, dass die Inkontinenzproblematik beim Kläger seit etwa dem 10. Lebensjahr besteht und er mit dieser Erkrankung in der Lage gewesen ist, eine Berufsausbildung erfolgreich zu absolvieren und auch vollschichtig viele Jahre in diesem Beruf ohne Probleme tätig zu sein. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die vom Kläger benötigten Pausen für den Toilettengang eine ungewöhnlich lange Zeitdauer beanspruchen würden, erst dann könnte gegebenenfalls eine quantitative Leistungsminderung angenommen werden. Der möglichst raschen und unkomplizierten Erreichbarkeit einer Toilette kann im Rahmen der in den Gutachten aufgelisteten qualitativen Einschränkungen Rechnung getragen werden.
Im Hinblick auf die unstreitig vorliegende Neurasthenie und somatoforme Schmerzstörung, die sicherlich auch organische Ursachen hatte, weisen sowohl Dr.H. als auch Dr.L. in ihren Gutachten darauf hin, dass eine entsprechende Behandlung des Klägers weder in der Vergangenheit noch aktuell stattfindet. Die Behandlung bei Frau Dr.D. wurde beendet. Psychopharmaka nahm der Kläger bislang nicht ein. Die letzte stationäre Reha-Maßnahme des Klägers war im Jahr 2005 in der A.-Klinik S., bei der es sich um eine neurologische, orthopädische Maßnahme gehandelt hat. Dr.F. hat ebenso wie Dr.H. eine stationäre medizinische Reha-Maßnahme in einer speziellen psychosomatischen Klinik für sinnvoll erachtet. Dies hat der Kläger bislang jedoch abgelehnt, was wiederum in dem aktuell vorgelegten Behandlungsbericht der Neurologischen Klinik D-Stadt vom 16.01.2012 erneut bestätigt wird. Ein entsprechend hoher Leidensdruck beim Kläger kann daraus wohl nicht abgeleitet werden. Solange zumutbare Behandlungsmöglichkeiten auf psychischem bzw. psychiatrischem Gebiet noch nicht versucht bzw. noch nicht ausgeschöpft wurden und noch ein entsprechend erfolgversprechendes Behandlungspotential besteht, kann nach ständiger Rechtsprechung des BSG und des Senats eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung nicht auf diese psychische Erkrankung gestützt werden (vgl. BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89; BSG Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 31/05 R - jeweils veröffentlicht bei juris; Urteile des Bayer. Landessozialgerichts vom 12.10.2011 - L 19 R 738/08, Urteil vom 30.11.2011 - L 20 R 229/08, Urteil vom 18.01.2012 - L 20 R 979/09). Auch die in den Gutachten festgehaltenen Schilderungen des Tagesablaufs des Klägers und seiner Interessen sprechen noch nicht für eine dauerhafte und nachhaltige Störung seiner psychischen Fähigkeiten. Zwar wird jetzt in dem Bericht der Klinik D-Stadt vom 16.01.2012 psychopathologisch eine depressive Stimmungslage mit vermindertem Antrieb und formalgedanklicher Verlangsamung beschrieben, die nach komplexer Medikamentenanamnese jetzt zur Verordnung der antidepressiven Medikation mit Venlafaxin geführt hat, die im weiteren Verlauf dosisadaptiert werden sollte. Daraus kann aber noch kein weiterer Rückschluss auf einen künftigen Rentenanspruch des Klägers abgeleitet werden. Für den bisher streitgegenständlichen Zeitraum kann ein Rentenanspruch daraus jedenfalls nicht begründet werden. Empfohlen wurde seitens der Klinik auch die bereits angesprochene stationäre medizinische Rehabilitation in einer speziellen psychosomatischen Klinik und im Falle einer Symptomexacerbation der psychischen Erkrankung eine stationäre psychiatrische Behandlung, so dass weitere Behandlungsoptionen bestehen.
Nach alledem ist nach Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass der Kläger nach wie vor seit Rentenantragstellung bis aktuell in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Eine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI liegt somit nicht vor.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI kommt vorliegend nicht in Betracht, da der Kläger erst 1966 geboren ist.
Den Anträgen auf Ladung von Dr.B. und Dr.E. zur mündlichen Verhandlung war nicht zu folgen. Das urologische Gutachten von Dr.B. ist vollständig in den Akten vorhanden, wurde den Beteiligten auch zur Kenntnis übersandt. Es ist allgemein verständlich abgefasst und frei von Widersprüchlichkeiten. Welche Fragenkomplexe der Sachverständige Dr.B. konkret in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf sein Gutachten hätte erläutern sollen, wurde vom Prozessbevollmächtigten des Klägers jedoch weder schriftsätzlich noch in den durchgeführten Erörterungsterminen vom 22.03.2011 und 29.11.2011 oder im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 15.02.2012 präzisiert. Die Fragen an den Sachverständigen müssen auch sachdienlich sein (§ 116 S 2 SGG; BSG Urteil vom 12.04.2000 - B 9 VS 2/99 R - veröffentlicht bei juris). Zur Beurteilung der Sachdienlichkeit müssen zumindest die erläuterungswürdigen Punkte genau bezeichnet werden (BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 60/07 B - veröffentlicht bei juris). Gleiches gilt für den Antrag auf Ladung des behandelnden Arztes Dr. E. als sachverständigen Zeugen. Die Berichte von Dr. E. lagen dem Senat vor, wurden den Beteiligten auch rechtzeitig zur Kenntnis gegeben. Konkrete Fragen an den Zeugen zu seinen Befundberichten wurden vom Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht benannt. Die Wertung dieser Befunde - wie auch der im Verfahren eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten - obliegt jedoch dem Senat. Allein der Umstand, dass sich ärztliche Befundberichte und Gutachten (zumindest teilweise) widersprechen, begründet noch keine Notwendigkeit auf Anhörung eines Arztes oder Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung.
Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG auf psychiatrischem Fachgebiet beantragt hat, musste der Senat diesem Antrag nicht nachkommen, da sich hierdurch lediglich das Verfahren weiter verzögert hätte (§ 109 Abs 2 SGG). Es wurden im Verfahren bereits mehrere Gutachten auf nervenärztlichem bzw. neurologisch/ psychiatrischem Fachgebiet von Amts wegen und auf Antrag des Klägers (Gutachten Dr. K.) eingeholt. Hinweise auf die Notwendigkeit einer weiteren neurologisch/psychiatrischen Begutachtung haben sich weder aus den beigezogenen Befundberichten noch im Gutachten von Dr.L. ergeben und konnten auch vom Prozessbevollmächtigten des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht spezifiziert werden. Allein die Bezugnahme auf den aktuellen Befundbericht der Klinik D-Stadt vom 16.01.2012 ist hierfür nicht ausreichend. Einem wiederholten Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG - zumal im gleichen Fachgebiet, das bereits Gegenstand eines Gutachtens nach § 109 SGG gewesen ist - ist grundsätzlich nur bei Geltendmachung besonderer Umstände zu folgen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 109 Rdnr. 10 b und 11 b m.w.N.). Derartige besondere Umstände wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
Nach alledem war der Berufung der Beklagten zu entsprechen, das Urteil des SG Würzburg vom 04.10.2006 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 22.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.12.2004 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved