Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 839/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 555/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23.12.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der 1969 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Er war zuletzt als Maschinenreiniger in einer Großbäckerei versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 1994 ist er arbeitslos.
Am 10.06.2008 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste daraufhin am 29.07.2008 eine orthopädische Untersuchung bei Dr. R. sowie eine nervenärztliche Untersuchung bei Dr. B ... Diese diagnostizierten eine Persönlichkeitsstörung mit paranoiden Zügen, Differentialdiagnose (DD) schizophrene Psychose sowie ein wiederkehrendes Lendenwirbelsyndrom bei Bandscheibendegeneration L5/S1. Übereinstimmend kamen beide Gutachter zu dem Ergebnis, dass der Kläger nur noch leichte körperliche Tätigkeiten unter drei Stunden täglich ausüben könne.
Mit Bescheid vom 10.09.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.12.2008 bis 28.02.2010 in Höhe von 336,11 EUR monatlich. Ergänzend wurde u.a. ausgeführt, dass der Rentenanspruch zeitlich begrenzt sei, da es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 16.09.2008 Widerspruch ein. Er machte geltend, dass er körperlich nicht in der Lage sei, auf Dauer zu arbeiten. Er wache jeden Tag mit Schmerzen auf. Auf Grund diverser Unfälle in Freizeit und Beruf sowie der früher verrichteten schweren körperlichen Arbeit sei er dauerhaft erwerbsgemindert. Seine Beschwerden bestünden seit Jahren und es sei keine Besserung in Aussicht. Die Befristung der Rente bis zum 28.02.2010 halte er nicht für gerechtfertigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach Auffassung des sozialmedizinischen Dienstes sei die Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit aus medizinischer Sicht nicht unwahrscheinlich. Dies sei der Fall, da durch adäquate, auch medikamentöse Behandlung, eine Besserung der Symptomatik erzielt werden könne.
Der Kläger hat sein Begehren weiterverfolgt und gegen den Bescheid vom 10.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2008 am 29.12.2008 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben (Verfahren S 16 R 839/09). Er macht im Wesentlichen geltend, dass sich sein gesundheitlicher Zustand verschlechtert habe. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid berufen.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Auskunft des behandelnden Arztes des Klägers, des Facharztes für Innere Medizin Dr. W., als sachverständigen Zeugen. Dieser führte aus, dass der Kläger seit Juni 2008 mehrfach im Quartal bei ihm in Behandlung gewesen sei. Er habe über keine wesentlichen auf Dauer bestehenden Beschwerden geklagt. Bei der ersten Untersuchung habe eine deutliche Logorrhoe im Rahmen eines Borderline-Syndroms bestanden. Insgesamt bestehe ein gleich bleibender Zustand ohne entscheidende Höhen oder Tiefen bzw. ohne Verschlechterung oder Besserung. Zuzumuten sei dem Kläger eine tägliche Belastung bis zu sechs Stunden.
Mit Bescheid vom 07.12.2009 lehnte die Beklagte den Antrag vom 23.10.2009 auf Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente für die Zeit ab dem 01.03.2010 ab, da sie annahm, dass der Kläger mittlerweile nicht mehr erwerbsgemindert sei. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Bescheid Gegenstand des Klageverfahrens gemäß § 96 SGG werde. Gegen den Bescheid hat der Kläger am 11.12.2009 Klage beim SG (S 19 R 6296/09) erhoben und am 29.01.2010 Widerspruch bei der Beklagten eingelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.12.2009 hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 10.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 hinsichtlich der Ablehnung einer Dauerrente wegen voller Erwerbsminderung abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung. Renten wegen Erwerbsminderung - wie die dem Kläger gewährte Rente - seien nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI grundsätzlich zu befristen, d. h. die Befristung sei der gesetzliche Regelfall. Nach § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI würden Renten wegen Erwerbsminderung nur dann unbefristet gewährt, wenn sie - wie im Fall des Klägers - unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage gewährt würden und unwahrscheinlich sei, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne. Von letzterem werde nach neunjährigem Rentenbezug ausgegangen. Vorher, d. h. bei einem noch keine neun Jahre dauernden Rentenbezug, wie im Fall des Klägers, könne von der Befristung nur dann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn eine Besserung unwahrscheinlich sei. Dies sei nach der Überzeugung des Gerichts beim Kläger nicht der Fall. Für die Frage, ob eine Besserung des Gesundheitszustandes unwahrscheinlich sei, komme es zentral darauf an, ob eine Erkrankung als austherapiert gelten müsse, oder ob noch Behandlungsmöglichkeiten bestünden, die zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes führen könnten. Letzteres sei bei dem Kläger der Fall. Der Kläger sei im Wesentlichen wegen einer psychiatrischen Erkrankung berentet worden. Die Gutachterin im Verwaltungsverfahren Dr. B. habe festgestellt, dass insoweit beim Kläger Behandlungsbedarf und auch Behandlungsmöglichkeiten bestünden. Gleichwohl befinde sich der Kläger nicht in psychiatrischer Behandlung, abgesehen von einer kurzfristigen Konsultation eines Psychiaters und Neurologen (Dr. Sch.-H.), die der Kläger nach eigenem Bekunden jedoch nicht wiederholen wolle. Solange eine Behandlung der vorhandenen Erkrankung aber noch nicht erfolgt sei, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers unwahrscheinlich sei. Dies gelte auch, wenn - wie im Fall des Klägers - die Behandlung deswegen nicht erfolge, weil es - wie von Dr. B. festgestellt - an der Einsicht in deren Notwendigkeit mangele. Die mangelnde Behandlungsmotivation des Klägers sei als Teil seiner Erkrankung anzusehen. Es lägen aber keine Hinweise vor, dass dieser Umstand vom Kläger nicht in Zukunft überwunden werden könnte. Jedenfalls stehe nicht fest, dass der Kläger auch in Zukunft dauerhaft und kategorisch gehindert sein werde, die bestehenden Behandlungsmöglichkeiten zu nutzen. Daher könne die für eine Dauerberentung erforderliche Prognose, dass eine Besserung des Gesundheitszustands grundsätzlich unwahrscheinlich sei, nicht gestellt werden. Damit bleibe es auch für den Kläger beim Regelfall der Befristung der Erwerbsminderungsrente. Die Befristung auf zwei Jahre sei hinsichtlich ihrer Dauer ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie berücksichtige einerseits, dass auch bei entsprechender Therapiebereitschaft psychische Erkrankungen in der Regel einer längeren Behandlung bedürften, um eine Besserung zu erzielen, und andererseits, dass es sich um eine erstmalige Rentengewährung handele und sämtliche Behandlungsoptionen noch offen stünden. Die Klage habe daher keinen Erfolg haben können und sei folglich abzuweisen gewesen. Nicht zu entscheiden sei über die Frage, ob dem Kläger über den 28.02.2010 hinaus wieder eine befristete Rente zu gewähren sei. Die Beklagte habe mit Bescheid vom 07.12.2009 abgelehnt, dem Kläger auf dessen Weitergewährungsantrag hin die Rente über den Zeitpunkt der Befristung hinaus weiterzugewähren. Dieser Bescheid sei - anders als von der Beklagten angenommen - nicht nach § 96 SGG Gegenstand des hier anhängigen Verfahrens geworden, da er den ursprünglich mit der Klage angefochtenen Bewilligungsbescheid vom 10.09.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 nicht abändert oder ersetzt, sondern vielmehr eine andere Frage, nämlich die einer Rentengewährung ab dem 01.03.2010 regele. Insofern handele es sich um einen anderen Streitgegenstand. Soweit der Kläger gegen diese Entscheidung vorgehen wolle, müsse zunächst das Widerspruchsverfahren bei der Beklagten durchgeführt werden.
Das Klageverfahren S 19 R 6296/09 (Bescheid vom 07.12.2009) wurde durch Beschluss des SG vom 14.01.2010 zur Nachholung des Vorverfahrens ausgesetzt. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 12.03.2010 (L 5 R 852/10 B) zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das SG habe zutreffend im Hinblick darauf, dass bezüglich des Bescheids der Beklagten vom 07.12.2009, mit dem der Antrag des Klägers auf Weitergewährung einer Erwerbsminderungsrente abgelehnt worden sei, das Klageverfahren bis zur Entscheidung der Beklagten über den Widerspruch des Klägers in entsprechender Anwendung von § 114 Abs. 2 SGG ausgesetzt.
Gegen den ihm am 22.01.2010 zugestellten Gerichtsbescheid vom 23.12.2009 hat der Kläger am 25.01.2010 Berufung beim SG eingelegt und im Wesentlichen vorgetragen, er sei 100% erwerbsgemindert. Seit 1991 sei er in ärztlicher Behandlung. 2003 sei er Opfer eines Überfalls und damit Opfer der Gesellschaft geworden. Er habe dabei eine Schädelverletzung erlitten. Er habe Antrag auf Opferrente gestellt, über die noch nicht entschieden worden sei. Seine Beschwerden seien schlimmer geworden. Er habe Schmerzen und große Beschwerden. Man habe sechsmal versucht, ihn umzubringen. Er habe Geh-, Seh- und Orientierungsprobleme.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23.12.2009 und den Bescheid vom 10.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 aufzuheben, soweit die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 01.03.2010 abgelehnt wurde, sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.03.2010 auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zuzutreffend und ihren Bescheid für rechtmäßig.
Mit Bescheid vom 22.06.2010 hat die Beklagte dem Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 07.12.2009 teilweise abgeholfen und ihm Rente für die Zeit vom 01.03.2010 bis zum 31.01.2012 gewährt. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.12.2009, soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 22.06.2010 abgeholfen worden war, zurückgewiesen. Das ausgesetzte Verfahren beim SG (S 19 R 6296/09) wurde daraufhin unter dem Aktenzeichen S 13 R 6268/10 wieder aufgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Berufungsakte, der Gerichtsakte des SG sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Für das Berufungsbegehren ist im Verlauf des Berufungsverfahrens das Rechtsschutzbedürfnis entfallen, nachdem sich der streitgegenständliche Bescheid erledigt hat, weil dem Kläger mit dem Bescheid vom 22.6.2010 Rente weitergewährt worden ist.
1.) Gegenstand der Klage war das Begehren des Klägers Rente wegen voller Erwerbsminderung durchgängig, also über den Zeitraum vom 01.12.2008 bis 28.02.2010 hinaus auf Dauer zu erhalten. Hingegen war nicht Gegenstand des Verfahrens, ob ihm bis dahin (Zeit-)Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht zuerkannt worden ist. Der Kläger hat sich schon mangels einer insoweit möglichen Beschwer (§ 54 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) nicht dagegen gewandt, dass der von ihm erhobene Rentenanspruch für den genannten Zeitraum von der Beklagten anerkannt - und durch die von ihr entgegengenommenen Rentenzahlungen schon erfüllt - worden ist. Vielmehr greift er die Ablehnung seines weitergehenden, auf zeitlich unbegrenzte Rentengewährung gerichteten Antrags an. Nur in diesem Umfang trifft der streitige Rentenbescheid vom 10.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 auch eine für ihn ungünstige Regelung: Ein Bescheid, mit dem der Versicherungsträger dem Rentenbewerber trotz eines auf Dauerrente gerichteten Antrags eine Rente nur auf Zeit gewährt, enthält mehrere Verfügungssätze. Erstens wird dem Versicherten eine Rente bestimmter Art für eine begrenzte Dauer in festgesetzter Höhe bewilligt (Verfügungssatz 1). Diese Bewilligung ist ein den Versicherten ausschließlich begünstigender Verwaltungsakt. Zweitens wird der weitergehende Anspruch auf ab Antrag durchgängige, zeitlich nicht beschränkte Rentengewährung abgelehnt (Verfügungssatz 2). Allein durch diese zweite Regelung, die ausdrücklich ausgesprochen oder konkludent durch die Begrenzung der Bezugsdauer der mit dem Verfügungssatz 1 bewilligten Rente verlautbart worden sein kann, wird der Versicherte (formell) beschwert (BSG, Urteil vom 11.02.1988 - 4/11a RA 10/87 -, veröffentlicht in Juris).
Entsprechend hat die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit dem streitigen Verwaltungsakt verbeschieden: Sie hat den Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit für den o.g. Zeitraum anerkannt (Verfügungssatz 1) und durch die Begrenzung der Rentenbewilligung den weitergehenden Rentenanspruch unzweideutig abgelehnt (Verfügungssatz 2).
Die damit gegen den zweiten Verfügungssatz gerichtete Klage ist unzulässig geworden, weil sich die Ablehnung der Rentengewährung für die Zeit nach dem 28.02.2010 d.h. der Verfügungssatz 2 insgesamt durch den Bescheid vom 22.06.2010 erledigt hat.
Der Bescheid vom 22.06.2010 stellt hinsichtlich der erstmaligen befristeten Rentengewährung mit Verfügungssatz 1 des Bescheids vom 10.09.2006 einen begünstigenden Folgebescheid dar und enthält im Übrigen eine weitere Ablehnung der Gewährung einer Dauerrente ab dem 01.02.2012. Durch die Rentengewährung vom 01.03.2010 bis 31.01.2012 hat sich zunächst für diesen Zeitraum die ab dem 01.03.2010 begehrte Weitergewährung der Rente in Form der Dauerrente erledigt. Durch die Ablehnung der Dauerrente nun ab dem 01.02.2012 hat sich die Ablehnung der Dauerrente ursprünglich ab dem 01.03.2010 auch im Übrigen erledigt. Denn eine spätere erneute Ablehnung einer begehrten Leistung führt für die von ihr betroffenen Zeiträume im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X zur Erledigung einer vorangegangenen Ablehnung (BSG, Urteil vom 02.02.2010 - B 8 SO 21/08 R -, veröffentlicht in Juris). Da dem Kläger mit Bescheid vom 22.06.2010 Rente nahtlos ab dem 01.03.2010 bis 31.01.2012 befristet weitergewährt und eine Weitergewährung nun ab dem 01.02.2012 abgelehnt wurde, verbleibt keine von der ursprünglichen Ablehnung der Rente ab dem 01.03.2010 ausgehende Beschwer durch den streitgegenständlichen Bescheid, so dass er sich, soweit er angegriffen wurde, insgesamt erledigt hat. Die Fortführung des Berufungsverfahrens erweist sich damit mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig.
2.) Der Bescheid vom 22.06.2010, der als Abhilfebescheid zum Bescheid vom 07.12.2009 ergangen ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens, da schon der Bescheid vom 07.12.2009 nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des vorangegangenen erstinstanzlichen Verfahrens geworden ist und damit auch der (Teilabhilfe)Bescheid vom 22.06.2010 nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 SGG geworden sein kann.
§ 96 SGG verfolgt die Ziele, eine schnelle, erschöpfende Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis in einem Verfahren zu ermöglichen, divergierende Entscheidungen zu vermeiden und den Kläger vor Rechtsnachteilen zu schützen, die ihm daraus erwachsen, dass er im Vertrauen auf den eingelegten Rechtsbehelf bezüglich weiterer Verwaltungsakte rechtliche Schritte unterlässt. Die Einbeziehung des neuen Verwaltungsaktes soll – entsprechend der ursprünglichen Zielsetzung der Norm – dabei aber nur noch möglich sein, wenn nach Klageerhebung der Verwaltungsakt durch einen neuen Verwaltungsakt ersetzt oder abgeändert wird (BT-Drucks. 16/7716, Zu Nummer 16 (§ 96), S. 18f.). Die Ausdehnung der Anwendung des § 96 SGG auf Folgebescheide in Dauerrechtsverhältnissen sollte dementsprechend ausgeschlossen werden, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Gewährung befristeter Renten ein Dauerrechtsverhältnis im Sinne der früheren Rechtsprechung des BSG begründen kann, zumal Streitgegenstand allein die Ablehnung der Dauerrente ist, die keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darstellt (vgl. unten).
Damit setzt § 96 SGG voraus, dass der streitgegenständliche Verwaltungsakt, wenn auch nicht ausdrücklich, doch zumindest konkludent durch den neuen Verwaltungsakt verändert oder ersetzt wird, was bedeutet, dass auf den neuen Verwaltungsakt die Vorschriften der §§ 44 ff. SGB X Anwendung finden oder es sich um einen Zweitbescheid handelt. Davon ausgehend sind die hier nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 ergangenen Bescheide vom 07.12.2009 und 22.06.2010 nicht Gegenstand des Klage bzw. Berufungsverfahrens geworden.
Der Bescheid vom 07.12.2009 ändert oder ersetzt die hier angegriffene Ablehnung einer Dauerrente mit Bescheid vom 10.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 nicht. Vielmehr erging der Bescheid aufgrund eines Weitergewährungsantrags vom 23.10.2009. Mit ihm wurde die Weitergewährung der bis zum 28.02.2010 befristeten Rente ab dem 01.03.2010 zunächst abgelehnt. Es blieb durch diese Ablehnung der Weitergewährung bei der ursprünglichen Befristung im Bescheid vom 10.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 ebenso wie bei der in diesem Bescheid enthaltenen Ablehnung einer Dauerrente, die nicht Gegenstand des Weitergewährungsantrags und des diesen ablehnenden Bescheids war.
3.) War der Bescheid vom 07.12.2009 damit nicht Gegenstand des Klageverfahrens, ist er auch nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, so dass der Teilabhilfebescheid vom 22.06.2010 nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 SGG nicht schon deswegen Gegenstand des Berufungsverfahrens werden konnte, weil er den Bescheid vom 07.12.2009 hinsichtlich der Ablehnung der Weitergewährung der Rente für die Zeit vom 01.03.2010 bis 31.01.2012 geändert hat.
Der Teilabhilfebescheid vom 22.06.2010 ist auch im Übrigen nicht gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, weil auch er den Bescheid vom 10.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 weder ändert noch ersetzt. Mit dem Teilabhilfebescheid vom 22.06.2010 wurde Rente vom 01.03.2010 bis zum 31.01.2012 befristet weitergewährt, eine Rente hierüber hinaus, insbesondere eine Dauerrente jedoch abgelehnt. Auch auf diesen Bescheid finden die Vorschriften der §§ 44 ff. SGB X keine Anwendung. Es handelt sich in Bezug auf den Bescheid vom 10.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 um keinen Überprüfungsbescheid im Sinne des § 44 SGB X, Widerruf nach § 46 SGB X oder Änderungsbescheid nach § 48 SGB X.
Die erneute Ablehnung einer Dauerrente ersetzt den streitgegenständlichen Bescheid, soweit dieser angegriffen wird, auch nicht im Sinne eines Zweitbescheids. Mit Bescheid vom 07.12.2009 wurde, wie dargelegt, die mit Antrag vom 23.10.2009 begehrte Weitergewährung der Rente nach Ablauf der Befristung abgelehnt. Der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zum Bescheid vom 07.12.2009 ergangene Abhilfebescheid vom 22.06.2010 stellt damit hinsichtlich der erstmaligen befristeten Rentengewährung einen begünstigenden Folgebescheid dar und enthält im Übrigen eine weitere Ablehnung der Gewährung einer Dauerrente ab dem 01.02.2012, die die ursprüngliche Ablehnung nicht ab dem 31.02.2012 für die Zukunft ersetzt. Denn die Ablehnung der Leistung stellt keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. Steinwedel, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht. 71. Ergänzungslieferung 2011, § 45 SGB X Rn. 21; Schütze in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 45 Rn. 65 m.w.N.; BSG, Urteil vom 30.01.1985 - 1 RJ 2/84 -, Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 -, Beschluss vom 10.05.1994 - 9 BV 140/93 -, jeweils veröffentlicht in Juris) dar und kann deshalb mit Wirkung für die Zukunft weder abgeändert noch ersetzt werden. Wie in Fällen der Entscheidung über Folgezeiträume kann § 96 SGG auch nicht analog Anwendung finden, wenn die Leistung erneut abgelehnt wird (BSG, Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R -, veröffentlicht in Juris).
Damit war allein die Klage gegen die Ablehnung der Gewährung einer Dauerrente im Bescheid vom 10.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 Gegenstand des Klage- und auch des Berufungsverfahrens. Die anschließende Fortsetzung des Berufungsverfahrens ist, wie oben dargelegt, seit Ergehen des Bescheids vom 22.06.2010 unzulässig, weil sich die angegriffene Entscheidung insoweit durch die neuen - die angegriffene nicht ändernde oder ersetzende - Entscheidung erledigt hat. Damit kann der aufrechterhaltene Antrag auf Bewilligung von Rente über den 28.2.2010 hinaus keinen Erfolg haben. Die Berufung ist dementsprechend als unbegründet zurückzuweisen.
Hinzuweisen ist auf Folgendes: Der Bescheid vom 07.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2010 ist, wie dargelegt, nicht Gegenstand des hier zugrunde liegenden erstinstanzlichen Klageverfahrens und des Berufungsverfahrens. Er ist aber nach der bereits erfolgten Nachholung des Vorverfahrens zulässiger Gegenstand (insbesondere stand keine vorrangige Rechtshängigkeit im Verfahren S 16 R 839/09 entgegen) des Klageverfahrens beim SG S 13 R 6268/10. Der Teilabhilfebescheid vom 22.06.2010 ist Gegenstand des Widerspruchsverfahrens bezüglich des Bescheids vom 07.12.2009 nach § 86 SGG geworden und damit Gegenstand der Klage gegen den Bescheid vom 07.12.2009 in der Fassung der Änderung vom 22.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2010 geworden. In diesem Verfahren kann der Kläger sein Begehren auf Dauerrente ab dem 01.02.2012 weiterverfolgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der 1969 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Er war zuletzt als Maschinenreiniger in einer Großbäckerei versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 1994 ist er arbeitslos.
Am 10.06.2008 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste daraufhin am 29.07.2008 eine orthopädische Untersuchung bei Dr. R. sowie eine nervenärztliche Untersuchung bei Dr. B ... Diese diagnostizierten eine Persönlichkeitsstörung mit paranoiden Zügen, Differentialdiagnose (DD) schizophrene Psychose sowie ein wiederkehrendes Lendenwirbelsyndrom bei Bandscheibendegeneration L5/S1. Übereinstimmend kamen beide Gutachter zu dem Ergebnis, dass der Kläger nur noch leichte körperliche Tätigkeiten unter drei Stunden täglich ausüben könne.
Mit Bescheid vom 10.09.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.12.2008 bis 28.02.2010 in Höhe von 336,11 EUR monatlich. Ergänzend wurde u.a. ausgeführt, dass der Rentenanspruch zeitlich begrenzt sei, da es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 16.09.2008 Widerspruch ein. Er machte geltend, dass er körperlich nicht in der Lage sei, auf Dauer zu arbeiten. Er wache jeden Tag mit Schmerzen auf. Auf Grund diverser Unfälle in Freizeit und Beruf sowie der früher verrichteten schweren körperlichen Arbeit sei er dauerhaft erwerbsgemindert. Seine Beschwerden bestünden seit Jahren und es sei keine Besserung in Aussicht. Die Befristung der Rente bis zum 28.02.2010 halte er nicht für gerechtfertigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach Auffassung des sozialmedizinischen Dienstes sei die Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit aus medizinischer Sicht nicht unwahrscheinlich. Dies sei der Fall, da durch adäquate, auch medikamentöse Behandlung, eine Besserung der Symptomatik erzielt werden könne.
Der Kläger hat sein Begehren weiterverfolgt und gegen den Bescheid vom 10.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2008 am 29.12.2008 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben (Verfahren S 16 R 839/09). Er macht im Wesentlichen geltend, dass sich sein gesundheitlicher Zustand verschlechtert habe. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid berufen.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Auskunft des behandelnden Arztes des Klägers, des Facharztes für Innere Medizin Dr. W., als sachverständigen Zeugen. Dieser führte aus, dass der Kläger seit Juni 2008 mehrfach im Quartal bei ihm in Behandlung gewesen sei. Er habe über keine wesentlichen auf Dauer bestehenden Beschwerden geklagt. Bei der ersten Untersuchung habe eine deutliche Logorrhoe im Rahmen eines Borderline-Syndroms bestanden. Insgesamt bestehe ein gleich bleibender Zustand ohne entscheidende Höhen oder Tiefen bzw. ohne Verschlechterung oder Besserung. Zuzumuten sei dem Kläger eine tägliche Belastung bis zu sechs Stunden.
Mit Bescheid vom 07.12.2009 lehnte die Beklagte den Antrag vom 23.10.2009 auf Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente für die Zeit ab dem 01.03.2010 ab, da sie annahm, dass der Kläger mittlerweile nicht mehr erwerbsgemindert sei. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Bescheid Gegenstand des Klageverfahrens gemäß § 96 SGG werde. Gegen den Bescheid hat der Kläger am 11.12.2009 Klage beim SG (S 19 R 6296/09) erhoben und am 29.01.2010 Widerspruch bei der Beklagten eingelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.12.2009 hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 10.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 hinsichtlich der Ablehnung einer Dauerrente wegen voller Erwerbsminderung abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung. Renten wegen Erwerbsminderung - wie die dem Kläger gewährte Rente - seien nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI grundsätzlich zu befristen, d. h. die Befristung sei der gesetzliche Regelfall. Nach § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI würden Renten wegen Erwerbsminderung nur dann unbefristet gewährt, wenn sie - wie im Fall des Klägers - unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage gewährt würden und unwahrscheinlich sei, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne. Von letzterem werde nach neunjährigem Rentenbezug ausgegangen. Vorher, d. h. bei einem noch keine neun Jahre dauernden Rentenbezug, wie im Fall des Klägers, könne von der Befristung nur dann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn eine Besserung unwahrscheinlich sei. Dies sei nach der Überzeugung des Gerichts beim Kläger nicht der Fall. Für die Frage, ob eine Besserung des Gesundheitszustandes unwahrscheinlich sei, komme es zentral darauf an, ob eine Erkrankung als austherapiert gelten müsse, oder ob noch Behandlungsmöglichkeiten bestünden, die zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes führen könnten. Letzteres sei bei dem Kläger der Fall. Der Kläger sei im Wesentlichen wegen einer psychiatrischen Erkrankung berentet worden. Die Gutachterin im Verwaltungsverfahren Dr. B. habe festgestellt, dass insoweit beim Kläger Behandlungsbedarf und auch Behandlungsmöglichkeiten bestünden. Gleichwohl befinde sich der Kläger nicht in psychiatrischer Behandlung, abgesehen von einer kurzfristigen Konsultation eines Psychiaters und Neurologen (Dr. Sch.-H.), die der Kläger nach eigenem Bekunden jedoch nicht wiederholen wolle. Solange eine Behandlung der vorhandenen Erkrankung aber noch nicht erfolgt sei, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers unwahrscheinlich sei. Dies gelte auch, wenn - wie im Fall des Klägers - die Behandlung deswegen nicht erfolge, weil es - wie von Dr. B. festgestellt - an der Einsicht in deren Notwendigkeit mangele. Die mangelnde Behandlungsmotivation des Klägers sei als Teil seiner Erkrankung anzusehen. Es lägen aber keine Hinweise vor, dass dieser Umstand vom Kläger nicht in Zukunft überwunden werden könnte. Jedenfalls stehe nicht fest, dass der Kläger auch in Zukunft dauerhaft und kategorisch gehindert sein werde, die bestehenden Behandlungsmöglichkeiten zu nutzen. Daher könne die für eine Dauerberentung erforderliche Prognose, dass eine Besserung des Gesundheitszustands grundsätzlich unwahrscheinlich sei, nicht gestellt werden. Damit bleibe es auch für den Kläger beim Regelfall der Befristung der Erwerbsminderungsrente. Die Befristung auf zwei Jahre sei hinsichtlich ihrer Dauer ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie berücksichtige einerseits, dass auch bei entsprechender Therapiebereitschaft psychische Erkrankungen in der Regel einer längeren Behandlung bedürften, um eine Besserung zu erzielen, und andererseits, dass es sich um eine erstmalige Rentengewährung handele und sämtliche Behandlungsoptionen noch offen stünden. Die Klage habe daher keinen Erfolg haben können und sei folglich abzuweisen gewesen. Nicht zu entscheiden sei über die Frage, ob dem Kläger über den 28.02.2010 hinaus wieder eine befristete Rente zu gewähren sei. Die Beklagte habe mit Bescheid vom 07.12.2009 abgelehnt, dem Kläger auf dessen Weitergewährungsantrag hin die Rente über den Zeitpunkt der Befristung hinaus weiterzugewähren. Dieser Bescheid sei - anders als von der Beklagten angenommen - nicht nach § 96 SGG Gegenstand des hier anhängigen Verfahrens geworden, da er den ursprünglich mit der Klage angefochtenen Bewilligungsbescheid vom 10.09.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 nicht abändert oder ersetzt, sondern vielmehr eine andere Frage, nämlich die einer Rentengewährung ab dem 01.03.2010 regele. Insofern handele es sich um einen anderen Streitgegenstand. Soweit der Kläger gegen diese Entscheidung vorgehen wolle, müsse zunächst das Widerspruchsverfahren bei der Beklagten durchgeführt werden.
Das Klageverfahren S 19 R 6296/09 (Bescheid vom 07.12.2009) wurde durch Beschluss des SG vom 14.01.2010 zur Nachholung des Vorverfahrens ausgesetzt. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 12.03.2010 (L 5 R 852/10 B) zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das SG habe zutreffend im Hinblick darauf, dass bezüglich des Bescheids der Beklagten vom 07.12.2009, mit dem der Antrag des Klägers auf Weitergewährung einer Erwerbsminderungsrente abgelehnt worden sei, das Klageverfahren bis zur Entscheidung der Beklagten über den Widerspruch des Klägers in entsprechender Anwendung von § 114 Abs. 2 SGG ausgesetzt.
Gegen den ihm am 22.01.2010 zugestellten Gerichtsbescheid vom 23.12.2009 hat der Kläger am 25.01.2010 Berufung beim SG eingelegt und im Wesentlichen vorgetragen, er sei 100% erwerbsgemindert. Seit 1991 sei er in ärztlicher Behandlung. 2003 sei er Opfer eines Überfalls und damit Opfer der Gesellschaft geworden. Er habe dabei eine Schädelverletzung erlitten. Er habe Antrag auf Opferrente gestellt, über die noch nicht entschieden worden sei. Seine Beschwerden seien schlimmer geworden. Er habe Schmerzen und große Beschwerden. Man habe sechsmal versucht, ihn umzubringen. Er habe Geh-, Seh- und Orientierungsprobleme.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23.12.2009 und den Bescheid vom 10.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 aufzuheben, soweit die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 01.03.2010 abgelehnt wurde, sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.03.2010 auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zuzutreffend und ihren Bescheid für rechtmäßig.
Mit Bescheid vom 22.06.2010 hat die Beklagte dem Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 07.12.2009 teilweise abgeholfen und ihm Rente für die Zeit vom 01.03.2010 bis zum 31.01.2012 gewährt. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.12.2009, soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 22.06.2010 abgeholfen worden war, zurückgewiesen. Das ausgesetzte Verfahren beim SG (S 19 R 6296/09) wurde daraufhin unter dem Aktenzeichen S 13 R 6268/10 wieder aufgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Berufungsakte, der Gerichtsakte des SG sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Für das Berufungsbegehren ist im Verlauf des Berufungsverfahrens das Rechtsschutzbedürfnis entfallen, nachdem sich der streitgegenständliche Bescheid erledigt hat, weil dem Kläger mit dem Bescheid vom 22.6.2010 Rente weitergewährt worden ist.
1.) Gegenstand der Klage war das Begehren des Klägers Rente wegen voller Erwerbsminderung durchgängig, also über den Zeitraum vom 01.12.2008 bis 28.02.2010 hinaus auf Dauer zu erhalten. Hingegen war nicht Gegenstand des Verfahrens, ob ihm bis dahin (Zeit-)Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht zuerkannt worden ist. Der Kläger hat sich schon mangels einer insoweit möglichen Beschwer (§ 54 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) nicht dagegen gewandt, dass der von ihm erhobene Rentenanspruch für den genannten Zeitraum von der Beklagten anerkannt - und durch die von ihr entgegengenommenen Rentenzahlungen schon erfüllt - worden ist. Vielmehr greift er die Ablehnung seines weitergehenden, auf zeitlich unbegrenzte Rentengewährung gerichteten Antrags an. Nur in diesem Umfang trifft der streitige Rentenbescheid vom 10.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 auch eine für ihn ungünstige Regelung: Ein Bescheid, mit dem der Versicherungsträger dem Rentenbewerber trotz eines auf Dauerrente gerichteten Antrags eine Rente nur auf Zeit gewährt, enthält mehrere Verfügungssätze. Erstens wird dem Versicherten eine Rente bestimmter Art für eine begrenzte Dauer in festgesetzter Höhe bewilligt (Verfügungssatz 1). Diese Bewilligung ist ein den Versicherten ausschließlich begünstigender Verwaltungsakt. Zweitens wird der weitergehende Anspruch auf ab Antrag durchgängige, zeitlich nicht beschränkte Rentengewährung abgelehnt (Verfügungssatz 2). Allein durch diese zweite Regelung, die ausdrücklich ausgesprochen oder konkludent durch die Begrenzung der Bezugsdauer der mit dem Verfügungssatz 1 bewilligten Rente verlautbart worden sein kann, wird der Versicherte (formell) beschwert (BSG, Urteil vom 11.02.1988 - 4/11a RA 10/87 -, veröffentlicht in Juris).
Entsprechend hat die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit dem streitigen Verwaltungsakt verbeschieden: Sie hat den Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit für den o.g. Zeitraum anerkannt (Verfügungssatz 1) und durch die Begrenzung der Rentenbewilligung den weitergehenden Rentenanspruch unzweideutig abgelehnt (Verfügungssatz 2).
Die damit gegen den zweiten Verfügungssatz gerichtete Klage ist unzulässig geworden, weil sich die Ablehnung der Rentengewährung für die Zeit nach dem 28.02.2010 d.h. der Verfügungssatz 2 insgesamt durch den Bescheid vom 22.06.2010 erledigt hat.
Der Bescheid vom 22.06.2010 stellt hinsichtlich der erstmaligen befristeten Rentengewährung mit Verfügungssatz 1 des Bescheids vom 10.09.2006 einen begünstigenden Folgebescheid dar und enthält im Übrigen eine weitere Ablehnung der Gewährung einer Dauerrente ab dem 01.02.2012. Durch die Rentengewährung vom 01.03.2010 bis 31.01.2012 hat sich zunächst für diesen Zeitraum die ab dem 01.03.2010 begehrte Weitergewährung der Rente in Form der Dauerrente erledigt. Durch die Ablehnung der Dauerrente nun ab dem 01.02.2012 hat sich die Ablehnung der Dauerrente ursprünglich ab dem 01.03.2010 auch im Übrigen erledigt. Denn eine spätere erneute Ablehnung einer begehrten Leistung führt für die von ihr betroffenen Zeiträume im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X zur Erledigung einer vorangegangenen Ablehnung (BSG, Urteil vom 02.02.2010 - B 8 SO 21/08 R -, veröffentlicht in Juris). Da dem Kläger mit Bescheid vom 22.06.2010 Rente nahtlos ab dem 01.03.2010 bis 31.01.2012 befristet weitergewährt und eine Weitergewährung nun ab dem 01.02.2012 abgelehnt wurde, verbleibt keine von der ursprünglichen Ablehnung der Rente ab dem 01.03.2010 ausgehende Beschwer durch den streitgegenständlichen Bescheid, so dass er sich, soweit er angegriffen wurde, insgesamt erledigt hat. Die Fortführung des Berufungsverfahrens erweist sich damit mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig.
2.) Der Bescheid vom 22.06.2010, der als Abhilfebescheid zum Bescheid vom 07.12.2009 ergangen ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens, da schon der Bescheid vom 07.12.2009 nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des vorangegangenen erstinstanzlichen Verfahrens geworden ist und damit auch der (Teilabhilfe)Bescheid vom 22.06.2010 nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 SGG geworden sein kann.
§ 96 SGG verfolgt die Ziele, eine schnelle, erschöpfende Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis in einem Verfahren zu ermöglichen, divergierende Entscheidungen zu vermeiden und den Kläger vor Rechtsnachteilen zu schützen, die ihm daraus erwachsen, dass er im Vertrauen auf den eingelegten Rechtsbehelf bezüglich weiterer Verwaltungsakte rechtliche Schritte unterlässt. Die Einbeziehung des neuen Verwaltungsaktes soll – entsprechend der ursprünglichen Zielsetzung der Norm – dabei aber nur noch möglich sein, wenn nach Klageerhebung der Verwaltungsakt durch einen neuen Verwaltungsakt ersetzt oder abgeändert wird (BT-Drucks. 16/7716, Zu Nummer 16 (§ 96), S. 18f.). Die Ausdehnung der Anwendung des § 96 SGG auf Folgebescheide in Dauerrechtsverhältnissen sollte dementsprechend ausgeschlossen werden, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Gewährung befristeter Renten ein Dauerrechtsverhältnis im Sinne der früheren Rechtsprechung des BSG begründen kann, zumal Streitgegenstand allein die Ablehnung der Dauerrente ist, die keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darstellt (vgl. unten).
Damit setzt § 96 SGG voraus, dass der streitgegenständliche Verwaltungsakt, wenn auch nicht ausdrücklich, doch zumindest konkludent durch den neuen Verwaltungsakt verändert oder ersetzt wird, was bedeutet, dass auf den neuen Verwaltungsakt die Vorschriften der §§ 44 ff. SGB X Anwendung finden oder es sich um einen Zweitbescheid handelt. Davon ausgehend sind die hier nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 ergangenen Bescheide vom 07.12.2009 und 22.06.2010 nicht Gegenstand des Klage bzw. Berufungsverfahrens geworden.
Der Bescheid vom 07.12.2009 ändert oder ersetzt die hier angegriffene Ablehnung einer Dauerrente mit Bescheid vom 10.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 nicht. Vielmehr erging der Bescheid aufgrund eines Weitergewährungsantrags vom 23.10.2009. Mit ihm wurde die Weitergewährung der bis zum 28.02.2010 befristeten Rente ab dem 01.03.2010 zunächst abgelehnt. Es blieb durch diese Ablehnung der Weitergewährung bei der ursprünglichen Befristung im Bescheid vom 10.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 ebenso wie bei der in diesem Bescheid enthaltenen Ablehnung einer Dauerrente, die nicht Gegenstand des Weitergewährungsantrags und des diesen ablehnenden Bescheids war.
3.) War der Bescheid vom 07.12.2009 damit nicht Gegenstand des Klageverfahrens, ist er auch nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, so dass der Teilabhilfebescheid vom 22.06.2010 nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 SGG nicht schon deswegen Gegenstand des Berufungsverfahrens werden konnte, weil er den Bescheid vom 07.12.2009 hinsichtlich der Ablehnung der Weitergewährung der Rente für die Zeit vom 01.03.2010 bis 31.01.2012 geändert hat.
Der Teilabhilfebescheid vom 22.06.2010 ist auch im Übrigen nicht gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, weil auch er den Bescheid vom 10.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 weder ändert noch ersetzt. Mit dem Teilabhilfebescheid vom 22.06.2010 wurde Rente vom 01.03.2010 bis zum 31.01.2012 befristet weitergewährt, eine Rente hierüber hinaus, insbesondere eine Dauerrente jedoch abgelehnt. Auch auf diesen Bescheid finden die Vorschriften der §§ 44 ff. SGB X keine Anwendung. Es handelt sich in Bezug auf den Bescheid vom 10.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 um keinen Überprüfungsbescheid im Sinne des § 44 SGB X, Widerruf nach § 46 SGB X oder Änderungsbescheid nach § 48 SGB X.
Die erneute Ablehnung einer Dauerrente ersetzt den streitgegenständlichen Bescheid, soweit dieser angegriffen wird, auch nicht im Sinne eines Zweitbescheids. Mit Bescheid vom 07.12.2009 wurde, wie dargelegt, die mit Antrag vom 23.10.2009 begehrte Weitergewährung der Rente nach Ablauf der Befristung abgelehnt. Der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zum Bescheid vom 07.12.2009 ergangene Abhilfebescheid vom 22.06.2010 stellt damit hinsichtlich der erstmaligen befristeten Rentengewährung einen begünstigenden Folgebescheid dar und enthält im Übrigen eine weitere Ablehnung der Gewährung einer Dauerrente ab dem 01.02.2012, die die ursprüngliche Ablehnung nicht ab dem 31.02.2012 für die Zukunft ersetzt. Denn die Ablehnung der Leistung stellt keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. Steinwedel, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht. 71. Ergänzungslieferung 2011, § 45 SGB X Rn. 21; Schütze in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 45 Rn. 65 m.w.N.; BSG, Urteil vom 30.01.1985 - 1 RJ 2/84 -, Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 -, Beschluss vom 10.05.1994 - 9 BV 140/93 -, jeweils veröffentlicht in Juris) dar und kann deshalb mit Wirkung für die Zukunft weder abgeändert noch ersetzt werden. Wie in Fällen der Entscheidung über Folgezeiträume kann § 96 SGG auch nicht analog Anwendung finden, wenn die Leistung erneut abgelehnt wird (BSG, Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R -, veröffentlicht in Juris).
Damit war allein die Klage gegen die Ablehnung der Gewährung einer Dauerrente im Bescheid vom 10.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2008 Gegenstand des Klage- und auch des Berufungsverfahrens. Die anschließende Fortsetzung des Berufungsverfahrens ist, wie oben dargelegt, seit Ergehen des Bescheids vom 22.06.2010 unzulässig, weil sich die angegriffene Entscheidung insoweit durch die neuen - die angegriffene nicht ändernde oder ersetzende - Entscheidung erledigt hat. Damit kann der aufrechterhaltene Antrag auf Bewilligung von Rente über den 28.2.2010 hinaus keinen Erfolg haben. Die Berufung ist dementsprechend als unbegründet zurückzuweisen.
Hinzuweisen ist auf Folgendes: Der Bescheid vom 07.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2010 ist, wie dargelegt, nicht Gegenstand des hier zugrunde liegenden erstinstanzlichen Klageverfahrens und des Berufungsverfahrens. Er ist aber nach der bereits erfolgten Nachholung des Vorverfahrens zulässiger Gegenstand (insbesondere stand keine vorrangige Rechtshängigkeit im Verfahren S 16 R 839/09 entgegen) des Klageverfahrens beim SG S 13 R 6268/10. Der Teilabhilfebescheid vom 22.06.2010 ist Gegenstand des Widerspruchsverfahrens bezüglich des Bescheids vom 07.12.2009 nach § 86 SGG geworden und damit Gegenstand der Klage gegen den Bescheid vom 07.12.2009 in der Fassung der Änderung vom 22.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2010 geworden. In diesem Verfahren kann der Kläger sein Begehren auf Dauerrente ab dem 01.02.2012 weiterverfolgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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