Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 2 KR 294/11 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 110/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die in § 130a Abs. 4 SGB V geregelte Befreiungsmöglichkeit gilt auch für Preisabschläge, die aufgrund des § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel zu gewähren sind.
2. Besondere Gründe, die nach § 130a Abs. 4 SGB V zu einem Anspruch auf Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und 3a SGB V führen, sind auf jeden Fall dann anzunehmen, wenn die Preisabschläge aufgrund einer besonderen Marktsituation die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens gefährden würden.
3. Hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens dieser besonderen Gründe ist allein auf die Situation des Unternehmens selbst und nicht zusätzlich auf die Situation etwaiger Gesellschafter des Unternehmens abzustellen.
4. Dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle steht hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens besonderer Gründe für eine Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V keine Einschätzungsprärogative zu. Vielmehr handelt es sich bei der Verwendung des Begriffs des besonderen Grundes in § 130a Abs. 4 SGB V um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung vom Gericht vollständig überprüft werden kann.
2. Besondere Gründe, die nach § 130a Abs. 4 SGB V zu einem Anspruch auf Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und 3a SGB V führen, sind auf jeden Fall dann anzunehmen, wenn die Preisabschläge aufgrund einer besonderen Marktsituation die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens gefährden würden.
3. Hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens dieser besonderen Gründe ist allein auf die Situation des Unternehmens selbst und nicht zusätzlich auf die Situation etwaiger Gesellschafter des Unternehmens abzustellen.
4. Dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle steht hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens besonderer Gründe für eine Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V keine Einschätzungsprärogative zu. Vielmehr handelt es sich bei der Verwendung des Begriffs des besonderen Grundes in § 130a Abs. 4 SGB V um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung vom Gericht vollständig überprüft werden kann.
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, die Antragstellerin bis zum Abschluss des Klageverfahrens gegen den Bescheid vom 6. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2012 (Az. S 2 KR 32/12) für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 1. April 2013 von den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V und für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 1. April 2013 von den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V in Verbindung mit Artikel 11a Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz zu befreien.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Gründe:
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Befreiung von den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 1. April 2013.
Die Antragstellerin, die in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisiert ist und deren Produktpalette ausschließlich aus Therapieallergenen besteht, beantragte am 29. Juli 2010 beim Bundesministerium für Gesundheit für alle von ihr vertriebenen Arzneimittel die Freistellung von den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V für die Zeit vom 1. August 2010 bis 31. Dezember 2013. Sie begründete dies damit, dass diese Maßnahmen in Verbindung mit der Therapieallergene-Verordnung (TAV) eine besondere Situation darstellten, die innerhalb von kurzer Zeit für das Unternehmen zu existenzgefährdenden Folgen führe. Sie sei im Jahr 2009 mit einem Umsatz von 37,1 Millionen Euro und einem Ergebnis vor Steuern von 5,6 Millionen Euro der drittgrößte Anbieter von Therapieallergenen in Deutschland gewesen. Durch die Therapieallergene-Verordnung aus dem Jahr 2008 sei erstmals eine Zulassung von Therpapieallergenen erforderlich geworden. Der Aufwand für die zur Zulassung notwendigen Studien betrage in den nächsten Jahren 80 Millionen Euro und davon entfielen auf die Jahre 2010 bis 2013 20 Millionen Euro. Durch die Maßnahmen des Herstellerrabatts und des Preismoratoriums erleide sie eine erhebliche Umsatz- und Ergebnisminderung. Durch das Zusammentreffen der Maßnahmen gerate sie ab 2012 in eine existenzgefährdende Situation. Die Antragstellerin sei auch dominierender Teil der QQ. Group, Q-Land. Im Jahr 2009 habe der Umsatz der QQ. Group 52,5 Millionen Euro und das Ergebnis vor Steuer 9,6 Millionen Euro betragen. Durch die Maßnahmen ergäbe sich eine Existenzbedrohung für die QQ. Group insgesamt. Zu diesem Antrag legte die Antragstellerin ihre Planungen für die Jahre 2010 bis 2013 mit und ohne Berücksichtung der gesetzlichen Maßnahmen durch das GKV- Änderungsgesetz und eine entsprechende gutachtliche Stellungnahme der Wirtschaftsprüfer WW. vom 29. Juli 2010 vor.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2010 wies das Bundesministerium für Gesundheit die Antragstellerin auf die Weiterleitung der Unterlagen an den Antragsgegner und auf dessen Zuständigkeit für Entscheidungen hin. Mit Schreiben vom 27. April 2011 erweiterte die Antragstellerin ihren Antrag um den Antrag auf Freistellung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2011 vom Großhandelsabschlag nach Art. 11b Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG). Dazu legte sich eine angepasste Antragsbegründung mit ihren Planungen für die Jahre 2011 bis 2013 mit und ohne Berücksichtigung des GKV-Änderungsgesetzes und des AMNOG vor und reichte eine gutachtliche Stellungnahme der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EE. zu ihren Planung für die Jahre 2011 bis 2013 ein.
Die gutachtliche Stellungnahme der EE. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 27. April 2011 kam in ihrem Gutachten unter Punkt "III. Planungsrechnung ohne Befreiung" zu dem Ergebnis, dass die Abschläge nach § 130a SGB V und dem AMNOG ihrer Einschätzung nach ursächlich für eine wesentlichen Verlustsituation der Antragstellerin seien und diese Verlustsituation im Planungszeitraum zu einem kompletten Verzehr der Liquidität und in Folge zu einem vollständigen Verzehr des Eigenkapitals der Antragstellerin führe. Zusammenfassend könne daher festgehalten werden, dass der wirtschaftliche Fortbestand der Gesellschaft durch die Einführung regulatorischer Zusatzbelastungen akut bedroht erscheine. Im Kapitel "IV. Planungsrechnung mit teilweiser Befreiung" wiesen die Wirtschaftsprüfer darauf hin, das die Gesellschaft durch die Befreiung von den erhöhten Herstellerrabatten im Ergebnis in die Lage versetzt würden, leicht positive operative Ergebnisse zu erzielen. Im Jahr 2011 werde ausschließlich dank der (unterstellten) positiven Rückerstattungen des erhöhten Herstellerrabatts aus dem Jahr 2010 ein positives Ergebnis erzielt werden können. Ohne diese Rückerstattungen würde sich ein planerischer Verlust in Höhe von 330.000 Euro ergeben. Außerdem sei zu bedenken, dass eine zusätzliche Belastung durch das Finanzergebnis und durch Steuern zu erwarten sei. Dass dann nur noch minimal positive Ergebnisse insbesondere in den Planjahren 2011 und 2012 zu erwarten seien, ließe aus ihrer Sicht fraglich erscheinen, ob der Fortbestand der Gesellschaft durch eine ausschließliche Befreiung von den erhöhten Herstellerrabatten gesichert sei. Verstärkend komme hinzu, dass die operative Planung der Gesellschaft (ohne Berücksichtigung von Herstellerrabatten, Preismoratorien und Kosten für klinische Zulassungsstudien) tendenziell ambitioniert sei und daher das Risiko einer Planverfehlung erhöht sei. In dem Kapitel "V. Sensitivitätsanalyse" wiesen die Wirtschaftsprüfer darauf hin, dass schon eine Abweichung der prognostizierten Umsätze von einem Prozent dazu führen würde, dass die Anragstellerin Verluste erwirtschafte. Die Wahrscheinlichkeit von Planabweichungen sei zudem erhöht, da die Planung der Gesellschaft als tendenziell optimistisch einzustufen sei. Im Kapitel "VI. Gegenüberstellung der Planrechnungen" kam das Gutachten zu dem Ergebnis, dass das Szenario mit teilweise Befreiung, unter der Annahme, dass die Gesellschaft ausschließlich von den erhöhten Herstellerrabatten befreit würde, diese zwar in die Lage versetze, gerade wieder ein ausgeglichenes operatives Ergebnis zu erwirtschaften (ohne Berücksichtigung der Gutschrift im Jahr 2011). Nichtsdestotrotz müsse davon ausgegangen werden, dass dieses Ergebnis vor dem Hintergrund von Planungsunsicherheiten nicht ausreichen würde, um mittelfristig eine Bestandsgefährdung auszuschließen. Zusammenfassend kamen die Wirtschaftsprüfer zu dem Ergebnis, dass eine Befreiung von den gesetzlichen Herstellerrabatten wirtschaftlich gerechtfertigt erscheine. Auf Basis der erfolgten Analysen sei festzustellen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie der Fortbestand der Gesellschaft durch die regulatorischen Zusatzbelastungen akut gefährdet seien. Wie die Planrechnung im Abschnitt IV zeige, sei der Fortbestand der Antragstellerin bei einer ausschließlichen Befreiung von dem erhöhten Herstellerrabatt trotz leicht positiver Planergebnisse weiterhin gefährdet. Die Ertragsplanung sei vor dem Hintergrund eines nur langsam wachsenden Marktes als tendenziell optimistisch zu beurteilen. Aus diesem Grund würden bereits geringe Plan-Ist-Abweichungen dazu führen, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gesellschaft bedroht sei. Auf Basis der vorliegenden Informationen sei eine Befreiung der Antragstellerin von den gesetzlichen Herstellerabschlägen vor dem Hintergrund der mittelfristigen Sicherung des Unternehmensfortbestandes wirtschaftlich geboten.
In dem eingereichten Fragebogen zum Antrag vom 27. April 2011 verneinte die Antragstellerin eine Konzernzugehörigkeit und wies auf die Schwestergesellschaft QQ-1., Q-Land, hin. Außerdem reichte die Antragstellerin ihren Handelsregisterauszug des Amtsgerichts B-Stadt ein. Dieser weist hinsichtlich bestehender Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge aus, dass der mit der RR. AG in R-Stadt am 11. November 2003 abgeschlossene Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag durch Vertrag vom 15. Juni 2007 mit Wirkung zum 30. Juni 2007 aufgehoben wurde. Außerdem reichte die Antragstellerin eine Liste ihrer Gesellschafter ein, aus der sich ergibt, dass 93,4 Prozent ihrer Anteile von der TT. GmbH, B-Stadt, und 2,6 Prozent ihrer Anteile von der ZZ-Verwaltungs GmbH, R-Stadt, und der Rest ihrer Anteile von natürlichen Personen gehalten werden.
Mit Schreiben vom 22. Juni 2011 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass eine konzernbezogene Antragsprüfung vorzunehmen sei. Aus dem vorgelegten Jahresabschluss für das Jahr 2010 ergebe sich, dass die Antragstellerin in den Konzernabschluss der UU. Group AG einbezogen sei. Es werde daher um die Angaben zur Konzernzugehörigkeit und um die Übersendung der Konzerabschlüsse für 2008 bis 2010 gebeten. Die Antragstellerin antwortete mit Schreiben vom 6. Juli 2011 und wies darauf hin, dass die TT. eine 100%ige Tochter der UU. International Group sei. Sie selbst habe keinen Zugang zu den Unterlagen ihrer Gesellschafter. Sie sei eine eigenständige Kapitalgesellschaft ohne Ergebnisabführungsvertrag und trete am Markt als eigenständiges Familienunternehmen auf. Mit keinem der Gesellschafter sei das Unternehmen liquiditätsmäßig verbunden und von keinem der Gesellschafter erhalte das Unternehmen irgendeine Form von Gesellschafterdarlehen.
Mit Schreiben vom 3. August 2011 fragte der Antragsgegner bei der Antragstellerin bezüglich Darlehen an die QQ. Holdung nach und bat nochmals um die Vorlage der Unterlagen der UU. Group AG. Darauf hin äußerte die Antragstellerin mit Schreiben vom 12. August 2011 Zweifel an der Pflicht, Unterlagen der UU. Group AG vorzulegen, da dafür keine Anhaltspunkte im Gesetz und in der Gesetzesbegründung zu finden seinen und legte die Bilanz der QQ. Holding für das Jahr 2010 vor. Mit Schreiben vom 7. September 2011 wies die Antragstellerin darauf hin, dass eine Konzernprüfung bei einer Verlustübernahmeverpflichtung gerechtfertigt sei. Eine solche Verlustübernahmeverpflichtung bestehe jedoch bei der Antragstellerin nicht. Außerdem legte die Antragstellerin ihre vorläufige Bilanz für die Zeit von Januar bis August 2011 vor, aus der sich ein Verlust von 3,335 Millionen Euro ergibt.
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2011 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Reduzierung des Herstellerrabatts von 16% auf 0 und die Befreiung vom Preismoratorium ab. Dies begründete der Antragsgegner damit, dass nach seinem Merkblatt eine konzernübergreifende Prüfung erforderlich sei und er daher nach § 26 Verwaltungsverfahrensgesetz berechtigt sei, entsprechende Unterlagen anzufordern. Da diese Unterlagen nicht vorgelegt worden seien, habe der Antrag abgelehnt werden müssen. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 12. Oktober 2011 Widerspruch ein.
Am 14. Oktober 2011 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Wiesbaden den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Im Laufe des Verfahrens hat die Antragstellerin ihre Betriebsergebnisse für die Zeit vom 1. August 2010 bis 13. Oktober 2011 vorgelegt. Danach ist im Jahr 2010 ein Ergebnis vor Steuern von 968.000 Euro erzielt worden. Für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 13. Oktober 2011 wird ein vorläufiges Ergebnis vor Steuern mit einem Verlust von 3,718 Millionen Euro ausgewiesen, wobei nach den Angaben der Antragstellerin im Jahr 2011 Rabatte von insgesamt 9,761 Millionen Euro zu zahlen waren. Davon entfielen auf den Herstellerrabatt der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 6% 1.308 Millionen Euro, auf die Erhöhung des Herstellerrabatts von 6% auf 16% 2,181 Millionen Euro und auf den Herstellerrabatt für die private Krankenversicherung ein Rabatt von 0,616 Millionen Euro. Außerdem hat die Antragstellerin eine eideststattliche Versicherung über die Richtigkeit der vorgelegten Betriebsergebnisse und Schätzungen vorgelegt.
Während des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hat der Antragsgegner den Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2012 erlassen, mit dem er den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 12. Oktober 2012 als unbegründet zurückgewiesen hat. Dagegen hat die Antragstellerin am 20. Januar 2012 Klage erhoben (Az. S 2 KR 32/12), über die noch nicht entschieden ist.
Die Antragstellerin hat darauf hingewiesen, dass sie im Zeitpunkt der Umsatzerzielung zunächst den kompletten Bruttolistenpreis erhalte und Rabatte erst im Nachhinein in Rechnung gestellt würden. Zum 13. Oktober 2011 seien deshalb Rückstellungen für Rabatte in Höhe von 1,953 Millionen Euro gebildet worden, die künftig eingefordert würden.
Die Antragstellerin ist der Meinung, sie müsse den Konzernabschluss ihrer Muttergesellschaft nicht vorlegen. Diese Unterlagen seien für die Beurteilung der geltend gemachten Ausnahmegründe irrelevant. Vielmehr stehe ihr aufgrund der vorgelegten Unterlagen zumindest für die Zeit ab 1. Januar 2011 ein Anspruch auf Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V zu. Zur Beurteilung des Vorliegens eines Ausnahmefalles sei, da ihre Gesellschafter keiner Nachschusspflicht unterlägen, auf ihre eigene wirtschaftliche Lage abzustellen und nicht darauf, ob ihre Gesellschafter willens oder in der Lage seien, bei ihr eintretende Verluste zu tragen. Ihr müsse diese Befreiung aufgrund einer einstweiligen Anordnung gewährt werden, weil sonst ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, die Antragstellerin bis zum Abschluss des Klageverfahrens gegen den Bescheid vom 6.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2012 (Az.: S 2 KR 32/12) für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 1. April 2013 von den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V und für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 1. April 2013 von den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs. 1 und Abs 1a SGB V i.V.m. Artikel 11a Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz zu befreien.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass es für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits an einem Anordnungsgrund fehle. Soweit eine einstweilige Anordnung für Zeiträume vor der Beantragung der einstweiligen Anordnung beantragt werde, sei dieser Antrag zurückzuweisen, da diese Zeiträume in der Vergangenheit lägen und keine aktuelle Notlage begründen könnten. Soweit eine einstweilige Anordnung für die Gegenwart und Zukunft beantragt werde, werde keine unmittelbare Gefährdung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage vorgetragen und dargelegt. Im Übrigen bestehe kein Anordnungsanspruch, da die Klage aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen unbegründet sei. Die Befreiung von den Herstellerrabatten sei nachrangig. Vorrangig sei zu prüfen, ob es betriebliche oder unternehmerische Maßnahmen gebe, die geeignet seien, die finanzielle Situation des Unternehmens zu verbessern und ob das Unternehmen in der Lage sei, mit eigenen Mitteln oder mit Mitteln der Gesellschafter die Illiquidität zu vermeiden. Dazu sei eine konzernbezogene Prüfung notwendig. Der Konzernabschluss der Muttergesellschaft sei jedoch nicht vorgelegt worden. Daher habe keine Prüfung in der Sache erfolgen können und müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig. Er ist insbesondere vor dem örtlich zuständigen Sozialgericht erhoben worden. Zuständig für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach § 86b Abs. 2 SGG das Gericht der Hauptsache. Dies ist das Sozialgericht Wiesbaden, da dieses für die von der Antragstellerin erhobenen Klage (S 2 KR 32/12) örtlich zuständig ist. Nach § 57 Abs. 5 SGG ist in Angelegenheiten nach § 130a Abs. 4 und 9 des SGB V das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die zur Entscheidung berufene Behörde ihren Sitz hat. Die Antragstellerin macht Befreiungen von den Preisnachlässen nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V nach § 130a Abs. 4 SGB V geltend. Über diese Befreiungen entscheidet zwar nach § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V das Bundesministerium für Gesundheit. Nach § 130a Abs. 4 Satz 8 SGB V kann das Bundesministerium für Gesundheit diese Aufgabe aber auf eine Bundesoberbehörde übertragen. Davon hat das Bundesministerium für Gesundheit Gebrauch gemacht und die Aufgaben nach § 130a Abs. 4 Sätze 2 bis 7 SGB V auf den Antragsgegner übertragen. Da der Antragsgegner seinen Sitz in Eschborn hat, das zum Bezirk des Sozialgerichts Wiesbaden gehört, ist das Sozialgericht Wiesbaden für Klagen auf eine Befreiung von Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V nach § 130a Abs. 4 SGB V örtlich zuständig.
Der Antrag ist auch begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des Eilverfahrens verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, also einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen dabei nicht isoliert nebeneinander. Es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzubeziehen.
Nach diesen Grundsätzen ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattzugeben. Es liegt sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund vor.
Nach § 130a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V erhalten die Krankenkassen von Apotheken für ab dem 1. Januar 2003 zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 6 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer und die pharmazeutischen Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten. Dieser Abschlag ist nach § 130a Abs. 1 Satz 4 SGB V innerhalb von zehn Tagen nach Geltendmachung des Anspruches zu erstatten. Abweichend von § 130a Abs. 1 SGB V beträgt der Abschlag für verschreibungspflichtige Arzneimittel einschließlich Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen nach § 130a Abs. 1a SGB V vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2013 16 Prozent. Das Bundesministerium für Gesundheit entscheidet nach § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V über Anträge pharmazeutischer Unternehmer nach Artikel 4 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme auf Ausnahme von den nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V vorgesehenen Abschlägen, wobei das Vorliegen eines Ausnahmefalls und der besonderen Gründe nach § 130a Abs. 4 Satz 3 SGB V im Antrag hinreichend darzulegen ist. Diese Aufgabe kann das Bundesministerium für Gesundheit nach § 130a Abs. 4 Satz 8 SGB V auf eine Bundesoberbehörde übertragen, wovon das Bundesministerium für Gesundheit durch Übertragung auf den Antragsgegner Gebrauch gemacht hat.
Nach Artikel 4 Abs. 1 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 überprüft ein Mitgliedstaat, dessen zuständigen Behörden einen Preisstopp für alle Arzneimittel oder für bestimmte Arzneimittelkategorien verfügt haben, mindestens einmal jährlich, ob nach der gesamtwirtschaftlichen Lage die Beibehaltung des Preisstopps ohne Änderungen gerechtfertigt ist. Nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 kann eine Person, die Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels ist, in Ausnahmefällen eine Abweichung von einem solchen Preisstopp beantragen, wenn dies durch besondere Gründe gerechtfertigt ist.
§ 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel (Artikel 11a AMNOG vom 22. Dezember 2010) sieht darüber hinaus vor, dass die pharmazeutischen Unternehmer den Unternehmen der privaten Krankenversicherung und den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften für verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Kosten diese ganz oder teilweise erstattet haben, nach dem Anteil der Kostentragung Abschläge entsprechend § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V zu gewähren haben.
Nach diesen Vorschriften hat die Antragstellerin für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 1. April 2013 einen Anspruch auf Befreiung von den Herstellerabschlägen nach § 130a Abs. 1 und 1a SGB V i.V.m. § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel. Dabei bezieht sich die in § 130a Abs. 4 SGB V geregelte Befreiungsmöglichkeit auch auf Preisabschläge, die aufgrund des § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel zu gewähren sind. § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel ist schon aus Gründen der europakonformen Auslegung der Regelung so zu verstehen, dass nicht nur auf die Regelungen, die Preisabschlägen fordern, sondern auch auf die Regelungen, die Befreiungsmöglichkeiten von diesen Preisabschlägen treffen, verwiesen wird. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 sieht nämlich für alle Fälle, in denen die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates einen Preisstopp für alle Arzneimittel oder für bestimmte Arzneimittelkategorien verfügt haben, für eine Person, die Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels ist, die Möglichkeit vor, in Ausnahmefällen eine Abweichung von einem solchen Preisstopp zu beantragen, wenn dies durch besondere Gründe gerechtfertigt ist. Eine solche Befreiungsmöglichkeit musste deshalb auch der deutsche Gesetzgeber schaffen und es ist davon auszugehen, dass er dies mit § 130a Abs. 4 SGB V umfassend getan hat.
Besondere Gründe, die zu einem Anspruch auf Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1 und 3a SGB V führen, sind nach der Gesetzesbegründung auf jeden Fall dann anzunehmen, wenn die Preisabschläge aufgrund einer besonderen Marktsituation die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens gefährden würden (BT-Drs. 17/2170, S. 37). Bei der Antragstellerin liegt eine solche besondere Marktsituation, in der die Preisabschläge die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens gefährden würde, vor. Diese besondere Marktsituation führt dazu, dass die Antragstellerin für den im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemachten Zeitraum einen Anspruch auf eine vollständige Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V i.V.m. mit § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel hat. Die besonderen Gründe, die zu einem Anspruch der Antragstellerin auf Befreiung führen, liegen in der besonderen Situation der Antragstellerin, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V i.V.m. § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel ausgesetzt ist und daneben umfangreiche Studien für die durch die Therapieallergene-Verordnung notwendig gewordene arzneimittelrechtliche Zulassung der von ihr hergestellten Therapieallergene, deren Herstellung und Vertrieb ihren einzigen Geschäftszweig darstellt, finanzieren muss. Die Antragstellerin ist nach dem vorgelegten schlüssigen und nachvollziehbaren Prognose der EE. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 27. April 2011 ohne eine entsprechende Befreiung von den Preisabschlägen für die Zeit ab 1. Januar 2011 nicht in der Lage, ein positives Betriebsergebnis zu erzielen. Dies wird für den Zeitraum vom 1. Januar bis 13. Oktober 2011 auch durch die tatsächliche Geschäftsentwicklung, die ein vorläufiges Ergebnis vor Steuern mit einem Verlust von 3,718 Millionen Euro aufweist, bestätigt. Die Kosten für diese Studien sind für die Antragstellerin unvermeidlich und führen in Kombination mit den allgemeinen Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V i.V.m. § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel dazu, dass die Antragstellerin diese Preisabschläge ab 1. Januar 2011 nicht mehr tragen kann. Dass die Antragstellerin diese Preisabschläge gerade ab 1. Januar 2011 nicht mehr tragen kann, ergibt sich daraus, dass sie im Jahr 2010 trotz der teilweise bereits ab 1. August 2010 geltenden Preisabschläge noch ein positives Betriebsergebnis erzielt hat, während die Prognosen für den Zeitraum ab 1. Januar 2011 negativ sind. Dies ist auch plausibel, da ab diesem Zeitraum die umfangreichen Kosten für die klinischen Studien für die Zulassung der von der Antragstellerin vertriebenen Therapieallergene einsetzen, die vor dem 1. Januar 2011 noch nicht angefallen sind. Dass eine Befreiung lediglich von dem erhöhten Preisabschlag nach § 130a Abs. 1a SGB V nicht ausreichend ist, um die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin zu sichern, ergibt sich aus der auch in diesem Punkt schlüssigen nach nachvollziehbaren Prognose der EE. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 27. April 2011. Die Wirtschaftsprüfer errechnen zwar, dass die Antragstellerin bei einer ab 1. August 2010 erfolgten Befreiung von den erhöhten Herstellerrabatten nach § 130a Abs. 1a SGB V im Ergebnis in die Lage versetzt würden, im Jahr 2011 leicht positive operative Ergebnisse zu erzielen. Zu Recht weisen die Wirtschaftsprüfer jedoch darauf hin, dass die prognostizierten nur noch minimal positive Ergebnisse den Fortbestand der Gesellschaft durch eine ausschließliche Befreiung von den erhöhten Herstellerrabatten nicht sichern könnten, zumal die Planungen der Antragstellerin tendenziell ambitioniert seien und damit das Risiko einer Planverfehlung erhöht sei. Schon eine Abweichung der prognostizierten Umsätze von einem Prozent würde dazu führen, dass die Anragstellerin Verluste erwirtschafte. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass eine ausschließliche Befreiung von den erhöhten Herstellerabschlägen nach § 130a Abs. 1a SGB V nicht ausreichen würde, um mittelfristig eine Bestandsgefährdung auszuschließen. Aus diesen Gründen ist für die Zeit ab dem 1. Januar 2011 eine vollständige Befreiung von den Herstellerrabatten nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V i.V.m. § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel notwendig. Dies zeigt auch die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung für die Zeit vom 1. Januar bis 13. Oktober 2011. Diese weist einen Verlust von 3,718 Millionen Euro aus, der bei einer Befreiung von den Herstellerabschlägen nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V i.V.m. § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel nicht eingetreten wäre, da sich diese Preisabschläge nach Angaben der Antragstellerin in dieser Zeit auf insgesamt 4,105 Millionen Euro belaufen (Preisabschlag nach § 130a Abs. 1 SGB V: 1.308 Millionen Euro + Preisabschlag nach § 130a Abs. 1a SGB V: 2,181 Millionen Euro + Preisabschlag nach § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel: 0,616 Millionen Euro).
Hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens besonderer Gründe für die Befreiung von Preisabschlägen ist allein auf die Situation des Unternehmens selbst und nicht, wie der Antragsgegner unter Bezugnahme auf sein Merkblatt "Herstellerabschläge der pharmazeutischen Unternehmen – Merkblatt für Unternehmen, die einen Antrag auf Ausnahmen von den gesetzlichen Herstellerabschlägen nach § 130a Absatz 4 und 9 SGB V stellen" (S. 4) meint, zusätzlich auf die Situation etwaiger Gesellschafter des Unternehmens abzustellen. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der einschlägigen Regelungen als auch aus ihrem Sinn und Zweck. Nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 kann eine Person, die Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels ist (Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988), Abweichung von einem solchen Preisstopp beantragen. Dementsprechend sieht § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V vor, dass das Bundesministerium für Gesundheit über Anträge pharmazeutischer Unternehmer nach Artikel 4 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 entscheidet. Weil der pharmazeutische Unternehmer die Befreiung von Preisabschlägen beantragen kann, ist davon auszugehen, dass auch hinsichtlich der Befreiungsvoraussetzungen auf ihn und nicht auf etwaige Gesellschafter des pharmazeutischen Unternehmers abzustellen ist. Aus der Gesetzesbegründung ist abzuleiten, dass die Befreiungsmöglichkeit dazu dient, die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern, wenn die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens aufgrund einer besonderen Marktsituation durch die Preisabschläge gefährdet würde (BT-Drs. 17/2170, S. 37). Dabei geht es nicht um die Situation der Gesellschafter, sondern ausschließlich um die Situation des Unternehmens selbst. Für die Beurteilung des Vorliegens von besonderen Gründen für die Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V ist deshalb nicht, entscheidend, ob ein Gesellschafter willens oder in der Lage wäre, Verluste des Unternehmens, an dem er beteiligt ist, zu tragen. Für die Beurteilung des Vorliegens besonderer Gründe für eine Befreiung der Klägerin von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V ist daher die Vorlage des Konzernabschlusses der UU. Group AG, wie er vom Antragsgegner von der Antragstellerin verlangt wird, nicht relevant. Die Vorlage dieser Unterlagen ist auch nicht erforderlich, um Missbrauchsfälle und Umgehungen auszuschließen. Dem dient vielmehr die Einreichung eines Gutachtens eines Wirtschaftsprüfers, der darzulegen und zu prüfen hat, ob die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens aufgrund einer besonderen Marktsituation des Unternehmens durch die gesetzlichen Preisabschläge gefährdet ist oder ob diese Situation durch andere Ursachen ausgelöst wurde. Im Einzelfall kann es zwar erforderlich sein, dass ein Unternehmen relevante einzelne Unterlagen vorlegt, aus denen sich – etwa bei Weisungen innerhalb eines Konzerns, dass zwischen einzelnen Konzernunternehmen keine Marktpreise, sondern bestimmte Verrechnungspreise gelten – Anhaltspunkte ergeben können, dass eine Gefährdung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit des Unternehmens nicht auf den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V, sondern auf anderen Ursachen beruht. Dazu ist aber nicht die Vorlage von Unterlagen von Gesellschaftern – wie etwa die Vorlage von Konzernabschlüssen von Muttergesellschaften von Unternehmen, die einen Befreiungsantrag gestellt haben – erforderlich. Solche Unterlagen über die finanziellen Verhältnisse der Gesellschafter geben keine Auskunft darüber, ob die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens aufgrund einer besonderen Marktsituation des Unternehmens durch die gesetzlichen Preisabschläge gefährdet ist oder ob diese Situation durch andere Ursachen ausgelöst wurde. Bei der Antragstellerin bestehen auch keine Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, in deren Ausgestaltung die Ursache für eine Gefährdung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin liegen könnte, so dass die Vorlage weiterer Unterlagen nicht erforderlich war. Dem Antragsgegner steht hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens besonderer Gründe für eine Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V auch keine Einschätzungsprärogative zu. Vielmehr handelt es sich bei der Verwendung des Begriffs des besonderen Grundes in § 130a Abs. 4 SGB V, bei dessen Vorliegen ein Anspruch auf Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V besteht, um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung vom Gericht vollständig überprüft werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber dem Antragsgegner eine Einschätzungsprärogative eingeräumt haben könnte, bestehen nicht.
Ein Anordnungsgrund, also einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, liegt ebenfalls vor. Die von der Antragstellerin vorgelegte schlüssige und nachvollziehbaren Prognose der EE. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 27. April 2011 weist nach, dass die Antragstellerin ohne eine entsprechende Befreiung von den Preisabschlägen für die Zeit ab 1. Januar 2011 nicht in der Lage, ein positives Betriebsergebnis zu erzielen. Dies wird für den Zeitraum vom 1. Januar bis 13. Oktober 2011 auch durch die tatsächliche Geschäftsentwicklung, die ein vorläufiges Ergebnis vor Steuern mit einem Verlust von 3,718 Millionen Euro aufweist, bestätigt. Ein solcher Verlust gefährdet nach Verbrauch des Eigenkapitals die Existenz der Antragstellering unmittelbar, so dass die Eilbedürftigkeit der einstweiligen Anordnung durch die mit der entsprechenden eidesstattlichen Versicherung versehenen vorgelegten Unterlagen hinreichend belegt ist. Von der einstweiligen Anordnung sind auch Preisabschläge zu erfassen, die sich auf Geschäfte beziehen, die vor dem Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Anordnung beziehen. Zum einen werden die Preisabschläge nicht im Zeitpunkt der zugrundeliegenden Arzneimittelverkäufe wirksam, sondern sind nach § 130a Abs. 1 Satz 4 SGB V erst nach Geltendmachung des Anspruches zu erstatten. Dementsprechend hatte die Antragstellerin nach ihren Angaben bei Einleitung des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes Rückstellungen für angefallene, aber noch nicht angeforderte Preisnachlässe in Höhe von 1,953 Millionen Euro gebildet. Im Übrigen wirken sich auch die sich aus Arzneimittelverkäufen ergebende Preisabschläge, die vor dem Datum der Antragstellung für den Erlass der einstweiligen Anordnung liegen, auf die aktuelle finanzielle Leistungsfähigkeit der Antragstellerin aus und können zu einem Verlust des Eigenkapitals und zur Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin führen, deren Erhaltung durch die einstweilige Anordnung gerade sichergestellt werden soll, so dass diese in den Umfang der einstweiligen Anordnung mit einzubeziehen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt, dass der Antragsgegner nach dem Ausgang des Verfahrens vollständig unterlegen ist.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Gründe:
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Befreiung von den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 1. April 2013.
Die Antragstellerin, die in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisiert ist und deren Produktpalette ausschließlich aus Therapieallergenen besteht, beantragte am 29. Juli 2010 beim Bundesministerium für Gesundheit für alle von ihr vertriebenen Arzneimittel die Freistellung von den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V für die Zeit vom 1. August 2010 bis 31. Dezember 2013. Sie begründete dies damit, dass diese Maßnahmen in Verbindung mit der Therapieallergene-Verordnung (TAV) eine besondere Situation darstellten, die innerhalb von kurzer Zeit für das Unternehmen zu existenzgefährdenden Folgen führe. Sie sei im Jahr 2009 mit einem Umsatz von 37,1 Millionen Euro und einem Ergebnis vor Steuern von 5,6 Millionen Euro der drittgrößte Anbieter von Therapieallergenen in Deutschland gewesen. Durch die Therapieallergene-Verordnung aus dem Jahr 2008 sei erstmals eine Zulassung von Therpapieallergenen erforderlich geworden. Der Aufwand für die zur Zulassung notwendigen Studien betrage in den nächsten Jahren 80 Millionen Euro und davon entfielen auf die Jahre 2010 bis 2013 20 Millionen Euro. Durch die Maßnahmen des Herstellerrabatts und des Preismoratoriums erleide sie eine erhebliche Umsatz- und Ergebnisminderung. Durch das Zusammentreffen der Maßnahmen gerate sie ab 2012 in eine existenzgefährdende Situation. Die Antragstellerin sei auch dominierender Teil der QQ. Group, Q-Land. Im Jahr 2009 habe der Umsatz der QQ. Group 52,5 Millionen Euro und das Ergebnis vor Steuer 9,6 Millionen Euro betragen. Durch die Maßnahmen ergäbe sich eine Existenzbedrohung für die QQ. Group insgesamt. Zu diesem Antrag legte die Antragstellerin ihre Planungen für die Jahre 2010 bis 2013 mit und ohne Berücksichtung der gesetzlichen Maßnahmen durch das GKV- Änderungsgesetz und eine entsprechende gutachtliche Stellungnahme der Wirtschaftsprüfer WW. vom 29. Juli 2010 vor.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2010 wies das Bundesministerium für Gesundheit die Antragstellerin auf die Weiterleitung der Unterlagen an den Antragsgegner und auf dessen Zuständigkeit für Entscheidungen hin. Mit Schreiben vom 27. April 2011 erweiterte die Antragstellerin ihren Antrag um den Antrag auf Freistellung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2011 vom Großhandelsabschlag nach Art. 11b Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG). Dazu legte sich eine angepasste Antragsbegründung mit ihren Planungen für die Jahre 2011 bis 2013 mit und ohne Berücksichtigung des GKV-Änderungsgesetzes und des AMNOG vor und reichte eine gutachtliche Stellungnahme der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EE. zu ihren Planung für die Jahre 2011 bis 2013 ein.
Die gutachtliche Stellungnahme der EE. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 27. April 2011 kam in ihrem Gutachten unter Punkt "III. Planungsrechnung ohne Befreiung" zu dem Ergebnis, dass die Abschläge nach § 130a SGB V und dem AMNOG ihrer Einschätzung nach ursächlich für eine wesentlichen Verlustsituation der Antragstellerin seien und diese Verlustsituation im Planungszeitraum zu einem kompletten Verzehr der Liquidität und in Folge zu einem vollständigen Verzehr des Eigenkapitals der Antragstellerin führe. Zusammenfassend könne daher festgehalten werden, dass der wirtschaftliche Fortbestand der Gesellschaft durch die Einführung regulatorischer Zusatzbelastungen akut bedroht erscheine. Im Kapitel "IV. Planungsrechnung mit teilweiser Befreiung" wiesen die Wirtschaftsprüfer darauf hin, das die Gesellschaft durch die Befreiung von den erhöhten Herstellerrabatten im Ergebnis in die Lage versetzt würden, leicht positive operative Ergebnisse zu erzielen. Im Jahr 2011 werde ausschließlich dank der (unterstellten) positiven Rückerstattungen des erhöhten Herstellerrabatts aus dem Jahr 2010 ein positives Ergebnis erzielt werden können. Ohne diese Rückerstattungen würde sich ein planerischer Verlust in Höhe von 330.000 Euro ergeben. Außerdem sei zu bedenken, dass eine zusätzliche Belastung durch das Finanzergebnis und durch Steuern zu erwarten sei. Dass dann nur noch minimal positive Ergebnisse insbesondere in den Planjahren 2011 und 2012 zu erwarten seien, ließe aus ihrer Sicht fraglich erscheinen, ob der Fortbestand der Gesellschaft durch eine ausschließliche Befreiung von den erhöhten Herstellerrabatten gesichert sei. Verstärkend komme hinzu, dass die operative Planung der Gesellschaft (ohne Berücksichtigung von Herstellerrabatten, Preismoratorien und Kosten für klinische Zulassungsstudien) tendenziell ambitioniert sei und daher das Risiko einer Planverfehlung erhöht sei. In dem Kapitel "V. Sensitivitätsanalyse" wiesen die Wirtschaftsprüfer darauf hin, dass schon eine Abweichung der prognostizierten Umsätze von einem Prozent dazu führen würde, dass die Anragstellerin Verluste erwirtschafte. Die Wahrscheinlichkeit von Planabweichungen sei zudem erhöht, da die Planung der Gesellschaft als tendenziell optimistisch einzustufen sei. Im Kapitel "VI. Gegenüberstellung der Planrechnungen" kam das Gutachten zu dem Ergebnis, dass das Szenario mit teilweise Befreiung, unter der Annahme, dass die Gesellschaft ausschließlich von den erhöhten Herstellerrabatten befreit würde, diese zwar in die Lage versetze, gerade wieder ein ausgeglichenes operatives Ergebnis zu erwirtschaften (ohne Berücksichtigung der Gutschrift im Jahr 2011). Nichtsdestotrotz müsse davon ausgegangen werden, dass dieses Ergebnis vor dem Hintergrund von Planungsunsicherheiten nicht ausreichen würde, um mittelfristig eine Bestandsgefährdung auszuschließen. Zusammenfassend kamen die Wirtschaftsprüfer zu dem Ergebnis, dass eine Befreiung von den gesetzlichen Herstellerrabatten wirtschaftlich gerechtfertigt erscheine. Auf Basis der erfolgten Analysen sei festzustellen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie der Fortbestand der Gesellschaft durch die regulatorischen Zusatzbelastungen akut gefährdet seien. Wie die Planrechnung im Abschnitt IV zeige, sei der Fortbestand der Antragstellerin bei einer ausschließlichen Befreiung von dem erhöhten Herstellerrabatt trotz leicht positiver Planergebnisse weiterhin gefährdet. Die Ertragsplanung sei vor dem Hintergrund eines nur langsam wachsenden Marktes als tendenziell optimistisch zu beurteilen. Aus diesem Grund würden bereits geringe Plan-Ist-Abweichungen dazu führen, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gesellschaft bedroht sei. Auf Basis der vorliegenden Informationen sei eine Befreiung der Antragstellerin von den gesetzlichen Herstellerabschlägen vor dem Hintergrund der mittelfristigen Sicherung des Unternehmensfortbestandes wirtschaftlich geboten.
In dem eingereichten Fragebogen zum Antrag vom 27. April 2011 verneinte die Antragstellerin eine Konzernzugehörigkeit und wies auf die Schwestergesellschaft QQ-1., Q-Land, hin. Außerdem reichte die Antragstellerin ihren Handelsregisterauszug des Amtsgerichts B-Stadt ein. Dieser weist hinsichtlich bestehender Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge aus, dass der mit der RR. AG in R-Stadt am 11. November 2003 abgeschlossene Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag durch Vertrag vom 15. Juni 2007 mit Wirkung zum 30. Juni 2007 aufgehoben wurde. Außerdem reichte die Antragstellerin eine Liste ihrer Gesellschafter ein, aus der sich ergibt, dass 93,4 Prozent ihrer Anteile von der TT. GmbH, B-Stadt, und 2,6 Prozent ihrer Anteile von der ZZ-Verwaltungs GmbH, R-Stadt, und der Rest ihrer Anteile von natürlichen Personen gehalten werden.
Mit Schreiben vom 22. Juni 2011 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass eine konzernbezogene Antragsprüfung vorzunehmen sei. Aus dem vorgelegten Jahresabschluss für das Jahr 2010 ergebe sich, dass die Antragstellerin in den Konzernabschluss der UU. Group AG einbezogen sei. Es werde daher um die Angaben zur Konzernzugehörigkeit und um die Übersendung der Konzerabschlüsse für 2008 bis 2010 gebeten. Die Antragstellerin antwortete mit Schreiben vom 6. Juli 2011 und wies darauf hin, dass die TT. eine 100%ige Tochter der UU. International Group sei. Sie selbst habe keinen Zugang zu den Unterlagen ihrer Gesellschafter. Sie sei eine eigenständige Kapitalgesellschaft ohne Ergebnisabführungsvertrag und trete am Markt als eigenständiges Familienunternehmen auf. Mit keinem der Gesellschafter sei das Unternehmen liquiditätsmäßig verbunden und von keinem der Gesellschafter erhalte das Unternehmen irgendeine Form von Gesellschafterdarlehen.
Mit Schreiben vom 3. August 2011 fragte der Antragsgegner bei der Antragstellerin bezüglich Darlehen an die QQ. Holdung nach und bat nochmals um die Vorlage der Unterlagen der UU. Group AG. Darauf hin äußerte die Antragstellerin mit Schreiben vom 12. August 2011 Zweifel an der Pflicht, Unterlagen der UU. Group AG vorzulegen, da dafür keine Anhaltspunkte im Gesetz und in der Gesetzesbegründung zu finden seinen und legte die Bilanz der QQ. Holding für das Jahr 2010 vor. Mit Schreiben vom 7. September 2011 wies die Antragstellerin darauf hin, dass eine Konzernprüfung bei einer Verlustübernahmeverpflichtung gerechtfertigt sei. Eine solche Verlustübernahmeverpflichtung bestehe jedoch bei der Antragstellerin nicht. Außerdem legte die Antragstellerin ihre vorläufige Bilanz für die Zeit von Januar bis August 2011 vor, aus der sich ein Verlust von 3,335 Millionen Euro ergibt.
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2011 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Reduzierung des Herstellerrabatts von 16% auf 0 und die Befreiung vom Preismoratorium ab. Dies begründete der Antragsgegner damit, dass nach seinem Merkblatt eine konzernübergreifende Prüfung erforderlich sei und er daher nach § 26 Verwaltungsverfahrensgesetz berechtigt sei, entsprechende Unterlagen anzufordern. Da diese Unterlagen nicht vorgelegt worden seien, habe der Antrag abgelehnt werden müssen. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 12. Oktober 2011 Widerspruch ein.
Am 14. Oktober 2011 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Wiesbaden den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Im Laufe des Verfahrens hat die Antragstellerin ihre Betriebsergebnisse für die Zeit vom 1. August 2010 bis 13. Oktober 2011 vorgelegt. Danach ist im Jahr 2010 ein Ergebnis vor Steuern von 968.000 Euro erzielt worden. Für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 13. Oktober 2011 wird ein vorläufiges Ergebnis vor Steuern mit einem Verlust von 3,718 Millionen Euro ausgewiesen, wobei nach den Angaben der Antragstellerin im Jahr 2011 Rabatte von insgesamt 9,761 Millionen Euro zu zahlen waren. Davon entfielen auf den Herstellerrabatt der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 6% 1.308 Millionen Euro, auf die Erhöhung des Herstellerrabatts von 6% auf 16% 2,181 Millionen Euro und auf den Herstellerrabatt für die private Krankenversicherung ein Rabatt von 0,616 Millionen Euro. Außerdem hat die Antragstellerin eine eideststattliche Versicherung über die Richtigkeit der vorgelegten Betriebsergebnisse und Schätzungen vorgelegt.
Während des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hat der Antragsgegner den Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2012 erlassen, mit dem er den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 12. Oktober 2012 als unbegründet zurückgewiesen hat. Dagegen hat die Antragstellerin am 20. Januar 2012 Klage erhoben (Az. S 2 KR 32/12), über die noch nicht entschieden ist.
Die Antragstellerin hat darauf hingewiesen, dass sie im Zeitpunkt der Umsatzerzielung zunächst den kompletten Bruttolistenpreis erhalte und Rabatte erst im Nachhinein in Rechnung gestellt würden. Zum 13. Oktober 2011 seien deshalb Rückstellungen für Rabatte in Höhe von 1,953 Millionen Euro gebildet worden, die künftig eingefordert würden.
Die Antragstellerin ist der Meinung, sie müsse den Konzernabschluss ihrer Muttergesellschaft nicht vorlegen. Diese Unterlagen seien für die Beurteilung der geltend gemachten Ausnahmegründe irrelevant. Vielmehr stehe ihr aufgrund der vorgelegten Unterlagen zumindest für die Zeit ab 1. Januar 2011 ein Anspruch auf Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V zu. Zur Beurteilung des Vorliegens eines Ausnahmefalles sei, da ihre Gesellschafter keiner Nachschusspflicht unterlägen, auf ihre eigene wirtschaftliche Lage abzustellen und nicht darauf, ob ihre Gesellschafter willens oder in der Lage seien, bei ihr eintretende Verluste zu tragen. Ihr müsse diese Befreiung aufgrund einer einstweiligen Anordnung gewährt werden, weil sonst ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, die Antragstellerin bis zum Abschluss des Klageverfahrens gegen den Bescheid vom 6.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2012 (Az.: S 2 KR 32/12) für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 1. April 2013 von den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V und für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 1. April 2013 von den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs. 1 und Abs 1a SGB V i.V.m. Artikel 11a Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz zu befreien.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass es für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits an einem Anordnungsgrund fehle. Soweit eine einstweilige Anordnung für Zeiträume vor der Beantragung der einstweiligen Anordnung beantragt werde, sei dieser Antrag zurückzuweisen, da diese Zeiträume in der Vergangenheit lägen und keine aktuelle Notlage begründen könnten. Soweit eine einstweilige Anordnung für die Gegenwart und Zukunft beantragt werde, werde keine unmittelbare Gefährdung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage vorgetragen und dargelegt. Im Übrigen bestehe kein Anordnungsanspruch, da die Klage aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen unbegründet sei. Die Befreiung von den Herstellerrabatten sei nachrangig. Vorrangig sei zu prüfen, ob es betriebliche oder unternehmerische Maßnahmen gebe, die geeignet seien, die finanzielle Situation des Unternehmens zu verbessern und ob das Unternehmen in der Lage sei, mit eigenen Mitteln oder mit Mitteln der Gesellschafter die Illiquidität zu vermeiden. Dazu sei eine konzernbezogene Prüfung notwendig. Der Konzernabschluss der Muttergesellschaft sei jedoch nicht vorgelegt worden. Daher habe keine Prüfung in der Sache erfolgen können und müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig. Er ist insbesondere vor dem örtlich zuständigen Sozialgericht erhoben worden. Zuständig für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach § 86b Abs. 2 SGG das Gericht der Hauptsache. Dies ist das Sozialgericht Wiesbaden, da dieses für die von der Antragstellerin erhobenen Klage (S 2 KR 32/12) örtlich zuständig ist. Nach § 57 Abs. 5 SGG ist in Angelegenheiten nach § 130a Abs. 4 und 9 des SGB V das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die zur Entscheidung berufene Behörde ihren Sitz hat. Die Antragstellerin macht Befreiungen von den Preisnachlässen nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V nach § 130a Abs. 4 SGB V geltend. Über diese Befreiungen entscheidet zwar nach § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V das Bundesministerium für Gesundheit. Nach § 130a Abs. 4 Satz 8 SGB V kann das Bundesministerium für Gesundheit diese Aufgabe aber auf eine Bundesoberbehörde übertragen. Davon hat das Bundesministerium für Gesundheit Gebrauch gemacht und die Aufgaben nach § 130a Abs. 4 Sätze 2 bis 7 SGB V auf den Antragsgegner übertragen. Da der Antragsgegner seinen Sitz in Eschborn hat, das zum Bezirk des Sozialgerichts Wiesbaden gehört, ist das Sozialgericht Wiesbaden für Klagen auf eine Befreiung von Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V nach § 130a Abs. 4 SGB V örtlich zuständig.
Der Antrag ist auch begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des Eilverfahrens verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, also einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen dabei nicht isoliert nebeneinander. Es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzubeziehen.
Nach diesen Grundsätzen ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattzugeben. Es liegt sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund vor.
Nach § 130a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V erhalten die Krankenkassen von Apotheken für ab dem 1. Januar 2003 zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 6 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer und die pharmazeutischen Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten. Dieser Abschlag ist nach § 130a Abs. 1 Satz 4 SGB V innerhalb von zehn Tagen nach Geltendmachung des Anspruches zu erstatten. Abweichend von § 130a Abs. 1 SGB V beträgt der Abschlag für verschreibungspflichtige Arzneimittel einschließlich Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen nach § 130a Abs. 1a SGB V vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2013 16 Prozent. Das Bundesministerium für Gesundheit entscheidet nach § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V über Anträge pharmazeutischer Unternehmer nach Artikel 4 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme auf Ausnahme von den nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V vorgesehenen Abschlägen, wobei das Vorliegen eines Ausnahmefalls und der besonderen Gründe nach § 130a Abs. 4 Satz 3 SGB V im Antrag hinreichend darzulegen ist. Diese Aufgabe kann das Bundesministerium für Gesundheit nach § 130a Abs. 4 Satz 8 SGB V auf eine Bundesoberbehörde übertragen, wovon das Bundesministerium für Gesundheit durch Übertragung auf den Antragsgegner Gebrauch gemacht hat.
Nach Artikel 4 Abs. 1 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 überprüft ein Mitgliedstaat, dessen zuständigen Behörden einen Preisstopp für alle Arzneimittel oder für bestimmte Arzneimittelkategorien verfügt haben, mindestens einmal jährlich, ob nach der gesamtwirtschaftlichen Lage die Beibehaltung des Preisstopps ohne Änderungen gerechtfertigt ist. Nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 kann eine Person, die Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels ist, in Ausnahmefällen eine Abweichung von einem solchen Preisstopp beantragen, wenn dies durch besondere Gründe gerechtfertigt ist.
§ 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel (Artikel 11a AMNOG vom 22. Dezember 2010) sieht darüber hinaus vor, dass die pharmazeutischen Unternehmer den Unternehmen der privaten Krankenversicherung und den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften für verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Kosten diese ganz oder teilweise erstattet haben, nach dem Anteil der Kostentragung Abschläge entsprechend § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V zu gewähren haben.
Nach diesen Vorschriften hat die Antragstellerin für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 1. April 2013 einen Anspruch auf Befreiung von den Herstellerabschlägen nach § 130a Abs. 1 und 1a SGB V i.V.m. § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel. Dabei bezieht sich die in § 130a Abs. 4 SGB V geregelte Befreiungsmöglichkeit auch auf Preisabschläge, die aufgrund des § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel zu gewähren sind. § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel ist schon aus Gründen der europakonformen Auslegung der Regelung so zu verstehen, dass nicht nur auf die Regelungen, die Preisabschlägen fordern, sondern auch auf die Regelungen, die Befreiungsmöglichkeiten von diesen Preisabschlägen treffen, verwiesen wird. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 sieht nämlich für alle Fälle, in denen die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates einen Preisstopp für alle Arzneimittel oder für bestimmte Arzneimittelkategorien verfügt haben, für eine Person, die Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels ist, die Möglichkeit vor, in Ausnahmefällen eine Abweichung von einem solchen Preisstopp zu beantragen, wenn dies durch besondere Gründe gerechtfertigt ist. Eine solche Befreiungsmöglichkeit musste deshalb auch der deutsche Gesetzgeber schaffen und es ist davon auszugehen, dass er dies mit § 130a Abs. 4 SGB V umfassend getan hat.
Besondere Gründe, die zu einem Anspruch auf Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1 und 3a SGB V führen, sind nach der Gesetzesbegründung auf jeden Fall dann anzunehmen, wenn die Preisabschläge aufgrund einer besonderen Marktsituation die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens gefährden würden (BT-Drs. 17/2170, S. 37). Bei der Antragstellerin liegt eine solche besondere Marktsituation, in der die Preisabschläge die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens gefährden würde, vor. Diese besondere Marktsituation führt dazu, dass die Antragstellerin für den im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemachten Zeitraum einen Anspruch auf eine vollständige Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V i.V.m. mit § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel hat. Die besonderen Gründe, die zu einem Anspruch der Antragstellerin auf Befreiung führen, liegen in der besonderen Situation der Antragstellerin, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V i.V.m. § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel ausgesetzt ist und daneben umfangreiche Studien für die durch die Therapieallergene-Verordnung notwendig gewordene arzneimittelrechtliche Zulassung der von ihr hergestellten Therapieallergene, deren Herstellung und Vertrieb ihren einzigen Geschäftszweig darstellt, finanzieren muss. Die Antragstellerin ist nach dem vorgelegten schlüssigen und nachvollziehbaren Prognose der EE. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 27. April 2011 ohne eine entsprechende Befreiung von den Preisabschlägen für die Zeit ab 1. Januar 2011 nicht in der Lage, ein positives Betriebsergebnis zu erzielen. Dies wird für den Zeitraum vom 1. Januar bis 13. Oktober 2011 auch durch die tatsächliche Geschäftsentwicklung, die ein vorläufiges Ergebnis vor Steuern mit einem Verlust von 3,718 Millionen Euro aufweist, bestätigt. Die Kosten für diese Studien sind für die Antragstellerin unvermeidlich und führen in Kombination mit den allgemeinen Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V i.V.m. § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel dazu, dass die Antragstellerin diese Preisabschläge ab 1. Januar 2011 nicht mehr tragen kann. Dass die Antragstellerin diese Preisabschläge gerade ab 1. Januar 2011 nicht mehr tragen kann, ergibt sich daraus, dass sie im Jahr 2010 trotz der teilweise bereits ab 1. August 2010 geltenden Preisabschläge noch ein positives Betriebsergebnis erzielt hat, während die Prognosen für den Zeitraum ab 1. Januar 2011 negativ sind. Dies ist auch plausibel, da ab diesem Zeitraum die umfangreichen Kosten für die klinischen Studien für die Zulassung der von der Antragstellerin vertriebenen Therapieallergene einsetzen, die vor dem 1. Januar 2011 noch nicht angefallen sind. Dass eine Befreiung lediglich von dem erhöhten Preisabschlag nach § 130a Abs. 1a SGB V nicht ausreichend ist, um die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin zu sichern, ergibt sich aus der auch in diesem Punkt schlüssigen nach nachvollziehbaren Prognose der EE. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 27. April 2011. Die Wirtschaftsprüfer errechnen zwar, dass die Antragstellerin bei einer ab 1. August 2010 erfolgten Befreiung von den erhöhten Herstellerrabatten nach § 130a Abs. 1a SGB V im Ergebnis in die Lage versetzt würden, im Jahr 2011 leicht positive operative Ergebnisse zu erzielen. Zu Recht weisen die Wirtschaftsprüfer jedoch darauf hin, dass die prognostizierten nur noch minimal positive Ergebnisse den Fortbestand der Gesellschaft durch eine ausschließliche Befreiung von den erhöhten Herstellerrabatten nicht sichern könnten, zumal die Planungen der Antragstellerin tendenziell ambitioniert seien und damit das Risiko einer Planverfehlung erhöht sei. Schon eine Abweichung der prognostizierten Umsätze von einem Prozent würde dazu führen, dass die Anragstellerin Verluste erwirtschafte. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass eine ausschließliche Befreiung von den erhöhten Herstellerabschlägen nach § 130a Abs. 1a SGB V nicht ausreichen würde, um mittelfristig eine Bestandsgefährdung auszuschließen. Aus diesen Gründen ist für die Zeit ab dem 1. Januar 2011 eine vollständige Befreiung von den Herstellerrabatten nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V i.V.m. § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel notwendig. Dies zeigt auch die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung für die Zeit vom 1. Januar bis 13. Oktober 2011. Diese weist einen Verlust von 3,718 Millionen Euro aus, der bei einer Befreiung von den Herstellerabschlägen nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V i.V.m. § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel nicht eingetreten wäre, da sich diese Preisabschläge nach Angaben der Antragstellerin in dieser Zeit auf insgesamt 4,105 Millionen Euro belaufen (Preisabschlag nach § 130a Abs. 1 SGB V: 1.308 Millionen Euro + Preisabschlag nach § 130a Abs. 1a SGB V: 2,181 Millionen Euro + Preisabschlag nach § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel: 0,616 Millionen Euro).
Hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens besonderer Gründe für die Befreiung von Preisabschlägen ist allein auf die Situation des Unternehmens selbst und nicht, wie der Antragsgegner unter Bezugnahme auf sein Merkblatt "Herstellerabschläge der pharmazeutischen Unternehmen – Merkblatt für Unternehmen, die einen Antrag auf Ausnahmen von den gesetzlichen Herstellerabschlägen nach § 130a Absatz 4 und 9 SGB V stellen" (S. 4) meint, zusätzlich auf die Situation etwaiger Gesellschafter des Unternehmens abzustellen. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der einschlägigen Regelungen als auch aus ihrem Sinn und Zweck. Nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 kann eine Person, die Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels ist (Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988), Abweichung von einem solchen Preisstopp beantragen. Dementsprechend sieht § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V vor, dass das Bundesministerium für Gesundheit über Anträge pharmazeutischer Unternehmer nach Artikel 4 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 entscheidet. Weil der pharmazeutische Unternehmer die Befreiung von Preisabschlägen beantragen kann, ist davon auszugehen, dass auch hinsichtlich der Befreiungsvoraussetzungen auf ihn und nicht auf etwaige Gesellschafter des pharmazeutischen Unternehmers abzustellen ist. Aus der Gesetzesbegründung ist abzuleiten, dass die Befreiungsmöglichkeit dazu dient, die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern, wenn die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens aufgrund einer besonderen Marktsituation durch die Preisabschläge gefährdet würde (BT-Drs. 17/2170, S. 37). Dabei geht es nicht um die Situation der Gesellschafter, sondern ausschließlich um die Situation des Unternehmens selbst. Für die Beurteilung des Vorliegens von besonderen Gründen für die Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V ist deshalb nicht, entscheidend, ob ein Gesellschafter willens oder in der Lage wäre, Verluste des Unternehmens, an dem er beteiligt ist, zu tragen. Für die Beurteilung des Vorliegens besonderer Gründe für eine Befreiung der Klägerin von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V ist daher die Vorlage des Konzernabschlusses der UU. Group AG, wie er vom Antragsgegner von der Antragstellerin verlangt wird, nicht relevant. Die Vorlage dieser Unterlagen ist auch nicht erforderlich, um Missbrauchsfälle und Umgehungen auszuschließen. Dem dient vielmehr die Einreichung eines Gutachtens eines Wirtschaftsprüfers, der darzulegen und zu prüfen hat, ob die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens aufgrund einer besonderen Marktsituation des Unternehmens durch die gesetzlichen Preisabschläge gefährdet ist oder ob diese Situation durch andere Ursachen ausgelöst wurde. Im Einzelfall kann es zwar erforderlich sein, dass ein Unternehmen relevante einzelne Unterlagen vorlegt, aus denen sich – etwa bei Weisungen innerhalb eines Konzerns, dass zwischen einzelnen Konzernunternehmen keine Marktpreise, sondern bestimmte Verrechnungspreise gelten – Anhaltspunkte ergeben können, dass eine Gefährdung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit des Unternehmens nicht auf den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V, sondern auf anderen Ursachen beruht. Dazu ist aber nicht die Vorlage von Unterlagen von Gesellschaftern – wie etwa die Vorlage von Konzernabschlüssen von Muttergesellschaften von Unternehmen, die einen Befreiungsantrag gestellt haben – erforderlich. Solche Unterlagen über die finanziellen Verhältnisse der Gesellschafter geben keine Auskunft darüber, ob die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens aufgrund einer besonderen Marktsituation des Unternehmens durch die gesetzlichen Preisabschläge gefährdet ist oder ob diese Situation durch andere Ursachen ausgelöst wurde. Bei der Antragstellerin bestehen auch keine Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, in deren Ausgestaltung die Ursache für eine Gefährdung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin liegen könnte, so dass die Vorlage weiterer Unterlagen nicht erforderlich war. Dem Antragsgegner steht hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens besonderer Gründe für eine Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V auch keine Einschätzungsprärogative zu. Vielmehr handelt es sich bei der Verwendung des Begriffs des besonderen Grundes in § 130a Abs. 4 SGB V, bei dessen Vorliegen ein Anspruch auf Befreiung von den Preisabschlägen nach § 130a Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3a SGB V besteht, um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung vom Gericht vollständig überprüft werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber dem Antragsgegner eine Einschätzungsprärogative eingeräumt haben könnte, bestehen nicht.
Ein Anordnungsgrund, also einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, liegt ebenfalls vor. Die von der Antragstellerin vorgelegte schlüssige und nachvollziehbaren Prognose der EE. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 27. April 2011 weist nach, dass die Antragstellerin ohne eine entsprechende Befreiung von den Preisabschlägen für die Zeit ab 1. Januar 2011 nicht in der Lage, ein positives Betriebsergebnis zu erzielen. Dies wird für den Zeitraum vom 1. Januar bis 13. Oktober 2011 auch durch die tatsächliche Geschäftsentwicklung, die ein vorläufiges Ergebnis vor Steuern mit einem Verlust von 3,718 Millionen Euro aufweist, bestätigt. Ein solcher Verlust gefährdet nach Verbrauch des Eigenkapitals die Existenz der Antragstellering unmittelbar, so dass die Eilbedürftigkeit der einstweiligen Anordnung durch die mit der entsprechenden eidesstattlichen Versicherung versehenen vorgelegten Unterlagen hinreichend belegt ist. Von der einstweiligen Anordnung sind auch Preisabschläge zu erfassen, die sich auf Geschäfte beziehen, die vor dem Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Anordnung beziehen. Zum einen werden die Preisabschläge nicht im Zeitpunkt der zugrundeliegenden Arzneimittelverkäufe wirksam, sondern sind nach § 130a Abs. 1 Satz 4 SGB V erst nach Geltendmachung des Anspruches zu erstatten. Dementsprechend hatte die Antragstellerin nach ihren Angaben bei Einleitung des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes Rückstellungen für angefallene, aber noch nicht angeforderte Preisnachlässe in Höhe von 1,953 Millionen Euro gebildet. Im Übrigen wirken sich auch die sich aus Arzneimittelverkäufen ergebende Preisabschläge, die vor dem Datum der Antragstellung für den Erlass der einstweiligen Anordnung liegen, auf die aktuelle finanzielle Leistungsfähigkeit der Antragstellerin aus und können zu einem Verlust des Eigenkapitals und zur Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin führen, deren Erhaltung durch die einstweilige Anordnung gerade sichergestellt werden soll, so dass diese in den Umfang der einstweiligen Anordnung mit einzubeziehen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt, dass der Antragsgegner nach dem Ausgang des Verfahrens vollständig unterlegen ist.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved