Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 1098/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 154/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der Bemessung der MdE sind nur die aktuell vorliegenden Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens zu berücksichtigen, nicht jedoch mögliche künftige Verschlechterungen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin wegen der Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalls vom 06.12.2007 Anspruch auf die Gewährung einer höheren Rente hat.
Die am 27.07.1993 geborene Klägerin verunglückte am 06.12.2007 als Schülerin im Sportunterricht. Sie knickte beim Huckepack-Tragen einer Mitschülerin um und zog sich hierbei eine komplette Ruptur des hinteren Kreuzbandes rechts, eine Teilruptur des Retinaculum patella mediale rechts, des Innenbandes beidseitig, ein bone bruise im medialen Femurkondylus und im medialen lateralen Tibiaplateau rechts sowie eine längsverlaufende Tibiakopffraktur ohne wesentliche Dislokation rechts zu (D-Bericht Dr. A. vom 07.12.2007, MRT des Kniegelenkes rechts vom 07.12.2007, Bericht Klinikum B. v. 23.02.2008). Nach zunächst nur konservativer Behandlung wurde am 27.03.2008 in der BG-Klinik Tübingen eine Kreuzbandersatzplastik des hinteren Kreuzbandes mittels Semitendinosussehne (Ersatz durch körpereigene Sehne) durchgeführt. Im Rahmen der dabei durchgeführten Kniespiegelung fanden sich keine gravierenden Gelenkknorpelschäden oder Meniskusschäden in den einzelnen Knieabschnitten. In der Folgezeit musste die Klägerin eine am 16.06.2008 verordnete Orthese (starre Knieschiene) tragen, die sodann durch eine bedarfsweise zu tragende elastische Kniebandage ersetzt wurde. Ab August 2008 konnte die Klägerin mit Einschränkungen wieder am Schulsport teilnehmen. Am 16.09.2008 beendete Dr. C. die besondere Heilbehandlung; die Klägerin sei ab 17.09.2008 wieder arbeitsfähig, die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage nach vorläufiger Schätzung über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus 20 v.H. (Stellungnahme vom 17.09.2008).
Im Gutachten vom 10.07.2009 stellte Dr. D., Facharzt für Chirurgie, eine posterolaterale Restinstabilität mit leichtem bis mäßigem Belastungsdefizit und diskreter Bewegungseinschränkung für die endgradige Flexion fest. Die Klägerin könne im Alltag sämtliche Tätigkeiten ausüben, extreme sportliche Belastungen mit Akzellerations- und Dezellerationsmomenten sollten vermieden werden. Für die Berufswahl sei die Berücksichtigung der Verletzungsfolgen insofern empfehlenswert, als sich der Zustand des Kniegelenkes unfallbedingt über die Jahre verschlechtern könne. Dr. D. schätzte die MdE zeitlich gestaffelt in seiner Stellungnahme vom 01.11.2009 wie folgt: Vom 06.12.2007 bis 09.12.2007 100 v.H. Vom 10.12.2007 bis 25.03.2008 50 v.H. Vom 26.03.2008 bis 06.04.2008 100 v.H. Vom 07.04.2008 bis 31.05.2008 50 v.H. Vom 01.06.2008 bis 11.06.2009 30 v.H. Vom 12.06.2009 bis auf weiteres 20 v.H.
Mit Bescheid vom 07.12.2009 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 06.12.2007 als Versicherungsfall (Arbeitsunfall) und bewilligte der Klägerin eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 50 v.H. für die Zeit vom 07.12.2007 bis 31.01.2008 nach einer MdE von 40 v.H. vom 01.02.2008 bis 25.03.2008, nach einer MdE von 100 v.H. vom 26.03.2008 bis 03.04.2008, nach einer MdE von 50 v.H. vom 04.04.2008 bis 30.06.2008, nach einer MdE von 30 v.H. vom 01.07.2008 bis 31.12.2008 und ab 01.01.2009 bis auf weiteres nach einer MdE von 20 v.H.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2010, auf den Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 07.05.2010 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben mit dem Antrag, ihr über den 31.12.2008 hinaus eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren. Das SG hat die Orthopädin Dr. E. mit der Erstattung eines orthopädisch-rheumatologischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 07.11.2010 hat die Sachverständige ausgeführt, bei der Klägerin sei nach komplexem Trauma des rechten Kniegelenks eine Instabilität mit endgradigem Beugedefizit (Streckung/Beugung rechts 0-0-130, links 0-0-140) nach Ruptur des hinteren Kreuzbandes, Teilruptur des Innen- und Aussenbandes, Bone bruise des medialen Femurcondylus, nicht dislozierter Tibiakopffraktur mit Bone bruise medial und lateral sowie Fibulaköpfchenfraktur verblieben. Diese Gesundheitsstörung sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit durch das Ereignis vom 06.12.2007 verursacht worden. Aktuell könne die Klägerin deshalb das rechte Kniegelenk nicht ganz anwinkeln, was besonders beim in die Hocke gehen Schwierigkeiten bereite. Das Hinknien führe zu Schmerzen, da dabei Haut zwischen dem Metall im Knie und dem Boden eingequetscht werde. Ab und zu bestünden beim Motorrollerfahren Schmerzen im Bereich der rechten Kniescheibe. Nach ca. 1/2 bis 1 Stunde Laufen käme es zu Schwellungen des rechten Unterschenkels, beim Laufen werde meist eine Kniebandage, beim Sport die vorhandene Knieorthese getragen. Die maximale Gehstrecke betrage zwei bis drei Stunden, wobei danach abends Schmerzen im rechten Kniegelenk aufträten. Sonstige Nachtschmerzen bestünden nicht. Das früher regelmäßig betriebene Rudern habe sie aufgegeben. Die verbliebene Instabilität des Kniegelenkes mit endgradiger Bewegungseinschränkung und die Schmerzen bei längerer Belastung rechtfertigten eine MdE von 20 v.H. ab dem 01.01.2009 bis auf Weiteres. Es sei davon auszugehen, dass vermutlich ein frühzeitiger Verschleiß des rechten Kniegelenkes entstehen werde, der dann eine Neubewertung der MdE notwendig mache.
Mit Bescheid vom 19.11.2010 bewilligte die Beklagte, gestützt auf ein bereits am 08.10.2010 erstattetes weiteres Gutachten von Dr. D., der Klägerin Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. ab 01.12.2010. Dr. D. hatte darin u.a. ausgeführt, es bestehe ein geringes Bewegungsdefizit (Extension/Flexion 10-0-150) und ein leichtes bis mäßiges Belastungsdefizit des rechten Kniegelenks bei Restinstabilität nach Komplexverletzung. Radiologisch zeigten sich bereits Hinweise auf eine beginnende Arthrose im rechten Kniegelenk medial. Er schätze die MdE mit 25 v.H.
Mit Urteil vom 14.12.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe für die Zeit ab 01.01.2009 keinen Anspruch auf Verletztenrente nach einer höheren MdE als 20 v.H. Es bestünden noch eine Instabilität im rechten Kniegelenk mit regelmäßig wiederkehrenden Schmerzen bei Belastung, eine endgradige Einschränkung der Beugung (0-0-130 Grad gegenüber 0-0-140 Grad links), die besonders beim Hinhocken störe, Schmerzen beim Knien durch Druckschmerz im Bereich der Tibiavorderkante sowie eine Schwellneigung des rechten Unterschenkels nach halb- bis einstündigem Laufen. Eine MdE von 20 v.H, wie sie auch die Sachverständige Dr. E. vorgeschlagen habe, entspreche der Bewertung in der Versicherungsliteratur, wonach bei Kreuzbandrissen und endgradiger Behinderung der Beugung/Streckung mit muskulär nicht kompensierbarer Seitenbandinstabilität eine MdE von 20 v.H. angenommen werde. Dr. D. habe im Gutachten vom 10.07.2009 keine funktionellen Einschränkungen festgestellt, die eine höhere MdE als 20 v.H. begründen könnten.
Gegen das am 20.12.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.01.2011 Berufung eingelegt mit der Begründung, Dr. D. habe bereits eine degenerative Entwicklung mit Beginn einer Arthrose im rechten Kniegelenk festgestellt. Auch die Sachverständige Dr. E. habe ausgeführt, aufgrund des sehr schweren Gelenksschadens sei davon auszugehen, dass vermutlich ein frühzeitiger Verschleiß des rechten Kniegelenkes entstehen werde, der eine Neubewertung der MdE nötig mache.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist Dr. F. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt worden. Im Gutachten vom 11.07.2011 hat dieser ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine schmerzhafte Funktionsstörung des rechten Kniegelenks nach komplexer Knochenbandverletzung mit anhaltender Restinstabilität nach hinterer Kreuzbandplastik. Die Klägerin könne dauerhaft das verletzte rechte Kniegelenk nicht mehr maximal beugen (Beugung/Streckung rechts 120-0-15, links 140-0-5). Dies führe dazu, dass sie die Hockstellung nicht mehr vollständig und nicht mehr lange anhaltend einnehmen könne. Damit seien Arbeiten ausgeschlossen, die eine komplette Hockstellung über einen längeren Zeitraum verlangten. Das verbliebene Ausmaß der Kniebeugung reiche aber aus für Gehen, Treppensteigen, Radfahren und Sitzen auf den meisten Sitzmöbeln sowie Autofahren. In Bezug auf die leichte Beugeschwäche im rechten Knie ergäben sich somit hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit nur geringe Einschränkungen. Der Kniebinnenschaden mit Beteiligung von Knochengewebe und Kapselbandgewebe sei mit Defekt ausgeheilt. Es bestehe jedoch eine komplexe Bandinstabilität im rechten Knie. Diese begünstige deutlich das Auftreten einer Früharthrose. Deren Entstehen werde zusätzlich begünstigt, wenn das Kniegelenk in der Zukunft regelmäßig außergewöhnlichen mechanischen Belastungen unterworfen werde wie z.B. bei Arbeiten ausschließlich oder überwiegend im Stehen und Gehen, auf sehr unebenem und rutschigem Gelände, Arbeiten mit Sprungbelastungen oder mit häufigem und umfangreichem Treppensteigen, Besteigen von Leitern und Gerüsten etc. Deshalb entfielen die meisten Bauarbeiten, Arbeiten im Freien, Überwachungsarbeiten auf schwierigem Gelände sowie ein Großteil der Sportarten. Die Klägerin sollte deshalb zur Vermeidung einer richtungsweisenden Verschlimmerung des bestehenden Gesundheitsschadens prinzipiell dauerhaft nur noch leichte bis gelegentlich kurzfristig mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ausüben, überwiegend auf ebenen rutschfesten Untergründen arbeiten und regelmäßig mittelschweres oder schweres Heben und Tragen vermeiden. Die Schmerzsymptomatik spiele dagegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine wesentliche Rolle bei der Bewertung der MdE. Lege man den Bewegungsumfang der betroffenen Gelenke als alleinigen Maßstab zugrunde, läge die MdE bei der Klägerin deutlich unter 10 v.H. Werde die teilweise objektivierbare Instabilität im rechten Knie mitberücksichtigt, erhöhe sich die MdE auf mindestens 20 v.H. Berücksichtige man zusätzlich den Aspekt der Vermeidung einer richtungsweisenden Verschlimmerung, erhöhe sich die MdE sogar auf 30 v.H. Letzteres halte er für gerechtfertigt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 07. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2010 sowie des Bescheides vom 19. November 2010 zu verurteilen, ihr ab 01. Januar 2009 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, entgegen der Auffassung des Sachverständigen Dr. F. komme es bei der Beurteilung der MdE auf die gegenwärtige körperliche und geistige Einbuße an. Eine zu erwartende drohende Beeinträchtigung könne bei der Einschätzung der gegenwärtigen MdE nicht berücksichtigt werden. Außerdem seien bei der Einschätzung der MdE die Erfahrungswerte heranzuziehen als Anhaltspunkte für die Bewertung. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin im alltäglichen Leben nicht wesentlich eingeschränkt sei, im Alltag gut zurecht komme, Radfahren und sogar Joggen könne.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente nach einer höheren MdE als 20 v.H. ab dem 01.01.2009.
Gegenstand des Verfahrens ist allein die Höhe der ab dem 01.01.2009 zu gewährenden Rente. Gegen die Festsetzung der MdE für die davorliegende Zeit hat die Klägerin kein Rechtsmittel eingelegt. Gegenstand des Verfahrens ist auch der Bescheid vom 19.11.2010, der gem. § 96 SGG Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden ist.
Als Unfallfolgen anerkannt sind radiologisch nachgewiesene Hinweise auf eine beginnende Arthrose im rechten Kniegelenk medial, ein geringes Bewegungsdefizit und ein leichtes bis mäßiges Belastungsdefizit des rechten Kniegelenkes bei Restinstabilität nach Riss des hinteren Kreuzbandes, Teilriss des Innen- und Außenbandes am rechten Kniegelenk sowie nicht verschobenem Schienbeinkopfbruch und Wadenköpfchenbruch rechts. Diese rechtfertigen keine höhere MdE als 20 v.H.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die MdE nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würde (§ 56 Abs. 2 Sätze 1, 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -). Die Bemessung der MdE hängt danach von zwei Faktoren ab, nämlich den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend hierbei ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R - juris).
Die Bemessung des Grades der MdE, also die aufgrund § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII durch eine Schätzung vorzunehmende Festlegung des konkreten Umfangs der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG, Urteil vom 30.06.1998, B 2 U 41/97 R - juris). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem unfallversicherungsrechtlichen und unfallversicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG, Urteil vom 22.06.2004 – B 2 U 14/03 R – juris Rn. 12).
Dementsprechende Erfahrungswerte sind beispielhaft angegeben bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010. Danach wird die Höhe der MdE bei Kniegelenkschäden hauptsächlich bestimmt durch die Verminderung der Beweglichkeit, eine unphysiologische Zunahme der Beweglichkeit (Überstreckbarkeit, Wackelbeweglichkeit, Verschieblichkeit oder Bereitschaft zu Teilverrenkungen) und Schmerzhaftigkeit (objektive Grundlage) (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 653). Nach den dort genannten Erfahrungswerten bedingt eine Bewegungseinschränkung eines Kniegelenks (Streckung/Beugung) von 0/0/120 eine MdE von 10 v.H.; eine Lockerung des Kniebandapparates (Wackelknie) muskulär kompensiert eine MdE von 10 v.H., muskulär nicht kompensiert eine MdE von 20 v.H. Eine Arthrose bedingt je nach Funktionsbehinderung eine MdE von 10 bis 30 v.H. Unter Zugrundelegung dieser Erfahrungswerte ist lediglich eine MdE von 20 v.H. gerechtfertigt, da eine Arthrose allenfalls im Frühstadium vorliegt.
Dies entspricht auch den von den Sachverständigen erhobenen Befunden. Hinsichtlich der Beurteilung der bei der Klägerin bestehenden Unfallfolgen sind die Sachverständigen Dr. E. und Dr. F. zu einer weitgehend übereinstimmenden Beurteilung gelangt. Dr. E. hat die Unfallfolgen als verbleibende Instabilität im rechten Kniegelenk mit regelmäßig wiederkehrenden Schmerzen bei Belastung, endgradige, besonders beim Hinhocken störende Einschränkung der Beugung, schmerzhaftes Knien durch Druckschmerz im Bereich der Tibiavorderkante und Schwellneigung des rechten Unterschenkels nach einer halben bis einer Stunde Gehen beschrieben. Dr. F. hat die verbliebenen Gesundheitsstörungen umschrieben als schmerzhafte Funktionsstörung des rechten Kniegelenks nach komplexer Knochenbandverletzung mit anhaltender Restinstabilität nach hinterer Kreuzbandplastik. Nach der Beurteilung beider Sachverständiger bestehen bei der Klägerin ohne besondere Belastung keine Schmerzen mehr.
Eine höhere MdE ergibt sich auch nicht unter Zugrundelegung der der Klägerin noch konkret möglichen Tätigkeiten. Aufgrund der Knieverletzung kann die Klägerin die Hockstellung nicht mehr vollständig einnehmen. Sie kann deshalb Arbeiten in kompletter Hockstellung über einen längeren Zeitraum nicht mehr verrichten. Möglich sind ihr jedoch noch Gehen, Treppensteigen, Radfahren und Autofahren. In Bezug auf die leichte Beugeschwäche bestehen somit lediglich geringe Einschränkungen hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit. Durch die komplexe Bandinstabilität des rechten Knies wird jedoch eine Früharthrose deutlich begünstigt, so dass die Klägerin keine Tätigkeiten mit außergewöhnlichen mechanischen Belastungen mehr verrichten sollte. Dr. F. hat hierzu ausgeführt, zu vermeiden seien Arbeiten ausschließlich oder überwiegend im Stehen und Gehen, Arbeiten auf sehr unebenem und rutschigem Gelände, Arbeiten, die mit Sprungbelastungen einhergehen, häufiges und umfangreiches Treppensteigen sowie Steigen auf Leitern und Gerüste. Auch unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen ist lediglich eine MdE von 20 v.H. gerechtfertigt ist. Denn auch unter Zugrundelegung der Beurteilung durch Dr. F. kann die Klägerin noch Tätigkeiten mit gelegentlichem Treppensteigen und Besteigen von Leitern und Gerüsten verrichten. Auch Arbeiten im Freien kann sie verrichten, lediglich sehr unebenes und rutschiges Gelände muss sie vermeiden. Ebenso kann sie noch Tätigkeiten mit mittelschwerem und schwerem Heben und Tragen verrichten, sollte dies jedoch nicht regelmäßig tun. Auch nach der Beurteilung durch Dr. F. sind damit lediglich die meisten Bauarbeiten, Arbeiten in der Land- und Fortwirtschaft, Überwachungsaufgaben auf schwierigem Gelände sowie ein Großteil der Sportarten ausgeschlossen. Für alle übrigen Tätigkeiten bestehen jedoch keine Einschränkungen.
Soweit der Sachverständige Dr. F. über die unter Zugrundelegung der Erfahrungswerte ermittelten MdE-Grade eine Erhöhung unter dem Aspekt einer Vermeidung einer richtungsweisenden Verschlimmerung vorschlägt, ist dem nicht zu folgen. Denn gerade weil die messtechnisch festgestellten Einschränkungen - u.a. eine "teilweise objektivierbare Instabilität" im rechten Knie - vorliegen, kann die Klägerin die genannten Arbeiten nicht mehr ausüben. Das Ausmaß der verminderten Arbeitsmöglichkeiten ist damit schon in den nach den Erfahrungswerten ermittelten MdE-Graden enthalten. Demgegenüber ist für eine Art "Risikozuschlag" oder "Gefährdungs-MdE" wegen der Prognoseunsicherheiten hinsichtlich der Entwicklung der Krankheit in der auf die verminderten Arbeitsmöglichkeiten bezogenen MdE-Schätzung in der gesetzlichen Unfallversicherung kein Raum, weil auf die Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und erst in Zukunft möglicherweise eintretende Schäden grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind (BSG, a.a.O. - juris Rn. 18).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin wegen der Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalls vom 06.12.2007 Anspruch auf die Gewährung einer höheren Rente hat.
Die am 27.07.1993 geborene Klägerin verunglückte am 06.12.2007 als Schülerin im Sportunterricht. Sie knickte beim Huckepack-Tragen einer Mitschülerin um und zog sich hierbei eine komplette Ruptur des hinteren Kreuzbandes rechts, eine Teilruptur des Retinaculum patella mediale rechts, des Innenbandes beidseitig, ein bone bruise im medialen Femurkondylus und im medialen lateralen Tibiaplateau rechts sowie eine längsverlaufende Tibiakopffraktur ohne wesentliche Dislokation rechts zu (D-Bericht Dr. A. vom 07.12.2007, MRT des Kniegelenkes rechts vom 07.12.2007, Bericht Klinikum B. v. 23.02.2008). Nach zunächst nur konservativer Behandlung wurde am 27.03.2008 in der BG-Klinik Tübingen eine Kreuzbandersatzplastik des hinteren Kreuzbandes mittels Semitendinosussehne (Ersatz durch körpereigene Sehne) durchgeführt. Im Rahmen der dabei durchgeführten Kniespiegelung fanden sich keine gravierenden Gelenkknorpelschäden oder Meniskusschäden in den einzelnen Knieabschnitten. In der Folgezeit musste die Klägerin eine am 16.06.2008 verordnete Orthese (starre Knieschiene) tragen, die sodann durch eine bedarfsweise zu tragende elastische Kniebandage ersetzt wurde. Ab August 2008 konnte die Klägerin mit Einschränkungen wieder am Schulsport teilnehmen. Am 16.09.2008 beendete Dr. C. die besondere Heilbehandlung; die Klägerin sei ab 17.09.2008 wieder arbeitsfähig, die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage nach vorläufiger Schätzung über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus 20 v.H. (Stellungnahme vom 17.09.2008).
Im Gutachten vom 10.07.2009 stellte Dr. D., Facharzt für Chirurgie, eine posterolaterale Restinstabilität mit leichtem bis mäßigem Belastungsdefizit und diskreter Bewegungseinschränkung für die endgradige Flexion fest. Die Klägerin könne im Alltag sämtliche Tätigkeiten ausüben, extreme sportliche Belastungen mit Akzellerations- und Dezellerationsmomenten sollten vermieden werden. Für die Berufswahl sei die Berücksichtigung der Verletzungsfolgen insofern empfehlenswert, als sich der Zustand des Kniegelenkes unfallbedingt über die Jahre verschlechtern könne. Dr. D. schätzte die MdE zeitlich gestaffelt in seiner Stellungnahme vom 01.11.2009 wie folgt: Vom 06.12.2007 bis 09.12.2007 100 v.H. Vom 10.12.2007 bis 25.03.2008 50 v.H. Vom 26.03.2008 bis 06.04.2008 100 v.H. Vom 07.04.2008 bis 31.05.2008 50 v.H. Vom 01.06.2008 bis 11.06.2009 30 v.H. Vom 12.06.2009 bis auf weiteres 20 v.H.
Mit Bescheid vom 07.12.2009 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 06.12.2007 als Versicherungsfall (Arbeitsunfall) und bewilligte der Klägerin eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 50 v.H. für die Zeit vom 07.12.2007 bis 31.01.2008 nach einer MdE von 40 v.H. vom 01.02.2008 bis 25.03.2008, nach einer MdE von 100 v.H. vom 26.03.2008 bis 03.04.2008, nach einer MdE von 50 v.H. vom 04.04.2008 bis 30.06.2008, nach einer MdE von 30 v.H. vom 01.07.2008 bis 31.12.2008 und ab 01.01.2009 bis auf weiteres nach einer MdE von 20 v.H.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2010, auf den Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 07.05.2010 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben mit dem Antrag, ihr über den 31.12.2008 hinaus eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren. Das SG hat die Orthopädin Dr. E. mit der Erstattung eines orthopädisch-rheumatologischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 07.11.2010 hat die Sachverständige ausgeführt, bei der Klägerin sei nach komplexem Trauma des rechten Kniegelenks eine Instabilität mit endgradigem Beugedefizit (Streckung/Beugung rechts 0-0-130, links 0-0-140) nach Ruptur des hinteren Kreuzbandes, Teilruptur des Innen- und Aussenbandes, Bone bruise des medialen Femurcondylus, nicht dislozierter Tibiakopffraktur mit Bone bruise medial und lateral sowie Fibulaköpfchenfraktur verblieben. Diese Gesundheitsstörung sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit durch das Ereignis vom 06.12.2007 verursacht worden. Aktuell könne die Klägerin deshalb das rechte Kniegelenk nicht ganz anwinkeln, was besonders beim in die Hocke gehen Schwierigkeiten bereite. Das Hinknien führe zu Schmerzen, da dabei Haut zwischen dem Metall im Knie und dem Boden eingequetscht werde. Ab und zu bestünden beim Motorrollerfahren Schmerzen im Bereich der rechten Kniescheibe. Nach ca. 1/2 bis 1 Stunde Laufen käme es zu Schwellungen des rechten Unterschenkels, beim Laufen werde meist eine Kniebandage, beim Sport die vorhandene Knieorthese getragen. Die maximale Gehstrecke betrage zwei bis drei Stunden, wobei danach abends Schmerzen im rechten Kniegelenk aufträten. Sonstige Nachtschmerzen bestünden nicht. Das früher regelmäßig betriebene Rudern habe sie aufgegeben. Die verbliebene Instabilität des Kniegelenkes mit endgradiger Bewegungseinschränkung und die Schmerzen bei längerer Belastung rechtfertigten eine MdE von 20 v.H. ab dem 01.01.2009 bis auf Weiteres. Es sei davon auszugehen, dass vermutlich ein frühzeitiger Verschleiß des rechten Kniegelenkes entstehen werde, der dann eine Neubewertung der MdE notwendig mache.
Mit Bescheid vom 19.11.2010 bewilligte die Beklagte, gestützt auf ein bereits am 08.10.2010 erstattetes weiteres Gutachten von Dr. D., der Klägerin Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. ab 01.12.2010. Dr. D. hatte darin u.a. ausgeführt, es bestehe ein geringes Bewegungsdefizit (Extension/Flexion 10-0-150) und ein leichtes bis mäßiges Belastungsdefizit des rechten Kniegelenks bei Restinstabilität nach Komplexverletzung. Radiologisch zeigten sich bereits Hinweise auf eine beginnende Arthrose im rechten Kniegelenk medial. Er schätze die MdE mit 25 v.H.
Mit Urteil vom 14.12.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe für die Zeit ab 01.01.2009 keinen Anspruch auf Verletztenrente nach einer höheren MdE als 20 v.H. Es bestünden noch eine Instabilität im rechten Kniegelenk mit regelmäßig wiederkehrenden Schmerzen bei Belastung, eine endgradige Einschränkung der Beugung (0-0-130 Grad gegenüber 0-0-140 Grad links), die besonders beim Hinhocken störe, Schmerzen beim Knien durch Druckschmerz im Bereich der Tibiavorderkante sowie eine Schwellneigung des rechten Unterschenkels nach halb- bis einstündigem Laufen. Eine MdE von 20 v.H, wie sie auch die Sachverständige Dr. E. vorgeschlagen habe, entspreche der Bewertung in der Versicherungsliteratur, wonach bei Kreuzbandrissen und endgradiger Behinderung der Beugung/Streckung mit muskulär nicht kompensierbarer Seitenbandinstabilität eine MdE von 20 v.H. angenommen werde. Dr. D. habe im Gutachten vom 10.07.2009 keine funktionellen Einschränkungen festgestellt, die eine höhere MdE als 20 v.H. begründen könnten.
Gegen das am 20.12.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.01.2011 Berufung eingelegt mit der Begründung, Dr. D. habe bereits eine degenerative Entwicklung mit Beginn einer Arthrose im rechten Kniegelenk festgestellt. Auch die Sachverständige Dr. E. habe ausgeführt, aufgrund des sehr schweren Gelenksschadens sei davon auszugehen, dass vermutlich ein frühzeitiger Verschleiß des rechten Kniegelenkes entstehen werde, der eine Neubewertung der MdE nötig mache.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist Dr. F. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt worden. Im Gutachten vom 11.07.2011 hat dieser ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine schmerzhafte Funktionsstörung des rechten Kniegelenks nach komplexer Knochenbandverletzung mit anhaltender Restinstabilität nach hinterer Kreuzbandplastik. Die Klägerin könne dauerhaft das verletzte rechte Kniegelenk nicht mehr maximal beugen (Beugung/Streckung rechts 120-0-15, links 140-0-5). Dies führe dazu, dass sie die Hockstellung nicht mehr vollständig und nicht mehr lange anhaltend einnehmen könne. Damit seien Arbeiten ausgeschlossen, die eine komplette Hockstellung über einen längeren Zeitraum verlangten. Das verbliebene Ausmaß der Kniebeugung reiche aber aus für Gehen, Treppensteigen, Radfahren und Sitzen auf den meisten Sitzmöbeln sowie Autofahren. In Bezug auf die leichte Beugeschwäche im rechten Knie ergäben sich somit hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit nur geringe Einschränkungen. Der Kniebinnenschaden mit Beteiligung von Knochengewebe und Kapselbandgewebe sei mit Defekt ausgeheilt. Es bestehe jedoch eine komplexe Bandinstabilität im rechten Knie. Diese begünstige deutlich das Auftreten einer Früharthrose. Deren Entstehen werde zusätzlich begünstigt, wenn das Kniegelenk in der Zukunft regelmäßig außergewöhnlichen mechanischen Belastungen unterworfen werde wie z.B. bei Arbeiten ausschließlich oder überwiegend im Stehen und Gehen, auf sehr unebenem und rutschigem Gelände, Arbeiten mit Sprungbelastungen oder mit häufigem und umfangreichem Treppensteigen, Besteigen von Leitern und Gerüsten etc. Deshalb entfielen die meisten Bauarbeiten, Arbeiten im Freien, Überwachungsarbeiten auf schwierigem Gelände sowie ein Großteil der Sportarten. Die Klägerin sollte deshalb zur Vermeidung einer richtungsweisenden Verschlimmerung des bestehenden Gesundheitsschadens prinzipiell dauerhaft nur noch leichte bis gelegentlich kurzfristig mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ausüben, überwiegend auf ebenen rutschfesten Untergründen arbeiten und regelmäßig mittelschweres oder schweres Heben und Tragen vermeiden. Die Schmerzsymptomatik spiele dagegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine wesentliche Rolle bei der Bewertung der MdE. Lege man den Bewegungsumfang der betroffenen Gelenke als alleinigen Maßstab zugrunde, läge die MdE bei der Klägerin deutlich unter 10 v.H. Werde die teilweise objektivierbare Instabilität im rechten Knie mitberücksichtigt, erhöhe sich die MdE auf mindestens 20 v.H. Berücksichtige man zusätzlich den Aspekt der Vermeidung einer richtungsweisenden Verschlimmerung, erhöhe sich die MdE sogar auf 30 v.H. Letzteres halte er für gerechtfertigt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 07. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2010 sowie des Bescheides vom 19. November 2010 zu verurteilen, ihr ab 01. Januar 2009 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, entgegen der Auffassung des Sachverständigen Dr. F. komme es bei der Beurteilung der MdE auf die gegenwärtige körperliche und geistige Einbuße an. Eine zu erwartende drohende Beeinträchtigung könne bei der Einschätzung der gegenwärtigen MdE nicht berücksichtigt werden. Außerdem seien bei der Einschätzung der MdE die Erfahrungswerte heranzuziehen als Anhaltspunkte für die Bewertung. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin im alltäglichen Leben nicht wesentlich eingeschränkt sei, im Alltag gut zurecht komme, Radfahren und sogar Joggen könne.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente nach einer höheren MdE als 20 v.H. ab dem 01.01.2009.
Gegenstand des Verfahrens ist allein die Höhe der ab dem 01.01.2009 zu gewährenden Rente. Gegen die Festsetzung der MdE für die davorliegende Zeit hat die Klägerin kein Rechtsmittel eingelegt. Gegenstand des Verfahrens ist auch der Bescheid vom 19.11.2010, der gem. § 96 SGG Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden ist.
Als Unfallfolgen anerkannt sind radiologisch nachgewiesene Hinweise auf eine beginnende Arthrose im rechten Kniegelenk medial, ein geringes Bewegungsdefizit und ein leichtes bis mäßiges Belastungsdefizit des rechten Kniegelenkes bei Restinstabilität nach Riss des hinteren Kreuzbandes, Teilriss des Innen- und Außenbandes am rechten Kniegelenk sowie nicht verschobenem Schienbeinkopfbruch und Wadenköpfchenbruch rechts. Diese rechtfertigen keine höhere MdE als 20 v.H.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die MdE nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würde (§ 56 Abs. 2 Sätze 1, 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -). Die Bemessung der MdE hängt danach von zwei Faktoren ab, nämlich den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend hierbei ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R - juris).
Die Bemessung des Grades der MdE, also die aufgrund § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII durch eine Schätzung vorzunehmende Festlegung des konkreten Umfangs der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG, Urteil vom 30.06.1998, B 2 U 41/97 R - juris). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem unfallversicherungsrechtlichen und unfallversicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG, Urteil vom 22.06.2004 – B 2 U 14/03 R – juris Rn. 12).
Dementsprechende Erfahrungswerte sind beispielhaft angegeben bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010. Danach wird die Höhe der MdE bei Kniegelenkschäden hauptsächlich bestimmt durch die Verminderung der Beweglichkeit, eine unphysiologische Zunahme der Beweglichkeit (Überstreckbarkeit, Wackelbeweglichkeit, Verschieblichkeit oder Bereitschaft zu Teilverrenkungen) und Schmerzhaftigkeit (objektive Grundlage) (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 653). Nach den dort genannten Erfahrungswerten bedingt eine Bewegungseinschränkung eines Kniegelenks (Streckung/Beugung) von 0/0/120 eine MdE von 10 v.H.; eine Lockerung des Kniebandapparates (Wackelknie) muskulär kompensiert eine MdE von 10 v.H., muskulär nicht kompensiert eine MdE von 20 v.H. Eine Arthrose bedingt je nach Funktionsbehinderung eine MdE von 10 bis 30 v.H. Unter Zugrundelegung dieser Erfahrungswerte ist lediglich eine MdE von 20 v.H. gerechtfertigt, da eine Arthrose allenfalls im Frühstadium vorliegt.
Dies entspricht auch den von den Sachverständigen erhobenen Befunden. Hinsichtlich der Beurteilung der bei der Klägerin bestehenden Unfallfolgen sind die Sachverständigen Dr. E. und Dr. F. zu einer weitgehend übereinstimmenden Beurteilung gelangt. Dr. E. hat die Unfallfolgen als verbleibende Instabilität im rechten Kniegelenk mit regelmäßig wiederkehrenden Schmerzen bei Belastung, endgradige, besonders beim Hinhocken störende Einschränkung der Beugung, schmerzhaftes Knien durch Druckschmerz im Bereich der Tibiavorderkante und Schwellneigung des rechten Unterschenkels nach einer halben bis einer Stunde Gehen beschrieben. Dr. F. hat die verbliebenen Gesundheitsstörungen umschrieben als schmerzhafte Funktionsstörung des rechten Kniegelenks nach komplexer Knochenbandverletzung mit anhaltender Restinstabilität nach hinterer Kreuzbandplastik. Nach der Beurteilung beider Sachverständiger bestehen bei der Klägerin ohne besondere Belastung keine Schmerzen mehr.
Eine höhere MdE ergibt sich auch nicht unter Zugrundelegung der der Klägerin noch konkret möglichen Tätigkeiten. Aufgrund der Knieverletzung kann die Klägerin die Hockstellung nicht mehr vollständig einnehmen. Sie kann deshalb Arbeiten in kompletter Hockstellung über einen längeren Zeitraum nicht mehr verrichten. Möglich sind ihr jedoch noch Gehen, Treppensteigen, Radfahren und Autofahren. In Bezug auf die leichte Beugeschwäche bestehen somit lediglich geringe Einschränkungen hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit. Durch die komplexe Bandinstabilität des rechten Knies wird jedoch eine Früharthrose deutlich begünstigt, so dass die Klägerin keine Tätigkeiten mit außergewöhnlichen mechanischen Belastungen mehr verrichten sollte. Dr. F. hat hierzu ausgeführt, zu vermeiden seien Arbeiten ausschließlich oder überwiegend im Stehen und Gehen, Arbeiten auf sehr unebenem und rutschigem Gelände, Arbeiten, die mit Sprungbelastungen einhergehen, häufiges und umfangreiches Treppensteigen sowie Steigen auf Leitern und Gerüste. Auch unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen ist lediglich eine MdE von 20 v.H. gerechtfertigt ist. Denn auch unter Zugrundelegung der Beurteilung durch Dr. F. kann die Klägerin noch Tätigkeiten mit gelegentlichem Treppensteigen und Besteigen von Leitern und Gerüsten verrichten. Auch Arbeiten im Freien kann sie verrichten, lediglich sehr unebenes und rutschiges Gelände muss sie vermeiden. Ebenso kann sie noch Tätigkeiten mit mittelschwerem und schwerem Heben und Tragen verrichten, sollte dies jedoch nicht regelmäßig tun. Auch nach der Beurteilung durch Dr. F. sind damit lediglich die meisten Bauarbeiten, Arbeiten in der Land- und Fortwirtschaft, Überwachungsaufgaben auf schwierigem Gelände sowie ein Großteil der Sportarten ausgeschlossen. Für alle übrigen Tätigkeiten bestehen jedoch keine Einschränkungen.
Soweit der Sachverständige Dr. F. über die unter Zugrundelegung der Erfahrungswerte ermittelten MdE-Grade eine Erhöhung unter dem Aspekt einer Vermeidung einer richtungsweisenden Verschlimmerung vorschlägt, ist dem nicht zu folgen. Denn gerade weil die messtechnisch festgestellten Einschränkungen - u.a. eine "teilweise objektivierbare Instabilität" im rechten Knie - vorliegen, kann die Klägerin die genannten Arbeiten nicht mehr ausüben. Das Ausmaß der verminderten Arbeitsmöglichkeiten ist damit schon in den nach den Erfahrungswerten ermittelten MdE-Graden enthalten. Demgegenüber ist für eine Art "Risikozuschlag" oder "Gefährdungs-MdE" wegen der Prognoseunsicherheiten hinsichtlich der Entwicklung der Krankheit in der auf die verminderten Arbeitsmöglichkeiten bezogenen MdE-Schätzung in der gesetzlichen Unfallversicherung kein Raum, weil auf die Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und erst in Zukunft möglicherweise eintretende Schäden grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind (BSG, a.a.O. - juris Rn. 18).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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