L 7 AS 814/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 96/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 814/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Januar 2012 (Ablehnung einstweiligen Rechtsschutzes) wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist nicht statthaft und damit nicht zulässig.

Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Dies ist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Fall, wenn bei einer Klage, die eine Geld-, Sach- oder Dienstleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 750.- nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2). Diese Voraussetzungen einer statthaften Beschwerde sind vorliegend nicht erfüllt.

Für die Statthaftigkeit kommt es auf den Wert des Beschwerdegegenstandes an, der sich danach berechnet, was das Sozialgericht (SG) dem Antragsteller versagt hat und von ihm im Beschwerdeverfahren weiterverfolgt wird (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl., § 144 Rdnr. 14). Mit dem angefochtenen Beschluss hat das SG das Begehren des Antragstellers abgelehnt, die Antragsgegnerin als Trägerin der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu darlehensweisen Geldleistungen i.H.d. in der Zeit bis zur rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung jeweils quartalsweise anfallenden Eigenanteils der Kosten seiner kieferorthopädischen Behandlung zu verpflichten. Ausweislich des vorgelegten KFO-Behandlungsplanes vom 4. Oktober 2011 belaufen sich die voraussichtlichen Gesamtkosten der Behandlung auf EUR 3.418,52. Davon hat der Antragsteller zunächst einen Eigenanteil von 20% zu tragen, mithin insgesamt EUR 683,70. Damit ist der Beschwerdewert von EUR 750.- auch ohne Berücksichtigung bereits erbrachter Leistungen aufgrund der einstweiligen Anordnung im früheren Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht überschritten.

Wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) liegen ebenfalls nicht vor. Einen festen Zeitraum, der sicher über ein Jahr hinausreicht, hat der Antragsteller für sein Begehren nicht vorgegeben ("bis zur Rechtskraft einer Entscheidung in der Hauptsache"). Darüber hinaus ist zu beachten, dass nicht die Behandlung selbst begehrt wird, sondern die vorläufige Übernahme der Kosten im Umfange des Eigenanteils als Leistung der Grundsicherung nach dem SGB II. Für die Frage der wiederkehrenden oder laufenden Leistungen ist es mithin nicht von Bedeutung, dass die medizinische Behandlung auf 16 Quartale angesetzt ist. Für die Bestimmung des streitgegenständlichen Zeitraums ist allein das grundsicherungsrechtliche Begehren maßgebend (vgl. a. Bundessozialgericht SozR 4-4200 § 20 Nr. 13).

Als Anspruchsgrundlagen kommen allein § 21 Abs. 6 oder § 24 Abs. 1 SGB II (jeweils i.V.m. §§ 19 und 7 SGB II) in Betracht. Der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II setzt einen laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf voraus; in der Begründung des Gesetzentwurfs ist insoweit von einem "regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen" Bedarf die Rede (BT-Drucks. 17/1465 S. 9). Das Merkmal dient gerade der Abgrenzung zum einmaligen Bedarf, der über die Möglichkeit der Darlehensgewährung nach § 24 Abs. 1 SGB II gedeckt wird (vgl. Behrend in jurisPK-SGB II § 21 Rdnr. 80; Münder in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 21 Rdnr. 42). Ein Bedarf, der absehbar wiederholt auftreten wird, insbesondere wie vorliegend zweimal im Bewilligungsabschnitt, unterfällt daher dem Anwendungsbereich des § 21 Abs. 6 SGB II (vgl. Behrend, a.a.O., Rdnr. 81; Münder, a.a.O.). Bei diesem Mehrbedarf handelt es sich jedoch nicht um eine einer eigenständigen Regelung zugängliche Leistung, sondern lediglich um ein Berechnungselement mit Einfluss auf die Höhe der Grundsicherungsleistung, hier des Sozialgeldes nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II (vgl. Satz 3 a.a.O.). Eine Entscheidung bzw. Bewilligung unabhängig vom jeweiligen Bewilligungszeitraum ist daher nicht möglich. Nach § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II umfasst der Bewilligungszeitraum grundsätzlich sechs Monate und kann nach Satz 5 unter weiteren Voraussetzungen auf bis zu zwölf Monate verlängert werden. Die gerichtliche Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz beschränkt sich bei bereits bewilligten Leistungen auf den Zeitraum bis zum Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnittes (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u.a. Beschluss vom 15. April 2010 - L 7 SO 1227/10 ER-B - m.w.N.). Denn auch in der Hauptsache würden Bewilligungsbescheide über sich anschließende Zeiträume nicht kraft Gesetzes gem. § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand eines Berufungsverfahrens (Bundessozialgericht SozR 4-4200 § 22 Nr. 1). Da im einstweiligen Rechtsschutzverfahren grundsätzlich keine weiteren Rechtspositionen eingeräumt werden können als im Hauptsacheverfahren möglich, kann zulässiger Gegenstand des Verfahrens maximal ein Zeitraum bis zu zwölf Monaten sein. Das Begehren des Antragstellers ist auch nicht im Wege der Auslegung auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr zu erstrecken. Dies würde letztlich bedeuten, dass der Antragsteller bereits jetzt behauptet, dass die Leistungsvoraussetzungen, also insbesondere die Hilfebedürftigkeit, auch in mehr als einem Jahr noch vorliegen. Dies erscheint vernünftigerweise ausgeschlossen, was auch durch die gesetzliche Wertung des § 41 Abs. 1 Satz 5 SGB II untermauert wird. Darüber hinaus fehlte es für einen so weit in der Zukunft liegenden Zeitraum bereits an der notwendigen Eilbedürftigkeit. Im Rahmen der Auslegung ist jedoch dem Antrag kein ersichtlich erfolgloses Begehren zu entnehmen. Eine Ausdehnung des Begehrens auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr, um die Beschwerdefähigkeit zu erreichen, wäre als missbräuchlich unbeachtlich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144 Rdnr. 14a).

Die Zulassungsgründe des § 144 Abs. 2 SGG im Hauptsacheverfahren sind für die Statthaftigkeit der Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG nicht relevant (Senatsbeschluss vom 15. April 2010 - L 7 SO 1227/10 ER-B -).

Die Beschwerde des Antragstellers war mangels Zulässigkeit zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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