L 5 R 1175/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 189/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1175/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.01.2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird endgültig auf 1.527,16 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 1.527,16 EUR betreffend die Jahre 2004 und 2005, die von der Beklagten aufgrund einer bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung erhoben wurde.

Der Kläger betreibt eine Schreinerei und beschäftigt darin den Beigeladenen Nr. 1 als Arbeitnehmer. In dem "Anstellungsvertrag" vom 23.03.2000 ist in § 5 die Vergütung wie folgt geregelt: (1) Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche Bruttovergütung von 2.267,58 EUR, die jeweils am Monatsende fällig wird und auf das Konto des Arbeitnehmers angewiesen wird. ( ) (2) Der Arbeitnehmer erhält eine Gratifikation (Urlaubsgeld) iHv einem Brutto-Monats-Gehalt. Diese stellt eine Treueprämie dar. Es handelt sich um eine widerrufliche Leistung. Der Arbeitgeber behält sich vor, die Zahlung der Gratifikation aus wirtschaftlichen Gründen oder aus Gründen in der Leistung oder dem Verhalten des Arbeitnehmers mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende zu widerrufen. Hierzu gehören insbesondere eine wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, ein negatives wirtschaftliches Ergebnis der Betriebsabteilung, ein Unterschreiten des jährlich angestrebten Ebit, ein Rückgang bzw. Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Umsatz- oder Ertragsentwicklung (Budgets), eine unterdurchschnittliche Leistung des Arbeitnehmers, eine Änderung seiner Tätigkeit oder schwerwiegende Pflichtverletzungen. Die Gratifikation wird dem Wunsch des Arbeitnehmers entsprechend in monatlichen Abschlägen durch Auszahlung in die bisher bestehende Rentenversicherung des Arbeitnehmers ausbezahlt.

Durch den Widerruf bleibt die Vergütung des Arbeitnehmers gem. § 5 Absatz 1 unangetastet. Außerdem darf der Widerruf maximal 25% der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers umfassen.

In der Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge für Januar 2004 ist im Gesamtbruttogehalt von 2.435,71 ein Betrag in Höhe von 154,84 EUR, bezeichnet als "Betr. AV. AG lfd. ST-pau" ausgewiesen. Der gleiche Betrag ist nochmals bezeichnet als "Urlaubsgeld" als Positivbetrag und bezeichnet als "Gehaltsverz. Urlaubsgeld" als Negativbetrag aufgeführt. Als zu versteuerndes und beitragspflichtiges Bruttoentgelt ist ein Betrag von 2.280,87 EUR ausgewiesen, der Betrag von 154,84 EUR ist unter der Rubrik "pauschal versteuerte Zukunftssicherung" eingetragen. Bei der Berechnung des Netto-Auszahlungsbetrages wird der Betrag von 154,84 EUR als "Direktversicherung" in Abzug gebracht. Der Auszahlungsbetrag beläuft sich auf 1.673,91 EUR. Im Lohnkonto 2004 sind für die Monate Januar - November 2004 jeweils ein steuerpflichtiges Entgelt von 2.280,87 EUR, für Dezember 2004 2.286,63 EUR ausgewiesen und als pauschal versteuerter Betrag "Zukunftssicherung" im Monat Januar 2004 154,84 EUR, in den Monaten Februar bis November 2004 jeweils 145,72 EUR und im Dezember 2004 139,96 EUR. Im Lohnkonto 2005 ist das steuerpflichtige Entgelt in jedem Monat mit 2.280,87 EUR und der pauschal versteuerte Betrag in Höhe von 145,72 EUR ausgewiesen.

Die Beklagte führte eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2007 durch und hörte den Kläger anschließend mit Schreiben vom 12.06.2008 zu der beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen auch für die gezahlten Beiträge zur Direktversicherung des Beigeladenen Ziff. 1 an. Mit Bescheid vom 27.06.2008 setzte die Beklagte eine Nachforderung in Höhe von 1.527,16 EUR fest und führte aus, der Beigeladene habe monatlich unter der Bezeichnung "Urlaubsgeld" (Lohnart 002) einen Betrag in Höhe von 154,84 EUR erhalten. Dieser Betrag sei zugunsten einer Direktversicherung umgewandelt (Lohnart 003) und nach § 40 b a.F. Einkommensteuergesetz (EStG) mit 20% pauschal besteuert worden. Dieses sog. Urlaubsgeld habe aufgrund der monatlichen Zahlung seinen Charakter als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt im Sinn von § 23a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) verloren. Die Direktversicherungsbeiträge seien mithin nicht aus einmaligem, sondern aus laufendem Entgelt umgewandelt worden. Dies führe jedoch nicht zur Beitragsfreiheit. Der Nachweis, dass es sich hier um eine ausschließlich durch den Arbeitgeber finanzierte Direktversicherung handle, habe nicht erbracht werden können. Die fehlenden Sozialversicherungsbeiträge seien daher noch nachzuberechnen gewesen.

Dagegen erhob der Kläger am 10.07.2008 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2008 als unbegründet zurückwies. Sie verwies darin auf die von den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung im Verbandsrundschreiben vom 02.03.2004 vertretene Auffassung, dass Einmalzahlungen durch die Umstellung auf eine anteilige monatliche Zahlung ihren Charakter als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verlieren würden und sie daher dem laufenden Arbeitsentgelt zuzurechnen seien. Soweit aus diesen monatlichen Zahlungen Beiträge zur Direktversicherung gezahlt würden, könne § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Arbeitsentgeltverordnung (ArEV - ab 01.01.2007 § 1 Abs. 1 Nr. 4 Sozialversicherungsentgeltverordnung - SvEV) keine Anwendung mehr finden. Die Beiträge seien demnach grundsätzlich dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen. Begründet werde dies von den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung damit, dass nach § 23a Abs. 1 Satz 1 SGB IV einmalig gezahltes Arbeitsentgelt Zuwendungen seien, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen seien und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt würden. Mit dem Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 sei mit Wirkung vom 01.07.2004 das Altersteilzeitgesetz (AtG) geändert worden. Nach § 6 Abs. 1 AtG sei das Regelarbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit das auf einen Monat entfallende, vom Arbeitgeber regelmäßig zu zahlende sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt, soweit es die Beitragsbemessungsgrenze des SGB III nicht überschreite. Entgeltbestandteile, die nicht laufend gezahlt würden, seien nicht zu berücksichtigen. Einmalzahlungen wie z.B. das Weihnachtsgeld oder auch das Urlaubsgeld gehörten demzufolge nicht zum Regelarbeitsentgelt. In diesem Zusammenhang werde jedoch die Auffassung vertreten, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren könnten, die Einmalzahlung auf regelmäßige monatliche Zahlungen umzustellen. In diesen Fällen gehörten die regelmäßigen monatlichen Zahlungen dann zum Regelarbeitsentgelt und könnten sowohl bei der Aufstockung der Arbeitsentgelte als auch bei den zusätzlichen Beiträgen zur Rentenversicherung mitberücksichtigt werden. Daraus folge die Bewertung, dass Einmalzahlungen durch die Umstellung in regelmäßige monatliche Zahlungen ihren Charakter als Einmalzahlungen verlören und dem regelmäßigen laufenden Arbeitsentgelt zuzurechnen seien. Dies habe wiederum Auswirkungen bei der Berücksichtigung von Beiträgen zur Direktversicherung im Beitragsrecht der Sozialversicherung. Denn Beiträge zur Direktversicherung seien nur dann kein Arbeitsentgelt im Sinn der Sozialversicherung, wenn sie pauschal versteuert würden und es sich um zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers handle, die neben dem laufenden Arbeitsentgelt gezahlt würden oder wenn sie aus Einmalzahlungen finanziert würden (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 SvEV). Sofern also für die Direktversicherung laufendes Arbeitsentgelt verwendet werde, was im Falle einer Umstellung für Einmalzahlungen in monatliche Zahlungen der Fall wäre, würde dies nicht zu einer Minderung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts führen; d.h., dass die aus dem laufenden Arbeitsentgelt finanzierten Beiträge und Zuwendungen auch bei einer vorgenommenen Pauschalversteuerung der Beitragspflicht unterliegen würden. Dieser Sachverhalt liege im vorliegenden Fall vor. Das Urlaubsgeld des Beigeladenen Ziff. 1 sei in monatliche Zahlungen umgewandelt worden. Dadurch sei es als laufendes Arbeitsentgelt zu bewerten. Eine Umwandlung zugunsten einer Direktversicherung mindere deshalb die Bemessungsgrundlage nicht. An dieser Beurteilung ändere sich auch dadurch nichts, dass bereits im Arbeitsvertrag von Anfang an vereinbart worden sei, dass das einmalig gezahlte Urlaubsgeld in monatlichen Abschlägen ausgezahlt werde.

Der Kläger erhob am 19.01.2009 Klage zum Sozialgericht Reutlingen. Zur Begründung ließ er vortragen, der Rechtsauffassung der Beklagten könne nicht gefolgt werden. Nach Ansicht des Bundessozialgerichts (Urteil vom 26.01.2005 - B 12 KR 3/04 R) sei für die Qualifikation einer Zahlung nicht der Zeitpunkt der Auszahlung maßgeblich, sondern es komme entscheidend darauf an, ob das gezahlte Entgelt Vergütung für die in einem einzelnen, d.h. bestimmten Abrechnungszeitraum geleistete Arbeit sei. Im vorliegenden Fall handle es sich um die Zahlung von Urlaubsgeld, welches nicht ein zusätzliches Arbeitsentgelt darstelle, sondern einen Motivationsanreiz für den Arbeitnehmer. Damit habe das Urlaubsgeld grundsätzlich nicht den Charakter von laufendem Arbeitsentgelt, sondern den eines zusätzlich gewährten Entgelts. Dies ergebe sich auch durch die in § 5 Abs. 2 des Anstellungsvertrages festgelegte Regelung, dass es dem Arbeitgeber möglich sei, die entsprechenden Zahlungen zu widerrufen. Des weiteren sei das Urlaubsgeld immer separat auf der Lohnabrechnung ausgewiesen und auch als solches bezeichnet worden. Auch hiermit sei dem Arbeitnehmer signalisiert worden, dass es sich um eine zusätzlich gewährte Leistung handle.

Mit Urteil vom 20.02.2010 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 27.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2008 auf. Die Beklagte habe zu Unrecht für die Zeit von Januar 2004 bis Dezember 2005 von den vom Kläger bezahlten Beiträgen zur Direktversicherung des Beigeladenen Ziff. 1 Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz erhoben. Bemessungsgrundlage für die Beiträge abhängig Beschäftigter sei in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung jeweils das bezogene Arbeitsentgelt (§ 226 Abs.1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -, § 57 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - i.V.m. § 226 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 162 Nr. 1 SGB VI, § 342 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -). Nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV seien Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen bestehe, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Danach sind auch Aufwendungen des Arbeitgebers für eine betriebliche Altersversorgung des Arbeitnehmers in Form einer Direktversicherung im Grundsatz auch Arbeitsentgelt im Sinn der vorgenannten Vorschrift. Abweichend hiervon seien allerdings nach § 17 Abs. 1 SGB IV i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ArEV dem Arbeitsentgelt keine Beiträge und Zuwendungen nach § 40b EStG zuzurechnen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt würden, soweit S. 2 nichts Abweichendes bestimme, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschalsteuersatz erheben könne und er die Lohnsteuer nicht nach den Vorschriften der §§ 39b, 39c oder 39d EStG erhebe. Letzteres sei vorliegend nicht der Fall, vielmehr seien die fraglichen Zahlungen, in den "Abrechnungen der Brutto-Netto-Bezüge" missverständlich mit Urlaubsgeld bezeichnet, pauschal nach § 40b EStG mit 20 % versteuert worden. Auch habe die Beklagte nicht festgestellt, dass ein Ausschlussgrund gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 ArEV vorliege und deshalb eine Beitragsfreiheit entfalle. Die vom Kläger geleisteten Beiträge zur Direktversicherung seien auch zusätzlich i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ArEV zum vereinbarten Arbeitsentgelt geleistet worden. Dies ergebe sich für die Kammer zweifelsfrei aus § 5 des zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu Nr. 1 am 23.03.2000 geschlossenen Anstellungsvertrags. Danach sei zwischen den Vertragsparteien zunächst eine monatliche Bruttovergütung vereinbart worden (Abs. 1), auf die der Arbeitnehmer einen uneingeschränkten Rechtsanspruch habe. Die in Abs. 2 geregelte "Gratifikation (Urlaubsgeld)" sei dagegen als "eine Treueprämie" als vom Kläger jederzeit (lediglich mit einer zu beachtenden Monatsfrist) widerrufliche Leistung vereinbart worden, d.h. der Beigeladene Ziff. 1 habe hierauf keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch. Insbesondere ergebe sich ein solcher auch nicht aus tariflichen Regelungen, da beide Vertragsparteien keinem Tarifvertrag unterliegen würden. Als dem Arbeitnehmer geschuldetes Entgelt könne vorliegend lediglich die in § 5 Abs. 1 geregelte Bruttovergütung angesehen werden, während die in Abs. 2 vereinbarte Gratifikation/Treueprämie über das in Abs. 1 geschuldete Arbeitsentgelt hinaus entrichtet worden sei. Damit liege das Zusätzlichkeitserfordernis nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ArEV vor mit der Folge, dass die für die Direktversicherung aufgewendeten Beiträge in Höhe von monatlich 154,84 EUR nicht dem zu verbeitragenden Arbeitsengelt zuzurechnen gewesen seien. Im Hinblick hierauf könne offenbleiben, ob bei den fraglichen Beiträgen für die Direktversicherung dadurch, dass sie dem Wunsch des Beigeladenen Ziff. 1 entsprechend monatlich vom Kläger gezahlt worden seien und nicht einmal im Jahr, der Charakter einer Einmalzahlung verloren gegangen sei. Hierauf komme es bei zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährten, nach § 40b EStG pauschal versteuerten Beiträgen des Arbeitgebers nicht an.

Gegen das ihr am 10.02.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.03.2010 Berufung eingelegt. Sie führt zur Begründung aus, zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen Ziff. 1 seien Zuwendungen zu einer arbeitgeberfinanzierten Direktversicherung nicht vereinbart worden. In § 5 (2) des Anstellungsvertrages hätten sie originär eine Gratifikation (Urlaubsgeld) in Höhe eines Brutto-Monats-Gehalts vereinbart, die zusätzlich zu dem in § 5 (1) definierten Arbeitsentgelt gezahlt worden sei. Dies werde im Schreiben des Klägervertreters vom 08.07.2008 bestätigt. Darin werde betont, dass der Kläger dem Beigeladenen Ziff. 1 Urlaubsgeld habe auszahlen wollen, dessen Sinn und Zweck nicht die (durch § 40 EStG hinsichtlich der Vorsorgebeiträge begünstigte) Alterssicherung sei, sondern einen Motivationsanreiz habe bieten sollen. Grundsätzlich handele es sich bei einer Direktversicherung um eine vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer mit einem Versicherungsunternehmen im Wege einer Gruppen- oder Einzelversicherung auf den Todes- oder Erlebensfall des Arbeitnehmers (Versicherten) abgeschlossene Kapitalversicherung, bei der der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen ganz oder teilweise bezugsberechtigt seien (vgl. § 1 Abs 2 Satz 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung). Als Versicherungsnehmer sei der Arbeitgeber dabei zur Zahlung der Prämien verpflichtet. Im vorliegenden Fall sei auf eine Rentenversicherung des Arbeitnehmers eingezahlt worden, der Arbeitgeber sei an diesem Vertragsverhältnis wohl nicht beteiligt. Aufgrund des Wunsches des Beigeladenen Ziff. 1, dass die Gratifikation in seine bereits bestehende Rentenversicherung eingezahlt werden solle, sei das monatlich ausgezahlte Urlaubsgeld (Lohnart 002) mit der Lohnart 003 und unter der Bezeichnung "Gehaltsverzicht, Urlaubsgeld" in der Gehaltsabrechnung vom Gesamt-Brutto-Betrag abgezogen und unter der Lohnart 902 als "Betriebliche Altersvorsorge, Arbeitgeber laufend, Pauschalsteuer dem Gesamt-Bruttobetrag" wieder zugeschlagen worden. Der Betrag in Höhe von 154,84 EUR sei dann wiederum vom Netto-Verdienst zugunsten einer Direktversicherung abgezogen worden. Wohl um die Pauschalierungsgrenze i. H. v. 1.752 EUR jährlich einzuhalten, sei im Jahr 2004 der monatliche Betrag i. H. v. 154,84 EUR (1/12 des Brutto-Monats-Gehalts) reduziert und letztlich auf 145,72 EUR monatlich festgelegt worden. Diese Vorgehensweise lasse erkennen, dass dem Kläger bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht an einer arbeitgeberfinanzierten Altersvorsorge gelegen war. Er habe dem Wunsch des Beigeladenen Ziff. 1 nachkommen wollen, dass die Gratifikation in dessen bereits bestehende Altersvorsorge fließen solle. Um keine betriebliche Übung entstehen zu lassen, sei hier die Sonderzahlung zudem mit einem Widerrufsvorbehalt verbunden worden. Auch hieran sei erkennbar, dass keine - sowohl vom Betriebsergebnis als auch von der Leistung des Arbeitsnehmers unabhängige - Zuwendung zum Aufbau einer Altersvorsorge habe erfolgen sollen, mit der Folge, dass der Arbeitgeber zur Zahlung der Prämien verpflichtet sei. Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Beiträgen zur Direktversicherung richte sich nach den steuerlichen Vorgaben, d.h. ob die Aufwendungen für eine Direktversicherung steuerfrei sind oder pauschal versteuert würden. Bei Versorgungszusagen bis 31.12.2004 seien Zuwendungen des Arbeitgebers an Direktversicherungen steuerpflichtiges und damit auch sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt. Die Steuerlast könne bei Versorgungszusagen bis zum 31.12.2004 jedoch durch eine Pauschalbesteuerung verringert werden. Bei einer Pauschalbesteuerung liege Beitragsfreiheit zur Sozialversicherung vor. Voraussetzung für die Beitragsfreiheit zur Sozialversicherung sei allerdings, dass die Aufwendungen durch den Arbeitgeber zusätzlich zu den Löhnen und Gehältern erbracht würden (§ 2 ArEV). Die Beitragsfreiheit trete also nicht bei einer Entgeltumwandlung ein. Eine Gratifikation - Sondervergütung - sei zwar unstreitig eine zusätzliche Geldleistung des Arbeitgebers über den vereinbarten Arbeitslohn hinaus. Einmalzahlungen, die in jedem Kalendermonat zu einem Zwölftel zur Auszahlung gelangen, verlören im Umkehrschluss zu § 23 a Abs. 1 Satz 1 SGB IV jedoch nach der von den Spitzenorganisationen der Sozialversicherungen vertretenen Auffassung ihren Charakter als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt. Sie seien aufgrund der monatlichen Umlegung einem konkreten Entgeltzeitraum zuordenbar und damit als laufendes Arbeitsentgelt zu qualifizieren, so dass das Zusätzlichkeitserfordernis des § 2 Abs. 1 Satz 1 ArEV nicht mehr erfüllt sei und daher Sozialversicherungspflicht vorliege.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.01.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hat sich im Berufungsverfahren zur Sache nicht geäußert.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Beigeladene Ziff. 3 hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen, die übrigen Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert

Auf Anforderung durch den Senat hat der Kläger-Vertreter einen Nachtrag zur Versicherung Nr. 60.935.323/4 1 bei der S.-I ... und einen Antrag auf Versicherungsnehmer-Wechsel vorgelegt. Demzufolge ist der Kläger mit Wirkung vom 01.04.2000 in die Kapitalversicherung in Form einer Direktversicherung (Gehaltsumwandlung) zugunsten des Beigeladenen Ziff. 1 als Versicherungsnehmer eingetreten. Der Versicherungsbeitrag ab dem 01.04.2000 belief sich auf 204,00 DM (104,30 EUR) halbjährlich. Er hat ferner eine Kopie eines Nachtrags zum Versicherungsschein der Versicherung Nr. 60.935.323/4 2 bei den S. Versicherungen über die Kapitalversicherung in Form einer Direktversicherung (Gehaltsumwandlung) zugunsten des Beigeladenen Ziff. 1 vom 31.05.2001 vorgelegt. Die Versicherung begann zum 01.07.1995, der halbjährliche Versicherungsbeitrag belief sich auf 1.500 DM (766,94 EUR). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Berufung ohne Zulassung durch das Sozialgericht zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Im Streit stehen Beitragsnachforderungen in Höhe von 1.527,16 EUR.

Die Berufung ist auch begründet.

Die Beklagte hat die vom Kläger in den Jahren 2004 und 2005 nach § 5 des Anstellungsvertrages in die Rentenversicherung des Beigeladenen Ziff. 1 gezahlten Beträge zu Recht verbeitragt und demzufolge den Nachforderungsbetrag in Höhe von 1.527,16 EUR zu Recht mit Bescheid vom 27.06.2008 festgesetzt. Das Sozialgericht hätte der Klage nicht stattgeben dürfen. Das angegriffene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben.

Das Sozialgericht ist zwar zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass Bemessungsgrundlage für die Beiträge abhängig Beschäftigter in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung jeweils das bezogene Arbeitsentgelt ist (§ 226 Abs.1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -, § 57 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - i.V.m. § 226 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 162 Nr. 1 SGB VI, § 342 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -). Nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

Danach ist auch das in § 5 (2) Satz 1 des Anstellungsvertrages des Beigeladenen Ziff. 1 mit dem Kläger vereinbarte Urlaubsgeld in Höhe eines Brutto-Monats-Gehalts sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV, da es laufend monatlich in den vereinbarten Abschlägen und nicht als einmalig gezahltes Entgelt i.S.v. § 23a SGB IV ausbezahlt wurde. Die ausweislich der Lohnkonten für die Jahre 2004 und 2005 aufgrund der Vertragsklausel des § 5 (2) pauschal besteuerten Beträge in Höhe von 1.752 EUR bzw. 1748,64 EUR sind dem Beigeladenen Ziff. 1 daher als Arbeitsentgelt zugeflossen und unterliegen damit auch der Beitragspflicht in der Sozialversicherung.

Entgegen der vom Sozialgericht vertretenen Auffassung sind diese Beträge nicht aufgrund ihres Verwendungszweckes vom Arbeitsentgelt auszunehmen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Arbeitsentgeltverordnung - ArEV - in der ab dem 01.01.2002 bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung vom 26.06.2001, die für die streitgegenständlichen Jahre 2004 und 2005 anzuwenden ist, sind dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen Beiträge und Zuwendungen nach § 40b des Einkommensteuergesetzes, die zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt werden ( ), soweit der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz erheben kann ( ). Nach § 40b Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - in der vom 21.09.2002 bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung vom 19.20.2002 (BGBl. I S. 4210) - hier maßgeblich für das Abrechnungsjahr 2004 - kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer von Beiträgen für eine Direktversicherung des Arbeitnehmers und von den Zuwendungen an eine Pensionskasse mit einem Pauschsteuersatz von 20 vom Hundert der Beiträge und Zuwendungen erheben. Nach § 40b Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - in der vom 01.01.2005 bis zum 18.12.2006 geltenden Fassung vom 05.07.2004 (BGBl. I S. 1427) - hier maßgeblich für das Abrechnungsjahr 2005 - kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer von den Zuwendungen zum Aufbau einer nicht kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung an eine Pensionskasse mit einem Pauschsteuersatz von 20 vom Hundert erheben.

Um derartige Beiträge oder Zuwendungen handelt es sich aber bei den vom Kläger geleisteten Zahlungen in Höhe von 1.752 EUR (Lohnkonto 2004) bzw. 1.748,64 EUR (Lohnkonto 2005) nicht. Zwar geht der Senat davon aus, dass der Kläger für den Beigeladenen tatsächlich eine Direktversicherung bei der S. I ... abgeschlossen hatte. Der Kläger hat auf Anforderung durch den Senat einen Nachtrag zur Versicherung Nr. 60.935.323/4 1 bei der S.-I ... vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass der Kläger mit Wirkung vom 01.04.2000 in die Kapitalversicherung in Form einer Direktversicherung (Gehaltsumwandlung) zugunsten des Beigeladenen Ziff. 1 als Versicherungsnehmer eingetreten ist. Die Beklagte hat damit zu Unrecht beanstandet, dass zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen Ziff. 1 mit der Zweckbestimmung der Zahlung an die bestehende Rentenversicherung des Beigeladenen Ziff. 1 gar keine arbeitgeberfinanzierte Altersvorsorge, deren Aufbau nach § 40b Abs. 1 EStG in steuerlicher Hinsicht sowie nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ArEV in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht begünstigt werde, vereinbart gewesen sei. Bei einer Direktversicherung schließt der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer eine Kapitallebensversicherung, deren Bezugsberechtigter der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen sind. Um eine solche Versicherung handelt es sich bei mit Versicherungsschein vom 10.05.2000 belegten Kapitalversicherung des Klägers für den Beigeladenen Ziff. 1 bei der S. I.

Die vom Kläger auf der Grundlage von § 5 (2) des Arbeitsvertrages gezahlten Beträge gehören aber deshalb zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt, da sie nicht zusätzlich zu dem vereinbarten Lohn oder Gehalt i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ArEV gewährt wurden (Zusätzlichkeitserfordernis).

Der Senat folgert dies aus der Regelung des § 5 (2) Satz 5 des Anstellungsvertrages vom 23.03.2000, wonach die Zweckbestimmung für die als Gratifikation bezeichnete Urlaubsgeldzahlung dem Beigeladenen Ziff. 1 oblag. Die Auszahlung in die Rentenversicherung erfolgte auf seinen Wunsch. Anders als bei einer zusätzlich gewährten Leistung i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ArEV, die dem Arbeitnehmer nicht zugeflossen wäre, wenn sie nicht in die Direktversicherung oder an die Pensionskasse geleistet worden wäre, haben der Kläger und der Beigeladene Ziff. 1 ein Urlaubsgeld als vertragliche Leistung des Klägers vereinbart, die gegenüber dem Beigeladenen Ziff. 1 zu erbringen war, sofern nicht die Voraussetzungen des § 5 Abs. (2) Satz 2 - 4 des Arbeitsvertrages eingetreten waren. Der Kläger hat diese Zahlung gerade nicht davon abhängig gemacht, sie nur ausschließlich in die Altersvorsorge des Beigeladenen Ziff. 1 zu leisten, sondern diese Zweckbestimmung dem Beigeladenen Ziff. 1 überlassen. Sofern dieser eine Ausbezahlung in die bestehende Rentenversicherung nicht - mehr - gewünscht hätte, wäre die Gratifikation nach dem geschlossenen Arbeitsvertrag an den Beigeladenen Ziff. 1 als Teil des vertraglich vereinbarten Arbeitsentgelts zu zahlen gewesen. Damit sind die in den Lohnkonten 2004 und 2005 ausgewiesenen Zahlungen nicht vom Arbeitsentgelt ausgenommen und damit auch beitragspflichtig.

Die Beklagte hat dem Kläger damit zu Recht nachzuentrichtende Sozialversicherungsbeiträge für die Zahlungen von 1.752 EUR (Lohnkonto 2004) bzw. 1.748,64 EUR (Lohnkonto 2005) auferlegt. Die Höhe der nachgeforderten Beiträge von 1.527,16 EUR (756,36 EUR für das Jahr 2004; 761,53 EUR für das Jahr 2005) hat der Kläger nicht beanstandet. Bedenken gegen die Höhe ergeben sich auch aufgrund der Aktenlage nicht. Ob die vom Kläger geleisteten Zahlungen zu Recht als Zukunftssicherung pauschal versteuert worden sind, ist in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht nicht von Bedeutung.

Das Urteil des Sozialgericht war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und damit kein Kostenrisiko übernommen, so dass es nicht der Billigkeit entspricht, dem Kläger deren außergerichtliche Kosten aufzuerlegen.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 3, 63 Abs. 2 GKG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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