L 11 R 5559/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 5775/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5559/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.11.2011 wird aufgehoben und der Antrag, die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.09.2011 anzuordnen, abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten beider Instanzen.

Der Streitwert wird für das Antrags- und Beschwerdeverfahren auf je 3.359,02 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs und ihrer Klage vom 30.09.2011 (Az: S 22 R 5662/11) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2011, soweit die Antragsgegnerin einen Nachforderungsbetrag in Höhe von 6.718,03 EUR betreffend Beiträge zur Gesetzlichen Kranken-, Sozialen Pflege- und Arbeitslosenversicherung für den bei der Antragstellerin beschäftigten Herrn R. H. für die Zeit vom 01.04.2007 bis zum 31.12.2009 festgesetzt hat.

Der 1974 geborene R. H. war seit dem 01.05.1999 bis zum Abschluss seines Studiums der Informatik am 31.05.2011 bei der Antragstellerin, die Beratungsleistungen, EDV-Lösungen und Dienstleistungen, konzentriert auf die Themenbereiche Human Resource Management und Knowledge Management anbietet, beschäftigt. Zugleich war er im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.04.2007 bis zum 31.12.2009 an der Universität S. im Studiengang Informatik (Diplom) immatrikuliert und nicht beurlaubt. Ab April 2007 studierte Herr H. im 26. Fachsemester.

Herr H. verdiente bei der Antragstellerin in der Zeit vom 01.04.2007 bis zum 31.12.2007 8.136,63 EUR, vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2008 11.453,34 EUR und vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2009 12.814,28 EUR. Aus dem erzielten Arbeitsentgelt entrichtete die Antragstellerin Beiträge zur Rentenversicherung, jedoch keine Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.

Die Antragsgegnerin führte in der Zeit vom 30.03.2010 bis zum 03.11.2010 bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 31.12.2009 durch und setzte - nach Anhörung der Antragstellerin - mit Bescheid vom 29.03.2011 einen Nachforderungsbetrag in Höhe von insgesamt 8.313,60 EUR fest, wobei 6.718,03 EUR auf die nachgeforderten Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung betreffend Herrn H. entfallen. Den hiergegen am 05.04.2011 eingelegten Widerspruch der Antragstellerin wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2011 zurück.

Am 30.09.2011 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage (S 22 R 5662/11) erhoben und einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Sie trägt vor, dass das Studium, welches Herrn H. intensiv betrieben habe, stets im Vordergrund gestanden und Priorität gehabt habe. Dessen Arbeitskraft sei überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen worden. Dies werde auch durch den zwischenzeitlich erfolgten Abschluss am 31.05.2011 bestätigt. Herr H. habe sein Studium systematisch aufgebaut und sei zu jedem Zeitpunkt ein ordentlich Studierender gewesen mit dem konsequenten Streben, das Informatik-Diplom als Abschluss seines Studiums zu erlangen. Allein die Dauer eines Studiums sage nichts über dessen Intensität aus. Herr H. habe aufgrund des starken Wandels der Studieninhalte im Fach Informatik und zum Teil geänderter Interessen im Verlauf seines Studiums Schwerpunkte verschoben und andere Akzente gesetzt. Die konkrete Akzentuierung sei erst in den letzten Jahren erfolgt.

Das SG hat mit Beschluss vom 25.11.2011 die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 30.09.2011 gegen den Bescheid vom 29.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2011 insoweit angeordnet, als ein Nachforderungsbetrag iHv 6.718,03 EUR betreffend Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung für Herrn R. H. festgesetzt worden war und die Antragsgegnerin verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin sowie die gerichtlichen Kosten für das Antragsverfahren zu tragen. Die Beschäftigung sog Werkstudenten sei nur versicherungsfrei, wenn und solange sie "neben" dem Studium ausgeübt werde, ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet sei, mithin das Studium die Hauptsache, die Beschäftigung die Nebensache sei. Im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.04.2007 bis zum 31.12.2009 habe Herr H., wenn er seiner Beschäftigung bei der Antragstellerin nachgegangen sei, zwischen zwei und maximal fünf Tage in der Woche gearbeitet. In Vorlesungszeiten sei er etwa zweimal pro Woche bei der Antragstellerin tätig gewesen, habe sich in Zeiten der Prüfungsvorbereitung regelmäßig Auszeiten von drei bis vier Wochen genommen und habe lediglich in vorlesungs- und prüfungsfreien Zeiten bis zu fünf Tage in der Woche gearbeitet. Ferner habe Herr H. während des streitgegenständlichen Zeitraums fortlaufend an Vorlesungen teilgenommen und Prüfungen abgelegt. Schließlich habe Herr H. das Studium zwischenzeitlich am 31.05.2011 erfolgreich abgeschlossen. All dies begründe für die Kammer ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Annahme der Antragsgegnerin, Herr H. sei ab dem 01.04.2007 nicht mehr als ordentlich Studierender anzusehen. Nach summarischer Prüfung scheine Herr H. vordergründig und ernsthaft sein Studium mit dem Ziel des Abschlusses betrieben zu haben.

Gegen den ihr am 29.11.2011 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 19.12.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Beschwerde eingelegt. Aus einer E-Mail des Prüfungsamts der Universität S. gehe hervor, dass die Regelstudienzeit für den Studiengang Informatik-Diplom neun Fachsemester betrage. Bei einer fast dreifachen Überschreitung der Regelstudienzeit könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass sich allein aufgrund der Studien- und weiteren Umfeldbedingungen das Studium hinauszögere, obwohl konsequent und inhaltlich konsistent der Abschluss angestrebt werde. Hierdurch werde nicht der Status als Student und sein Wille zum Abschluss des Studiums an sich angezweifelt, sondern ausschließlich der Umstand, dass der Student tatsächlich seine Zeit und Arbeitskraft überwiegend dem Studium widme. Hieran ändere auch der Besuch von Vorlesungen und die Teilnahme an Prüfungen nichts. Im Rahmen einer Gesamtbeurteilung des Einzelfalls sei auch unter Einbeziehung der Studiendauer letztlich zu entscheiden, ob das Studium oder die Arbeit im Vordergrund gestanden habe. Nach den vorliegenden Lohnkonten habe Herr H. in dem streitgegenständlichen Zeitraum in jedem Kalendermonat gearbeitet. Das laufende Arbeitsentgelt sei im Wesentlichen stets in gleichbleibender Höhe gezahlt worden, so dass davon ausgegangen werden könne, dass er jeden Monat die gleiche Arbeitsleistung erbracht habe. Dies und die Länge des Studiums sprächen dafür, dass das Studium nicht im Vordergrund gestanden habe.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.11.2011 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat ua vorgetragen, auch wenn Herr H. während des Prüfungszeitraums gearbeitet habe, ändere sich nichts daran, dass das Studium im Vordergrund gestanden habe. Er habe sich die Arbeitszeit frei einteilen können. Er habe im Verlauf des Studiums verschiedene Schwerpunkte gesetzt, was Ursache für die Dauer seines Studiums sei. Er habe auch im streitgegenständlichen Zeitraum intensiv und zielorientiert studiert und so den Abschluss gemacht. Die Studiendauer möge als Orientierungsgröße helfen, wenn sich kein Ende des Studiums abzeichne. Vorliegend sei das Studium aber erfolgreich beendet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist statthaft, zulässig und begründet.

Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG in der seit 11.08.2010 geltenden Fassung des Art 6 Drittes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05.08.2010 (BGBl I S 1127) ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung nicht unzulässig, da sich die Antragstellerin gegen die Festsetzung von Beiträgen zur Gesetzlichen Kranken- (KV) und sozialen Pflegeversicherung (PV) sowie zur Gesetzlichen und Arbeitslosenversicherung durch die Antragsgegnerin in Höhe von 6.718,03 EUR wendet (Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.09.2011).

Die Beschwerde ist begründet. Das SG hat dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Unrecht stattgegeben.

Widerspruch und Anfechtungsklage (hier Klage vom 30.09.2011 - S 22 R 5662/11) haben nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach Abs 1 des mit Wirkung vom 02.01.2002 durch Art 1 Nr 35 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.08.2001 (BGBl I S 2144) eingefügten § 86a SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs 2 Nr 1 SGG entfällt jedoch - wie vorliegend - die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache aber auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage aufgrund von § 86b Abs 1 Nr 2 SGG anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (so auch Beschluss des Senats vom 06.05.2010, L 11 R 1806/10 ER-B). Dabei sind auch stets die Maßstäbe des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen. Demgemäß hat eine Aussetzung der Vollziehung zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei Beitragsstreitigkeiten ernstliche Zweifel in Sinne des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG nur dann vorliegen, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl auch Beschluss des Senats vom 28.06.2010, L 11 R 1903/10 ER-B, nv). Andernfalls wäre in Beitragsangelegenheiten angesichts der vielfach in vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch ungeklärten Verhältnisse eine Aussetzung der Vollziehung häufig nicht durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger beeinträchtigen könnte (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.07.2004, L 5 B 2/04 KR ER mwN, juris). Insoweit müssen erhebliche Gründe für ein Obsiegen in der Hauptsache sprechen, damit die in § 86a Abs 2 Nr 1 SGG vorgenommene gesetzliche Risikoverteilung geändert werden kann. Nach dem gegenwärtigen Stand ist es aber für den Senat nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klage Erfolg haben wird. Auch Studenten unterliegen, wenn sie einer mehr als geringfügigen Beschäftigung nachgehen, im Grundsatz der für abhängig Beschäftigte angeordneten Versicherungspflicht (vgl § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI). Nach § 6 Abs 1 Nr 3 SGB V sind Studenten jedoch krankenversicherungsfrei, wenn sie während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (sog Werkstudentenprivileg). Entsprechendes gilt für die Soziale Pflegeversicherung (§ 20 Abs 1 Satz 1 SGB XI) und das Recht der Arbeitsförderung (§ 27 Abs 4 SGB III). Nach diesen Vorschriften besteht Versicherungsfreiheit nur dann und solange eine an sich versicherungspflichtige Beschäftigung während einer Zeit ausgeübt wird, während der der Studierende als ordentlich Studierender an einer Hochschule eingeschrieben ist. Insoweit verlangt die Versicherungsfreiheit neben dem förmlichen Status des ordentlichen Studierenden, dass das Studium Zeit und Arbeitskraft des Studenten überwiegend in Anspruch nimmt und er damit trotz Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung seinem Erscheinungsbild nach Student bleibt. Die Beschäftigung ist demgemäß nur versicherungsfrei, wenn und solange sie neben dem Studium ausgeübt wird, ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet ist, mithin das Studium die Hauptsache, die Beschäftigung die Nebensache ist (vgl BSG, 11.11.2003, B 12 KR 24/03 R, SozR 4-2500 § 6 Nr 3; LSG Baden-Württemberg, 12.07.2006, L 2 KR 16/05, juris).

Soll das Studium trotz einer gleichzeitig ausgeübten Tätigkeit als Arbeitnehmer seine das Erscheinungsbild prägende Bedeutung behalten (vgl BSG, 11.11.2003, B 12 KR 24/03 R, SozR 4-2500 § 6 Nr 3), muss es nicht nur bei der Verteilung der jeweiligen Arbeitszeiten der bestimmende Faktor sein. Es muss darüber hinaus auch seinem Umfang nach ein solches Gewicht haben, dass es im Verhältnis zur Erwerbstätigkeit nicht zur "Nebensache" wird. Dabei kommt es nicht darauf an, wie sehr der einzelne Student tatsächlich durch sein Studium zeitlich belastet wird (BSG aaO). Maßgebend können vielmehr nur die objektiven Anforderungen eines ordnungsgemäßen Studiums sein, wie sie sich aus Studienordnungen uä, ggf in Verbindung mit der Lebenserfahrung, ergeben (BSG aaO). Nur wenn der für das jeweilige Studiensemester objektiv nachprüfbare Arbeitsaufwand (Zahl und Dauer der Lehrveranstaltungen, notwendige Vorbereitungszeiten) die zeitliche Belastung durch die Erwerbstätigkeit übersteigt, kann das Studium noch das Erscheinungsbild bestimmen (BSG aaO). Von wesentlicher Bedeutung ist dabei, ob der Werkstudent die Möglichkeit hat, nicht nur über die Verteilung der Beschäftigungszeit, sondern auch über ihre Gesamtdauer frei zu entscheiden, oder aber, wenn darüber feste Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber getroffen worden sind, ob diese sich an den Lehrveranstaltungen orientieren, an denen der Student teilnimmt oder teilnehmen sollte (BSG aaO). Ob dabei die Gesamtbelastung durch das Studium und die Erwerbstätigkeit sich noch im Rahmen der für Arbeitnehmer üblichen regelmäßigen Wochenarbeitszeit oder innerhalb einer anderweitig zu bestimmenden Zumutbarkeitsgrenze hält, ist für die Frage der Versicherungspflicht der Erwerbstätigkeit nicht entscheidend (BSG aaO mwN).

Insoweit ist vorliegend von Bedeutung, dass Herr H. seine Arbeitszeit - nach den derzeitigen Einlassungen der Antragstellerin - zwar frei einteilen konnte. Doch ist auch zu berücksichtigen, dass er über ein festes Grundgehalt und Leistungsbezüge (vgl Widerspruchsbegründung vom 21.06.2011) verfügte, was eher gegen eine freie Verteilung der Beschäftigungszeit, und ihrer Gesamtdauer sprechen dürfte. Herr H. hat zwar im streitigen Zeitraum Vorlesungen besucht und Prüfungen abgelegt, doch hat die Antragstellerin selbst vorgetragen, dass sich mit der zunehmenden Semesterzahl und abgelegten Prüfungsleistungen die noch abzulegenden Prüfungen auf einige ausgewählte Vorlesungen reduziert hätten, die in den jeweiligen Semestern nicht immer angeboten worden seien. Auch wenn der Kläger insoweit die Zwischenzeit mit anderen Kursen - nach Angaben der Antragstellerin "sinnvoll" - genutzt haben sollte, dürfte dies gegen ein planmäßiges, auf Absolvierung der Prüfung bzw Ablegung des Diploms zielendes Studieren hindeuten. Auch war ua vorgetragen worden, der "relativ entfernte Wohnort" (Wohnort: E. (vgl den Bescheid der Universität S. vom 01.07.2010 in der Anlage des Schreibens der Antragstellerin vom 20.07.2010), Studienort: S. - Entfernung ca 55 km) habe - neben anderen Faktoren - die Dauer des Studiums beeinflusst. Weshalb Herrn H. dann aber eine regelmäßige Tätigkeit für die ca 60 km entfernte Antragstellerin (in F. - Sch. Park) ausüben konnte, erscheint fraglich. Auch erscheint der Vortrag, der stetige Wandel des Studieninhalts im Fach Informatik habe die Dauer des Studiums bedingt, wenig nachvollziehbar, denn - auch wenn es sich um ein Universitätsstudium handelte - der Studieninhalt war - auch unter Berücksichtigung des technologischen Wandels - auf eine Regelstudienzeit von neun Semestern angelegt. Dass Herr H. mittlerweile, also mehrere Jahre nach Ende des zur Beurteilung stehenden Zeitraumes, sein Studium erfolgreich abgeschlossen hat, lässt nicht zwingende Rückschlüsse auf die Beurteilung der Verhältnisse während der streitigen Zeit zu. Denn insoweit ist für den streitigen Zeitraum eine vorausschauende Betrachtungsweise (Peters in Kasseler Kommentar, § 6 SGB V Rdnr 41) anzustellen, also eine Betrachtungsweise zugrunde zu legen, die ausgehend von den damaligen Verhältnissen eine Beurteilung der Versicherungsfreiheit vornimmt. Verbleiben dann Zweifel, die auch durch eine Amtsermittlung nicht beseitigt werden können, gilt die Regel, dass eine Beschäftigung nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI, § 25 SGB III versicherungspflichtig ist (LSG Nordrhein-Westfalen, 12.11.2002, L 5 KR 117/01, juris; Peters aaO). Vor diesem Hintergrund verbleiben erhebliche Zweifel, sodass es dem Senat daher nicht überwiegend wahrscheinlich erscheint, dass die Klage Erfolg haben wird.

Um in der Hauptsache entscheiden zu können, wird das SG Herrn H. anhören, diesen zum Verfahren beiladen müssen (§ 75 Abs 2 SGG; Peters in Kasseler Kommentar, § 6 SGB V Rdnr 42) und sich des Weiteren zu überlegen haben, ob sich weitere Umstände, die zur Aufklärung beitragen können, ermitteln lassen.

Damit war der Beschluss des SG vom 25.11.2011 aufzuheben und der Antrag der Antragstellerin abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 197a Abs 1 SGG i. V. m. § 154 Abs 1 VwGO.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird nach § 197a SGG i. V. m. §§ 63 Abs 1, 52 Abs 1 und 2 GKG auf die Hälfte der streitigen Beitragsnachforderung und der Nebenkosten - vorliegend also ½ aus 6.718,03 EUR, mithin 3.359,02 EUR - festgesetzt. Gleichzeitig wird die Streitwertfestsetzung erster Instanz (bisher: 5.000,00 EUR) von Amts wegen geändert (§ 63 Abs 3 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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