L 6 SB 939/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 574/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 939/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig.

Das Landratsamt L. hatte unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 01.11.2004, in der als Behinderungen degenerative Veränderungen und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20), ein mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbarer Diabetes mellitus (Einzel-GdB 20), ein Bluthochdruck (Einzel-GdB 10), eine Polyneuropathie (Einzel-GdB 10), ein Bronchialasthma (Einzel-GdB 10), eine Refluxkrankheit der Speiseröhre (Einzel-GdB 10) sowie eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Einzel-GdB 10) berücksichtigt und der Gesamt-GdB mit 40 bewertet worden war/en, mit Bescheid vom 13.01.2005 den GdB des am 20.02.1947 geborenen Klägers mit 40 seit 18.05.2004 festgestellt. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.02.2005).

Der Kläger, der zum 31.12.2008 sein Arbeitsverhältnis kündigte, beantragte am 14.08.2008 die Neufeststellung des GdB. Er legte die Magnetresonanztomographie-Befunde des Radiologen Dr. Sch. vom 20.09.2007 (Lendenwirbelsäule), 29.10.2007 (Halswirbelsäule) und 30.10.2007 (Brustwirbelsäule), das Attest des Allgemeinmediziners Dr. M.-L. vom 21.01.2008 (der Kläger sei für eine Schichtarbeit nicht geeignet) sowie die Arztbriefe des Internisten Dr. K. vom 07.03.2008 (zur Zeit kein sicherer Hinweis für eine entzündlich rheumatische Erkrankung) und des Orthopäden Dr. Sch. vom 09.06.2008 (chronisch rezidivierendes Wurzelreizsyndrom zervikal und lumbal, degeneratives Wirbelsäulensyndrom) vor. Dr. H. hielt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29.10.2008 an der bisherigen GdB-Beurteilung fest. Mit Bescheid vom 14.11.2008 lehnte das Landratsamt den Antrag des Klägers ab. Eine Fibromyalgie sei nicht nachgewiesen.

Hiergegen legte der Kläger am 03.12.2008 Widerspruch ein. Das Landratsamt holte den Befundbericht des Dr. M.-L. vom 08.12.2008 ein. Er führte darin aus, der Kläger sei auf Grund erheblicher Schmerzen im Bereich der Schulter, der Ellenbogen- und Fingergelenke sowie durch die degenerativen Veränderungen in der Halswirbelsäule mit Sensibilitätsstörungen in seinem Leistungsvermögen erheblich eingeschränkt. Durch die ausgeprägte Gonarthrose könne er sich kaum normal bewegen. Ferner sei eine Polyneuropathie diagnostiziert worden. Dr. M.-T. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.01.2009 als zusätzliche Behinderungen eine Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke (Einzel-GdB 10) sowie eine Funktionsbehinderung beider Schulter- und Ellenbogengelenke und eine Gebrauchseinschränkung beider Hände (Einzel-GdB 10) und beurteilte den Gesamt-GdB weiterhin mit 40. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2009 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch unter Anerkennung weiterer Funktionseinschränkungen zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 20.02.2009 Klage beim Sozialgericht Heilbronn erhoben.

Das Sozialgericht hat von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden Dr. R. vom 11.06.2009 eingeholt. Der Sachverständige hat die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule mit wiederkehrenden belastungsabhängigen Schmerz- und Reizzuständen mit einem Einzel-GdB von 20, die Funktionsbeeinträchtigung der oberen Extremitäten unter Einbeziehung der Schultergelenke und der Hände (intakte Daumen- und Langfingerfunktion) mit einem Einzel-GdB von 10, die Hüftabnutzungserscheinungen mit einem Einzel-GdB von 10 sowie die degenerativen Verschleißveränderungen der Kniegelenke und den Innenmeniskusschaden links bei flüssigem und sicheren Gang mit einem Einzel-GdB von 10 eingeschätzt, ausgeführt, der Fersensporn und die Achillessehnenansatzverkalkung bedingten keinen eigenständigen GdB, und den Gesamt-GdB mit 40 beurteilt. Die Polyneuropathie sei allein diabetogen und nicht durch eine Nervenwurzelreizerscheinung bedingt, wobei die muskuläre Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt sei und neurologische Ausfallerscheinungen nicht vorlägen.

Sodann hat das Sozialgericht auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Dr. M., Chefarzt an der Abteilung Innere Medizin/Rheumatologie der Federseeklinik Bad B., vom 18.05.2010 eingeholt. Der Sachverständige hat einen unauffälligen Allgemein- und normalen Körperzustand des 63-jährigen beschrieben, der nicht depressiv, sondern sehr redselig gewirkt habe. Er hat die Zuckererkrankung zusammen mit der Polyneuropathie mit einem Einzel-GdB von 20, das Bronchialasthma mit einem Einzel-GdB von 10 und die Refluxkrankheit mit einem Einzel-GdB von 10 beurteilt. Er hat ferner ausgeführt, die Verschleißerscheinungen und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie die Funktionsbehinderung der Kniegelenke müssten im Kontext der gesamten Verschleißerscheinungen gesehen werden. Die massive Fingerpolyarthrose und der Morbus Ledderhose mit der vorwiegenden Funktionsbeeinträchtigung der Hände und letztlich die generalisierte Schmerzerkrankung im Sinne der Fibromyalgie seien bislang nicht berücksichtigt worden. Zwar bewege sich das Ausmaß der chronischen Schmerzerkrankung beim Kläger im mittelschweren Bereich und sei eine vollständige Behandlungsresistenz nicht zu attestieren. Lege man aber den Analogieschluss zu den entzündlich rheumatischen Erkrankungen, für deren Bewertung es auf die funktionellen Auswirkungen ankomme, zu Grunde, sei vorliegend von mittelgradigen Auswirkungen und "eigentlich" einem Einzel-GdB von 50 auszugehen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine adäquate Schmerztherapie jedoch nicht umgesetzt werde, könne man eine schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität nicht in allen Bereichen attestieren, so dass der Einzel-GdB für die chronische Schmerzerkrankung unter Berücksichtigung der Verschleißerscheinungen mit 40 einzuschätzen sei. Der Gesamt-GdB betrage 50.

Hierzu hat Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.09.2010 dargelegt, Dr. M. habe ausgeführt, weder im Bereich der Hände noch der Füße ließen sich so ausgeprägte Funktionseinschränkungen feststellen, als dass hieraus eine den Gesamt-GdB beeinflussende Funktionseinschränkung abzuleiten wäre. Im Übrigen habe Dr. R. den Gang des Klägers mit bloßen Füßen auf ebener Erde als flüssig und sicher sowie die Daumen- und Langfingerfunktionen als intakt beschrieben. Ferner lasse sich unabhängig von der von Dr. M. vorgenommenen Diagnose einer Fibromyalgie das Ausmaß von bestehenden Schmerzen objektiv nicht messen. Dr. M. habe offenbar nur die subjektiv vorgetragenen Beschwerden berücksichtigt, was insbesondere im Hinblick auf die von ihm eingeräumte Aggravationstendenz doch bedenklich erscheine. Ein sich auf den Gesamt-GdB auswirkender Einzel-GdB von mindestens 30 für das Schmerzsyndrom bei Fibromyalgie ergäbe sich erst, wenn Schmerzen in einem solchen Ausmaß bestünden, dass sie zu einer stärker behindernden seelischen Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit führen würden. Nach dem Gutachten des Dr. M. liege aber keine Depressivität vor, so dass stärker behindernde Auswirkungen bestehender Schmerzen offenbar nicht bestünden. Insgesamt verbleibe es daher bei einem Gesamt-GdB von 40.

Der Kläger hat die sozialmedizinische Stellungnahme der Arbeitsmedizinerin Dr. Ö. vom 22.12.2008, wonach er bei gravierenden Abnutzungen an vielen Stellen seines Körpers nur noch für leichte Tätigkeiten vollschichtig leistungsfähig sei, vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 25.01.2011 hat das Sozialgericht die Klage nach vorangegangener Anhörung abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, das Wirbelsäulenleiden sei mit einem Einzel-GdB von 20 und die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Hüft- und Kniegelenke seien jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 zu beurteilen. Im Bereich der Arme und Hände bestehe kein höherer Einzel-GdB als 10. Unter weiterer Berücksichtigung der Einzel-GdB-Werte von 20 für die Zuckererkrankung und jeweils 10 für den Bluthochdruck, die Polyneuropathie, das Bronchialasthma und die Refluxkrankheit sei der Gesamt-GdB mit 40 zu beurteilen. Der GdB-Einschätzung des Dr. M. sei nicht zu folgen. Insoweit hat sich das Sozialgericht auf die versorgungsärztliche Beurteilung von Dr. W. gestützt.

Gegen den am 02.02.2011 zugestellten Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hat der Kläger am 25.02.2011 Berufung beim Sozialgericht eingelegt. Er führt aus, nach dem Gutachten des erfahrenen Chefarztes Dr. M. sei von extremen Beeinträchtigungen im Alltagsleben auszugehen. Ein Wohlfühlen finde generell nicht mehr statt. Wegen der geringen Überlappung der internistischen Erkrankungen einerseits und der Erkrankungen des Bewegungsapparates andererseits müsse der Gesamt-GdB mit 50 eingeschätzt werden. Im Übrigen könne man auch unter Berücksichtigung der Einschätzung der Dr. Ö. den Einzel-GdB für das Wirbelsäulensyndrom mit 30 ansetzen. Auch seien die Funktionsbehinderungen beider Schulter- und Ellenbogengelenke sowie die Gebrauchseinschränkung beider Hände zu gering bewertet worden. Ferner wirke sich die Fibromyalgie GdB-erhöhend aus.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. Januar 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 14. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 13. Januar 2005 den Grad der Behinderung mit mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt aus, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Erkenntnisse, die geeignet wären, die Schwerbehinderteneigenschaft zuzuerkennen. Nach dem Gutachten des Dr. R. sei im Bereich der Wirbelsäule von einer leicht- bis mittelgradigen, wenn auch schmerzakzentuierten, Störung auszugehen. Seitens der Schulter-, Hüft- und Kniegelenke liege keine Funktionsbeeinträchtigung vor. Dasselbe gelte für die Ellenbogengelenke und die Hände. Im Übrigen sei der mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbare Diabetes mellitus nur noch mit einem Einzel-GdB von 10 zu beurteilen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 2 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.

Auch zur Überzeugung des Senats hat der Beklagte zu Recht mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 14.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2009 eine Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2005 und damit eine Neufeststellung des GdB abgelehnt.

Rechtsgrundlage für eine Aufhebung von Verwaltungsakten wegen einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Eine wesentliche Änderung im Ausmaß der Behinderung liegt nur vor, wenn eine dauerhafte Änderung des Gesundheitszustands zu einer Änderung des GdB um wenigstens 10 führt.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden.

Ausgehend hiervon beträgt der Einzel-GdB für das Funktionssystem Rumpf 20.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ist bei Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität ein GdB von 0, mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein GdB von 30 bis 40 festzustellen.

Beim Kläger liegen aber weder solche schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt noch mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor. Der Senat stützt sich dabei auf das Gutachten des Dr. R ... Im Bereich der Halswirbelsäule hat danach eine endgradige, funktionell nicht bedeutende Einschränkung im Bereich der Seitneigungen und -drehungen bei Bewegungsmaßen insgesamt bei der Kopfvor- und rückneigung von 20/0/30 Grad (Normalmaß 45-70/0/35-45 Grad), bei der Seitdrehung von 70/0/70 Grad (Normalmaß 60-80/0/60-80 Grad) und bei der Seitneigung von 15/0/15 Grad (Normalmaß 45/0/45 Grad) vorgelegen. Die Rumpfwirbelsäule hat eine endgradig, funktionell nicht bedeutend eingeschränkte Entfaltbarkeit mit Bewegungsmaßen nach Ott von 30/31 cm (Normalmaß 30/32 cm) und nach Schober von 10/15 cm (Normalmaß 10/15 cm), eine endgradige Einschränkung der Reklination und eine Seitwärtsdrehung im Sitzen von 30/0/30 Grad (Normalmaß 30-40/0/30-40 Grad) gezeigt. Angesichts dieser Bewegungsmaße handelt es sich um mittelgradige Einschränkungen im Bereich der Halswirbelsäule und um geringgradige Einschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Der von Dr. R. hierfür beurteilte Einzel-GdB von 20 ist mithin zutreffend.

Für das Funktionssystem Arme beträgt der Einzel-GdB 0. Denn Dr. R. hat in seinem Gutachten für die Schulter- und Ellenbogengelenke, Unterarme sowie Hand- und Fingergelenke eine hier allein maßgebende freie Beweglichkeit attestiert. Insofern kann auch den Senat die durch keine Funktionseinschränkung belegte abweichende Einschätzung von Dr. M. nicht überzeugen, worauf Dr. W. zutreffend hingewiesen hat.

Für das Funktionssystem Beine ist ein Einzel-GdB von 10 anzusetzen.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 beträgt bei einer einseitigen Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis 0/0/90 Grad) der GdB 0 bis 10, mittleren Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung 0/10/90 Grad) der GdB 20 und stärkeren Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung 0/30/90 Grad) der GdB 30 sowie beträgt bei einseitigen ausgeprägten Knorpelschäden der Kniegelenke (zum Beispiel Chondromalacia patellae Stadium II – IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen ohne Bewegungseinschränkung der GdB 10 bis 30 und mit Bewegungseinschränkung der GdB 20 bis 40. Vorliegend hat Dr. R. bei der seinem Gutachten zugrunde liegenden Untersuchung in den Kniegelenken weder eine Funktionsbehinderung mittleren Grades noch anhaltende Reizerscheinungen ausgemacht, so dass diesbezüglich kein höherer GdB als 10 zu vergeben ist. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 beträgt bei Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades (beispielsweise Streckung/Beugung bis zu 0/10/90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB 10 bis 20, beidseitig der GdB 20 bis 30, mittleren Grades (beispielsweise Streckung/Beugung bis zu 0/30/90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB 30, beidseitig der GdB 50 und stärkeren Grades einseitig der GdB 40 sowie beidseitig der GdB 60 bis 100. Nach dem Gutachten des Dr. R. liegen im Bereich der Hüfte lediglich Abnützungserscheinungen und eine leichtgradige Bewegungseinschränkung bei der Auswärts-/Einwärtsdrehung bei 90 Grad gebeugtem Hüftgelenk vor. Auch hieraus resultiert allenfalls ein GdB von 10. Daher beträgt, auch vor dem Hintergrund, dass im Bereich der Füße keine GdB-relevanten Einschränkungen vorliegen, der Einzel-GdB für das Funktionssystem Beine 10.

Für das Funktionssystem innere Sekretion und Stoffwechsel ist der Einzel-GdB nicht höher als mit 20 anzusetzen.

Nach den VG (in der Fassung ab 14.07.2010), Teil B, Nr. 15.1 beträgt für die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, und die auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung erleiden, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt, der GdB 0, für die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, und die durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung erleiden, der GdB 20, für die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, und je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung erleiden, der GdB 30 bis 40 sowie für die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, und auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung erleiden, wobei die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) dokumentiert sein müssen, der GdB 50. Dabei können außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen jeweils höhere GdB-Werte bedingen.

Vorliegend ist die Zuckererkrankung des Klägers mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar. Dies ergibt sich aus seinen gegenüber Dr. M. gemachten Angaben. Auch hat Dr. M.-L. keine andere Medikation der Zuckererkrankung dargelegt. Mithin beträgt hierfür der Einzel-GdB jedenfalls nicht mehr als 20. Denn ein höherer GdB erfordert nach den VG Teil B Nr. 15.1 in der Fassung ab 01.01.2009 eine Insulintherapie beziehungsweise in der Fassung ab 14.04.2010 eine therapieaufwandsbedingte stärkerer Teilhabebeeinträchtigung. Beides ist vorliegend aber nicht gegeben.

Für die beim Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche zu berücksichtigende von Dr. M. als Fibromyalgie umschriebene Schmerzerkrankung samt Polyneuropathie ist der Einzel-GdB mit 20 festzustellen.

Denn nach den VG Teil B Nr. 18.4 sind die Fibromyalgie und ähnliche Somatisierungs-Syndrome (beispielsweise CFS/MCS) jeweils im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen. Da vorliegend die funktionellen Auswirkungen der von Dr. M. als Fibromyalgie bezeichneten Schmerzerkrankung samt Polyneuropathie gering sind, wendet der Senat, der schlüssigen und überzeugenden versorgungsärztlichen Beurteilung von Dr. W. folgend, zur Beurteilung dieser Schmerzerkrankung die für seelische Erkrankungen aufgestellten Grundsätze an. Eine Analogie zu den Bewertungsmaßstäben entzündlich rheumatischer Erkrankungen kommt indes nicht in Betracht, zumal eine solche Erkrankung auch von Dr. M. ausdrücklich verneint worden ist. Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 beträgt bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB 0 bis 20, stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (beispielsweise ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB 30 bis 40, schweren Störungen (beispielsweise schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 50 bis 70 sowie mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 80 bis 100.

Vorliegend liegen beim Kläger noch keine stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor. Dies schließt der Senat daraus, dass beim Kläger keine schmerztherapeutische Behandlung durchgeführt wird und auch von Dr. M. keine Depression oder darauf hindeutende Symptome festgestellt worden ist/sind. Daher überzeugen auch die Ausführungen des Dr. M., der einen höheren Einzel- und Gesamt-GdB annimmt, nicht. Seine Ausführungen zur Bewertung von Schmerzerkrankungen sind eher, abgehoben vom vorliegend zu beurteilenden Fall, theoretischer Natur. Im Übrigen hat auch Dr. M. dargelegt, dass beim Kläger keine wesentliche depressive Symptomatik vorliegt.

Ferner liegen beim Kläger Einzel-GdB-Werte von jeweils 10 für das Bronchialasthma, den Bluthochdruck und die Refluxerkrankung vor. Wesentliche einen höheren GdB-Wert bedingende, aus diesen Erkrankungen herrührende Funktionseinschränkungen sind nicht festzustellen.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB 20 für das Funktionssystem Rumpf, Einzel-GdB nicht mehr als 20 für das Funktionssystem innere Sekretion und Stoffwechsel, Einzel-GdB 20 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche, Einzel-GdB 10 für das Funktionssystem Beine, Einzel-GdB-Werte von jeweils 10 für das Bronchialasthma, den Bluthochdruck und die Refluxerkrankung) beträgt der Gesamt-GdB nicht mehr als 40. Wegen der teilweisen Überschneidung der Auswirkungen der Behinderungen auf orthopädischem, internistischem und psychiatrischem Fachgebiet hat der Senat die weiteren Teil-GdB-Werte für die Funktionssysteme innere Sekretion und Stoffwechsel sowie Gehirn einschließlich Psyche bei der Bemessung des Ausmaßes der Behinderung dahingehend berücksichtigt, dass wegen dieser weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem GdB von 20 für das Funktionssystem Rumpf weitere 20 GdB-Punkte hinzuzufügen sind. Eine weitere Erhöhung wegen der übrigen Einzel-GdB-Werte von 10 kommt nicht in Betracht.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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