Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 2721/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1013/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 10. Februar 2011 aufgehoben und der Antragstellerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H. für das Klageverfahren S 3 AS 2721/10 ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde ist statthaft, da ein Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 SGG nicht einschlägig ist, auch im Übrigen zulässig und begründet. Das Sozialgericht Konstanz (SG) hat zu Unrecht für die Klage eine hinreichende Erfolgsaussicht verneint und die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in Juris; Bundessozialgericht, [BSG] Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, veröffentlicht auch in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden. Der Beklagte hat mit Bescheiden vom 5. August 2010 die mit Bescheid vom 6. Februar 2009 verfügte vorläufige Bewilligung endgültig festgesetzt und Erstattung von 1353, 60 EUR verlangt, obwohl der Bescheid vom 6. Februar 2009 nicht mehr existierte, da dieser bereits mit Bescheid vom 27. April 2009 aufgehoben worden ist. Rechtsgrundlage der vorläufigen Leistungen war der Änderungsbescheid vom 27. April 2009, dessen Regelung nicht ausdrücklich geändert worden ist. Ob entgegen dem Wortlaut eine Auslegung dahingehend vorgenommen werden kann, dass konkludent die vorläufige Bewilligung im Bescheid vom 27. April 2009 endgültig festgesetzt worden ist, erscheint zumindest fraglich. Darüber hinaus erscheint dem Senat die Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit, die Ermittlung des Gewinns (vgl. nur Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage, § 11 SGB II Rdnr. 73 ff.), derart komplex, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht kaum verneint werden kann. Eine eigenständige und nachvollziehbare Berechnung durch das SG ist nicht vorgenommen worden; der Verweis auf die Berechnung der Beklagten und der Hinweis darauf, dass der Steuerbescheid höhere Einkünfte ausweist, reicht nicht um eine hinreichende Erfolgsaussicht verneinen zu können, zumal ein negatives zu versteuerndes Einkommen ausgewiesen ist. Schließlich ist durch das SG aufzuklären, ob bei der Berechnung des Einkommens separate Kosten für ein "Arbeitszimmer" berücksichtigt werden können. In diesem Zusammenhang ist auch die Rechtsfrage zu klären, ob bei der Gewinnermittlung Kosten für das geltend gemachte Arbeitszimmer deshalb nicht von den Einnahmen abgezogen werden können, weil vom ehemaligen Träger der Kosten der Unterkunft die gesamten Kosten übernommen worden seien (so die telefonische Auskunft, Blatt 316 Rückseite der Verwaltungsakten). Die Klägerin hat zudem mit Schriftsatz vom 7. Februar 2011 geltend gemacht hat, dass die vom Landratsamt überwiesenen Kosten der Unterkunft nicht die Kosten für das Arbeitszimmer abdecken würden. Der Vortrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren, sie müsse für das Arbeitszimmer weitere 80 EUR durch Übernahme von Kosten zahlen, bedarf hierbei der Berücksichtigung. So dürfte diesbezüglich die Verwaltungsakten über die Kosten der Unterkunft beizuziehen und die Mutter der Beschwerdeführerin zu vernehmen sein.
Hinzuweisen ist noch darauf, dass der Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2010 nur über den Widerspruch vom 9. August 2010 gegen den Bescheid vom 5. August 2010 (Blatt 292 der Verwaltungsakten) entschieden hat und über den Widerspruch vom 19. August 2010 gegen den Bescheid vom 5. August 2010 (Blatt 286 der Verwaltungsakten) noch nicht entschieden worden ist. Es wird zu klären sein, welche materiellen bzw. prozessualen Folgen -die entsprechende Klageerweiterung durch den Schriftsatz vom 7. Februar 2011 dürfte mangels abgeschlossenen Vorverfahrens (§ 78 SGG) jedenfalls derzeit nicht sachdienlich sein (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 99 SGG Rdnr. 10a )- hieraus zu ziehen sind.
Nach alledem ist eine hinreichende Erfolgsaussicht gegeben. Die Rechtsverfolgung erscheint auch nicht mutwillig; eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist erforderlich. Die Antragstellerin ist auch bedürftig im Sinne der Vorschriften der PKH, weshalb PKH zu bewilligen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde ist statthaft, da ein Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 SGG nicht einschlägig ist, auch im Übrigen zulässig und begründet. Das Sozialgericht Konstanz (SG) hat zu Unrecht für die Klage eine hinreichende Erfolgsaussicht verneint und die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in Juris; Bundessozialgericht, [BSG] Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, veröffentlicht auch in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden. Der Beklagte hat mit Bescheiden vom 5. August 2010 die mit Bescheid vom 6. Februar 2009 verfügte vorläufige Bewilligung endgültig festgesetzt und Erstattung von 1353, 60 EUR verlangt, obwohl der Bescheid vom 6. Februar 2009 nicht mehr existierte, da dieser bereits mit Bescheid vom 27. April 2009 aufgehoben worden ist. Rechtsgrundlage der vorläufigen Leistungen war der Änderungsbescheid vom 27. April 2009, dessen Regelung nicht ausdrücklich geändert worden ist. Ob entgegen dem Wortlaut eine Auslegung dahingehend vorgenommen werden kann, dass konkludent die vorläufige Bewilligung im Bescheid vom 27. April 2009 endgültig festgesetzt worden ist, erscheint zumindest fraglich. Darüber hinaus erscheint dem Senat die Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit, die Ermittlung des Gewinns (vgl. nur Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage, § 11 SGB II Rdnr. 73 ff.), derart komplex, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht kaum verneint werden kann. Eine eigenständige und nachvollziehbare Berechnung durch das SG ist nicht vorgenommen worden; der Verweis auf die Berechnung der Beklagten und der Hinweis darauf, dass der Steuerbescheid höhere Einkünfte ausweist, reicht nicht um eine hinreichende Erfolgsaussicht verneinen zu können, zumal ein negatives zu versteuerndes Einkommen ausgewiesen ist. Schließlich ist durch das SG aufzuklären, ob bei der Berechnung des Einkommens separate Kosten für ein "Arbeitszimmer" berücksichtigt werden können. In diesem Zusammenhang ist auch die Rechtsfrage zu klären, ob bei der Gewinnermittlung Kosten für das geltend gemachte Arbeitszimmer deshalb nicht von den Einnahmen abgezogen werden können, weil vom ehemaligen Träger der Kosten der Unterkunft die gesamten Kosten übernommen worden seien (so die telefonische Auskunft, Blatt 316 Rückseite der Verwaltungsakten). Die Klägerin hat zudem mit Schriftsatz vom 7. Februar 2011 geltend gemacht hat, dass die vom Landratsamt überwiesenen Kosten der Unterkunft nicht die Kosten für das Arbeitszimmer abdecken würden. Der Vortrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren, sie müsse für das Arbeitszimmer weitere 80 EUR durch Übernahme von Kosten zahlen, bedarf hierbei der Berücksichtigung. So dürfte diesbezüglich die Verwaltungsakten über die Kosten der Unterkunft beizuziehen und die Mutter der Beschwerdeführerin zu vernehmen sein.
Hinzuweisen ist noch darauf, dass der Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2010 nur über den Widerspruch vom 9. August 2010 gegen den Bescheid vom 5. August 2010 (Blatt 292 der Verwaltungsakten) entschieden hat und über den Widerspruch vom 19. August 2010 gegen den Bescheid vom 5. August 2010 (Blatt 286 der Verwaltungsakten) noch nicht entschieden worden ist. Es wird zu klären sein, welche materiellen bzw. prozessualen Folgen -die entsprechende Klageerweiterung durch den Schriftsatz vom 7. Februar 2011 dürfte mangels abgeschlossenen Vorverfahrens (§ 78 SGG) jedenfalls derzeit nicht sachdienlich sein (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 99 SGG Rdnr. 10a )- hieraus zu ziehen sind.
Nach alledem ist eine hinreichende Erfolgsaussicht gegeben. Die Rechtsverfolgung erscheint auch nicht mutwillig; eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist erforderlich. Die Antragstellerin ist auch bedürftig im Sinne der Vorschriften der PKH, weshalb PKH zu bewilligen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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