L 5 KR 2034/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 4015/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2034/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 31.3.2011 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 4.9.2008 und 21.1.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12.11.2008 und 1.7.2009 verurteilt festzustellen, dass die Klägerin seit 18.1.2007 im Unternehmen der Beigeladenen Nr. 1 als Hotelfachfrau im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig ist und in dieser Beschäftigung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegt.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin in der bei der Beigeladenen Nr. 1 seit 18.1.2007 ausgeübten Tätigkeit der Sozialversicherungspflicht unterliegt.

Die 1966 geborene Klägerin ist gelernte Hotelfachfrau und hat in diesem Beruf in Hotels (u.a.) in Bad M., F. und K. gearbeitet. Die Beigeladene Nr. 1 betreibt das Kurhotel A. in Bad M ... Das Unternehmen war als Einzelunternehmen gegründet und vom Schiegervater der Klägerin, der gelernter Küchenmeister ist, geführt worden. Seit 19.9.1979 ist es als (Familien-)GmbH verfasst.

Der Gesellschaftervertrag der Beigeladenen Nr. 1 vom 19.9.1979 beschreibt den Unternehmensgegenstand als Betrieb eines Kurheims mit Fremdenpension und Verabreichung medizinischer Bäder. Das Stammkapital betrug (zunächst) 20.000 DM (später 50.000 DM); davon hielten der Schwiegervater der Klägerin 16.000 DM (80 %), dessen Ehefrau 4.000 DM (20%). Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst (1 Stimme je 1000 DM Stammkapital). Die Abänderung des Gesellschaftsvertrags und die Erhöhung oder Herabsetzung des Stammkapitals bedarf einer Mehrheit von 3/4 aller Stimmen (§ 6 des Gesellschaftsvertrags).

In der Folgezeit erwarb der Schwiegervater der Klägerin die Kapitalanteile seiner Ehefrau und war zunächst Alleingesellschafter. Durch notariellen Vertrag vom 28.12.1995 übertrug er zum 30.12.1995 Kapitalanteile (Stammkapital der GmbH mittlerweile 50.000 DM) von 22.500 DM (45 %) bzw. 12.500 DM (25 %) und 2.500 DM (5 %) auf seine Ehefrau bzw. seinen Sohn (Ehemann der Klägerin und gelernter Koch) und die Klägerin. Am 17.1.2007 verstarb die Schwiegermutter der Klägerin. Die Klägerin erwarb deren Kapitalanteil auf Grund eines Vermächtnisses (GmbH-Anteilsübertragungsvertrag vom 12.3.2007) und war nunmehr mit 25.000 DM (2.500 DM + 22.500 DM), also zu 50 %, am Stammkapital der GmbH beteiligt. Weitere Gesellschafter der Beigeladenen Nr. 1 waren der Schwiegervater der Klägerin und ihr Ehemann mit Kapitalanteilen von je 12.500 DM (25 %). Mit (nach einem ersten Statusverfahren geschlossenem) notariellem Vertrag vom 25.11.2008 veräußerte die Klägerin einen Kapitalanteil von 2.500,00 DM (5 %) für den Kaufpreis von 1 EUR an ihren Steuerberater und Prozessbevollmächtigten. Gesellschafter der GmbH sind nunmehr der Schwiegervater und der Ehemann der Klägerin mit Kapitalanteilen von je 25 % sowie die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter mit Kapitalanteilen von 45 % bzw. 5 %.

Zum Geschäftsführer der Beigeladenen Nr. 1 ist (seit 1996) der Ehemann der Klägerin bestellt; ein Prokurist ist nicht bestellt. Die Klägerin ist im Unternehmen als Hotelfachfrau tätig und seit 1.10.1991 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Am 2.8.1999 ist zwischen der Klägerin und der Beigeladenen Nr. 1 ein Anstellungsvertrag geschlossen worden (SG-Akte S 9 KR 4015/08 S. 22). Darin ist eine Arbeitszeit von 25 Wochenstunden festgelegt (§ 3). Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug 1.800 DM (ab 1.1.2002 925 EUR - Gehaltsabrechnung Juni 2006 Akte L 5 KR 2832/09 ER-B, S. 43); es wird auf ein Konto der Klägerin überwiesen (§ 4). Der Urlaubsanspruch richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen (§ 5). Der Vertrag kann nach der Probezeit (§ 2) unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfristen gekündigt werden (§ 8).

Am 14.7.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Prüfung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status und legte einen Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH vor. Darin ist (u.a.) angegeben, die Klägerin könne durch Sonderrechte Gesellschafterbeschlüsse weder herbeiführen noch verhindern. Darlehen oder Bürgschaften habe sie dem Unternehmen nicht gewährt. Geschäftsführer sei ihr Ehemann; es sei geplant auch sie zur Geschäftsführerin zu bestellen. Sie verfüge nicht als einzige über die zur Führung des Unternehmens erforderlichen Branchenkenntnisse. Ihre Tätigkeit sei nicht aufgrund familienhafter Rücksichtnahme durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander geprägt und in einem Arbeitsvertrag mit Kündigungsfrist geregelt. Sie unterliege wie ein fremder Arbeitnehmer dem Direktionsrecht (Weisungsrecht) der Gesellschaft bezüglich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung. Das Weisungsrecht werde (von ihrem Ehemann als Geschäftsführer) auch laufend ausgeübt. Ihre Tätigkeit könne sie nicht frei bestimmen und Personal nicht selbständig einstellen oder entlassen. Urlaub sei genehmigungspflichtig. Im Krankheitsfall werde das Arbeitsentgelt, von dem Lohnsteuer abgeführt und das als Betriebsausgabe gebucht werde, für 6 Wochen fortgezahlt. Ihre monatliche Vergütung betrage 1.210 EUR.

Mit Bescheid vom 4.9.2008 stellte die Beklagte (nach Abstimmung mit der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg) fest, dass die Klägerin bei der Beigeladenen Nr. 1 seit 18.1.2007 eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt und deswegen Beitragspflicht zur Sozialversicherung nicht mehr besteht. Zur Begründung führte sie aus, seit 18.1.2007 sei die Klägerin mit 50 % am Stammkapital der Beigeladenen Nr. 1 beteiligt und könne deswegen entscheidenden Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens ausüben.

Die Klägerin legte Widerspruch ein und trug vor, bis 17.1.2007 habe sie nur über einen Kapitalanteil von 5 % verfügt und (unstreitig) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Obwohl sie von ihrer Schwiegermutter 45 % der Kapitalanteile geerbt habe und nunmehr einen Kapitalanteil von 50 % halte, sei sie weiterhin abhängig beschäftigte Arbeitnehmerin der Beigeladenen Nr. 1. Sie sei wie eine fremde Arbeitnehmerin in deren Betrieb eingegliedert und verfüge nicht als einzige über die einschlägigen Branchenkenntnisse. Das unverändert fortbestehende Arbeitsverhältnis sei in der Vergangenheit durch Kündigung unterbrochen worden. Hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsorts, des Urlaubs und der Art der Beschäftigung unterliege sie dem Direktionsrecht der Geschäftsführung. Personal dürfe sie nicht einstellen. Arbeitszeit und Vergütung von 1.210 EUR sprächen ebenfalls für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Gewinnausschüttungen habe sie nie erhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin stehe als Mehrheitsgesellschafterin seit dem 18.1.2007 nicht mehr in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen Nr. 1.

Am 15.12.2008 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn (Verfahren S 9 KR 4015/08). Zur Begründung bekräftigte sie ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren.

Die Klägerin suchte beim Sozialgericht außerdem um vorläufigen Rechtsschutz nach. Mit Beschluss vom 26.5.2009 (S 9 KR 444/09 ER) stellte das Sozialgericht fest, dass die Klage der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 4.9.2008 (Widerspruchsbescheid vom 12.11.2008) aufschiebende Wirkung hat. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Beklagten (Beschwerdeverfahren L 5 KR 2832/09 ER-B) wurde zurückgenommen. In der im Beschwerdeverfahren durchgeführten Erörterungsverhandlung vom 15.7.2009 hatte die Klägerin angegeben, die Absicht, sie (ebenfalls) zur Geschäftsführerin zu bestellen, sei nur deshalb aufgekommen, weil die Banken wegen eines Krankheitsfalles ihres Ehemannes verlangt hätten, es müsse ein weiterer handlungsbevollmächtigter Geschäftsführer vorhanden sein. Die tatsächliche Übernahme einer Geschäftsführungsfunktion (durch die Klägerin) sei nie beabsichtigt gewesen.

Am 11.12.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Prüfung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. Sie trug (unter Beifügung eines entsprechenden Feststellungsbogens) vor, da sie zum 25.11.2008 einen Kapitalanteil von 5 % veräußert habe, sei sie (mit einem Kapitalanteil von noch 45 %) nicht mehr Mehrheitsgesellschafterin.

Mit Bescheid vom 21.1.2009 stellte die Beklagte (wiederum) die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit durch die Klägerin fest; Versicherungspflicht zur Sozialversicherung bestehe nicht. Die Klägerin verfüge auch nach der Veräußerung eines Kapitalanteils von 5 % mit über 45 % Kapitalanteil noch über die meisten Kapitalanteile der Beigeladenen Nr. 1. Sie habe die einschlägigen Branchenkenntnisse für die Führung des Unternehmens und sei nach wie vor Kopf und Seele des Betriebs, zumal beabsichtigt sei, sie zur Geschäftsführerin zu bestellen.

Mit Bescheiden vom 12.3.2009 setzte die Beklagte für die Klägerin (unter Vorbehalt) monatliche Kranken- bzw. Pflegeversicherungsbeiträge ab 1.10.2008 von 270,23 EUR bzw. 36,34 EUR fest.

Die Klägerin legte auch gegen den Bescheid vom 21.1.2009 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 1.7.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück; der maßgebende Einfluss der Klägerin auf die Geschicke der Beigeladenen Nr. 1 werde gerade durch die Anteilsveräußerung zur Herbeiführung von Sozialversicherungspflicht deutlich.

Am 22.7.2009 erhob die Klägerin (erneut) Klage beim Sozialgericht Heilbronn (Verfahren S 9 KR 2560/09); Kopf und Seele des Betriebs seien ihr Schwiegervater als Seniorchef und ihr Ehemann als Juniorchef.

Die Klägerin suchte außerdem (erneut) um vorläufigen Rechtsschutz nach (Verfahren S 9 KR 2627/09 ER); sie erklärte das vorläufige Rechtsschutzverfahren mit Schriftsatz vom 9.11.2009 für erledigt, nachdem sich die Beklagte bereit erklärt hatte, bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags für die Klägerin zu akzeptieren.

Mit Beschluss vom 16.11.2009 verband das Sozialgericht die Klageverfahren S 9 KR 4015/08 und S 9 KR 2560/09 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 9 KR 4015/08.

Die Beklagte trug abschließend vor, die Klägerin sei seit 18.1.2007 Mehrheitsgesellschafterin der Beigeladenen Nr. 1. Daran habe die Veräußerung eines Kapitalanteils von 5 % nichts geändert. Nach wie vor könne die Klägerin als Inhaberin eines Kapitalanteils von 45 % die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich beeinflussen.

Am 31.3.2011 führte das Sozialgericht eine mündliche Verhandlung durch. Die Klägerin gab an, die Beigeladene Nr. 1 habe außer ihr noch 5 jeweils teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter, nämlich 2 Zimmermädchen, eine Spülfrau, eine Springerin und eine Servicekraft. Das Hotel sei ein Saisonbetrieb (Saison witterungsabhängig von Frühjahr bis Oktober). Sie (die Klägerin) sei überwiegend für das Büro zuständig und sitze auch am Empfang; andernfalls sei dort nur ein Schild bzw. eine Klingel. Allen Mitarbeitern, auch ihr, sei nach Ende der Saison regelmäßig gekündigt worden und sie habe Arbeitslosengeld bezogen. Seit 2007, seit sie den Arbeitsbereich der (verstorbenen) Schwiegermutter übernommen habe, sei sie (anders als die übrigen Mitarbeiter) aber durchgehend beschäftigt. Die Übertragung von Kapitalanteilen auf sie habe steuerliche Gründe gehabt. Tantiemen oder Gewinnausschüttungen habe sie nie erhalten. Geschäftsführer sei allein ihr Ehemann, der auch die maßgeblichen Entscheidungen treffe.

Mit Urteil vom 31.3.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klage sei als (reine) Anfechtungsklage zulässig, da die Klägerin vor Erlass der angefochtenen Bescheide zu allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig gewesen sei. Die Klage sei aber unbegründet. Die Beklagte habe die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen Nr. 1 seit 18.1.2007 zu Recht als selbständige Erwerbstätigkeit eingestuft. Das folge vor allem aus der Kapitalbeteiligung der Klägerin, die seit 18.1.2007 Mehrheitsgesellschafterin der Beigeladenen Nr. 1 sei. Nach Veräußerung von 5 % ihrer Geschäftsanteile verfüge sie (mit 45 % Kapitalanteil) zwar nicht mehr über eine Sperrminorität, könne gemeinsam mit ihrem Ehemann, der über 25 % Kapitalanteil verfüge, jedoch nach wie vor das Wohl und Wehe des Unternehmens bestimmen. Außerdem habe die Klägerin als gelernte Hotelfachfrau die einschlägigen Fachkenntnisse zur Leitung des Betriebs; ihr Ehegatte und ihr Schwiegervater seien demgegenüber ausgebildeter Koch bzw. Küchenchef. Den Hotelbetrieb führe sie wie ihr Ehemann eigenständig. Dass ihr Ehemann u.a. bei Personaleinstellungen das letzte Wort haben solle, ändere daran nichts und sei auch wenig überzeugend.

Gegen eine selbständige Tätigkeit spreche nicht, dass weder an sie noch an ihren Ehemann Gewinn ausgeschüttet worden sei, da das nach Angabe der Klägerin bei dem recht kleinen Saisonbetrieb aus wirtschaftlichen Gründen bislang nicht möglich gewesen sei. Auch der Arbeitsvertrag der Klägerin begründe keine abhängige Beschäftigung, da sie bis 18.1.2007 nur über 5 % des Stammkapitals und damit über so gut wie keine Einflussmöglichkeiten in der Familien-GmbH verfügt habe. Entsprechendes gelte für die saisonbedingten Kündigungen (für die Winterzeit bis 18.1.2007).

Gegen das ihr am 19.4.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.5.2011 Berufung eingelegt. Sie bekräftigt ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, ihr Arbeitsverhältnis zur Beigeladenen Nr. 1 sei am 1.4.1992 begründet worden und bestehe - mit Unterbrechungen durch saisonale Arbeitslosigkeit und Mutterschutz - bis heute. Alleiniger, einzelvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer sei ihr Ehemann. Sie sei weder zur Geschäftsführerin noch zur Prokuristin bestellt und auch sonst zur Vertretung der Gesellschaft nicht berechtigt. Da man sie gerade wegen ihrer Sperrminorität (50 % Kapitalanteil) als Selbständige eingestuft habe, habe sie einen Kapitalanteil von 5 % abgegeben, um die Sperrminorität zu beseitigen. Eine beherrschende Stellung im Unternehmen habe sie aber auch mit einem Kapitalanteil von 50 % nicht gehabt und sie sei nach wie vor nicht Geschäftsführerin der Beigeladenen Nr. 1. Mit ihrem Kapitalanteil von 45 % könne sie Unternehmensentscheidungen nicht maßgeblich beeinflussen. Die Annahme gleichgerichteter wirtschaftlicher Interessen mit ihrem Ehemann verstoße außerdem gegen Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 12.3.1985, -1 BvR 571/81 -, -1 BvR 494/82, - 1 BvR 47/83 -).

Sie verfüge nicht, erst recht nicht als einzige, über die zur Führung des Betriebs in all seinen Sparten notwendigen Kenntnisse, wozu auch Kenntnisse im kaufmännischen und im (Diät)-Küchenbereich gehörten; eine fachliche Überlegenheit liege daher nicht vor und würde für die Annahme von Weisungsfreiheit auch nicht genügen. Schon wegen der Arbeitszeit von nur 25 Wochenstunden könne sie den Hotelbetrieb nicht eigenständig führen. Außerhalb ihrer Arbeitszeit würden die anfallenden Tätigkeiten von Fremdpersonal oder vom Geschäftsführer erledigt. Entscheidungsbefugnisse im Geschäftsführungsbereich habe sie weder rechtlich noch tatsächlich. Das Sozialgericht habe außerdem die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse verkannt. Sie sei neben ihrem Ehemann nicht Mitunternehmerin, sondern wie eine fremde Arbeitnehmerin in den Geschäftsbetrieb eingegliedert. Ihre Tätigkeit sei nicht durch familienhafte Rücksichtnahme und auch nicht durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zu ihrem Ehemann geprägt. So habe man etwa ihr Arbeitsverhältnis durch Kündigungen unterbrochen, während die Arbeitsverhältnisse anderer Gesellschafter und/oder Arbeitnehmer fortgeführt worden seien.

Hinsichtlich der Arbeitszeit und des Arbeitsorts und der Art ihrer Tätigkeit unterliege sie dem Direktionsrecht der Geschäftsführung, das in der Praxis auch ausgeübt werde. Personalentscheidungen dürfe sie nicht treffen; dazu sei nur der Geschäftsführer befugt. Sie werde wie eine fremde Arbeitskraft bezahlt und bekomme Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie den gesetzlichen Urlaub. Tantiemen erhalte sie nicht. Sie hafte weder für Unternehmensverbindlichkeiten noch habe sie dem Unternehmen ein Darlehen gewährt. Ein Unternehmerrisiko trage sie daher nicht. Die Entscheidung der Beklagten widerspreche den einschlägigen Verlautbarungen und Arbeitshilfen der zuständigen Spitzenorganisationen (vgl. das Rundschreiben des GKV-Spitzenverbands vom 13.4.2010).

In der mündlichen Verhandlung des Senats erklärte der Bevollmächtigte der Klägerin, es sei bei der Übernahme von 5% des Kapitalanteils keine Treuhandabrede, weder schriftlich noch mündlich, vereinbart worden. Er lasse sich bei der Ausübung seines Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung allein vom objektiven Wohl der Gesellschaft leiten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 31.3.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 4.9.2008 und 21.1.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12.11.2008 und 1.7.2009 zu verurteilen festzustellen, dass sie seit 18.1.2007 im Unternehmen der Beigeladenen Nr. 1 als Hotelfachfrau im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig ist und in dieser Tätigkeit der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegt.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 2 und 4 beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die übrigen Beteiligten stellen keine Anträge. Im Berufungsverfahren haben sich die Beigeladenen nicht geäußert.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, bei mitarbeitenden Gesellschaftern einer GmbH mit einem Kapitalanteil von mindestens 50% liege grundsätzlich kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor, weshalb die Klägerin vom 18.1.2007 bis 24.11.2008 in jedem Fall selbständig erwerbstätig gewesen sei. Die Veräußerung eines Kapitalanteils von 5% zum 25.11.2008 ändere nichts.

Die Beklagte hat die Arbeitgebermeldungen der Beigeladenen Nr. 1 für die Klägerin vorgelegt. Die letzte Anmeldung sei zum 16.4.2006 vorgenommen worden; seitdem seien nur Jahresmeldungen abgegeben worden. In der Anmeldung zum 16.4.2006 sind der Meldegrund 10 (Anmeldung wegen Beginn einer Beschäftigung), die Personengruppe 101 (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ohne besondere Merkmale) und das Statuskennzeichen 3 angegeben. Die Klägerin hat Handelsregisterauszüge des Amtsgerichts Ulm vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet. Die Beklagte hätte feststellen müssen, dass die Klägerin in der bei der Beigeladenen Nr. 1 seit dem 18.1.2007 ausgeübten Beschäftigung als Hotelfachfrau der Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegt. Die hierauf gerichtete Klage ist als (kombinierte) Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig und begründet.

Statthafte Klageart für das Begehren der Klägerin ist nicht die Anfechtungsklage allein und auch nicht die Feststellungsklage (§ 55 SGG), sondern die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) in Kombination. Klagegenstand ist die Verurteilung der Beklagten zum Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts, nicht die (bloße) Aufhebung eines Verwaltungsakts oder die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses.

Die Klägerin hat bei der Beklagten am 14.7.2008 und am 11.12.2008 einen Antrag auf Prüfung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status im Einzugsstellenverfahren nach § 28h Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) gestellt (dazu näher Senatsurteil vom 8.6.2011, - L 5 R 4078/10 -). Dabei handelt es sich um ein Verwaltungsverfahren (§ 8 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, SGB X), das auf den Erlass einer Statusentscheidung durch feststellenden Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) gerichtet ist. Das Verfahren beginnt mit dem Eingang des (Status-)Antrags bei der Behörde (vgl. 18 Satz 2 Nr. 1 2. Alt. SGB X) und wird dadurch anhängig (naher dazu ebenfalls Senatsurteil vom 8.6.2011, - L 5 R 4078/10 -). Es endet entweder mit der Ablehnung des Antrags als unzulässig oder - regelmäßig - mit dem Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts (als Statusentscheidung); letzteres ist Teil des Verwaltungsverfahrens (§ 8 Halbsatz 2 SGB X).

Der Antragsteller eines Statusverfahrens beantragt in den meisten Fällen nicht nur die Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status als solche, sondern eine bestimmte Statusfeststellung, nämlich die Feststellung der Versicherungsfreiheit oder der Versicherungspflicht einer Tätigkeit; nur diese beiden, sich gegenseitig ausschließenden Feststellungen kommen (grundsätzlich) als Regelungsgehalt der Statusentscheidung in Betracht. Wird nicht die beantragte, sondern die gegenteilige Feststellung getroffen, liegt darin zugleich eine Ablehnungsentscheidung i. S. d. § 54 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGG. Statthaft ist daher (zunächst) die auf die Aufhebung des ergangenen Verwaltungsakts gerichtete Anfechtungsklage. Mit ihr können die ergangene und aus Sicht des Antragstellers rechtswidrige Statusfeststellung sowie die Ablehnung der beantragten Statusfeststellung durch Urteil beseitigt werden. Geschieht nur das, würde das Verwaltungsverfahren aber (wieder) anhängig und die Behörde müsste erneut über den Statusantrag entscheiden. Das entspricht nicht dem Rechtsschutzziel des Antragstellers. Dieses besteht in der von ihm gewünschten und von der zuständigen Behörde - hier der Einzugsstelle - durch feststellenden Verwaltungsakt (nicht unmittelbar vom Gericht durch Feststellungsurteil) zu treffenden Statusentscheidung. Neben der Anfechtungsklage ist daher eine Verpflichtungsklage zu erheben. Sie hat die Verurteilung der Beklagten zum Erlass der vom Antragsteller begehrten Statusentscheidung zum Gegenstand. Der Senat legt den Klagantrag der Klägerin in diesem Sinne aus.

II. Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass die Beklagte das Bestehen von Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung in der seit 18.1.2007 bei der Beigeladenen Nr. 1 ausgeübten Tätigkeit als Hotelfachfrau feststellt.

1.) Die Beklagte ist für die begehrte Feststellung als Einzugsstelle zuständig (§§ 28h Abs. 2, 28i SGB IV). Das Einzugsstellenverfahren nach § 28h Abs. 2 SGB IV) findet nicht nur von Amts wegen, sondern - wie hier - auch auf Antrag von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern statt. Ein gem. § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV vorrangiges (obligatorisches) Anfrageverfahren bei der Clearing-Stelle der Deutschen Rentenversicherung Bund war nicht durchzuführen. Aus den von der Beklagten vorgelegten Arbeitgebermeldungen (§ 28a SGB IV) ergibt sich nicht, dass die Klägerin geschäftsführende Gesellschafterin einer GmbH ist; sie ist zur Geschäftsführerin der Beigeladenen Nr. 1 auch nach wie vor nicht bestellt (näher zu Verfahrensfragen Senatsurteil vom 8.6.2011, - L 5 R 4078/10 -).

2.) Die Klägerin übt bei der Beigeladenen Nr. 1 seit 18.1.2007 als Hotelfachfrau eine abhängige und zu allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung aus.

a.) Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V, § 24 SGB III, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 SGB XI setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung jeweils ein Beschäftigungsverhältnis voraus. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (dazu BSG, Urt. v. 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R -). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, sie in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urt. v. 19.6.2001, - B 12 KR 44/00 R -). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet. Letzteres besteht in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen.

Sind Tätigkeiten in Kapital- oder Personengesellschaften, wie einer GmbH oder einer Kommanditgesellschaft (KG) oder in einer Kombination solcher Gesellschaften, wie einer GmbH und & Co KG, sozialversicherungsrechtlich zu beurteilen, gelten diese Rechtsgrundsätze entsprechend. Die Rechtsprechung hat sich bislang im Wesentlichen mit Tätigkeiten in einer GmbH befasst und dazu die folgenden Maßgaben entwickelt (vgl. dazu auch Senatsurteile vom. 16.6.2010, - L 5 KR 5179/08 – und v. 8.6.2011, - L 5 R 4078/10 –):

Ist der Geschäftsführer nicht Gesellschafter, am Kapital der Gesellschaft also nicht beteiligt (Fremdgeschäftsführer), ist regelmäßig von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Weisungsgebundenheit ausnahmsweise aufheben. Das kann bspw. der Fall sein, wenn der Fremdgeschäftsführer in der GmbH "schalten und walten" kann, wie er will, weil er die Gesellschafter persönlich dominiert oder weil sie wirtschaftlich von ihm abhängig sind. Dies hat das Bundessozialgericht insbesondere bei Geschäftsführern angenommen, die mit den Gesellschaftern familiär verbunden waren (BSG, Urt. v. 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R -; Urt. v. 17.5.2001, - B 12 KR 34/00 R -; Urt. v. 6.3.2003, - B 11 AL 25/02 R -; auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 4.3.2004, - L 9 AL 150/02 -). In (Sonder-)Fällen dieser Art überlagern die tatsächlichen die rechtlichen Verhältnisse in einem solchen Ausmaß, dass die an sich bestehende rechtliche Abhängigkeit ihre Bedeutung als prägendes Element der Tätigkeit verliert und eine Beschäftigung deswegen in Wahrheit nicht vorliegt. Dafür genügt es aber nicht, dass eine bestehende Rechtsmacht mit daraus folgenden Weisungsrechten (mangels tatsächlichen Anlasses) in der Geschäftspraxis nicht ausgeübt wird, solange sie nur aufrechterhalten bleibt und von ihr (bei gegebenem Anlass) Gebrauch gemacht werden kann. Dann gehört sie zu den Tatsachen, die für das Gesamtbild der Tätigkeit von Belang sind.

Ist der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter (Gesellschafter-Geschäftsführer), schließt ein maßgeblicher rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund der Gesellschafterstellung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis aus, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (BSG, Urt. v. vom 23. Juni 1994, -B 12 RK 72/92 -; Urt. v. 25.1.2006, - B 12 KR 30/04 R -; dazu, hinsichtlich der Größe des Kapitalanteils, auch Hess LSG, Urt. v. 23.11.2006, - L 1 KR 763/03 - m.N. zur Rspr. des BSG). Solche Gesellschafter haben auf Grund ihrer gesellschaftsrechtlichen Position letztendlich auch die Leitungsmacht gegenüber dem Geschäftsführer und unterliegen damit nicht dessen Weisungsrecht, bestimmen vielmehr über die unternehmerischen Entscheidungen in der Gesellschaft maßgeblich mit; sie haben daher den Status eines (Mit-)Unternehmers. Wesentliches Merkmal ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des daraus folgenden Einflusses auf die Gesellschaft. Gegen eine selbständige Tätigkeit spricht, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität oder über Sonderrechte zur Herbeiführung oder Verhinderung von Gesellschafterbeschlüssen verfügt (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.4.2007, - L 11 KR 5748/06 -). Für diesen Personenkreis ist regelmäßig von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine abweichende Beurteilung kommt wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalls den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor, weil die tatsächlichen die rechtlichen Verhältnisse entsprechend überlagern (BSG, Urt. v. 4.7.2007, - B 11a AL 5/06 R -; Urt. v. 6.3.2003, - B 11 AL 25/02 R -; Urt. v. 17.5.2001, - B 12 KR 34/00 R -).

Ist der Gesellschafter, ohne zum Geschäftsführer bestellt zu sein, bei der Gesellschaft angestellt (mitarbeitender bzw. angestellter Gesellschafter), besitzt er allein auf Grund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte (auch wenn er über die Hälfte des Stammkapitals verfügt) nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen. Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH nämlich Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung (BSG, Urt. v. 17.5.2001, - B 12 KR 34/00 R -). Im Übrigen bleibt es - wie beim Gesellschafter-Geschäftsführer - aber dabei, dass ein maßgeblicher rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft auf Grund der Gesellschafterstellung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausschließt, wenn der mitarbeitende bzw. angestellte Gesellschafter damit Einzelweisungen im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte.

Die Unterscheidung von Unternehmer- und Arbeitsplatzrisiko ist auch in der Rechtsprechung des Senats ein wichtiges, vielfach entscheidendes Kriterium für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit. Es steht allerdings nicht für sich allein. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, also den rechtlich relevanten Umständen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben; zu diesen gehört, unabhängig von ihrer Ausübung, auch die einem Beteiligten zustehende (nicht wirksam abbedungene) Rechtsmacht. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (zu alledem etwa BSG, Urt. v. 25.1.2006, - B 12 KR 30/04 R -; Urt. v. 19.6.2001, - B 12 KR 44/00 R - m.w.N.; vgl. auch Senatsurteile vom 13.6.2007, - L 5 KR 2782/06 -; vom 25.4.2007, - L 5 KR 2056/06 -, vom 14.2.2007, - L 5 R 3363/06 -, vom 1.2.2006, - L 5 KR 3432/05 - und vom 11.10.2006, - L 5 KR 5117/04 -). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urt. v. 25.1.2006, - B 12 KR 30/04 R -).

b.) Davon ausgehend ist die Tätigkeit, die die Klägerin seit 18.1.2007 bei der Beigeladenen Nr. 1 als Hotelfachfrau ausübt, nach ihrem Gesamtbild (durchgehend) als abhängige und zu allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung und nicht als selbständige Erwerbstätigkeit einzustufen.

Gegen die Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit sprechen in unternehmens- bzw. gesellschaftsrechtlicher Hinsicht zunächst die von den Beteiligten gewählte und umgesetzte Rechtskonstruktion des Familienunternehmens und die der Klägerin danach zukommende Rechtsstellung. Die Verteilung der Rechtsmacht in der Geschäftsführung und der Gesellschafterversammlung stellt eine wesentliche Tatsache dar, die das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin (mit-)prägt.

Die Klägerin hat die Rechtsstellung einer mitarbeitenden bzw. angestellten Gesellschafterin der (Familien-)GmbH. Ihrer Tätigkeit liegt ein Anstellungsvertrag (Arbeitsvertrag) vom 2.8.1999 zugrunde. Sie ist nicht zur Geschäftsführerin bestellt; entsprechende, offenbar allein durch Vertretungserfordernisse motivierte Absichten sind nicht umgesetzt worden. Der Klägerin ist auch Prokura oder Vertretungsmacht nicht erteilt worden. Alleiniger Geschäftsführer und allein zur Vertretung der GmbH im Rechtsverkehr berechtigt ist der Ehemann der Klägerin. Diesem kommen kraft seiner Rechtsstellung als Geschäftsführer die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht für alle Angestellten der GmbH, auch für die Klägerin, zu. Die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverhältnisse ändern daran nichts, da Dienstaufsicht und Weisungsrecht (arbeitsrechtliche Direktionsbefugnis) nach dem Gesagten Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung sind.

Der Klägerin sind Kapitalanteile an der GmbH (zunächst) offenbar nur aus steuerlichen Gründen übertragen worden. Die Begründung einer Mitunternehmerschaft mit einer entsprechenden Tätigkeit im Betrieb sollte ersichtlich nicht stattfinden. Die Klägerin hielt anfangs einen Kapitalanteil von lediglich 5 % und war während dieser Zeit - unstreitig - abhängig Beschäftigte und nicht Mitunternehmerin neben den anderen Mitgliedern der Familie (Ehemann und Schwiegereltern). Zum 18.1.2007 hat sich ihr Kapitalanteil durch das vollzogene Vermächtnis der verstorbenen Schwiegermutter zwar auf 50 % erhöht. Damit hat sich indessen nur der gesellschaftsrechtliche, jedoch nicht der sozialversicherungsrechtliche Status der Klägerin maßgeblich verändert. Sie hat jetzt zwar im Rechtssinne über eine Sperrminorität in der Gesellschafterversammlung verfügt, da Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit getroffen werden, und ihr hat das Unternehmen zur Hälfte gehört. Das spricht grundsätzlich gegen den Status einer abhängig Beschäftigten. Nach wie vor unterlag die Klägerin aber dem Weisungsrecht des Geschäftsführers. Dessen Rechtsmacht über ihre Tätigkeit im Betrieb kann sie, wie dargelegt, mit ihren Gesellschafterrechten weder aufheben noch abschwächen. Der Ehemann der Klägerin als Geschäftsführer hat die tatsächliche Unternehmensleitung ungeachtet des hälftigen Kapitalanteils seiner Ehefrau mit dieser auch nicht geteilt. Die bis zum Vermächtnisvollzug bestehenden tatsächlichen Verhältnisse im Familienbetrieb haben sich ersichtlich nicht geändert. Der Ehemann der Klägerin ist, wie sogleich noch darzulegen sein wird, nach wie vor nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich allein für die Unternehmensführung zuständig geblieben. Die Tätigkeit der Klägerin hat sich hierauf nicht erstreckt.

Seit 25.11.2008 hält die Klägerin nur noch einen Kapitalanteil von 45 % und verfügt damit auch nicht mehr über eine Sperrminorität. Dabei ist es unerheblich, dass neben den Familienmitgliedern der Steuerberater und Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit einem (von der Klägerin für einen symbolischen Preis von 1 EUR erworbenen) Anteil von 5 % Gesellschafter der GmbH geworden ist. Die Klägerin hat zwar gemeinsam mit ihrem Ehemann die Mehrheit in der Gesellschafterversammlung. Das allein weist ihr den Status des selbständig tätigen Mitunternehmers neben dem Ehemann jedoch nicht zu. Sonderrechte zur Abwehr ihr nachteiliger Beschlüsse der Gesellschafterversammlung hat sie nicht und sie hat auch nicht die Rechtsmacht, unternehmenspolitische Entscheidungen herbeizuführen.

Die gewählte Rechtskonstruktion bzw. die daraus folgende Verteilung der Rechtsmacht in der GmbH ist ersichtlich auch in der Unternehmenspraxis umgesetzt worden. Besondere Umstände, die der Klägerin eine tatsächliche Lenkungsmacht zuweisen würden, kraft derer sie ungeachtet der rechtlichen Verhältnisse im Familienbetrieb (neben ihrem Ehemann) frei "schalten und walten könnte" wie sie will, sind über die gesamte Zeit ihrer Tätigkeit nicht festzustellen. Die familiäre (eheliche) Verbundenheit zwischen der Klägerin und ihrem zum Geschäftsführer bestellten Ehemann allein genügt hierfür nicht. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass ihr Ehemann immer die maßgeblichen Unternehmensentscheidungen getroffen hat und sein Weisungsrecht als Geschäftsführer auch ausübt. Außerdem ist der Schwiegervater der Klägerin - als Unternehmensgründer und offenbar als "Seniorchef" - ebenfalls noch im Unternehmen tätig. Der Ehemann der Klägerin und ihr Schwiegervater, nach Angaben der Klägerin "Kopf und Seele des Betriebs", verfügen als Koch bzw. Küchenchef über einschlägige Branchenkenntnisse zur Unternehmensführung; der Schwiegervater hatte den Betrieb auch bis zur Gründung der GmbH als Einzelunternehmer geleitet. Wegen ihrer Ausbildung als Hotelfachfrau kann die Klägerin eine fachliche Dominanz daher nicht ausüben, zumal es sich bei dem Unternehmen um eine kleine Fremdenpension mit Saisonbetrieb handelt, bei dem hotelfachliche Kenntnisse weniger bedeutsam sind als bei größeren Beherbergungsbetrieben. Die Klägerin erledigt offenbar Büroarbeiten und versieht den Empfang, ist in der Unternehmensleitung aber nicht wesentlich tätig, zumal sie weder Prokura hat noch sonst zur Vertretung im Rechtsverkehr berechtigt ist.

In arbeitsrechtlicher Hinsicht liegt der Tätigkeit der Klägerin ein schriftlicher Anstellungsvertrag vom 2.8.1999 zu Grunde, der die typischen Regelungsgehalte eines Arbeitsvertrags aufweist. Die Wochenarbeitszeit, das Bruttogehalt, Urlaubsanspruch und Kündigung sind geregelt, wobei das Kündigungsrecht von der Beigeladenen Nr. 1 in der Vergangenheit (vor 2007) auch (saisonbedingt) ausgeübt worden ist. Das Gehalt der Klägerin wird als Betriebsausgabe gebucht, man führt Lohnsteuer ab und hat die Klägerin als Arbeitnehmerin zur Sozialversicherung angemeldet.

Die Klägerin trägt schließlich auch kein den sozialversicherungsrechtlichen Status ausschlaggebend prägendes Unternehmerrisiko. Neben dem Kapitalanteil an der GmbH, den sie bei Scheitern des Unternehmens verlieren könnte, hat sie weiteres Wagniskapital nicht eingesetzt. Sie stellt dem Betrieb vielmehr ihre Arbeitskraft zur Verfügung und trägt das Arbeitsplatzrisiko des Arbeitnehmers.

Bei Würdigung aller Umstände ergibt sich damit für den Senat das Gesamtbild einer abhängigen Beschäftigung im vom Schwiegervater gegründeten Familienunternehmen, die als solche von Anfang an durchgängig bestanden hat und derzeit fortbesteht, wobei die wechselnde Kapitalbeteiligung der Klägerin angesichts aller weiteren Umstände des Einzelfalls ihren sozialversicherungsrechtlichen Status nicht ausschlaggebend prägt. In der Beschäftigung als Hotelfachfrau unterliegt die Klägerin der Sozialversicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung; Anhaltspunkte für Versicherungsfreiheit in einzelnen Versicherungszweigen bestehen nicht.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Klägerin obsiegt, hat ihr die Beklagte die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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