Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 2715/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2097/10 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26. März 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung.
Der 1962 geborene Kläger, der seit 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bezieht, erhielt bis 30. April 2009 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von monatlich 51,13 EUR.
Mit seinem Fortzahlungsantrag legte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung von Dr. L. (Facharzt für Innere Medizin) vom 24. April 2009 vor, wonach bei dem Kläger wegen Hyperlipidämie und Hypertonie bei Adipositas, KH-Stoffwechselstörung, Leberinsuffizienz und Polyarthrose lipidsenkende Reduktionskost, Diabeteskost und eine allgemein fett- und kalorienreduzierte Kost erforderlich sei. Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 4. Mai 2009 Leistungen für den Zeitraum 1. Mai bis 30. September 2009 in Höhe von 351 EUR ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs unter Bezugnahme auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1. Oktober 2008. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2009 zurück. Hiergegen richtet sich die am 18. August 2009 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage (S 4 AS 2715/09).
Mit weiterem Bescheid vom 31. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2009 bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 in Höhe von 359 EUR wiederum ohne Berücksichtigung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs. Hiergegen richtet sich die am 21. Dezember 2009 zum SG erhobene Klage (S 4 AS 4398/09).
Das SG hat die Klagen mit Beschluss vom 22. Dezember 2009 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Nach schriftlicher Anhörung der behandelnden Ärzte des Klägers Dr. R. und Dr. W.-B. hat das SG mit Urteil vom 26. März 2010 die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II habe. Nach der Gesetzesbegründung sollten zur Konkretisierung des Mehrbedarfs die hierzu vom Deutschen Verein für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen herangezogen werden. Diese Mehrbedarfsempfehlungen seinen grundsätzlich keine Rechtsnormen. Während die Empfehlungen aus dem Jahr 1997 auch nicht als antizipierte Sachverständigengutachten herangezogen werden könnten (unter Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15. April 2008 - B 14/11b AS 3/07 R -) werde dies für die 2008 erschienenen Empfehlungen von der Rechtsprechung einhellig befürwortet. Nach den Empfehlungen 2008 sei bei Diabetes mellitus Typ II und I in der Regel ein krankheitsbedingter erhöhter Ernährungsaufwand zu verneinen. Ausreichend sei eine Vollkost, die grundsätzlich aus dem Regelsatz finanziert werden könne. Gleiches gelte für die Gesundheitsstörungen des Klägers nach 4.1 der Empfehlungen. Dass bei dem Kläger eine atypische Fallgestaltung vorliege, die dennoch die Annahme eines Mehrbedarfs rechtfertigen könne, sei nicht ersichtlich. Die Aussagen der sachverständigen Zeugen Dr. R. und Dr. W.-B. böten hierfür keine Grundlage.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 31. März 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. April 2010 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Er macht geltend, dass die Entscheidung des SG von der ständigen Rechtsprechung des BSG abweiche und auf dieser Abweichung beruhe. Das BSG habe dargelegt, dass jeweils im Einzelfall eine Prüfung zu erfolgen habe, wenn ein ernährungsbedingter Mehrbedarf streitig sei (Urteile vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 32/06 R und B 14/7b AS 64/06 R -; vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 3/07 R -). Den Empfehlungen des Deutschen Vereins komme keine normative Wirkung zu, sie stellten auch kein antizipiertes Sachverständigengutachten dar. Das SG habe den Anspruch des Klägers allein mit der Begründung abgelehnt, nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins liege in der Regel kein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand vor und eine atypische Fallgestaltung sei nicht ersichtlich. Tatsächlich hätten die behandelnden Ärzte ausdrücklich auf das Erfordernis einer kostenaufwändigen Ernährung abgestellt. Zur Behandlung der beim Kläger vorliegenden metabolischen Störung sei eine kohlehydrat- und salzarme, fettreduzierte Ernährung erforderlich. Außerdem müsse der Kläger mehrmals am Tag Gemüse, Obst, fettarme Wurst und Fleisch, Seefisch und Vollkornprodukte zu sich nehmen. Diese Lebensmittel könne der Kläger nicht in so genannten Tafeln erwerben, da in O. keine solchen Tafeln existierten. Der Kläger habe keinen Pkw und könne auch nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Nachbarorte zum Einkaufen fahren, da er an einer Vielzahl orthopädischer Erkrankungen zusätzlich zu einer chronifizierten Depression leide. Außerdem bestehe ein Grad der Behinderung von 90 v.H. und das Merkzeichen "G" sei festgestellt.
Der Beklagte ist der Beschwerde entgegen getreten. Die Behauptung, das SG habe die Ansprüche des Klägers unter Verstoß gegen die Grundsätze der ständigen Rechtsprechung des BSG ohne Einzelfallprüfung und ohne Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen abgelehnt, sei falsch. Das SG habe unter Würdigung der Zeugenaussagen begründet, weshalb vorliegend keine atypische Fallgestaltung gegeben sei und somit sehr wohl eine Einzelfallprüfung durchgeführt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig (§ 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.
Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig. Bei dem Jobcenter handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 3. August 2010, BGBl. I S. 1112), die mit Wirkung vom 1. Januar 2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis entstanden ist. Gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen Beschwerdegegnerin. Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Wegen dieses kraft Gesetzes eintretenden Beteiligtenwechsels war das Passivrubrum entsprechend von Amts wegen zu berichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr. 5).
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2 a.a.O.). Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben; streitig sind allein höhere Leistungen von monatlich 51,13 EUR im Hinblick auf den Mehrbedarfszuschlag wegen kostenaufwändiger Ernährung für den Zeitraum 1. Mai 2009 bis 31. März 2010. Das SG hat die Berufung im angefochtenen Urteil auch nicht zugelassen. Eine daher erforderliche Zulassung durch das LSG kommt vorliegend nicht in Betracht.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1.) Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle die notwendige Klärung erfolgt (so die ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 2, 129, 132; BSG SozR 1500 § 160a Nr. 60; SozR 3-1500 § 160a Nr. 16; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 144 Rdnrn. 28 f.; § 160 Rdnrn. 6 ff. (jeweils m.w.N.)). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 7).
Eine Tatsachenfrage kann auch dann die Zulassung der Berufung nicht begründen, wenn ihre Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen haben kann (Leitherer, a.a.O., § 144 Rdnr. 29, m.w.N.). Vorliegend geht es allein um eine Tatsachenfrage, denn die Feststellung, ob ein Hilfebedürftiger auf Grund einer Erkrankung einer besonderen, kostenintensiven Ernährung bedarf, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Maßgebend sind die individuellen Verhältnisse des Hilfebedürftigen. Dementsprechend hat das BSG entschieden, dass der im Streit stehende Mehrbedarf jeweils im Einzelfall zu ermitteln ist (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 2). Die Notwendigkeit einer krankheitsbedingten kostenaufwändigen Ernährung ist daher eine Tatsachenfrage, über die Beweis erhoben werden kann. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat ggf. eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen sachkundigen Stellungnahmen zu dieser Frage zu erfolgen. Auch insofern hat das BSG allerdings bereits entschieden, dass die Empfehlungen des Deutschen Vereins im Regelfall noch als Orientierungshilfe dienen können und die weitere Amtsermittlung von den Besonderheiten des Einzelfalls abhängt (BSG, a.a.O.).
Keine grundsätzliche Bedeutung ergibt sich ferner aus der Frage, welche Kosten für eine Vollkost tatsächlich anfallen, denn diese Frage ist durch die in die Empfehlungen eingegangene wissenschaftliche Ausarbeitung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zum Thema: Lebensmittelkosten für eine vollwertige Ernährung, April 2008 wissenschaftlich geklärt. Nach den Erhebungen der genannten Studie kann eine vollwertige Ernährung dann aus dem Regelsatz finanziert werden, wenn über alle Produktgruppen zu einem Preis eingekauft wird, der im unteren Viertel der Preisstreuung liegt. Verfassungsrechtliche Fragen stellen sich insoweit nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Januar 2011 - L 12 AS 4649/10 NZB -).
(2.) Eine Abweichung der Entscheidung des SG von einer Entscheidung eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte liegt nicht vor. Eine solche setzt die Aufstellung eines Rechtssatzes voraus, der von einem von den genannten Gerichten aufgestellten objektiv abweicht. Dies ist hier nicht ersichtlich. Unabhängig davon, ob die Empfehlungen des Deutschen Vereins von 2008 als antizipiertes Sachverständigengutachten anzusehen sind, können sie nach der Rechtsprechung des BSG jedenfalls als Orientierungshilfe dienen und es sind weitere Ermittlungen im Einzelfall nur dann erforderlich, sofern Besonderheiten, insbesondere von den Empfehlungen abweichende Bedarfe, substantiiert geltend gemacht werden. Wenn nach dem Ergebnis der im Einzelfall durchgeführten Amtsermittlung eine Abweichung von den Empfehlungen nicht festzustellen ist, ist eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008, a.a.O.; BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 100/10 R - (juris)). Von dieser Rechtsprechung weicht das SG nicht ab. Denn eine Abweichung in diesem Sinne bedeutet einen Widerspruch im Rechtssatz oder das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt worden sind. Dies setzt begrifflich voraus, dass das SG einen entsprechenden abstrakten Rechtssatz gebildet hat. Es muss die Rechtsfrage entschieden und nicht etwa übersehen haben. Eine Abweichung liegt daher nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung nicht den vom Obergericht aufgestellten Kriterien entspricht, sondern erst, wenn diesen Kriterien widersprochen wird, also andere Maßstäbe entwickelt werden. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung wegen Divergenz (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 67; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 144 Rdnr. 28). Ein derartiger Widerspruch liegt hier offensichtlich nicht vor.
(3.) Ein Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung beruhen kann, ist weder dargetan noch erkennbar.
Das Vorbringen des Klägers zielt letztlich in der Sache allein darauf, das Ergebnis der Beweiswürdigung des SG und damit die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Die Geltendmachung einer sachlichen Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung stellt nach § 144 Abs. 2 SGG indes keinen Grund dar, eine kraft Gesetzes ausgeschlossene Berufung zuzulassen.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Das angefochtene Urteil vom 26. März 2010 wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung.
Der 1962 geborene Kläger, der seit 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bezieht, erhielt bis 30. April 2009 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von monatlich 51,13 EUR.
Mit seinem Fortzahlungsantrag legte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung von Dr. L. (Facharzt für Innere Medizin) vom 24. April 2009 vor, wonach bei dem Kläger wegen Hyperlipidämie und Hypertonie bei Adipositas, KH-Stoffwechselstörung, Leberinsuffizienz und Polyarthrose lipidsenkende Reduktionskost, Diabeteskost und eine allgemein fett- und kalorienreduzierte Kost erforderlich sei. Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 4. Mai 2009 Leistungen für den Zeitraum 1. Mai bis 30. September 2009 in Höhe von 351 EUR ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs unter Bezugnahme auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1. Oktober 2008. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2009 zurück. Hiergegen richtet sich die am 18. August 2009 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage (S 4 AS 2715/09).
Mit weiterem Bescheid vom 31. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2009 bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 in Höhe von 359 EUR wiederum ohne Berücksichtigung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs. Hiergegen richtet sich die am 21. Dezember 2009 zum SG erhobene Klage (S 4 AS 4398/09).
Das SG hat die Klagen mit Beschluss vom 22. Dezember 2009 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Nach schriftlicher Anhörung der behandelnden Ärzte des Klägers Dr. R. und Dr. W.-B. hat das SG mit Urteil vom 26. März 2010 die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II habe. Nach der Gesetzesbegründung sollten zur Konkretisierung des Mehrbedarfs die hierzu vom Deutschen Verein für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen herangezogen werden. Diese Mehrbedarfsempfehlungen seinen grundsätzlich keine Rechtsnormen. Während die Empfehlungen aus dem Jahr 1997 auch nicht als antizipierte Sachverständigengutachten herangezogen werden könnten (unter Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15. April 2008 - B 14/11b AS 3/07 R -) werde dies für die 2008 erschienenen Empfehlungen von der Rechtsprechung einhellig befürwortet. Nach den Empfehlungen 2008 sei bei Diabetes mellitus Typ II und I in der Regel ein krankheitsbedingter erhöhter Ernährungsaufwand zu verneinen. Ausreichend sei eine Vollkost, die grundsätzlich aus dem Regelsatz finanziert werden könne. Gleiches gelte für die Gesundheitsstörungen des Klägers nach 4.1 der Empfehlungen. Dass bei dem Kläger eine atypische Fallgestaltung vorliege, die dennoch die Annahme eines Mehrbedarfs rechtfertigen könne, sei nicht ersichtlich. Die Aussagen der sachverständigen Zeugen Dr. R. und Dr. W.-B. böten hierfür keine Grundlage.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 31. März 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. April 2010 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Er macht geltend, dass die Entscheidung des SG von der ständigen Rechtsprechung des BSG abweiche und auf dieser Abweichung beruhe. Das BSG habe dargelegt, dass jeweils im Einzelfall eine Prüfung zu erfolgen habe, wenn ein ernährungsbedingter Mehrbedarf streitig sei (Urteile vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 32/06 R und B 14/7b AS 64/06 R -; vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 3/07 R -). Den Empfehlungen des Deutschen Vereins komme keine normative Wirkung zu, sie stellten auch kein antizipiertes Sachverständigengutachten dar. Das SG habe den Anspruch des Klägers allein mit der Begründung abgelehnt, nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins liege in der Regel kein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand vor und eine atypische Fallgestaltung sei nicht ersichtlich. Tatsächlich hätten die behandelnden Ärzte ausdrücklich auf das Erfordernis einer kostenaufwändigen Ernährung abgestellt. Zur Behandlung der beim Kläger vorliegenden metabolischen Störung sei eine kohlehydrat- und salzarme, fettreduzierte Ernährung erforderlich. Außerdem müsse der Kläger mehrmals am Tag Gemüse, Obst, fettarme Wurst und Fleisch, Seefisch und Vollkornprodukte zu sich nehmen. Diese Lebensmittel könne der Kläger nicht in so genannten Tafeln erwerben, da in O. keine solchen Tafeln existierten. Der Kläger habe keinen Pkw und könne auch nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Nachbarorte zum Einkaufen fahren, da er an einer Vielzahl orthopädischer Erkrankungen zusätzlich zu einer chronifizierten Depression leide. Außerdem bestehe ein Grad der Behinderung von 90 v.H. und das Merkzeichen "G" sei festgestellt.
Der Beklagte ist der Beschwerde entgegen getreten. Die Behauptung, das SG habe die Ansprüche des Klägers unter Verstoß gegen die Grundsätze der ständigen Rechtsprechung des BSG ohne Einzelfallprüfung und ohne Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen abgelehnt, sei falsch. Das SG habe unter Würdigung der Zeugenaussagen begründet, weshalb vorliegend keine atypische Fallgestaltung gegeben sei und somit sehr wohl eine Einzelfallprüfung durchgeführt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig (§ 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.
Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig. Bei dem Jobcenter handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 3. August 2010, BGBl. I S. 1112), die mit Wirkung vom 1. Januar 2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis entstanden ist. Gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen Beschwerdegegnerin. Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Wegen dieses kraft Gesetzes eintretenden Beteiligtenwechsels war das Passivrubrum entsprechend von Amts wegen zu berichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr. 5).
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2 a.a.O.). Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben; streitig sind allein höhere Leistungen von monatlich 51,13 EUR im Hinblick auf den Mehrbedarfszuschlag wegen kostenaufwändiger Ernährung für den Zeitraum 1. Mai 2009 bis 31. März 2010. Das SG hat die Berufung im angefochtenen Urteil auch nicht zugelassen. Eine daher erforderliche Zulassung durch das LSG kommt vorliegend nicht in Betracht.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1.) Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle die notwendige Klärung erfolgt (so die ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 2, 129, 132; BSG SozR 1500 § 160a Nr. 60; SozR 3-1500 § 160a Nr. 16; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 144 Rdnrn. 28 f.; § 160 Rdnrn. 6 ff. (jeweils m.w.N.)). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 7).
Eine Tatsachenfrage kann auch dann die Zulassung der Berufung nicht begründen, wenn ihre Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen haben kann (Leitherer, a.a.O., § 144 Rdnr. 29, m.w.N.). Vorliegend geht es allein um eine Tatsachenfrage, denn die Feststellung, ob ein Hilfebedürftiger auf Grund einer Erkrankung einer besonderen, kostenintensiven Ernährung bedarf, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Maßgebend sind die individuellen Verhältnisse des Hilfebedürftigen. Dementsprechend hat das BSG entschieden, dass der im Streit stehende Mehrbedarf jeweils im Einzelfall zu ermitteln ist (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 2). Die Notwendigkeit einer krankheitsbedingten kostenaufwändigen Ernährung ist daher eine Tatsachenfrage, über die Beweis erhoben werden kann. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat ggf. eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen sachkundigen Stellungnahmen zu dieser Frage zu erfolgen. Auch insofern hat das BSG allerdings bereits entschieden, dass die Empfehlungen des Deutschen Vereins im Regelfall noch als Orientierungshilfe dienen können und die weitere Amtsermittlung von den Besonderheiten des Einzelfalls abhängt (BSG, a.a.O.).
Keine grundsätzliche Bedeutung ergibt sich ferner aus der Frage, welche Kosten für eine Vollkost tatsächlich anfallen, denn diese Frage ist durch die in die Empfehlungen eingegangene wissenschaftliche Ausarbeitung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zum Thema: Lebensmittelkosten für eine vollwertige Ernährung, April 2008 wissenschaftlich geklärt. Nach den Erhebungen der genannten Studie kann eine vollwertige Ernährung dann aus dem Regelsatz finanziert werden, wenn über alle Produktgruppen zu einem Preis eingekauft wird, der im unteren Viertel der Preisstreuung liegt. Verfassungsrechtliche Fragen stellen sich insoweit nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Januar 2011 - L 12 AS 4649/10 NZB -).
(2.) Eine Abweichung der Entscheidung des SG von einer Entscheidung eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte liegt nicht vor. Eine solche setzt die Aufstellung eines Rechtssatzes voraus, der von einem von den genannten Gerichten aufgestellten objektiv abweicht. Dies ist hier nicht ersichtlich. Unabhängig davon, ob die Empfehlungen des Deutschen Vereins von 2008 als antizipiertes Sachverständigengutachten anzusehen sind, können sie nach der Rechtsprechung des BSG jedenfalls als Orientierungshilfe dienen und es sind weitere Ermittlungen im Einzelfall nur dann erforderlich, sofern Besonderheiten, insbesondere von den Empfehlungen abweichende Bedarfe, substantiiert geltend gemacht werden. Wenn nach dem Ergebnis der im Einzelfall durchgeführten Amtsermittlung eine Abweichung von den Empfehlungen nicht festzustellen ist, ist eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008, a.a.O.; BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 100/10 R - (juris)). Von dieser Rechtsprechung weicht das SG nicht ab. Denn eine Abweichung in diesem Sinne bedeutet einen Widerspruch im Rechtssatz oder das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt worden sind. Dies setzt begrifflich voraus, dass das SG einen entsprechenden abstrakten Rechtssatz gebildet hat. Es muss die Rechtsfrage entschieden und nicht etwa übersehen haben. Eine Abweichung liegt daher nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung nicht den vom Obergericht aufgestellten Kriterien entspricht, sondern erst, wenn diesen Kriterien widersprochen wird, also andere Maßstäbe entwickelt werden. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung wegen Divergenz (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 67; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 144 Rdnr. 28). Ein derartiger Widerspruch liegt hier offensichtlich nicht vor.
(3.) Ein Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung beruhen kann, ist weder dargetan noch erkennbar.
Das Vorbringen des Klägers zielt letztlich in der Sache allein darauf, das Ergebnis der Beweiswürdigung des SG und damit die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Die Geltendmachung einer sachlichen Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung stellt nach § 144 Abs. 2 SGG indes keinen Grund dar, eine kraft Gesetzes ausgeschlossene Berufung zuzulassen.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Das angefochtene Urteil vom 26. März 2010 wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
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