Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 17/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2936/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 08.05.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der seit dem 01.05.2006 gewährten Rente wegen Erwerbsminderung streitig, insbesondere ob diese mit einem verminderten Zugangsfaktor zu berechnen ist.
Der am 31.10.1947 geborene Kläger erlernte von 1963 bis 1966 den Beruf eines Maschinenschlossers. Ab April 1969 war der Kläger bei der Firma H. GmbH & Co. KG als Dreher und Schweißer versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Januar 2005 ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt.
Am 30.01.2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 02.03.2006 gewährte die Beklagte eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.05.2005 bis längstens zur Vollendung des 65. Lebensjahrs in Höhe von monatlich 423,59 EUR. Die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (EP) erfolgte in der Anlage 6 zum Bescheid. Die Summe aller EP belief sich auf 40,1836 Punkte. Die Beklagte minderte den Zugangsfaktor von 1,0 nach § 77 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SG VI) für 36 Kalendermonate (36 x 0,003 = 0,108) und berücksichtigte deshalb nur 35,8438 EP.
Hiergegen legte der Kläger am 13.03.2006 Widerspruch ein, mit dem er die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrte. Den Widerspruch nahm der Kläger am 27.03.2006 zurück.
Am 04.05.2006 beantragte der Kläger die Überprüfung und Erteilung eines Zugunstenbescheides, da es sich bei der Rücknahme des Widerspruchs um ein Missverständnis gehandelt habe. Mit Bescheid vom 18.05.2006 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 02.03.2006 ab, da weder die Voraussetzungen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) noch die des § 48 Abs 1 SGB X vorlägen. Mit Bescheid vom 24.05.2006 berechnete die Beklagte die Rente aufgrund der Änderung der Höhe des Hinzuverdienstes neu. Für die Zeit vom 01.06. bis 30.06.2006 ergebe sich eine Überzahlung von 423,59 EUR, die mit einer Forderung der Agentur für Arbeit E. verrechnet werde.
Gegen den Bescheid vom 24.05.2006 legte der Kläger am 12.06.2006 Widerspruch ein und nahm diesen am 17.07.2006 zurück.
Am 07.08.2006 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Aufgrund eines zuvor gestellten Reha-Antrags vom 21.04.2006 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 23.08.2006 dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2006 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres in Höhe von monatlich 847,40 EUR. Die Ermittlung der EP erfolgte in der Anlage 6 zum Bescheid. Die Summe aller EP belief sich auf 40,1951 Punkte. Die Beklagte minderte den Zugangsfaktor von 1,0 um 36 Kalendermonate (36 x 0,003 = 0,108) und berücksichtigte deshalb nur 35,8541 EP. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Entscheidung ohne eine Höherbewertung für Zeiten wegen einer nichterwerbsmäßigen Pflege eines Kindes ergehe, da noch Ermittlungen abzuwarten seien. Nach Abschluss der Ermittlungen werde ggfs die Rente neu festgestellt.
Hiergegen erhob der Kläger am 11.09.2006 Widerspruch, mit dem er unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.05.2006 (B 4 RA 22/05 R) die Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 sowie die Überprüfung des Rentenbescheids über eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung begehrte. Auch könne nunmehr die Rente für den Monat September 2006 gezahlt werden, da die Bundesagentur für Arbeit in diesem Monat keine Leistung erbracht habe. Des Weiteren erwarte man das Ergebnis der Überprüfung der Höherbewertung für Zeiten wegen einer nichterwerbsmäßigen Pflege eines Kindes. Diese Frage sei jedoch nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Mit Schreiben vom 11.09.2006 ging die Beklagte auf den klägerischen Vortrag näher ein und wies darauf hin, dass letztlich nur über den Widerspruch gegen die Minderung des Zugangsfaktors zu entscheiden sei, da über den Antrag nach § 44 SGB X erst entschieden werden könne, wenn die Entscheidungsgründe zum genannten Urteil des BSG vom 16.05.2006 vorlägen. Im Übrigen sei die Rentennachzahlung für September 2006 bereits erfolgt. Daraufhin teilte der Kläger am 05.12.2006 mit, dass allein über die Berücksichtigung des Zugangsfaktors von 1,0 bei der Rente wegen voller Erwerbsminderung zu entscheiden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, der angegriffene Bescheid vom 23.08.2006 entspreche der Sach- und Rechtslage. Dem Urteil des BSG vom 16.05.2006 könne nicht gefolgt werden. In der Anlage 6 des Bescheids vom 02.03.2006 sei erläutert worden, weshalb der Zugangsfaktor um 0,108 habe vermindert werden müssen. Bei der anschließend ab 01.05.2006 zuerkannten Rente wegen voller Erwerbsminderung ergebe sich aus § 77 Abs 3 SGB VI, dass diejenigen EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente gewesen seien, der frühere Zugangsfaktor maßgebend bleibe. Dies gelte nach Satz 2 der genannten Vorschrift nicht für die Hälfte der EP, die Grundlage einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gewesen seien. Die Hälfte der EP der bereits festgestellten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung behalte daher den Zugangsfaktor 0,892, wie aus Anlage 6 des Bescheids vom 23.08.2006 zu entnehmen sei. Im Übrigen vermindere sich der Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat nach dem 31.10.2007 bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Vollendung des 63. Lebensjahres um einen Wert von 0,003, so dass sich für 36 Monate unter Berücksichtigung der EP, die noch nicht Grundlage einer Rente gewesen seien, letztlich eine Kürzung des Zugangsfaktors auf einen Wert von 0,892 ergebe. Insofern werde auf Anlage 6 des Bescheids vom 23.08.2006 Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 20.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2007 hat die Beklagte den Antrag auf Neufeststellung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.05.2005 zurückgewiesen.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.12.2006 hat der Kläger am 03.01.2007 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und geltend gemacht, der Bescheid vom 23.08.2006 sei insofern zu ändern, als ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren sei. Eine Kürzung von 10,8 % seiner Rente sei nicht hinnehmbar. Auch das BSG habe in seinem Urteil vom 16.05.2006 dargelegt, dass die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften nicht im Einklang mit dem geltenden Recht stünden. Die Beklagte habe nicht dargelegt, weshalb sie dem Urteil des BSG nicht folge.
Mit Urteil vom 08.05.2008 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe den Zugangsfaktor korrekt mit 0,892 bestimmt. Der Entscheidung des BSG vom 16.05.2006 sei nicht zu folgen, da gegen die vom BSG vorgenommene Auslegung insbesondere die Entstehungsgeschichte, der Wortlaut und die Systematik der Norm sprächen. Durch diese Auslegung des § 77 SGB VI werde auch nicht Artikel 14 Grundgesetz (GG) verletzt.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 02.06.2008 zugestellte Urteil hat dieser am 01.07.2008 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt (Az: L 11 R 3123/08). Die Berufung wurde nicht begründet. Nach Hinweis des Senats, dass sowohl der 5. Senat des BSG am 14.08.2008 (B 5 R 32/07 R; B 5 R 88/07 R; B 5 R 98/07 R und B 5 R 140/07 R) als auch der 13. Senat des BSG am 26.06.2008 (B 13 R 9/08 R) die zu dieser Rechtsfrage anhängigen Revisionen zurückgewiesen habe und der Rechtsprechung des 4. Senats nicht gefolgt worden sei, haben die Beteiligten das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf die Verfassungsbeschwerde (Az: 1 BvR 1262/10) beantragt. Mit Beschluss vom 17.03.2009 wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Am 07.07.20011 hat die Beklagte beantragt, das Berufungsverfahren wieder aufzunehmen. Das Verfahren wird seither unter dem Az L 11 R 2936/11 geführt.
Mit Schreiben vom 19.10.2011 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden habe, dass die Absenkung des Zugangsfaktors für Erwerbsminderungsrenten verfassungsgemäß sei. Daher werde eine Entscheidung gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angekündigt. Die Beteiligten haben sich ausdrücklich mit einer Entscheidung durch Beschluss einverstanden erklärt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 08.05.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 23.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2006 zu verpflichten, ihm ab 01.05.2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten gehört.
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2006 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Streitgegentand ist nach dem im Klageverfahren gestellten Antrag des Klägers allein die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2006 unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren. Nicht streitgegenständlich ist hingegen die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.05.2005 ebenfalls unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren. Denn der Bescheid der Beklagten vom 20.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2007 ist nicht Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits.
Umstritten ist zwischen den Beteiligten daher allein, ob die Beklagte berechtigt war, bei der Berechnung der vollen Erwerbsminderungsrente ab dem 01.05.2006 den Zugangsfaktor und damit auch die persönlichen EP zu vermindern.
Die Bemessung des Zugangsfaktors richtet sich nach § 77 SGB VI idF der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl I S 754). Der Zugangsfaktor richtet sich gemäß Abs 1 dieser Vorschrift nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Er ist für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen EP einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0 (Abs 2 Satz 1 Nr 3). Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres, ist die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend. Die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten gilt nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme (Abs 2 Satz 2 und 3). Für diejenigen EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente waren, bleibt der frühere Zugangsfaktor maßgebend (Abs 3 Satz 1). Dies gilt nicht für die Hälfte der EP, die Grundlage einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung waren (Abs 3 Satz 2).
Die Beklagte hat diese Regelungen in verfassungsgemäßer Weise angewandt. Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen. Insbesondere bestehen keine verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 77 Abs 2 SGB VI. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 18.05.2010 (L 11 R 5537/09) dargelegt. Der Senat schließt sich daher den Ausführungen des SG vollumfänglich an und sieht deshalb gemäß § 153 Abs 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass nicht nur das BSG in mehreren Urteilen (vom 14.08.2008 in den Verfahren B 5 R 32/07 R, B 5 R 88/07 R, B 5 R 98/07 R und B 5 R 140/07 R und Beschluss vom 26.06.2008 in dem Verfahren B 13 R 11/08 S) ausführlich dargelegt hat, dass die Regelung des § 77 Abs 2 SGB VI nicht gegen das GG verstößt, sondern nunmehr auch das BVerfG entschieden hat, dass die Absenkung des Zugangsfaktors bei der Berechnung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei vorzeitigem Renteneintritt verfassungsgemäß ist (Beschluss vom 11.01.2011, 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09, BVerfGE 128, 138 = SozR 4-2600 § 77 Nr 9).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der seit dem 01.05.2006 gewährten Rente wegen Erwerbsminderung streitig, insbesondere ob diese mit einem verminderten Zugangsfaktor zu berechnen ist.
Der am 31.10.1947 geborene Kläger erlernte von 1963 bis 1966 den Beruf eines Maschinenschlossers. Ab April 1969 war der Kläger bei der Firma H. GmbH & Co. KG als Dreher und Schweißer versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Januar 2005 ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt.
Am 30.01.2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 02.03.2006 gewährte die Beklagte eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.05.2005 bis längstens zur Vollendung des 65. Lebensjahrs in Höhe von monatlich 423,59 EUR. Die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (EP) erfolgte in der Anlage 6 zum Bescheid. Die Summe aller EP belief sich auf 40,1836 Punkte. Die Beklagte minderte den Zugangsfaktor von 1,0 nach § 77 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SG VI) für 36 Kalendermonate (36 x 0,003 = 0,108) und berücksichtigte deshalb nur 35,8438 EP.
Hiergegen legte der Kläger am 13.03.2006 Widerspruch ein, mit dem er die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrte. Den Widerspruch nahm der Kläger am 27.03.2006 zurück.
Am 04.05.2006 beantragte der Kläger die Überprüfung und Erteilung eines Zugunstenbescheides, da es sich bei der Rücknahme des Widerspruchs um ein Missverständnis gehandelt habe. Mit Bescheid vom 18.05.2006 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 02.03.2006 ab, da weder die Voraussetzungen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) noch die des § 48 Abs 1 SGB X vorlägen. Mit Bescheid vom 24.05.2006 berechnete die Beklagte die Rente aufgrund der Änderung der Höhe des Hinzuverdienstes neu. Für die Zeit vom 01.06. bis 30.06.2006 ergebe sich eine Überzahlung von 423,59 EUR, die mit einer Forderung der Agentur für Arbeit E. verrechnet werde.
Gegen den Bescheid vom 24.05.2006 legte der Kläger am 12.06.2006 Widerspruch ein und nahm diesen am 17.07.2006 zurück.
Am 07.08.2006 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Aufgrund eines zuvor gestellten Reha-Antrags vom 21.04.2006 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 23.08.2006 dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2006 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres in Höhe von monatlich 847,40 EUR. Die Ermittlung der EP erfolgte in der Anlage 6 zum Bescheid. Die Summe aller EP belief sich auf 40,1951 Punkte. Die Beklagte minderte den Zugangsfaktor von 1,0 um 36 Kalendermonate (36 x 0,003 = 0,108) und berücksichtigte deshalb nur 35,8541 EP. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Entscheidung ohne eine Höherbewertung für Zeiten wegen einer nichterwerbsmäßigen Pflege eines Kindes ergehe, da noch Ermittlungen abzuwarten seien. Nach Abschluss der Ermittlungen werde ggfs die Rente neu festgestellt.
Hiergegen erhob der Kläger am 11.09.2006 Widerspruch, mit dem er unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.05.2006 (B 4 RA 22/05 R) die Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 sowie die Überprüfung des Rentenbescheids über eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung begehrte. Auch könne nunmehr die Rente für den Monat September 2006 gezahlt werden, da die Bundesagentur für Arbeit in diesem Monat keine Leistung erbracht habe. Des Weiteren erwarte man das Ergebnis der Überprüfung der Höherbewertung für Zeiten wegen einer nichterwerbsmäßigen Pflege eines Kindes. Diese Frage sei jedoch nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Mit Schreiben vom 11.09.2006 ging die Beklagte auf den klägerischen Vortrag näher ein und wies darauf hin, dass letztlich nur über den Widerspruch gegen die Minderung des Zugangsfaktors zu entscheiden sei, da über den Antrag nach § 44 SGB X erst entschieden werden könne, wenn die Entscheidungsgründe zum genannten Urteil des BSG vom 16.05.2006 vorlägen. Im Übrigen sei die Rentennachzahlung für September 2006 bereits erfolgt. Daraufhin teilte der Kläger am 05.12.2006 mit, dass allein über die Berücksichtigung des Zugangsfaktors von 1,0 bei der Rente wegen voller Erwerbsminderung zu entscheiden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, der angegriffene Bescheid vom 23.08.2006 entspreche der Sach- und Rechtslage. Dem Urteil des BSG vom 16.05.2006 könne nicht gefolgt werden. In der Anlage 6 des Bescheids vom 02.03.2006 sei erläutert worden, weshalb der Zugangsfaktor um 0,108 habe vermindert werden müssen. Bei der anschließend ab 01.05.2006 zuerkannten Rente wegen voller Erwerbsminderung ergebe sich aus § 77 Abs 3 SGB VI, dass diejenigen EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente gewesen seien, der frühere Zugangsfaktor maßgebend bleibe. Dies gelte nach Satz 2 der genannten Vorschrift nicht für die Hälfte der EP, die Grundlage einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gewesen seien. Die Hälfte der EP der bereits festgestellten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung behalte daher den Zugangsfaktor 0,892, wie aus Anlage 6 des Bescheids vom 23.08.2006 zu entnehmen sei. Im Übrigen vermindere sich der Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat nach dem 31.10.2007 bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Vollendung des 63. Lebensjahres um einen Wert von 0,003, so dass sich für 36 Monate unter Berücksichtigung der EP, die noch nicht Grundlage einer Rente gewesen seien, letztlich eine Kürzung des Zugangsfaktors auf einen Wert von 0,892 ergebe. Insofern werde auf Anlage 6 des Bescheids vom 23.08.2006 Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 20.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2007 hat die Beklagte den Antrag auf Neufeststellung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.05.2005 zurückgewiesen.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.12.2006 hat der Kläger am 03.01.2007 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und geltend gemacht, der Bescheid vom 23.08.2006 sei insofern zu ändern, als ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren sei. Eine Kürzung von 10,8 % seiner Rente sei nicht hinnehmbar. Auch das BSG habe in seinem Urteil vom 16.05.2006 dargelegt, dass die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften nicht im Einklang mit dem geltenden Recht stünden. Die Beklagte habe nicht dargelegt, weshalb sie dem Urteil des BSG nicht folge.
Mit Urteil vom 08.05.2008 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe den Zugangsfaktor korrekt mit 0,892 bestimmt. Der Entscheidung des BSG vom 16.05.2006 sei nicht zu folgen, da gegen die vom BSG vorgenommene Auslegung insbesondere die Entstehungsgeschichte, der Wortlaut und die Systematik der Norm sprächen. Durch diese Auslegung des § 77 SGB VI werde auch nicht Artikel 14 Grundgesetz (GG) verletzt.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 02.06.2008 zugestellte Urteil hat dieser am 01.07.2008 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt (Az: L 11 R 3123/08). Die Berufung wurde nicht begründet. Nach Hinweis des Senats, dass sowohl der 5. Senat des BSG am 14.08.2008 (B 5 R 32/07 R; B 5 R 88/07 R; B 5 R 98/07 R und B 5 R 140/07 R) als auch der 13. Senat des BSG am 26.06.2008 (B 13 R 9/08 R) die zu dieser Rechtsfrage anhängigen Revisionen zurückgewiesen habe und der Rechtsprechung des 4. Senats nicht gefolgt worden sei, haben die Beteiligten das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf die Verfassungsbeschwerde (Az: 1 BvR 1262/10) beantragt. Mit Beschluss vom 17.03.2009 wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Am 07.07.20011 hat die Beklagte beantragt, das Berufungsverfahren wieder aufzunehmen. Das Verfahren wird seither unter dem Az L 11 R 2936/11 geführt.
Mit Schreiben vom 19.10.2011 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden habe, dass die Absenkung des Zugangsfaktors für Erwerbsminderungsrenten verfassungsgemäß sei. Daher werde eine Entscheidung gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angekündigt. Die Beteiligten haben sich ausdrücklich mit einer Entscheidung durch Beschluss einverstanden erklärt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 08.05.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 23.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2006 zu verpflichten, ihm ab 01.05.2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten gehört.
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.2006 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Streitgegentand ist nach dem im Klageverfahren gestellten Antrag des Klägers allein die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2006 unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren. Nicht streitgegenständlich ist hingegen die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.05.2005 ebenfalls unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren. Denn der Bescheid der Beklagten vom 20.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2007 ist nicht Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits.
Umstritten ist zwischen den Beteiligten daher allein, ob die Beklagte berechtigt war, bei der Berechnung der vollen Erwerbsminderungsrente ab dem 01.05.2006 den Zugangsfaktor und damit auch die persönlichen EP zu vermindern.
Die Bemessung des Zugangsfaktors richtet sich nach § 77 SGB VI idF der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl I S 754). Der Zugangsfaktor richtet sich gemäß Abs 1 dieser Vorschrift nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Er ist für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen EP einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0 (Abs 2 Satz 1 Nr 3). Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres, ist die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend. Die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten gilt nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme (Abs 2 Satz 2 und 3). Für diejenigen EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente waren, bleibt der frühere Zugangsfaktor maßgebend (Abs 3 Satz 1). Dies gilt nicht für die Hälfte der EP, die Grundlage einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung waren (Abs 3 Satz 2).
Die Beklagte hat diese Regelungen in verfassungsgemäßer Weise angewandt. Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen. Insbesondere bestehen keine verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 77 Abs 2 SGB VI. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 18.05.2010 (L 11 R 5537/09) dargelegt. Der Senat schließt sich daher den Ausführungen des SG vollumfänglich an und sieht deshalb gemäß § 153 Abs 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass nicht nur das BSG in mehreren Urteilen (vom 14.08.2008 in den Verfahren B 5 R 32/07 R, B 5 R 88/07 R, B 5 R 98/07 R und B 5 R 140/07 R und Beschluss vom 26.06.2008 in dem Verfahren B 13 R 11/08 S) ausführlich dargelegt hat, dass die Regelung des § 77 Abs 2 SGB VI nicht gegen das GG verstößt, sondern nunmehr auch das BVerfG entschieden hat, dass die Absenkung des Zugangsfaktors bei der Berechnung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei vorzeitigem Renteneintritt verfassungsgemäß ist (Beschluss vom 11.01.2011, 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09, BVerfGE 128, 138 = SozR 4-2600 § 77 Nr 9).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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