Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 1144/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4888/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 25. Oktober 2011 aufgehoben und der Antragstellerin unter Beiordnung von Rechtsanwalt K., G., Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Ulm S 2 AS 1144/10 bewilligt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde ist statthaft, da ein Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 SGG nicht einschlägig ist. Sie ist auch im Übrigen zulässig und begründet.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in juris; Bundessozialgericht [BSG] vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 = SozR 3-1500 § 62 Nr. 19; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe bestehen hinreichende Erfolgsaussichten für die Klage, mit der die Übernahme der Kosten für die durch die Klägerin selbst getätigte Anschaffung von Mobiliar in Höhe von 1.162,10 EUR als Erstausstattung i.S.d. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.d.F. vom 20. Juli 2006 begehrt wird.
§ 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II i.d.F. vom 20. Juli 2006 räumt der Beklagten ein Auswahlermessen bei der Leistungserbringung dergestalt ein, dass sie die Leistungen entweder als Sachleistungen oder als Geldleistungen erbringen kann. Dieses Auswahlermessen kann die Beklagte nach der Selbstbeschaffung der Möbel durch die Klägerin nicht mehr ausüben. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Geldleistung scheitert demnach dann, wenn keine Gesichtspunkte vorliegen, die das Ermessen der Beklagten im Sinne einer Ermessensreduktion auf Null einschränken (BSG vom 19. August 2010 - B 14 AS 36/09 R - juris Rdnr. 18).
Eine solche Ermessensreduktion ergibt sich nicht schon aufgrund von Verwaltungsinnenrecht. Vielmehr bestehen hier zulässigerweise verwaltungsinterne Regelungen, wonach die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen regelmäßig dahingehend ausübt, Sachleistungen zu gewähren. Durch den Erlass solchen Verwaltungsinnenrechts legt sich die Behörde auf eine Verwaltungspraxis fest, die dem Inhalt des Verwaltungsinnenrecht entspricht und von der nur aus sachlichen Gründen abgewichen werden darf (Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung). Aufgrund der objektiv-rechtlichen Wirkung des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG ist die Behörde dadurch gehalten, die von ihr durch interne Richtlinie gesetzten Grundsätze der Ermessensausübung einzuhalten und darf von ihnen ohne rechtfertigenden Grund auch nicht zugunsten des Betroffenen abweichen. Eine Besonderheit des Einzelfalls, aufgrund der vorliegend eine Abweichung von der Verwaltungspraxis und weitergehend eine Ermessensreduktion im Hinblick auf eine zwingende Geldleistung angezeigt sein könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere hätte der Bedarf der Klägerin in dem Zeitpunkt, in dem er entstanden ist, grundsätzlich auch anderweitig als durch Geldleistungen gedeckt werden können (vgl. BSG a.a.O.).
Auch wenn im Ergebnis ein Leistungsanspruch auf Geld unmittelbar aus § 23 Abs. 3 SGB II demnach nicht bestehen sollte, stellt sich aber im Hinblick auf die von der Klägerin selbst beschafften Leistungen die Frage eines Kostenerstattungsanspruchs. Wie das Bundessozialgericht bereits wiederholt entschieden hat, ist die Erstattung von Kosten bei Selbstbeschaffung u. a. im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht (vgl. BSG a.a.O., Rdnr. 21 f.; BSGE 84, 50, 56 f. = SozR 3-3300 § 12 Nr. 1 S. 8 - juris Rdnr. 36). Liegen seine Voraussetzungen vor, wandelt sich auch im Anwendungsbereich des SGB II ein Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch gerichtet auf Geld um. Eine Kostenerstattung kommt indes grundsätzlich erst bei Selbstbeschaffung einer Leistung nach einer rechtswidrigen Leistungsablehnung in Betracht, da nur dann es dem Träger möglich ist, sein Auswahlermessen pflichtgemäß auszuüben (BSG vom 19. August 2010, a.a.O., juris Rdnr. 22).
Vorliegend war die zunächst mit Bescheid vom 5. November 2009 verfügte Ablehnung des klägerischen Antrags bereits deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte unter Verweis auf die leihweise Überlassung von Möbelstücken durch die Gemeinde R. den Antrag abgelehnt hat; die Beklagte hat demnach bereits das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einer Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.d.F. vom 20. Juli 2006 und demgemäß sowohl eine Erbringung in Form einer Sach- wie auch einer Geldleistung (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II i.d.F. vom 20. Juli 2006) abgelehnt. Allerdings ist vorliegend streitig, ob die Klägerin zunächst ausschließlich eine Geldleistung beantragt und erstmalig im Rahmen des Widerspruchs (auch) ihr Einverständnis mit einer Sachleistung erklärt hat. In diesem Falle läge im Widerspruch der erstmalige Antrag auf Sachleistungen, dem die Beklagte dann ja auch mit Abhilfebescheid vom 21. Januar 2010 entsprochen hat. Eine solchermaßen beschränkte ursprüngliche Antragstellung ist aber zwischen den Beteiligten umstritten; die Klägerin hat im Klageverfahren dies bestritten. Diesbezüglich dürften weitere Sachverhaltsermittlungen durch das SG bspw. durch eine Vernehmung des zuständigen Sachbearbeiters der Beklagten angezeigt sein. Damit kommt aber eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht, ohne dass konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der Klägerin ausgehen wird. Da auch im Übrigen die Voraussetzungen für eine PKH-Gewährung vorlagen, war diese zu gewähren.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§§ 73a SGG, 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde ist statthaft, da ein Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 SGG nicht einschlägig ist. Sie ist auch im Übrigen zulässig und begründet.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in juris; Bundessozialgericht [BSG] vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 = SozR 3-1500 § 62 Nr. 19; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe bestehen hinreichende Erfolgsaussichten für die Klage, mit der die Übernahme der Kosten für die durch die Klägerin selbst getätigte Anschaffung von Mobiliar in Höhe von 1.162,10 EUR als Erstausstattung i.S.d. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.d.F. vom 20. Juli 2006 begehrt wird.
§ 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II i.d.F. vom 20. Juli 2006 räumt der Beklagten ein Auswahlermessen bei der Leistungserbringung dergestalt ein, dass sie die Leistungen entweder als Sachleistungen oder als Geldleistungen erbringen kann. Dieses Auswahlermessen kann die Beklagte nach der Selbstbeschaffung der Möbel durch die Klägerin nicht mehr ausüben. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Geldleistung scheitert demnach dann, wenn keine Gesichtspunkte vorliegen, die das Ermessen der Beklagten im Sinne einer Ermessensreduktion auf Null einschränken (BSG vom 19. August 2010 - B 14 AS 36/09 R - juris Rdnr. 18).
Eine solche Ermessensreduktion ergibt sich nicht schon aufgrund von Verwaltungsinnenrecht. Vielmehr bestehen hier zulässigerweise verwaltungsinterne Regelungen, wonach die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen regelmäßig dahingehend ausübt, Sachleistungen zu gewähren. Durch den Erlass solchen Verwaltungsinnenrechts legt sich die Behörde auf eine Verwaltungspraxis fest, die dem Inhalt des Verwaltungsinnenrecht entspricht und von der nur aus sachlichen Gründen abgewichen werden darf (Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung). Aufgrund der objektiv-rechtlichen Wirkung des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG ist die Behörde dadurch gehalten, die von ihr durch interne Richtlinie gesetzten Grundsätze der Ermessensausübung einzuhalten und darf von ihnen ohne rechtfertigenden Grund auch nicht zugunsten des Betroffenen abweichen. Eine Besonderheit des Einzelfalls, aufgrund der vorliegend eine Abweichung von der Verwaltungspraxis und weitergehend eine Ermessensreduktion im Hinblick auf eine zwingende Geldleistung angezeigt sein könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere hätte der Bedarf der Klägerin in dem Zeitpunkt, in dem er entstanden ist, grundsätzlich auch anderweitig als durch Geldleistungen gedeckt werden können (vgl. BSG a.a.O.).
Auch wenn im Ergebnis ein Leistungsanspruch auf Geld unmittelbar aus § 23 Abs. 3 SGB II demnach nicht bestehen sollte, stellt sich aber im Hinblick auf die von der Klägerin selbst beschafften Leistungen die Frage eines Kostenerstattungsanspruchs. Wie das Bundessozialgericht bereits wiederholt entschieden hat, ist die Erstattung von Kosten bei Selbstbeschaffung u. a. im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht (vgl. BSG a.a.O., Rdnr. 21 f.; BSGE 84, 50, 56 f. = SozR 3-3300 § 12 Nr. 1 S. 8 - juris Rdnr. 36). Liegen seine Voraussetzungen vor, wandelt sich auch im Anwendungsbereich des SGB II ein Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch gerichtet auf Geld um. Eine Kostenerstattung kommt indes grundsätzlich erst bei Selbstbeschaffung einer Leistung nach einer rechtswidrigen Leistungsablehnung in Betracht, da nur dann es dem Träger möglich ist, sein Auswahlermessen pflichtgemäß auszuüben (BSG vom 19. August 2010, a.a.O., juris Rdnr. 22).
Vorliegend war die zunächst mit Bescheid vom 5. November 2009 verfügte Ablehnung des klägerischen Antrags bereits deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte unter Verweis auf die leihweise Überlassung von Möbelstücken durch die Gemeinde R. den Antrag abgelehnt hat; die Beklagte hat demnach bereits das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einer Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.d.F. vom 20. Juli 2006 und demgemäß sowohl eine Erbringung in Form einer Sach- wie auch einer Geldleistung (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II i.d.F. vom 20. Juli 2006) abgelehnt. Allerdings ist vorliegend streitig, ob die Klägerin zunächst ausschließlich eine Geldleistung beantragt und erstmalig im Rahmen des Widerspruchs (auch) ihr Einverständnis mit einer Sachleistung erklärt hat. In diesem Falle läge im Widerspruch der erstmalige Antrag auf Sachleistungen, dem die Beklagte dann ja auch mit Abhilfebescheid vom 21. Januar 2010 entsprochen hat. Eine solchermaßen beschränkte ursprüngliche Antragstellung ist aber zwischen den Beteiligten umstritten; die Klägerin hat im Klageverfahren dies bestritten. Diesbezüglich dürften weitere Sachverhaltsermittlungen durch das SG bspw. durch eine Vernehmung des zuständigen Sachbearbeiters der Beklagten angezeigt sein. Damit kommt aber eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht, ohne dass konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der Klägerin ausgehen wird. Da auch im Übrigen die Voraussetzungen für eine PKH-Gewährung vorlagen, war diese zu gewähren.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§§ 73a SGG, 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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