S 2 R 85/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 85/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union - Voraussetzungen zur Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung bei gewöhnlichem Auslandsaufenthalt - Verstoß gegen Art. 44 Abs. 2 EGV 987/2009
Das Verfahren wird ausgesetzt. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 44 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16.09.2009 folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Bestimmung des Art. 44 Abs. 2 der Verordnung 987/2009/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16.09.2009 über die Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaates entgegensteht, wonach Kindererziehungszeiten, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zurückgelegt wurden, nur dann wie solche, die im Inland zurückgelegt wurden, anzuerkennen sind, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat oder wenn bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB VI genannten Personen gehörte oder nach § 6 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit war ( §§ 56 Abs. 3, Satz 2,3; 57; 249 SGB VI).

2. Ist die Bestimmung des Art. 44 Abs. 2 der Verordnung 987/2009/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16.09.2009 über die Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit über den Wortlaut hinaus dahin auszulegen, dass im Ausnahmefall auch ohne eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit eine Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten erfolgen muss, wenn sonst eine solche weder im zuständigen Mitgliedstaat, noch in einem anderen Mitgliedstaat, in dem sich die Person während der Erziehung der Kinder gewöhnlich aufgehalten hat, nach den jeweiligen Rechts-vorschriften angerechnet wird.

Gründe:

(1) Verfahrensverlauf

Die Klägerin war im Zeitraum vom 01.07.1980 bis zum 30.06.1986 mit ihrem Ehemann, der als Profifußballer bei einem belgischen Verein in Beveren unter Vertrag stand, in Belgien wohnhaft. Das Ehepaar hat zwei Söhne, J. und C., die am 25.05.1981 bzw. am 29.10.1984 in Belgien geboren wurden.

Mit Bescheiden vom 12.08.2008 und 28.10.2008 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Vormerkung und Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten während des Aufenthaltes in Belgien ab, weil die Kinder in dieser Zeit im Ausland erzogen worden seien. Nur die Zeiten ab dem 01.07.1986, ab welchem die Familie wieder gemeinsam in Deutschland gemeldet war, wurden als Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung von der Beklagten anerkannt.

Den Widerspruch der Klägerin vom 01.12.2008 wies die Beklagte mit Wider-spruchsbescheid vom 29.01.2009 zurück. Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung könnten anerkannt werden, wenn die Erziehung des Kindes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sei oder einer solchen gleichstehe (§ 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB VI, § 57 Satz 1 SGB VI). Sofern sich der erziehende Elternteil mit dem Kind in Deutschland gewöhnlich aufgehalten habe, liege eine Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vor (§ 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall, da deren Kinder am 01.07.1986 erstmals einwohnermelderechtlich in der Bundesrepublik Deutschland gemeldet gewesen seien und somit davon ausgegangen werden könne, dass vorher der gewöhnliche Aufenthalt nicht in Deutschland, sondern in Belgien vorgelegen habe. Nach § 56 Abs. 3 Satz 3 SGB VI seien Pflichtbeitragszeiten nach dem SGB VI erforderlich. Hierunter fielen keine belgischen Beitragszeiten, welche beim Ehemann vorlägen. Außerdem habe der Ehegatte deutsche Pflichtbeitragszeiten nicht deshalb nicht, weil er nach § 5 Abs. 1 und 4 SGB VI in der deutschen Rentenversicherung beitragsfrei gewesen sei. Auch die Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI lägen nicht vor. Denn der Bezug zur deutschen Arbeitswelt sei weder durch ein eigenes noch durch das Beschäftigungsverhältnis des Ehegatten während des Aufenthaltes in Belgien erhalten geblieben. Die Klägerin habe in Belgien keine Beschäftigung aufgenommen. Beim Ehegatten habe eine Entsendung nach § 4 SGB IV nicht vorgelegen. Auch nach europarechtskonformer Auslegung der deutschen Rechtsvorschriften habe die Beklagte zu keinem anderen Ergebnis kommen können, da die Anerkennung deutscher Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten nur dann über Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 in Betracht komme, wenn das Kind in einem Staat erzogen werde, dessen Rechtsvorschriften keine Kindererziehungszeiten vorsehe. Die Klägerin habe in Belgien, welches Kindererziehungszeiten vorsehe, keine anrechenbaren Versicherungszeiten zurückgelegt, da sie keine Beiträge zur belgi-schen Sozialversicherung gezahlt habe. Mithin habe auch keine Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitglied-staates erfolgen können. Eine Berücksichtigung der Erziehungszeiten in Belgien sei nur dann möglich ge-wesen, wenn die Klägerin am Stichtag (d.h. dem Beginn der Erziehung bzw. der Geburt des Kindes) eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit in Deutschland ausgeübt hätte, Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009. Die erforderliche enge Verbindung zwischen der Kindererziehungsleistung und der vorherigen Erwerbstätigkeit bestehe nach deutschem Recht nur dann, wenn weniger als ein voller Kalendermonat zwischen dem Ende der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit und dem Beginn der Erziehung liege. Diesbezüglich stehe der Bezug einer Entgeltersatzleistung – wie hier des Arbeitslosengeldes – einer Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten nicht entgegen (Art 11 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004). Die Klägerin habe bis zum 30.06.1980 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden, welches der Versicherungspflicht in Deutschland unterlegen habe und habe anschließend bis zum 10.10.1980 Arbeitslosengeld bezogen. Zwischen dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges, der eine Beschäftigung fingiere, und dem Beginn der Erziehung mit Geburt des ersten Kindes am 25.05.1981 lägen aber mehr als ein Kalendermonat. Demnach könne nicht von einer engen Verbindung gesprochen werden. Genauso verhalte es sich auch beim zweiten Kind, das am 29.10.1984 in Belgien geboren worden sei. Somit könnten auch keine Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten (Erstes Kind: 25.05.1981 - 30.06.1986; Zweites Kind: 29.10.1984 - 30.06.1986) gemäß Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 anerkannt werden, da die Kinder in dieser Zeit in Belgien erzogen und unmittelbar vor dem Beginn der Erziehung keine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit in Deutschland ausgeübt worden sei.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 13.02.2009 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 28.10.2008 in Form des Widerspruchsbescheids vom 29.01.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeiträume vom 25.05.1981 bis 30.06.1986 bzgl. des Sohnes J. und vom 29.10.1984 bis 30.06.1986 bzgl. des Sohnes C. als Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten anzuer-kennen.

Zur Begründung führt sie aus, § 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI greife im vorliegenden Fall ein. Denn der Ehegatte der Klägerin habe die erforderlichen Pflichtbeitragszeiten im Ausland (hier der belgischen Rentenversicherung) unmittelbar vor der Geburt des Kindes gehabt. Bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten im Ausland sei dies ausreichend, um der Klägerin die Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten zuzuerkennen. Zudem sei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Az.: C – 135/99) heran zu ziehen, nach der Kindererziehungszeiten, die eine zuvor in diesem Mitgliedstaat beschäftigte und in einem anderen Mitgliedstaat wohnhafte Person in letzterem zurückgelegt habe, für die Gewährung der Altersrente wie im Inland zurückgelegte Zeiten anzurechnen seien. In diesem vergleichbaren Fall sei eine enge Verbindung zur Bundesrepublik Deutschland aufgrund einer Berufstätigkeit angenommen worden. Auch werde auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahre 2002 (Az.: C – 28/00) verwiesen. Darüber hinaus trägt die Klägerin vor, sie sei nicht vollständig nach Belgien verzogen, sondern sie sei ständig bei zwei Wohnsitzen (einen davon in B.) gemeldet gewesen und durch den Hausbau in H./ Deutschland ab 1981 durchgehend mit Deutschland verbunden gewesen. Zudem habe sie sich häufig - nach ihren Angaben zu circa 50% - bei ihrer Mutter und ihren Schwiegereltern in Deutschland aufgehalten. Dies ergebe die nötige enge Verbindung zur Bundesrepublik Deutschland.

Die Beklagte hält an ihrer ablehnenden Auffassung fest. Lebensmittelpunkt der Klägerin und ihrer Kinder sei bis Ende Juni 1986 Belgien gewesen. Es könne bei einem Zeitraum von 6 Jahren auch nicht lediglich von einem vorübergehenden Aufenthalt in Belgien ausgegangen werden. Laut amtlicher Meldebescheinigung sei der Zuzug der Kinder nach Deutschland am 01.07.1986 erfolgt. Bis 30.06 1986 sei das eigene Haus, mit Ausnahme einer 6-monatigen Unterbrechung, vermietet gewesen. Die Kinder seien in Belgien ge-boren worden und in Belgien – wie die Klägerin und ihr Ehemann – krankenversichert gewesen. Die Impfungen und die Kinderuntersuchungen seien ebenfalls in Belgien erfolgt. Der Sohn J. habe zeitweise einen belgischen Kindergarten besucht.

Die Kammer hat am 16.09.2009 die Deutsche Rentenversicherung Rheinland (Vertragsanstalt für belgische Zeiten) zum Verfahren nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beigeladen.

Dem Vorschlag des Gerichts, sich auf die Anerkennung der Zeiten ab 01.01.1984 zu einigen, weil die Klägerin ab diesem Zeitpunkt freiwillige Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtete und dadurch eine engere Beziehung zu Deutschland als zu Belgien angenommen werden könne, folgten die Beteiligten nicht.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der beigezogenen Beklagtenakte und auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

(2) Vorlage

(a) Streitgegenstand ist die Vormerkung bzw. Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten durch die Beklagte für die Zeiträume vom 25.05.1981 bis zum 30.06.1986 (für das erste Kind J.) und vom 29.10.1984 bis zum 30.06.1986 (für das zweite Kind C.), in denen die Klägerin mit Ehemann und Kindern in Belgien als wohnhaft gemeldet waren.

(b) Festgestellt ist, dass die Klägerin mit ihren Kindern und ihrem Ehemann erst seit dem 01.07.1986 in Deutschland (H.) einwohnermelderechtlich erfasst sind und die Erziehung ab diesem Zeitpunkt ausschließlich im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgte. Während ihres Aufenthaltes in Belgien vom 01.07.1980 bis zum 30.06.1986 war die Klägerin in Belgien mit erstem Wohnsitz und in Deutschland mit zweitem Wohnsitz gemeldet.

Zudem wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2010 Feststellungen bezüglich des gewöhnlichen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland bzw. im Königreich Belgien getroffen, um die Frage nach der engeren Verbindung zu einem der beiden Mitgliedstaaten zu klären: Im Zeitraum von 1980 bis 1986 lief zunächst ein Profi-Vertrag des Ehemannes der Klägerin von 1980 bis 1982. Dieser wurde im Jahr 1982 um zwei Jahre bis 1984 verlängert. Im Jahr 1984 wurde der Vertrag erneut um zwei Jahre bis 1986 verlängert. Die Klägerin und ihre Kinder waren über ihren Ehemann in Belgien krankenversichert. Der ältere Sohn der Klägerin besuchte zeitweise (nicht regelmäßig, sondern tageweise) einen Kindergarten in Belgien. Die beiden Kinder waren bei Ärzten in Belgien, bei akuten Erkrankungen auch in Deutschland in Behandlung, je nachdem, in welchem Mitgliedstaat sich die Klägerin mit den Kindern gerade aufhielt. Impfungen und andere Voruntersuchungen fanden nur in Belgien statt. Der Hausbau der Klägerin und ihres Ehemannes in H./ Deutschland erfolgte 1981 bis 1982. Bis zum Einzug der klägerischen Familie zum 01.07.1986 wurde das Haus fast durchgehend vermietet (01.07.1982 bis 30.06.1984; 01.01.1985 bis 30.06.1986).

(c) Die nationalen Vorschriften zur Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten während eines Aufenthaltes in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union finden sich in §§ 56, 57, 249 SGB VI:

§ 56 SGBVI Kindererziehungszeiten

(1) Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn 1. die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, 2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und 3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

(2) Eine Erziehungszeit ist dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet. Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist. Die Zuordnung kann auf einen Teil der Erziehungszeit beschränkt werden. Die übereinstimmende Erklärung der Eltern ist mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben. Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Leistung bindend festgestellt, ein Versorgungsausgleich oder ein Rentensplitting durchgeführt. Für die Abgabe der Erklärung gilt § 16 des Ersten Buches über die Antragstellung ent-sprechend. Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, ist die Erziehungszeit der Mutter zuzuordnen. Haben mehrere Elternteile das Kind erzogen, ist die Erziehungszeit demjenigen zuzuordnen, der das Kind überwiegend erzogen hat, so-weit sich aus Satz 3 nicht etwas anderes ergibt.

(3) Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemein-samen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war.

(4) Elternteile sind von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie 1. während der Erziehungszeit oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt haben, die aufgrund a)einer zeitlich begrenzten Entsendung in dieses Gebiet (§ 5 Viertes Buch) oder b)einer Regelung des zwischen- oder überstaatlichen Rechts oder einer für Bedienstete internationaler Organisationen getroffenen Regelung (§ 6 Viertes Buch)den Vorschriften über die Versicherungspflicht nicht unterliegt, 2. während der Erziehungszeit zu den in § 5 Absatz 4 genannten Personen gehören oder 3. während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter nach beamten-rechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen oder nach den Regelungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung aufgrund der Erziehung erworben haben, die systembezogen gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch. (5) Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein wei-teres Kind erzogen, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist, wird die Kin-dererziehungszeit für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert.

§249 SGB VI: Beitragszeiten wegen Kindererziehung

(1) Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. (2) Bei der Anrechnung einer Kindererziehungszeit steht der Erziehung im Inland die Erziehung im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleich. Dies gilt nicht, wenn Beitragszeiten während desselben Zeitraums aufgrund einer Versicherungslastregelung mit einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden.

§ 57 SGB VI: Berücksichtigungszeiten

Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendeten zehnten Lebensjahr ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. Dies gilt für Zeiten einer mehr als nur geringfügig ausgeübten selbständigen Tätigkeit nur, soweit diese Zeiten auch Pflichtbeitragszeiten sind.

(d) Nach diesen Vorschriften besteht kein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung der streitigen Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten, die sie in Belgien zurückgelegt hat.

Eine Erziehung ist in diesem Zeitraum nicht in der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, da sich die Klägerin mit ihren Kindern dort nicht gewöhnlich aufgehalten hat (§ 56 Abs. 3 S. 1 SBG VI). Zwar trägt die Klägerin vor, sie habe die Hälfte der Zeit in Deutschland bei ihrer Mutter bzw. ihren Schwiegereltern verbracht. Dies wird von der Klägerin aber nicht schlüssig vorgetragen bzw. nachgewiesen. Da die Kinder in Belgien einwohnermelderechtlich gemeldet und dort krankenversichert waren und außerdem dort für Impfungen und regelmäßige Untersuchungen einen Arzt sowie tageweise einen Kindergarten besuchten, spricht weitaus mehr gegen die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes in Deutschland als dafür. Erst ab dem 01.07.1986 wurden die Kinder einwohnermelderechtlich in Haßfurt/ Deutschland erfasst.

Auch § 56 Abs. 3 S. 2 SGB VI kann einen Anspruch auf Anerkennung der Kindererziehungszeiten nicht begründen, da die Klägerin nicht während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer im Ausland ausgeübten Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung hatte. Die Klägerin selbst hat in Belgien nie eine Beschäftigung aufgenommen, hat somit während der Erziehung überhaupt keine Pflichtbeiträge geleistet. Auch unmittelbar vor der Geburt des ersten Kindes hat die Klägerin keine Pflichtbeiträge zur deutschen Rentenversicherung gezahlt. Das Unmittelbarkeitserfordernis ist nur dann erfüllt, wenn zwischen dem Ende der Beschäftigung und dem Beginn der Erziehung – also der Geburt des Kindes – kein unbelegter Kalendermonat liegt, also nicht mehr als ein voller Kalendermonat dazwischen liegt. Eine solche Lücke ist jedoch unschädlich, wenn in ihr nur Zeiten liegen, die an die Bindung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben unmittelbar anknüpfen, wie z. B. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder des Mutterschutzes. Die Klägerin stand bis zum 30.06.1980 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis in Deutschland und bezog anschließend bis zum 10.10.1980 Arbeitslosengeld, das insoweit eine Beschäftigung fingiert. Weitere Zeiten sind nicht festgestellt. Bis zur Geburt des ersten Kindes am 25.05.1981 sind demnach mit über sieben Monaten weit mehr als ein voller Kalendermonat seit Oktober 2010 vergangen, so dass wegen fehlender Unmittelbarkeit die Erziehung in Belgien nicht einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gleichsteht. Die Unmittelbarkeit wäre auch nicht gegeben, wenn man die (wohl zu Unrecht festgestellte) Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vom 11.10.80 bis 31.01.81 zum inländischen Arbeitsleben hinzurechnen und die Zeiten des Mutterschutzes ab 13.04.81 berücksichtigen würde.

Die Pflichtbeitragszeiten, die der Ehemann der Klägerin in Belgien geleistet hat, können nicht unter § 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI subsumiert werden. Unter Pflichtbeitragszeiten dieser Vorschrift fallen nur solche, die nach dem SGB VI erbracht wurden. Solche hat der Ehemann der Klägerin nicht geleistet. Dies auch nicht nur deshalb nicht, weil er nach § 5 Abs. 1, 4 SGB VI in der deutschen Rentenversicherung versicherungsfrei gewesen wäre oder nach § 6 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit gewesen wäre. Die belgischen Pflichtbeitragszeiten des Ehemannes der Klägerin können somit einen Anspruch aus § 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI nicht begründen.

Nach der deutschen Rechtsprechung zu § 56 Abs. 3 S. 2, 3 SGB VI können Kindererziehungszeiten im Ausland aber auch dann angerechnet werden, wenn bei tatsächlicher Ausübung einer Beschäftigung im Ausland der Bezug zur deutschen Arbeitswelt durch ein eigenes oder durch das Beschäftigungsverhältnis des Ehegatten erhalten bleibt. Dafür notwendig ist nach ständiger Rechtsprechung deutscher Gerichte eine "hinreichend enge Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben" und damit auch eine "Integration in das inländische Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem". Die Klägerin hat aber keine Beschäftigung in Belgien aufgenommen. Eine solche hinreichend enge Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben konnte deshalb nicht begründet werden. Auch durch das Beschäftigungsverhältnis ihres Ehemannes in Belgien kann kein Bezug zur deutschen Arbeitswelt hergestellt werden.

Da auch die Voraussetzungen nach belgischem Recht nicht vorliegen, ist es fraglich, ob solche nationale Regelungen gegen Unionsrecht, hier namentlich gegen Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 verstoßen.

(e) Die Gründe, aus denen das Sozialgericht Würzburg Zweifel bezüglich der Auslegung der Vorschrift des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 hat, ergeben sich aus Folgendem:

Zweifel bestehen deshalb, weil nach dem Wortlaut des § 56 Abs. 3 SGB VI und des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 die Klägerin im vorliegenden Fall überhaupt keine Anerkennung ihrer Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten erreichen könnte.

Denn die Vorschriften des zuständigen Mitgliedstaates – der Bundesrepublik Deutschland – führen zu keinem Anspruch, da die Klägerin zu dem Zeitpunkt, zu dem die Berücksichtigung der Kindererziehungszeit für das betreffende Kind nach diesen Rechtsvorschriften begann, keine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit (weder im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, noch im Königreich Belgien) ausgeübt hat. Aus demselben Grund bleibt auch die Beklagte nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 nicht für die Berücksichtigung dieser Zeit als Kindererziehungszeit zuständig.

Es wird von den Parteien des Rechtsstreites unstreitig davon ausgegangen, dass die Klägerin auch in Belgien nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten erfüllt, da sie in Belgien nie berufstätig war und keine Beiträge zur dortigen Sozialversicherung geleistet hat. Somit findet Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 auch gemäß Art. 44 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 Anwendung, da für die Klägerin nicht die Rechtsvorschriften einer anderen Mitgliedstaates aufgrund der Ausübung einer Beschäftigung oder einer selbstständigen Erwerbstätigkeit anwendbar sind oder anwendbar waren.

Nach der Auslegung des Wortlautes des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 würde dies im vorliegenden Fall dazu führen, dass die Klägerin aufgrund ihres Aufenthaltes in Belgien wegen des Berufes ihres Ehemannes als Profifußballspieler (Wanderarbeitnehmer im Sinne des Europäischen Rechts) sowohl nach deutschem Recht, wie auch nach belgischem Recht keine Kindererziehungszeiten anerkannt bekäme, obwohl sie solche Zeiten in Belgien zurückgelegt hat. Sie würde daher durch den Gebrauch ihres Rechts aus Art. 21 AEUV, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, beeinträchtigt werden. Dies widerspricht aber dem Grundgedanken des Europarechts.

Daher Frage 2 an den Europäischen Gerichtshof, ob in einem solchen Ausnahmefall Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 über den Wortlaut hinaus so ausgelegt werden kann, dass er zu einer Anerkennung der Kindererziehungszeiten, entweder in Deutschland oder in Belgien führen muss.

(f) Der Zusammenhang zwischen der Auslegung der Vorschrift des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 und dem Ausgangsrechtsstreit vor dem Sozialgericht Würzburg ergibt sich aus Folgendem: Sollte der Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 nur wortlautgetreu auszulegen sein, hätte dies zur Folge, dass die Klage vor dem Sozialgericht Würzburg abzuweisen wäre. Denn nach der nationalen Vorschrift des § 56 SGB VI (insbesondere § 56 Abs. 3 SGB VI) hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Anerkennung der Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten, die sie in Belgien zurückgelegt hat. Auch nach einer europarechtskonformen Auslegung unter Einbeziehung des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 ergibt sich kein anderes Ergebnis. Denn die Klägerin war zu Beginn der jeweiligen Kindererziehungszeit (d.h. der Geburt der Kinder) weder beschäftigt, noch hat sie eine selbstständige Erwerbstätigkeit in Deutschland oder Belgien ausgeübt, noch steht die Kindererziehung in unmittelbarem zeitlichen und rechtlichem Zusammenhang mit inländischen Versicherungszeiten. Demnach sind die Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland nicht anwendbar. Dies führt gemäß Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 dazu, dass die Beklagte nicht zuständig geblieben ist, als die Klägerin ins Ausland verzog.

Es ist deshalb zu klären, ob Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 über den Wortlaut hinaus im Einzelfall dahingehend auszulegen ist, dass eine Kindererziehungszeit auch dann anerkannt werden muss, wenn zum Zeitpunkt des Beginns der Erziehung keine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde und aufgrund dessen der Klägerin weder im zuständigen Mitgliedstaat, noch im Mitgliedstaat, in den sie verzogen ist, eine Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeit nach den jeweiligen Rechtsvorschriften angerechnet werden kann?

(3) Rechtsprechung deutscher Gerichte:

(a) Bundessozialgericht vom 10.11.1998 (Az.: B 4 RA 39/98 R) Zur Vormerkung von Tatbeständen der Kindererziehung bei Kindererziehung im Ausland Rn 19: Eine Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung im Ausland kann auch dann berücksichtigt werden, wenn die Klägerin vor der Geburt oder während der Kindererziehung in einer hinreichend engen Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben stand und damit in das inländische Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem integriert blieb. Rn 22: Folgt ein selbst nicht erwerbstätiger Elternteil seinem im Ausland beschäftigten Ehegatten nach, treffen die genannten Erwägungen nicht ohne Weiteres zu. Dennoch soll es ihm im Vergleich zu einem im Inland Erziehenden mit Blick auf die Schutzpflichten des Staates für Ehe und Familie nicht zum Nachteil gereichen, wenn er das Inland verlässt und damit den Erziehungsort ins Ausland verlegt, um mit dem vorübergehend im Ausland erwerbstätigen Ehegatten und dem Kind als Familie zusammenzuleben. Der Auslandsaufenthalt des erziehenden Elternteils muss allerdings mit der typisierenden und pauschalierenden Grundwertung des Gesetzes in Einklang bleiben, dass während der Zeit des Auslandsaufenthaltes deutsche Rentenanwartschaften gerade wegen der Kindererziehung entgangen sind, nicht aber wegen einer Integration in eine ausländische Arbeitswelt.

Ergebnis: Der Ehemann war während seiner Tätigkeit in Belgien nicht mit der deutschen Arbeitswelt verbunden! Die Tätigkeit war nicht von vorneherein zeitlich begrenzt, da nicht vorhersehbar war, wann er wieder zurück nach Deutschland kommen würde. Die Dauer war abhängig von einer möglichen Verlängerung des Profifußballervertrages in Belgien! Es bestand kein Rumpf-arbeitsverhältnis und auch kein zeitlich von vornherein endgültig begrenzter Vertrag des Ehemannes. Eine hinreichend enge Beziehung zu Deutschland bestand somit nicht.

(b) Bundessozialgericht vom 23.10.2003 (Az.: B 4 RA 15/03 R) Pflichtbeitrags – und Berücksichtigungszeiten wegen Auslandserziehung sind nicht vorzumerken, wenn der Ehegatte der Klägerin aufgrund zeitlich befristeter Arbeitsverträge mit einem ausländischen Träger an einer Schule im Ausland als Lehrkraft beschäftigt ist und ihm der deutsche Dienstherr während dieser Zeit Arbeitsmarkturlaub gewährt. Rn 18:Die Klägerin erfüllt den Gleichstellungstatbestand des § 56 Abs. 3 S. 2 SGB VI nicht, da die Klägerin im streitigen Zeitraum weder in Deutschland noch im Wohnsitzland eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt hat. Rn 20: Es lag auch kein Fall einer sogenannten Ausstrahlung vor (Entsendung im Rah-men eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses oder einer inländischen Erwerbstätigkeit).

Ergebnis: Es lag beim Ehemann der Klägerin weder eine Entsendung noch eine Quasi-Entsendung vor. Eine hinreichend enge Beziehung zu Deutschland ergibt sich auch bei dieser Argumentation nicht.

(c) Nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16.12.2005 (Az.: L 4 RA 74/01) wird unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH vom 07.02.2002 – C-28/00 (Liselotte Kauer)ausgeführt, die Aufgabe einer Beschäftigung in Deutschland zwei Jahre vor der Geburt stehe der Annahme einer "hinreichenden Verbindung" zwischen den Versicherungszeiten aus einer Beschäftigung und Erziehungszeiten nicht entgegen.

Ergebnis: Die Klägerin war zwar nur in Deutschland beschäftigt, da sie in Belgien nie gearbeitet hat. Aber im Unterschied zu obigem Fall und der Vorabentscheidung Kauer hatte die Klägerin im Zeitpunkt der Geburten nicht den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, sondern in Belgien. Außerdem war dort die Klägerin Ehefrau eines Grenzgängers, der in der Bundesrepublik Deutschland arbeitete.

(d) Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 11.07.2008 (Az.: L 3 R 1363/05) § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI trügen dem Umstand Rechnung, dass die Verhältnisse des Versicherten eine hinreichend enge Beziehung zu deutschen Arbeits- und Sozialleben hätten (Inlandsanknüpfung). Entscheidend für den Erwerb von Kindererziehungszeiten sei, dass die Erziehung grundsätzlich im Inland zu erfolgen habe und nur ausnahmsweise im Ausland erfolgen dürfe (BSG vom22.02.1995 -4 RA 43/93). Nach Art 13 Abs. 2 Buchst a EWGV 1408/71 sei auf die Zeit der Kindererziehung das recht der Bundesrepublik Deutschland weiterhin anwendbar, wenn der Erziehende ehemals in Deutschland beschäftigt gewesen sei, selbst wenn er im maßgeblichen Zeitraum im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates gewohnt habe (EuGH vom 23.11.2000 – C-135/99). Auch sei nach der Rechtsprechung des EuGH nicht unbedingt erforderlich, dass der Elternteil unmittelbar vor der Geburt des Kindes in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig versichert gewesen sei, es genüge das Bestehen einer hinreichenden Verbindung zwischen den Versicherungszeiten und den Erziehungszeiten (EuGH vom 07.02.2002 – C -28/00)

Ergebnis: In allen Fällen zu berücksichtigender Auslandserziehung muss eine Anknüpfung an das Versicherungsleben im Inland vorhanden sein. Im Fall Elsen (EuGH vom23.11.2000) war die Klägerin im Zeitpunkt der Geburt Grenzgängerin, also versicherungspflichtig beschäftigt und im Fall Kauer hat die Klägerin ihre Kinder in dem Land (Österreich) geboren, in dem sie auch ausschließlich erwerbstätig war. Eine solche Inlandsanknüpfung besteht hier für die Klägerin nicht, weil sie während der Geburten, der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt der Kinder sich nicht regelmäßig in Deutschland aufhielt und auch keine Pflichtbeitragszeiten für eine im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit hatte.

(e) Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 14.04.2009 (Az.: L 9 R 5215/07) Ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland ist dann anzunehmen, wenn Elternteil und Kind bei Beginn und während der Dauer der Erziehungszeit faktisch den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland haben und sich hier materiell-rechtlich erlaubt und rechtlich beständig aufhalten dürfen. Ist ein gewöhnlicher Aufenthalt eines Kindes in Deutschland nicht feststellbar, hier u. a. ohne Vorliegen einer Meldebestätigung des zuständigen Einwohnermeldeamtes- kommt die Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten nicht in Betracht.

(4) Die einschlägige Vorschrift des Unionsrechts zur Anerkennung von Kinderer-ziehungszeiten befindet sich in Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009:

Artikel 44 VO (EG) Nr. 987/2009 Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten (1) Im Sinne dieses Artikels bezeichnet der Ausdruck "Kindererziehungszeit" jeden Zeitraum, der im Rahmen des Rentenrechts eines Mitgliedstaats ausdrücklich aus dem Grund angerechnet wird oder Anrecht auf eine Zulage zu einer Rente gibt, dass eine Person ein Kind aufgezogen hat, unabhängig davon, nach welcher Methode diese Zeiträume berechnet werden und unabhängig davon, ob sie während der Erziehungszeit anfallen oder rückwirkend anerkannt werden. (2) Wird nach den Rechtsvorschriften des gemäß Titel II der Grundverordnung zuständigen Mitgliedstaats keine Kindererziehungszeit berücksichtigt, so bleibt der Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nach Titel II der Grundverordnung auf die betreffende Person anwendbar waren, weil diese Person zu dem Zeitpunkt, zu dem die Berücksichtigung der Kindererziehungszeit für das betreffende Kind nach diesen Rechts-vorschriften begann, eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, zuständig für die Berücksichtigung dieser Zeit als Kindererziehungszeit nach seinen eigenen Rechtsvorschriften, so als hätte diese Kindererziehung in seinem eigenen Hoheitsgebiet stattgefunden. (3) Absatz 2 findet keine Anwendung, wenn für die betreffende Person die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats aufgrund der Ausübung einer Beschäftigung oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit anwendbar sind oder anwendbar werden.

Nach dem Wortlaut des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 und einer europarechtskonformen Auslegung der deutschen Rechtsvorschrift des § 56 SGB VI hinsichtlich dieser Verordnung kann für die Klägerin auch kein Anspruch auf Anerkennung der Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten während ihres Aufenthaltes in Belgien bestehen.

Das Königreich Belgien sieht in seinen Rechtsvorschriften Kindererziehungszeiten vor, sodass eine Anerkennung deutscher Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten nicht aus dem Grund erfolgen muss, dass der andere Mitgliedstaat solche Zeiten nicht vorsieht. Es kommt dabei nicht darauf an, dass im konkreten Fall auch Kindererziehungs-zeiten tatsächlich angerechnet werden, sondern nur darauf, dass das Recht des Mitglied-staates die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten als rentenrechtlichen Sachverhalt überhaupt vorsieht. Die Klägerin hat im Königreich Belgien auch keine zur Rentenversicherung anrechenbaren Versicherungszeiten zurückgelegt, da sie dort keiner Beschäftigung nachgegangen ist.

Vor allem hat die Klägerin aber nicht – wie Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 als Vor-aussetzung für eine weitere Zuständigkeit des deutschen Rentenversicherungsträgers verlangt – zu dem Zeitpunkt, zu dem die Berücksichtigung der Kindererziehungszeit nach deutschem Recht begann (zum Zeitpunkt der Geburt) eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt. Somit ist die Beklagte für die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten, die die Klägerin in Belgien zurückgelegt hat, grundsätzlich nicht mehr zuständig.

Nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 muss aber eine Anrechnung auch dann stattfinden, wenn eine enge Verbindung zwischen der Kindererziehungsleistung und der vorherigen Erwerbstätigkeit besteht. Diese enge Verbindung liegt nicht vor, da zwischen dem Ende der Erwerbstätigkeit bzw. der Fiktion der Erwerbstätigkeit durch den Bezug von Arbeitslosengeld (Art. 11 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004) bis zum 10.10.1980 und dem Beginn der Erziehung mit der Geburt des ersten Kindes am 25.05.1981 mehr als ein voller Kalendermonat liegt. Dasselbe gilt für den Zeitraum vor der Geburt des zweiten Kindes am 29.10.1984.

(5) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs:

(a) Europäischer Gerichtshof vom 23.11.2000 (Az.: C – 135/99)

Ergebnis: Diese Rechtsprechung ist für diesen Fall nicht unmittelbar anwendbar, da die Klägerin keine Grenzgängerin ist und im Zeitpunkt der Geburt keiner Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland nachgegangen ist.

(b) Europäischer Gerichtshof vom 07.02.2002 (Az.: C – 28/00)

Art. 94 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaates entgegensteht, wonach Kindererziehungszeiten, die in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt wurden, nur unter der zweifachen Voraussetzung als Ersatzzeiten für die Altersversicherung gelten, dass sie nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung im erstgenannten Staat zurückgelegt wurden und dass die Antragsstellerin für die betreffenden Kinder Anspruch auf Geldleistung aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft oder entsprechende Leistungen nach dem Recht des genannten Staates hat oder hatte, während diese Zeiten, wenn sie im Inland zurückgelegt wurden, ohne zeitliche Begrenzung oder sonstige Voraussetzung als Ersatzzeiten für die Altersversicherung gelten.

Ergebnis: Beide Voraussetzungen stellt das deutsche Recht – namentlich § 56 SGB VI – nicht! Es ist sehr wohl eine Regelung für Personen enthalten, die in einen anderen Mitgliedstaat verzogen sind und dort die Kinder erziehen. Diese Regelung dürfte auch europarechtskonform sein, da sie bei einer noch bestehenden engen Verbindung zum Sozialsystem des Mitgliedstaates eine Anrechnung von im Ausland zurückgelegten Kindererziehungszeiten, wie solche im Inland ermöglicht.

(6) Zusammenfassung

Mit der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, die seit dem 01.05.2010 in Kraft getreten ist, soll es in den Bereichen Familienleistungen sowie Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung im Rahmen der sogenannten "Wanderarbeitnehmerverordnung" erleichtert werden, Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Dabei regelt die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 die Modalitäten für die Durchführung der Verordnung.

Im vorliegenden Fall führt dies entgegen dem Ziel der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 dazu, dass die Klägerin Kindererziehungszeiten weder in der Bundesrepublik Deutschland, noch im Königreich Belgien anerkannt bekommt. Denn sie erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Kindererziehungszeiten in Belgien nach deutschem Recht (§ 56 Abs. 3 SGB VI) und auch eine Auslegung anhand des Wortlautes von Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 ergibt keine Anrechnung der Kindererziehungszeiten. Dieses Ergebnis führt zu einer Benachteiligung der Klägerin, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebietes der Europäischen Union gemäß Art. 21 AEUV Gebrauch gemacht hat.

Daher legt das Sozialgericht Würzburg die oben genannten Fragen dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor.

Nach Ansicht des Sozialgerichts Würzburg ist Frage 1 dahingehend zu beantworten, dass § 56 SGB VI in seiner derzeitigen Fassung mit Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 vereinbar ist, da beide Rechtsvorschriften auf eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vor der Geburt des Kindes bzw. vor dem Beginn der Erziehung abstellen. Ein Widerspruch der beiden Rechtsvorschriften ist daher nicht ersichtlich. Auch dass das nationale Recht einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Ende der Beschäftigung und dem Beginn der Erziehung erfordert, das heißt, weniger als ein voller Kalendermonat darf dazwischen liegen, kann nicht zu einer Unvereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschrift mit Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 führen.

Bei Frage 2 ist das Sozialgericht Würzburg der Auffassung, dass der Klägerin ein Anspruch auf Anerkennung ihrer in Belgien zurückgelegten Kindererziehungszeiten entwe-der nach deutschen oder nach belgischem Recht ermöglicht werden muss, da ansonsten das Recht der Klägerin als Unionsbürgerin, sich frei im Hoheitsgebiet der Europäischen zu bewegen und aufzuhalten (vgl. Art. 21 AEUV), beeinträchtigt würde. Nach hiesiger Auffassung wäre die Anerkennung nach belgischem Recht zu bevorzugen, da der Ehemann während der Kindererziehung in Belgien versicherungspflichtig beschäf-tigt war und insoweit die Klägerin als Familienangehörige in dessen Schutzbereich (wie auch in der Krankenversicherung) einbezogen werden sollte.
Rechtskraft
Aus
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