L 7 AL 104/10

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 19 AL 996/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 104/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. März 2010 wird zurückgewiesen.

II. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von Leistungen der Arbeitslosenhilfe sowie die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 25.07.1998 bis 31.12.2002.

Die 1947 geborene, türkische Klägerin bezog bis zum 24.07.1998 Arbeitslosengeld. Am 26.06.1998 beantragte sie Arbeitslosenhilfe. Im Zusatzblatt "Bedürftigkeitsprüfung" verneinte die Klägerin die Frage nach Freistellungsaufträgen und bestehendem Vermögen. Daraufhin bewilligte die Beklagte ihr zunächst mit Bescheid vom 06.07.1998 und Änderungsbescheiden vom 27.08.1998 und 04.01.1999 Arbeitslosenhilfe nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 600,00 DM für den Zeitraum vom 25.07.1998 bis 25.07.1999. Aufgrund eines Datenabgleichs mit dem Bundesamt für Finanzen erhielt die Beklagte im Juli 1999 Mitteilung, dass die Klägerin und ihr Ehemann drei Freistellungsaufträge für Kapitalerträge erteilt hatten. Dazu befragt gab die Klägerin an, es seien Freistellungsaufträge an die X. Sparkasse, die Y. Bank und die Z. Bank erteilt gewesen. Derzeit bestehen nur noch ein Freistellungsauftrag und ein Bankguthaben bei der X. Sparkasse von 2.942,00 DM aus einem bis 2002 laufenden VL-Vertrag. Mit Bescheid vom 23.08.1999 und Änderungsbescheid vom 03.01.2000 bewilligte die Beklagte der Klägerin bis zum 25.07.2000 Arbeitslosenhilfe mit einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 590,00 DM sowie mit Bescheid vom 28.07.2000 und Änderungsbescheid vom 02.01.2001 für den Zeitraum bis 25.07.2001 in Höhe von 580,38 DM wöchentlich. Weitere Bewilligungsbescheide ergingen am 31.08.2001 in Höhe von 570,98 DM wöchentlich und Änderungsbescheid vom 02.01.2002 in Höhe von 291,94 DM wöchentlich bis 25.07.2002 sowie Bescheid vom 08.10.2002 für den Zeitraum bis 25.07.2003 im Umfang von 288,79 DM wöchentlich. Der Beitragssatz für die Pflegeversicherung betrug im gesamten Zeitraum 1,7 %, für die Krankenversicherung bis Juni 2001 13,80 % und sodann 14,80 %. In den zugrunde liegenden Leistungsanträgen vom 21.07.2000, 25.07.2001 und 05.07.2002 verneinte die Klägerin jeweils die Fragen nach Vermögen und Freistellungsaufträgen. Die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe endete zum 31.12.2002 wegen einer sodann gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Durch eine Überschneidungsmitteilung erhielt die Beklagte im Juni 2003 Kenntnis über ein Bankguthaben der Klägerin in Höhe von 140.256,00 DM. Mit Bescheid vom 18.09.2003 nahm die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 25.07.1998 bis 31.12.2002 zurück und forderte die Erstattung der in diesem Zeitraum gezahlten Arbeitslosenhilfe in Höhe von 13.298,48 Euro sowie der Beträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 4.519,85 Euro. Zur Begründung führte sie aus, nach den getroffenen Feststellungen habe die Klägerin bei der QQ-Bank (QQ.) Einzahlungen in Höhe von 140.256,00 DM geleistet und sei damit nicht bedürftig gewesen. Die Klägerin habe in ihrem ersten Antrag auf Arbeitslosenhilfe und ggf. in allen Fortzahlungsanträgen vorsätzlich, zumindest aber grob fahrlässig falsche Angaben zu ihrer Vermögenssituation gemacht und habe die zu Unrecht erhaltenen Leistungen zu erstatten.

Nach dem von der Klägerin eingelegten Widerspruch holte die Beklagte mit Schreiben vom 20.11.2003 die zunächst unterbliebene Anhörung nach. Die Klägerin gab an, sie sei davon ausgegangen, dass ihr Arbeitslosenhilfe unabhängig von vorhandenen Kapitalanlagen zugestanden habe, da sie jahrelang für Arbeitslosigkeit Steuern entrichtet habe und bestritt zunächst den Erhalt des Merkblattes. Sie reichte einen Kontoauszug der QQ.-Bank ein, wonach sie von Januar 1995 bis Januar 1997 eine Kapitalanlage in Höhe von 30.000,00 DM hatte. Weitere Kapitalanlagen habe sie nicht. Auf Anfrage der Beklagten übermittelte das Finanzamt A-Stadt Kopien eines Auszahlungsbeleges vom 18.01.1995 über einen Betrag von 35.000,00 DM bei der QQ. und über 100.000,00 DM mit einem nicht erkennbaren Datum. Nach Anforderung übersandte die Klägerin einen Kontoauszug, wonach der am 09.12.1992 angelegte Betrag von 100.000,00 DM am 17.12.1996 ausgezahlt worden war und hieraus Zinsen in Höhe von 17.860,00 DM und 17.800,00 DM erzielt wurden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2005 reduzierte die Beklagte wegen eines Rechenfehlers den Erstattungsbetrag zur gesetzlichen Krankenversicherung auf 6.374,74 DM (3.259,35 Euro) und wies den Widerspruch der Klägerin im Übrigen zurück. Die Klägerin habe nach den nun vorliegenden Unterlagen ein Vermögen von 170.660,00 DM besessen (100.000,00 DM Spareinlage zum 17.12.1996, Zinsen in Höhe von 17.860,00 DM und 17.800,00 DM zum Dezember 1994 und 1996 sowie 35.000,00 DM Kapitalanlage im Januar 1995). Abzüglich des zustehenden Freibetrages von 16.000,00 DM für sie und ihren Ehemann seien 154.660,00 DM zu berücksichtigen, so dass unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Arbeitsentgelts von 600,00 DM für den gesamten Bewilligungszeitraum keine Bedürftigkeit vorgelegen habe. Wegen zumindest grob fahrlässiger Angaben bei der Antragstellung auf Arbeitslosenhilfe seien die geleisteten Zahlungen gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X zurückzunehmen.

Die Klägerin hat den geforderten Betrag an die Beklagte überwiesen und am 15.12.2005 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Sie habe das von der Beklagten angeführte Vermögen bereits vor Antragstellung im Juli 1997 abgehoben und damit nachweislich nicht mehr besessen. Zutreffend sei, dass sie bis zum 14.08.2001 35.000,00 DM angelegt habe. Die Beklagte sei für ihren Vortrag beweispflichtig. Zum Nachweis des Verbleibs des abgehobenen Geldes hat die Klägerin Belege eingereicht, wonach ihr Ehemann im Juli 1997 einen Mercedes Benz PKW E 200 zum Preis von 63.175,00 DM bar bezahlte und für die Überführung in die Türkei Kosten von 28.846,00 DM angefallen sind. Außerdem hat sie Quittungen eines Zahnarztes von Februar bis Mai des Jahres 1998 über 1.000,00 DM, 3.000,00 DM und 3.157,56 DM (insg. 7.157,56 DM) vorgelegt. Danach seien nachweislich 99.178,56 DM verbraucht worden. Weiteres Geld sei während der Überführung des Autos und anschließenden Urlaubs in der Türkei verbraucht worden und an die jeweiligen Schwiegereltern 2.000,00 DM geschenkt worden. Der Mercedes befinde sich nach wie vor in der Türkei und werde von ihrem Ehemann benutzt.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin angegeben, nicht gewusst zu haben wie viel Geld ihr Mann für sie angelegt habe. Die Bankgeschäfte habe alle ihr Ehemann vorgenommen und auch die Anträge auf Arbeitslosenhilfe ausgefüllt. Die Unterschrift stamme von ihr.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat die Klage mit Urteil vom 23.03.2010 abgewiesen. Die Kammer komme auf Grundlage der dem Gericht zugänglichen Unterlagen zu der Feststellung, dass die Klägerin im Juli 1998 über ein Vermögen von mehr als 110.200,00 DM verfügen konnte und damit nach Maßgabe des Gesetzes für mindestens 3 Jahre nicht bedürftig war. Die Beklagte treffe zwar grundsätzlich die objektive Beweislast für das zum Zeitpunkt der Antragstellung noch vorhandene Vermögen. Da jedoch in der Sphäre der Klägerin zuzuordnende Vorgänge nicht vollständig aufklärbar seien, gehe dies nach der Rechtsprechung des BSG zu ihren Lasten. Schließlich seien die Voraussetzungen des § 45 SGB X erfüllt, da die Klägerin mit ihrer Unterschrift bestätigt habe, über kein Vermögen zu verfügen und damit grob fahrlässig falsche Angaben getätigt habe.

Gegen dieses, der Klägerin am 31.05.2010 zugestellte Urteil, hat sie am 24.06.2010 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Beklagte müsse beweisen, dass sie grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe. Da die Gelder vorher vom Konto abgehoben worden seien, habe sie bei Antragstellung am 25.07.2010 keine falschen Angaben gemacht. Ihr Ehemann sei im März 2009 verstorben.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. März 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 18. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Über den Verbleib des weit größeren Anteils des Vermögens habe die Klägerin keine Angaben gemacht.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten gem. § 54 Abs. 2 SGG, denn die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe für den maßgeblichen Zeitraum vom 25.07.1998 bis 31.12.2002 war rechtswidrig. Die Klägerin besaß zum Zeitpunkt des Antrages auf Arbeitslosenhilfe Vermögen, das ihre Bedürftigkeit für mindestens drei Jahre ausschloss. Die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe war von Anfang an rechtswidrig und gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X rückwirkend aufzuheben, da die Klägerin in ihren Anträgen auf Arbeitslosenhilfe zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht hat.

Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide der Beklagten ist § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i. V. mit § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Nach diesen Vorschriften darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur zurückgenommen werden, wenn das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme nicht schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte unter anderem dann nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat; grobe Fahrlässigkeit liegt gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Im Bereich der Arbeitsförderung ist ein Verwaltungsakt gem. § 330 Abs. 2 SGB III zwingend (auch) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegen.

Die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Beklagten im Übrigen misst sich, soweit nicht die Ausgangsbescheide vom 06.07.1998, 23.08.1999, 28.07.2000, 31.08.2001 und 08.10.2002 betroffen sind, sondern die Änderungsbescheide vom 27.08.1998, 04.01.1999, 03.01.2000, 02.01.2001, 02.01.2002, an § 48 SGB X. Diese Vorschrift setzt eine wesentliche Änderung nach Erlass (darunter ist der Zeitpunkt seines Wirksamwerdens - § 39 Abs. 1 SGB X - zu verstehen) eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung voraus. Die Folgebescheide, die lediglich auf dem jeweiligen Ausgangsbescheid aufbauen und die Leistungshöhe aufstocken bzw. herabsetzen, haben nach der Rechtsprechung des BSG nur einen beschränkten Regelungsgehalt. Das Vorgehen der Beklagten misst sich bezüglich dieser Bescheide an § 48 SGB X, weil deren beschränkter Regelungsgehalt nicht betroffen ist und deshalb die Folgebescheide erst mit der Aufhebung des Ausgangsbescheides als wesentliche Änderung i.S. des § 48 SGB X rechtswidrig werden (BSGE 93, 51 ff Rn 7 = SozR 4-4100 § 115 Nr. 1). Bei den Folgebescheiden bezieht sich dann allerdings der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zwangsläufig auf den Ausgangsbescheid über die erstmalige Leistungsbewilligung bzw. die aus diesem übernommenen Berechnungselemente. Wäre mithin der Klägerin im Hinblick auf die Ausgangsbescheide der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen, so wiederholt sich dieser Fahrlässigkeitsvorwurf auch hinsichtlich der Folgebescheide (vgl. BSG SozR 3-1300 § 24 Nr. 21).

Die mit Bescheid vom 18.09.2003 und Widerspruchsbescheid vom 25.11.2005 für den Zeitraum vom 25.07.1998 bis 31.12.2002 aufgehobenen Leistungsbewilligungen waren im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X bzw. § 48 Abs. 1 SGB X rechtswidrig.

Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe war während der gesamten Zeit unter anderem, dass der Arbeitslose bedürftig war (§ 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III). Nicht bedürftig war ein Arbeitsloser unter anderem, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen oder das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Erbringung von Arbeitslosenhilfe nicht gerechtfertigt war (§ 193 Abs. 2 SGB III).

Gemäß § 6 Abs. 1 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 7. August 1974 (AlhiV 1974) war Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar war und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar war, jeweils 8.000,- DM überstieg. Das Vermögen war, ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften, mit seinem Verkehrswert in dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, in dem der Antrag auf Arbeitslosenhilfe gestellt wurde. Bedürftigkeit bestand nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergab, nach dem sich die Arbeitslosenhilfe richtete (§ 9 AlhiV 1974). Die Vorschriften der AlhiV 1974 galten grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2001. Mit Ausnahme des § 9 galten sie darüber hinaus für die Dauer der laufenden Bewilligung weiter, wenn die Anspruchsvoraussetzungen im Zeitraum 1. Oktober bis 31. Dezember 2001 vorlagen, mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Freibetrags von 8.000,- DM ein Betrag von 4.100,-- EUR trat (§ 4 Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 13. Dezember 2001 (AlhiV 2002)). Vermögen im Sinne der AlhiV 1974 und 2002 ist die Gesamtheit der dem Vermögensträger gehörenden Sachen und Rechte in Geld oder Geldeswert einschließlich der Ansprüche aus Sparguthaben (ständige Rechtsprechung des BSG, zusammenfassend z.B. in: SozR 4-4220 § 6 Nr. 4).

Unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 600,00 DM multipliziert mit 157 Wochen und Hinzurechnung eines Freibetrages für die Klägerin und ihren Ehemann von jeweils 8.000,00 DM war die Bedürftigkeit der Klägerin bei einem Vermögen von mindestens 110.200,00 DM für einen Zeitraum von 3 Jahren ausgeschlossen. Für die Folgezeit war der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nach § 196 SGB III erloschen.

Der Senat ist nach der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin und ihr Ehemann zum Zeitpunkt der Antragstellung am 25.07.1998 jedenfalls noch Vermögen im Umfang von mindestens 110.200,00 DM besaßen. Nach den vorliegenden Unterlagen sind vom Konto der Klägerin innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten (zwischen Dezember 1996 und März 1997) insgesamt 180.490,80 DM vom Konto der QQ-Bank abgehoben worden. Im Einzelnen folgende Beträge:

09.12.1996 (Konto x): 20.979,08 DM
17.12.1996 (Konto xx): 100.000,00 DM
14.01.1997 (Konto xxx): 30.000,00 DM
14.01.1997 (Konto xxxx): 5.358,00 DM
24.03.1997 (Konto xxxxx): 6.293,72 DM
14.01.1997 (Konto xxxxxx): 17.860,00 DM
=180.490,80 DM

Zusätzlich hatte die Klägerin, wie im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 10.04.2006 ausdrücklich bestätigt, in der Zeit vom 18.01.1995 bis 14.08.2001 eine Kapitalanlage von 35.000,00 DM bei der QQ-Bank. Damit besaß sie 1 ½ Jahre vor ihrem Antrag auf Arbeitslosenhilfe nachweislich Geldvermögen im Umfang von 215.490,80 DM.

Trotz mehrfacher Nachfrage konnte die Klägerin lediglich darlegen, bis zum Juli 1998 einen Betrag von etwa 100.000,00 DM verwendet zu haben. Sie hat Belege dafür eingereicht, dass ihr Ehemann am 17.12.1996 einen Mercedes Benz E 200 für 63.175,00 DM kaufte. Zusätzlich seien für die Überführung Kosten von etwa 29.000,00 DM entstanden. Außerdem hat die Klägerin mehrere Zahnarztrechnungen in Höhe von 7.157,56 DM gezahlt. Die übrigen Ausführungen, es seien weitere Kosten für den Urlaub in der Türkei entstanden sowie jeweils 2.000,00 DM an die Schwiegereltern geschenkt worden, sind nicht belegt und führen in der Summe nicht zu einem Vermögen von unter 110.200,00 DM im Sommer 1998. Denn der im Dezember 1996 für ca. 63.000,00 DM gekaufte und für knapp 29.000,00 DM an Überführungskosten in die Türkei verbrachte Mercedes E 200 war im Sommer 1998 noch mit einem Wert von mindestens 50.000,00 DM vorhanden und als Luxusfahrzeug als Vermögen zu berücksichtigen.

Die Angabe der Klägerin, dass Vermögen bereits vor dem Antrag auf Arbeitslosenhilfe verbraucht zu haben, ist nicht glaubhaft. Die Bargeldabhebungen im Umfang von 180.000,00 DM Ende 1996/Anfang 1997 sind zeitnah nach der erstmaligen Beantragung von Arbeitslosengeld im September 1996 getätigt worden. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Klägerin bereits damit rechnen, nach Ablauf des Anspruchs auf Arbeitslosengeld Arbeitslosenhilfe zu beantragen. Der klägerische Vortrag wurde während des Verfahrens mehrfach geändert und jeweils den tatsächlichen Bedingungen angepasst. So trug der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zunächst vor, der Antrag auf Arbeitslosenhilfe sei von einem Mitarbeiter der Beklagten ausgefüllt worden. Dieser Vortrag ist nach der Mitteilung der Beklagten, dass der Antrag per Post eingegangen sei, nicht aufrechterhalten worden. Ebenso die zunächst getätigte Angabe, das Merkblatt für Arbeitslose nicht erhalten zu haben, dessen Erhalt die Klägerin mit ihrer Unterschrift bestätigt hat. Während die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht noch angab, die Anträge auf Arbeitslosenhilfe selbst unterschrieben zu haben, konnte sie sich hieran in der mündlichen Verhandlung vor dem Hessischen Landessozialgericht nicht mehr erinnern. Schließlich hat die Klägerin immer nur Belege über Gelder eingereicht, von denen die Beklagte ohnehin Kenntnis erlangt hatte.

Für eine Entscheidung nach den Grundsätzen der Beweislast bleibt kein Raum, denn für das Gericht steht mit der nötigen wie auch ausreichenden Gewissheit fest, dass die Klägerin und ihr Ehemann zum Zeitpunkt des Antrages auf Arbeitslosenhilfe über Vermögen von mehr als 110.220,00 DM verfügen konnten. Die Grundsätze der objektiven Beweislast greifen erst ein, wenn das Gericht keine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung gewinnen kann -"non liquet"- (vgl. z.B. BSGE 71, 256 = SozR 3 4100 § 119 Nr. 7). Die objektive Beweislast kennzeichnet das Risiko, wegen der Nichterweislichkeit rechtlich erheblicher Tatsachen im Prozess zu unterliegen. Eine solche Beweislastentscheidung darf nur getroffen werden, wenn das Gericht nach Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen sich dennoch keine Überzeugung in der einen oder anderen Richtung bilden konnte. Beweismaßstab ist im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich der Vollbeweis. Das Gericht muss sich die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen (BSG, Urteil v. 24.11.2010, B 11 AL 35/09 R; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 128 RdNr. 3b m.w.N.). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 128 RdNr. 3b m.w.N.).

Übertragen auf den vorliegenden Fall steht für das Gericht fest, dass von dem im Dezember 1996 nachweislich vorhandenen Barvermögen in Höhe von mindestens 215.000,00 DM nicht mehr als 110.000,00 DM so ausgegeben wurden, dass kein als Vermögen zu berücksichtigender Gegenwert vorhanden gewesen wäre. Auch mit dem Erwerb des Mercedes Benz ist das Vermögen nicht vernichtet worden sondern lediglich ein statt Bargeld umgewandelter Wert in Form eines Luxusautos erworben worden, der nach Maßgabe des SGB III ebenfalls als Vermögen zu berücksichtigen ist. Es wäre lebensfremd, wenn ein seit dem Zuzug nach Deutschland in den 70er Jahren angespartes Vermögen von über 200.000,00 DM binnen 1 ½ Jahren auf etwa die Hälfte reduziert würde, ohne dass dargelegt werden kann, wo das Geld verblieben ist. Ist somit bereits nach allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts der Vollbeweis erbracht, sind die Regeln der objektiven Beweislast nicht mehr anzuwenden.

Nach alledem war die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe von Anfang an rechtswidrig und die Beklagte gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III verpflichtet, die Bewilligungsentscheidungen in vollem Umfang zurückzunehmen. Danach ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt auch für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn er auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständige gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) oder wenn er die Rechtswidrigkeit des Veraltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit verlangt eine Sorgfaltspflichtverletzung in außergewöhnlich hohem Ausmaß, die zu bejahen ist, wenn schon einfache, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn also nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dabei ist nicht ein objektiver Maßstab anzulegen, sondern es ist auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten des Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Einzelfalls abzustellen (von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45 Rn. 52 m.w.N.). Zutreffend hat das Sozialgericht auch diese bejaht. Die Angaben der Klägerin, keine Kenntnis vom Verbleib des weiteren Geldes zu haben, sieht das Gericht als Schutzbehauptung an. Die Klägerin hat in den Anträgen auf Arbeitslosenhilfe jeweils die Fragen nach bestehenden Freistellungsaufträgen und Vermögen verneint. Obwohl bereits 1999 aufgrund einer Mitteilung des Finanzamtes nachgefragt worden war, ob tatsächlich - wie bislang angegeben - keine Freistellungsaufträge erteilt und kein Vermögen vorhanden gewesen sei. Daraufhin hat die Klägerin angegeben, nur noch einen Freistellungsauftrag für einen VL-Vertrag bei der Sparkasse erteilt zu haben, den sie zuvor im Leistungsantrag verschwiegen hatte. Auch die bei der QQ-Bank angelegten 35.000,00 DM, die erst im Januar 2001 abgehoben worden sind, sind bei Antragstellung verschwiegen worden. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Frankfurt ausgesagt, die Leistungsanträge selbst unterschrieben zu haben. Damit hat sie die Richtigkeit der Angaben in den Leistungsanträgen sowie den Erhalt des Merkblattes 1 bestätigt. Das Merkblatt enthält klare Angaben über die Folgen falscher oder unvollständiger Angaben so dass die Klägerin sich nicht darauf berufen kann, nicht auf die drohenden Folgen hingewiesen worden zu sein.

Die Beklagte hat die Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten, denn sie hat die Rücknahmeentscheidung am 18. September 2003 getroffen, nachdem sie im Juni 2003 durch die Überschneidungsmitteilung vom Bankguthaben der Klägerin erfahren hatte. Die Berechtigung der Beklagten, die für die Aufhebungszeiträume gezahlten Leistungen von der Klägerin erstattet zu verlangen, ergibt sich aus § 50 Abs. 1 SGB X. Die Höhe der Erstattungsforderung ist nach eigener Prüfung durch den Senat rechnerisch richtig.

Die Klägerin hat auch die für sie von der Beklagten gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zurückzuzahlen. Der Ersatzanspruch nach § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 SGB III setzt voraus, dass die BA für den Leistungsbezieher Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung bzw. zur sozialen Pflegeversicherung bezahlt hat, die Entscheidung über die Leistung, die den Grund für die Beitragszahlung gebildet hat, rückwirkend aufgehoben und die Leistung (durch Verwaltungsakt) zurückgefordert ist. Der Ersatzanspruch setzt nach der Rechtsprechung des BSG darüber hinaus voraus, dass der Leistungsempfänger pflichtwidrig gehandelt hat und für den Zeitraum, für den die Leistung zurückgefordert worden ist, kein weiteres Kranken- oder Pflegeversicherungsverhältnis im Sinne des § 335 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 SGB III bestanden hat und (deshalb) kein Anspruch der BA gegen die auf Grund des Leistungsbezuges zuständigen Kranken- oder Pflegekassen nach § 335 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 SGB III besteht. Erforderlich ist schließlich, dass die Beklagte die Beiträge dem Grunde und der Höhe nach auch zu Recht gezahlt hat. Für die zutreffende Beitragshöhe kommt es insbesondere auf die zu Grunde zu legenden beitragspflichtigen Einnahmen (vgl. § 232a Abs. 1 SGB V, § 57 Abs. 1 SGB XI) sowie auf den jeweiligen Beitragssatz an (zu allem mit weiteren Nachweisen: BSG, 18.5.2010 - B 7 AL 16/09 R).

Die Klägerin war in dem Zeitraum, in dem sie Arbeitslosenhilfe bezogen hat, gesetzlich kranken- und pflegeversichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XI). Für diese Zeiträume hat die Beklagte Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 6.374,74 DM (= 3.259,35 Euro) und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 670,16 DM (= 342,64 Euro) erbracht und mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid die der Klägerin gewährte Arbeitslosenhilfe nach Aufhebung der zu Grunde liegenden Bewilligung zurückgefordert. Die Klägerin hat sich hinsichtlich des Leistungsbezugs - wie bereits dargestellt - pflichtwidrig verhalten, weil sie zumindest grob fahrlässig unvollständige bzw. unrichtige Angaben über ihr Vermögen gemacht hat. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass noch ein anderweitiges Krankenversicherungsverhältnis der Klägerin bestand, so dass auch kein Erstattungsanspruch der Beklagten nach § 335 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 SGB III gegen die Kranken- und Pflegeversicherung in Betracht kommt, der einen Ersatzanspruch gegen die Klägerin ausschließen könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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