Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2077/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3318/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 1. Juli 2009 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1972 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernt hat, kam im August 1989 aus der T. in die Bundesrepublik Deutschland. Hier war sie von Juni 1991 bis Dezember 2002 mit Unterbrechungen als Stationshilfe in einem Krankenhaus versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt in Teilzeit vier Stunden täglich. Seit Oktober 2002 war sie arbeitsunfähig und bezog ab November 2002 Krankengeld und ab 18. März 2003 Arbeitslosengeld. Seit Januar 2005 erhielt sie Arbeitslosengeld II (vgl. Versicherungsverlauf vom 10.4.2008).
Vom 13.2. bis 13.3.2003 befand sich die Klägerin zu einem Heilverfahren in der Rehaklinik K., aus dem sie als arbeitsunfähig für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit entlassen wurde. In ihrer bisherigen Tätigkeit hielten die Ärzte die Klägerin nicht mehr (bzw. unter drei Stunden täglich) für einsetzbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten könne die Klägerin dagegen ab sofort sechs Stunden und mehr verrichten.
Am 22.9.2003 beantragte die Klägerin – wegen chronifizierter Kopfschmerzen – die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen (u.a. Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung – MDK – vom 2.10.2003: Diagnosen: Somatisierungsstörung, Tendovaginitis linkes Handgelenk, depressive Episode leichtgradiger Ausprägung, allergisch bedingtes Asthma bronchiale, Migräne; Arbeitsunfähigkeit seit 22.8.2003, weiterhin arbeitsunfähig; eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit liege nicht vor) bei und ließ die Klägerin von der Ärztin für Sozialmedizin B. untersuchen. Diese stellte bei der Klägerin im Gutachten vom 30.4.2004 folgende Diagnosen: Somatisierungsstörung, rezidivierender Kombinationskopfschmerz (muskulotendinös, Migräne), chronisch rezidivierendes degeneratives Wirbelsäulensyndrom ohne Bewegungseinschränkung und ohne neurologische Ausfälle. Als Reinemachefrau (am letzten Arbeitsplatz) sei die Klägerin nur unter drei Stunden täglich einsetzbar. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne anhaltende Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne häufiges Bücken, ohne häufige Überkopfarbeiten, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne Tätigkeiten mit besonderem Zeitdruck, mit erhöhten Anforderungen an das Umstellungsvermögen, mit Kontakt zu den bekannten Allergenen und mit inhalativen Reizstoffen sowie ohne Nachtschicht könne die Klägerin täglich sechs Stunden und mehr ausüben.
Mit Bescheid vom 5.5.2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab, weil weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vorliege.
Hiergegen legte die Klägerin unter Vorlage eines Attestes des Nervenarztes Dr. G. vom 14.5.2004 Widerspruch ein, der über Behandlungen der Klägerin vom 27.4.1993 bis 13.5.2004 berichtete und die Auffassung vertrat, bei der Klägerin lägen eine generalisierte Angsterkrankung, eine Somatisierungsstörung und eine Migräne vor, die die Erwerbsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigten.
Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin auf psychiatrischem Gebiet untersuchen. Die Psychiaterin Dr. S. diagnostizierte im Gutachten vom 31.8.2004 bei der Klägerin eine Somatisierungsstörung, eine Dysthymie bei histrionischen Persönlichkeitszügen, einen rezidivierenden Kombinationskopfschmerz (Migräne) und äußerte den Verdacht auf Panikattacken. Sie empfahl der Klägerin zusätzlich zur psychiatrischen medikamentösen Behandlung eine psychotherapeutische Behandlung sowie die Fortführung der im Heilverfahren erlernten Entspannungsmaßnahmen. Im Reinigungsdienst/Hauswirtschaftsbereich sei die Klägerin nicht mehr einsetzbar. Einfache Tätigkeiten mit geringer Anforderung an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen könne die Klägerin vollschichtig, sechs Stunden und mehr, verrichten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 25.11.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg (S 6 RJ 4170/04 bzw. späteres Az. S 12 RJ 4170/04) erhoben, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgt hat.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin (den Nervenarzt Dr. G., den Chirurgen W., den Internisten und Kardiologen Dr. G. und den Internisten Dr. B.) schriftlich als sachverständige Zeugen gehört (Auskünfte vom 7.1., 25.1. und 31.1.2005). Dabei bejahten Dr. G. und Dr. G. ein sechsstündiges Leistungsvermögen pro Tag, während Dr. B. befürchtete, dass auch leichte Tätigkeiten sechs Stunden pro Tag nicht möglich seien. Der Chirurg W. hielt zur Beurteilung des Leistungsvermögens ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten für erforderlich.
Das SG hat Dr. K., Chefarzt der W.-Klinik St. B., mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser hat im Gutachten vom 24.1.2006 bei der Klägerin eine generalisierte Angststörung sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert. Die Klägerin sei in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit ohne Zwangshaltungen der Hals- und Rumpfwirbelsäule, ohne überwiegendes Stehen und Gehen, ohne ständige Überkopfarbeit, ohne Schichtarbeit und Zeitdruck, ohne Einwirkung von Staub vollschichtig (mindestens sechs Stunden täglich) auszuüben.
Nachdem Dr. G. wegen der Migräne die Einholung eines zusätzlichen neurologischen Gutachtens empfohlen hatte, hat das SG den Neurologen Dr. O. mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser hat im Gutachten vom 19.7.2006 bei der Klägerin auf neurologischem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt: Migräne mit Aura, rezidivierende Cervicobrachialgien beidseits, rezidivierende lumboischialgieforme Schmerzen beidseits, rezidivierende Kribbel-parästhesien beidseits occipital im Rahmen der Somatisierungsstörung, unspezifische Kopfschmerzen bei Sonneneinstrahlung und auf psychiatrischem Fachgebiet: Generalisierte Angststörung und Somatisierungsstörung. Er hat ausgeführt, die Auswirkung der Migräne auf den Alltag und die Arbeitsfähigkeit der Klägerin sei derzeit beträchtlich. So seien – nach Angaben der Klägerin – die Kopfschmerzen in den vergangenen drei Monaten etwa zwei- bis dreimal pro Woche aufgetreten und hätten ein bis zwei Tage angehalten. Während der Migräneattacken sei von einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Derzeit könne die Klägerin einer Erwerbstätigkeit nur weniger als drei Stunden pro Tag nachgehen. Bei suffizienter Migränebehandlung könne sie möglicherweise über sechs Stunden täglich arbeiten.
In der mündlichen Verhandlung vom 24.7.2007 hat das SG die Klägerin persönlich angehört. Die Beklagte hat sich bereit erklärt, der Klägerin eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation auf psychosomatischem Gebiet zu gewähren und danach nochmals über den Rentenantrag unter Einbeziehung der Ergebnisse der Rehabilitation zu entscheiden. Daraufhin hat das SG mit Beschluss vom 24.7.2007 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Vom 31.1. bis 28.2.2008 befand sich die Klägerin zu einem Heilverfahren in der M.-Klinik. Die dortigen Ärzte stellten bei der Klägerin im Entlassungsbericht vom 7.3.2008 folgende Diagnosen: Generalisierte Angststörung, Somatisierungsstörung, leichtes allergisch bedingtes Asthma bronchiale, rezidivierende saisonale Rhino-Konjunktividen, Zustand nach Strumektomie 1992 wegen Hypothyreose mit diffuser Struma, Zustand nach Hysterektomie 2005 wegen Endometriose des Uterus. Die Ärzte entließen die Klägerin als arbeitsfähig und führten aus, sie sei in der Lage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit in Tagesschicht, Früh-/Spätschicht täglich sechs Stunden und mehr auszuüben. Einschränkungen ergäben sich hinsichtlich hoher Anforderungen an Konzentration, Verantwortung für Personen und Maschinen, Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge, Nachtarbeit sowie inhalativer Belastungen und Allergene.
Nach Auswertung des Entlassungsbericht durch Dr. G. in der Stellungnahme vom 3.4.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 10.4.2008 erneut ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege.
Nach Fortführung des Klageverfahrens (S 8 R 2077/08) hat das SG ein weiteres psychiatrisches Gutachten eingeholt. Dr. T. hat im Gutachten vom 6.10.2008 bei der Klägerin auf ihrem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt: Somatisierungsstörung, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, Tabakabhängigkeit. Aufgrund der schweren depressiven Störung und der ausgeprägten chronifizierten Somatisierungsstörung sei die Klägerin derzeit nicht in der Lage, ihrer früheren Tätigkeit als Hauswirtschafterin oder einer anderen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Derzeit bestehe Arbeitsunfähigkeit aufgrund der schwergradigen depressiven Symptomatik. Die Erwerbsfähigkeit liege derzeit bei weniger als drei Stunden täglich. Der schwergradig depressive Einbruch sei Anfang März 2008 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin ausgeprägte Verlustängste erlitten, während ihre Mutter in der T. eine schwere Erkrankung durchgemacht habe. Zuvor sei die Leistungsfähigkeit der Klägerin in der M.-Klinik mit mehr als sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten angegeben worden. Zum Zeitpunkt des Heilverfahrens habe die depressive Symptomatik nicht im Vordergrund des Beschwerdebildes gestanden. Aufgrund des Alters der Klägerin sollte eine Optimierung der psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung erfolgen. Eine depressive Erkrankung müsse nicht zwangsläufig zu einem dauerhaften Verlust der Erwerbsfähigkeit führen.
Die Beklagte hat sich daraufhin – entsprechend der beratungsärztlichen Stellungnahme von MUDr. H. vom ab 15.1.2009 – im Vergleichswege bereit erklärt, der Klägerin ein erneutes psychosomatisch ausgerichtetes Heilverfahren in einer geeigneten Rehabilitationseinrichtung zu gewähren, sofern die Klage zurückgenommen wird. Dieses Angebot hat die Klägerin abgelehnt. Mit Urteil vom 1.7.2009 hat das SG den Bescheid vom 5.5.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2004 sowie den Bescheid vom 10.4.2008 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ausgehend von einem Leistungsfall am 28.7.2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.2.2009 bis zum 31.1.2012 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG vorgetragen, es sei zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin voll erwerbsgemindert sei. Sie sei nur noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten in einem Umfang von unter drei Stunden täglich auszuüben. Diese Überzeugung stütze das SG auf das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten von Dr. T. Die Klägerin leide, wie die Sachverständige dargelegt habe, an einer Somatisierungsstörung sowie einer rezidivierenden depressiven Störung, die gegenwärtig stark ausgeprägt sei. Hinsichtlich des Eintritts des Leistungsfalls sei das SG zur Überzeugung gelangt, dass die Leistungsminderung der Klägerin ab dem 28.7.2008, dem Tag der ersten psychiatrischen Untersuchung bei Dr. T., vorliege. Soweit die Sachverständige ausführe, die schwergradige depressive Episode liege seit März 2008 vor, habe das SG dem nicht folgen können. Denn vom 31.1. bis 28.2.2008 habe die stationäre Rehabilitation stattgefunden, aus der die Klägerin als vollschichtig leistungsfähig entlassen worden sei. Für die Zwischenzeit lägen dem SG keine Befundberichte vor. Von einem früheren Leistungsfall habe sich das SG nicht zu überzeugen vermocht. Auf die Entscheidungsgründe im übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 20.7.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.7.2009 und die Klägerin, der das Urteil am 16.7.2009 zugestellt worden ist, am 23.7.2009 Berufung eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, im Gegensatz zum SG sehe sie eine rentenrelevante Leistungsminderung nicht mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit als erwiesen an. Das SG stütze seine Entscheidung auf das psychiatrische Gutachten von Dr. T. vom 6.10.2008. MUDr. H. habe sich ausführlich mit den Schwachstellen dieses Gutachtens auseinandergesetzt und plausibel dargelegt, weshalb im Einzelnen diesem Gutachten nicht gefolgt werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 1. Juli 2009 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 1. Juli 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2004 sowie den Bescheid vom 10. April 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr aufgrund eines Leistungsfalls im März 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. Januar 2012 hinaus zu gewähren sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie trägt unter Vorlage eines Attestes des Internisten Dr. B. vom 12.3.2009 vor, Frau Dr. T. habe festgestellt, dass ihre schwergradige depressive Erkrankung seit März 2008 bestehe.
Der Senat hat Dr. D. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört (Auskunft vom 28.10.2009) und Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eingeholt.
Dr. D. hat erklärt, er behandle die Klägerin seit Juli 2006; zuvor habe sie schon in nervenärztlicher Behandlung bei seinem Vorgänger Dr. G. bestanden, der sie erstmals im Jahr 1993 wegen einer Migräne sowie wegen eines Halswirbelsäulen-Syndroms behandelt habe. Im Laufe der Jahre sei es zu einer Chronifizierung der Migräne-Erkrankung und einer Häufung verschiedener psychosomatischer Beschwerden gekommen. Wie Dr. G. im Attest vom 14.5.2004 zum Ausdruck gebracht habe, sei der psychopathologische Befund über lange Zeit unverändert gewesen. Eine wesentliche Änderung sei auch nach der Behandlungsübernahme durch ihn nicht eingetreten. Medikamente gegen Migräne habe er nicht verordnet, sondern lediglich Medikamente aufgrund der generalisierten Angststörung und der somatoformen Schmerzstörung.
Prof. Dr. E., Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, hat im Gutachten vom 19.4.2010 ausgeführt, bei der Klägerin lägen ein depressives Syndrom und ein paranoid-halluzinatorisches Syndrom vor. Nach ICD 10 könnten eine Schizophrenie und eine rezidivierende depressive Störung diagnostiziert werden, wobei viele Symptome der rezidivierenden depressiven Störung und der depressiven Episode auch im Rahmen einer Schizophrenie auftreten könnten. In Verbindung mit den körperlichen Erkrankungen seien allenfalls noch leichte körperliche Tätigkeiten ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne Arbeiten mit Publikumsverkehr, ohne Anforderungen an geistige Beanspruchung, vor allem an Konzentration, Flexibilität und Stressstabilität, und ohne Übernahme von Verantwortung drei bis unter sechs Stunden täglich zumutbar. Es würden gehäuft Zeiten auftreten, in denen die Klägerin weniger als drei Stunden täglich arbeiten könne, und zwar dann, wenn ausgeprägte Symptome der Schizophrenie aufträten. Die Klägerin sei auch nicht in der Lage, sich auf die Anforderungen einzustellen, die mit der Aufnahme einer jeden neuen Tätigkeit verbunden seien. Die schizophreniebedingten Ängste und fehlerhaften Wahrnehmungen der Realität könnten sehr schnell zu Umstellungsschwierigkeiten bei der Einarbeitung führen. Die Erkrankungen bestünden nach Angaben der Klägerin seit der Antragstellung; der Ausprägungsgrad lasse sich allerdings nicht bis zum September 2003 rekonstruieren. Es sei von einer Verschlimmerung in den letzten Jahren auszugehen. Die schizophrene Symptomatik sei erstmals bei seiner Begutachtung nachgewiesen worden, so dass erst seit diesem Zeitpunkt eine Aussage zu genauen Diagnosen und zur Leistungsfähigkeit gemacht werden könne.
MUDr. H. hat in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 17.6.2010 eingewandt, unter Berücksichtigung der Aktenlage erscheine es unwahrscheinlich, dass – trotz wiederholter psychiatrischer Begutachtung bzw. trotz muttersprachlicher Behandlung in einer psychosomatischen Klinik – die angeblich seit 1992 bestehenden Phänomene (Stimmen hören) bisher nicht exploriert und festgestellt worden seien. Gegen einen so langen Verlauf der schizophrenen Psychose spreche auch die Tatsache, dass sich bei der Klägerin offenbar keine residuale Symptomatik entwickelt habe. Bei realistischer Betrachtung der gesamten Aktenlage müsse festgestellt werden, dass die Tatsache, dass die Klägerin im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. E. behauptet habe, Stimmen zu hören bzw. dass paranoid anmutende Ängste angenommen würden, noch keine Diagnose einer Schizophrenie rechtfertigen könne. Prof. Dr. E. habe die subjektiven Angaben der Klägerin nicht einer Plausibilitätskontrolle unterzogen, die jedoch bei dem seit Jahren beschriebenen starken Rentenbegehren und bei den auffälligen histrionischen Persönlichkeitszügen der Klägerin dringend erforderlich gewesen wäre.
Der Senat hat daraufhin eine sachverständige Zeugenaussage bei dem die Klägerin (nunmehr) behandelnden Psychiater Dr. B. sowie ergänzende Stellungnahmen bei Prof. Dr. E. eingeholt.
Der Neurologe und Psychiater Dr. B. hat am 19.8.2010 mitgeteilt, die Klägerin habe ihn zwischen 1990 und dem 9.7.2010 etwa 21 Mal aufgesucht. Der Ehemann habe als Dolmetscher fungiert. Er habe bei der Klägerin folgende Diagnosen gestellt: Psychosomatischer Beschwerdekomplex, familiärer Konflikt, Verdacht auf Hyperventilation, Migränekopfschmerz, Angst und Depression, sensible Missempfindungen, Wirbelsäulensyndrom, Verdacht auf Dysthymia. Er habe bei der Klägerin keine Befunde erhoben, die die Diagnose eines paranoid-halluzina-torischen Syndroms bzw. einer Schizophrenie stützten.
Zusammenfassend hat Prof. Dr. E. in den ergänzenden Stellungnahmen vom 7.9. und 8.12.2010 an seiner Beurteilung festgehalten, dass bei der Klägerin eine Schizophrenie vorliege.
Dr. S., Chefarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I am Psychiatrischen Zentrum N., hat im Gutachten vom 4.10.2011 bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichtgradige depressive Episode, eine Somatisierungsstörung sowie einen Kombinationskopfschmerz diagnostiziert. Er hat dargelegt, es hätten sich markante Diskrepanzen zwischen den Beschwerdeangaben und den Befunden ergeben (z.B. bezüglich Konzentration, Schmerzen, Depressivität). In Tests, die lediglich der Messung der Anstrengungsbereitschaft gedient hätten, habe die Klägerin Ergebnisse erzielt, die teils noch unter den Ergebnissen lägen, die sie bei rein zufälligem Antwortverhalten ohne jegliche Anstrengungsleistung erzielt hätte. Bei der Klägerin lägen massive Verdeutlichungstendenzen vor, so dass zumindest Aggravation im Sinne von akzentuierter Darstellung tatsächlich vorhandener Beschwerden anzunehmen sei. Auf Befundebene habe sich eine etwas herabgeminderte Stimmungslage und eine gering eingeengte emotionale Schwingungsfähigkeit gefunden. Der Affekt sei themenspezifisch (multiple intrafamiliäre Konfliktkonstellationen) auch immer wieder moros-dysphorisch gewesen. Hinweise auf Psychopathologien, wie sie bei schwerer Depressivität gefunden werden könnten, – etwa Ich-Störungen oder Wahnerleben – ergäben sich überhaupt nicht. Zu diskutieren sei der diagnostische Status der von der Klägerin angegebenen akustischen und optischen Fehlwahrnehmungen. In Bezug auf die akustischen Fehlwahrnehmungen sei die Klägerin in der Lage, den Trugcharakter zu erkennen. Der Zusammenhang mit emotionalen Belastungssituationen liege auf der Hand und sei der Klägerin bewusst. Hierbei handele es sich um typische dissoziative Pseudohalluzinationen, wie sie bei affektiv erkrankten Personen aus dem Kulturkreis der Klägerin in nicht geringer Häufigkeit aufträten. Es handele sich nicht um eigentlich psychotische Phänomene, also Zeichen einer gestörten Realitätskontrolle als Ausdruck einer Schizophrenie, sondern um eine im Zusammenhang mit Konflikten und Affektbelastungen zu sehende temporäre Desintegration von Wahrnehmungsstörungen. Passend hierzu seien die beschriebenen optischen Fehlwahrnehmungen (schattenhafte Gestalten mit Flügel ohne Gesicht) eine geradezu klassische Wahrnehmungsverzerrung, wie sie in den Einschlaf- und Aufwachphasen von affektiv erkrankten Personen aus dem Kulturkreis der Klägerin nicht selten beschrieben würden. Auch hierbei handele es sich um Fehlwahrnehmungen, die nicht auf eine psychotische Grunderkrankung hinweisen würden, sondern vielmehr passagere psychopathologische Phänomene darstellten. Die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen führten zu einer Minderung der Stressbelastbarkeit, der sozialen Kompetenzen und einer Reduktion der körperlichen Belastbarkeit. Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung, etwa durch erhöhten Zeitdruck (z.B. Akkordarbeit) oder durch unphysiologische psychovegetative Belastung (z.B. Nachtarbeit), kämen für die Klägerin nicht mehr in Frage. Ebenso schieden Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen oder Sachwerte und unmittelbarem Kundenkontakt sowie körperlich schwere Tätigkeiten aus. Körperlich leichte bis vorübergehend mittelschwere Tätigkeiten könne die Klägerin vollschichtig, d.h. bis zu acht Stunden an fünf Tagen pro Woche, verrichten. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich. Es seien auch keine psychischen Beeinträchtigungen festgestellt worden, die es der Klägerin unmöglich machen würden, die jeweiligen Anforderungen zu bewältigen, die mit der Aufnahme jeder neuen beruflichen Tätigkeit verbunden sein.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegten Berufungen der Beklagten und der Klägerin sind zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat. Die Berufung der Klägerin ist dagegen nicht begründet.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung der Klägerin, das heißt ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, der Entlassungsberichte der Rehaklinik K. vom 18.3.2003 und der M.-Klinik vom 7.3.2008, des Gutachtens des MDK vom 2.10.2008, der Gutachten der Ärztin für Sozialmedizin B. vom 30.4.2008 und der Psychiaterin Dr. S. vom 31.8.2004, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, sowie der Sachverständigengutachten von Dr. K. vom 24.1.2006 und Dr. S. vom 4.10.2011 sowie der beratungsärztlichen Stellungnahmen von MUDr. H. vom 15.1.2009, 17.6.2010 und 5.1.2011, die als qualifizierter Beteiligten-vortrag berücksichtigt werden.
Bei der Klägerin liegen im Wesentlichen Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychia-trischem Gebiet vor. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um eine rezidivierende depressive Störung, eine Somatisierungsstörung und einen Kombinationskopfschmerz. Diese Gesundheits-störungen hat schon die Psychiaterin Dr. S. im Gutachten vom 31.8.2004 bei der Klägerin festgestellt, wobei sie die depressive Störung als Dysthymia bei histrionischen Persönlichkeitszügen (ICD 10 F 34.1) angesehen hat und zusätzlich den Verdacht auf Panikattacken geäußert hat. Anlässlich ihrer gutachterlichen Untersuchung war die Klägerin zu allen Qualitäten gut orientiert; es fanden sich weder im inhaltlichen noch im formalen Gedankengang Auffälligkeiten. Antrieb und Psychomotorik waren ungestört. Allerdings hatte sich die Klägerin von den erlebten Kränkungen durch die Familie ihres Mannes nicht distanziert. Die Stimmung war bei den Schilderungen der Biografie und der Lebenssituation gedrückt, bei Schilderung der Kinder bzw. der Freizeitaktivitäten mit Freundinnen gelang der Klägerin hin und wieder ein Lächeln, so dass Dr. S. die Schwingungsfähigkeit nachvollziehbar als erhalten ansah. Eine Tagesstruktur war bei der Klägerin ebenfalls vorhanden (Aufstehen gegen 7:00 Uhr, Kinder – Mädchen 14 Jahre und Junge 9 Jahre – zur Schule schicken, Kaffee trinken und frühstücken, Haushalt – Wäsche bügeln usw. –, Kochen, Mittagessen mit den Kindern, Hausaufgaben mit den Kindern machen, spielen, den Jungen zum Fußball bringen, früher die Tochter zum Handball bringen, nach dem Abendessen mit einer Freundin 1,5 Stunden 6 km laufen).
Dr. S. hat aufgrund seiner gutachterlichen Untersuchung vom 30.6.2011 bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung mit nur leichtgradiger depressiver Episode festgestellt. Die Klägerin war modisch-gepflegt gekleidet und im Kontaktverhalten freundlich-zugewandt. Sie war wach, bewusstseinsklar, zu Person, Ort, Zeit und Situation uneingeschränkt orientiert. Manifeste formale Denkstörungen, insbesondere eine Hemmung oder Verlangsamung des Denkens, ein Perseverieren und eine formal gedankliche Einengung waren nicht vorhanden. Auffassung und Konzentration waren altersentsprechend durchschnittlich gut, mnestische Funktionsdefizite in Bezug auf das Kurz- oder Langzeitgedächtnis waren nicht vorhanden und auch keine verstärkt ausgeprägten kognitiven Ermüdungszeichen. Pathologische Angstsyndrome im Sinne generalisierter, phobischer oder panikartiger Ängste, eine Zwangssymptomatik im Sinne von Zwangsgedanken, -impulsen oder -handlungen war nicht feststellbar. Hinweise auf paranoides Erleben, auf Derealisations- oder Depersonalisationserleben oder andere Ich-Störungen wie Gedankenausbreitung, -entzug oder -eingebung waren nicht vorhanden. Die Stimmungslage war etwas herabgemindert, die emotionale Schwingungsfähigkeit war nur gering eingeengt, der Antrieb war situationsadäquat, das Ausdrucksverhalten war affektkongruent und durchaus lebhaft. Eigenanamnestisch gab die Klägerin akustische und visuelle Fehlwahrnehmungen an. Die Tagesstruktur war erhalten (Aufstehen zwischen 6:30 und 7:00 Uhr, Einkauf beim Bäcker, Verrichten von Hausarbeiten wie Betten machen, putzen und waschen, frühstücken zwischen 10:00 Uhr und 11:00 Uhr, Vorbereitung des Mittagessens für sich und die Kinder, Mittagessen mit den Kindern, nach dem Mittagessen fernsehen, spazieren gehen, gelegentliches Treffen mit Freunden, gemeinsames Abendessen mit der Familie, aufräumen, gelegentliches spazieren gehen nach dem Abendessen, manchmal fernsehen, manchmal lesen).
Eine Schizophrenie – wie von Prof. Dr. E. angenommen – liegt bei der Klägerin nach Überzeugung des Senats nicht vor. Eine solche haben weder die behandelnden Neurologen und Psychiater der Klägerin Dr. G., Dr. D. und Dr. B., die die Klägerin ab dem 27.4.1993 (Dr. G. und ab Juli 2006 Praxisnachfolger Dr. D.; Dr. B. von 1990 bis 9.7.2010: 21 Mal) noch die Gutachter und Sachverständigen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet Dr. S., Dr. K., Dr. O., Dr. T. und Dr. S. und auch nicht die Ärzte, die die Klägerin während der Heilverfahren betreut haben, festgestellt. Dr. S. hat in Kenntnis der Diagnose von Prof. Dr. E. unter umfassender Auswertung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen und unter Berücksichtigung der von ihm erhobenen Befunde für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die von der Klägerin geschilderten Fehlwahrnehmungen die Diagnose einer Schizophrenie nicht rechtfertigen, was mit der Beurteilung von MUDr. H. übereinstimmt. Die Klägerin war in der Lage, den Trugcharakter zu erkennen. Es bestand ein Zusammenhang der Fehlwahrnehmungen mit emotionalen Belastungssituationen, der der Klägerin auch bewusst war. Die Fehlwahrnehmungen sind typische dissoziative Pseudohalluzinationen, wie sie bei affektiv erkrankten Personen aus dem Kulturkreis der Klägerin häufig auftreten. Es handelt sich nicht um eigentlich psychotische Phänomene, also Zeichen einer gestörten Realitätskontrolle als Ausdruck einer Schizophrenie, sondern um eine im Zusammenhang mit Konflikten und Affektbelastung zu sehende temporäre Desintegration von Wahrnehmungsvorgängen. Bei den beschriebenen optischen Fehlwahrnehmungen (schattenhafte Gestalten mit Flügel ohne Gesicht) handelt es sich um eine klassische Wahrnehmungsverzerrung, wie sie in der Einschlaf- und Aufwachphase von affektiv erkrankten Personen aus dem Kulturkreis der Klägerin nicht selten beschrieben wird. Auch dies sind Fehlwahrnehmungen, die nicht auf eine psychotische Grunderkrankung hinweisen, sondern vielmehr passagere psychopathologische Phänomene.
Die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem sowie auf orthopädischem und internistischem Gebiet führen zwar zu qualitativen Leistungseinschränkungen, hindern die Klägerin jedoch nicht daran, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich zu verrichten. Vermeiden muss die Klägerin schwere körperliche Arbeiten, Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung (z.B. Akkord, Nachtarbeit), mit erhöhter Verantwortung für Personen und Sachwerte sowie mit unmittelbarem Kundenkontakt. Ferner scheiden Tätigkeiten mit inhalativer Belastung und Allergenen sowie mit Zwangshaltungen aus. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der im Wesentlichen übereinstimmenden Leistungsbeurteilungen der Ärzte der Reha-Klinik K. und der M.-Klinik, die die Klägerin über einen längeren Zeitraum beobachten konnten, der Gutachter B. und Dr. S. sowie der Sachverständigen Dr. K. und Dr. S ...
Den hiervon abweichenden Beurteilungen von Dr. O., Dr. T. und Prof. Dr. E. vermag sich der Senat dagegen nicht anzuschließen.
Dr. O. begründet im Gutachten vom 19.7.2006 das von ihm aufgrund der Untersuchung vom 19.6.2006 angenommene Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden mit den in den letzten drei Monaten gehäuft aufgetretenen Migräneattacken. Diese können zwar gegebenenfalls zu einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit führen, nicht aber zu einer Erwerbsminderung auf Dauer. So räumt Dr. O. selbst ein, dass bei suffizienter Migränebehandlung möglicherweise ein über sechsstündiges Leistungsvermögen gegeben sei. Außerdem ist auch nicht nachgewiesen, dass es seit ca. März 2006 (drei Monate vor der Untersuchung durch Dr. O. am 19.6.2000) zu einer wesentlichen dauerhaften Verschlimmerung der Migräne gekommen ist. So hat Dr. D., der die Klägerin als Praxisnachfolger von Dr. G. seit Juli 2006 behandelt hat, in der sachverständigen Zeugenaussage vom 28.10.2009 angegeben, dass er der Klägerin keine Medikamente gegen Migräne verordnet habe und in der Zeit von Dezember 2005 (Untersuchung durch Dr. K.) bis Juni 2006 (Untersuchung durch Dr. O.) keine wesentliche Änderung hinsichtlich der Migräne eingetreten sei.
Dr. T. führt im Gutachten vom 6.10.2008 (Untersuchungen vom 28.7. und 22.9.2008) aus, derzeit bestehe Arbeitsunfähigkeit bei schwergradiger depressiver Symptomatik. Die Klägerin könne derzeit Tätigkeiten weniger als drei Stunden täglich ausüben, wobei sie von einem schwergradigen depressiven Einbruch der Klägerin seit Anfang März 2008, einer schweren Erkrankung der Mutter der Klägerin, ausgeht. Daraus lässt sich jedoch keine Leistungsminderung auf Dauer ableiten. Darüber hinaus hat der die Klägerin seit Juli 2006 behandelnde Psychiater Dr. D. keine wesentliche Verschlimmerung der depressiven Symptomatik für die Zeit ab März 2008 bestätigt, sondern ausgeführt, über depressive Symptome klage die Klägerin immer wieder. Eine progrediente depressive Symptomatik sei seit Anfang des Jahres 2009 sehr deutlich. Dies stehe im Zusammenhang mit psychosozialen Problemen, vor allem durch den verhaltensauffälligen Sohn und die allgemeine hohe psychosoziale Belastung sowie damit, dass die Klägerin bisher keinen geeigneten Therapieplatz habe finden können. Auch diese Angaben sprechen gegen eine wesentliche dauerhafte Verschlimmerung der depressiven Symptomatik und insbesondere gegen eine dauerhafte Verschlimmerung seit März bzw. Juli 2008.
Der Beurteilung von Prof. Dr. E. schließt sich der Senat nicht an, weil die von ihm diagnostizierte Schizophrenie – wie oben ausgeführt – nicht nachgewiesen ist. Vielmehr hat Dr. S. für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass bei seiner Untersuchung sowie auch in sämtlichen anderen Befund- und Behandlungsberichten sowie Begutachtungen der von Prof. Dr. E. angenommene verflachte Affekt nicht feststellbar war, und es sich bei den von der Klägerin beschriebenen Fehlwahrnehmungen um keine Halluzinationen, sondern um dissoziative Pseudohalluzinationen handelt. Derartige Phänomene sind bei affektiv erkrankten Patienten aus dem t. Kulturraum im klinischen Alltag mit hoher Regelmäßigkeit zu finden. Da der Senat die von Prof. Dr. E. angenommene Schizophrenie als nicht nachgewiesen ansieht, vermag er auch seiner darauf basierenden Leistungsbeurteilung nicht zu folgen.
Nach alledem konnte das Urteil des SG keinen Bestand haben. Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des SG abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Die Berufung der Klägerin war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1972 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernt hat, kam im August 1989 aus der T. in die Bundesrepublik Deutschland. Hier war sie von Juni 1991 bis Dezember 2002 mit Unterbrechungen als Stationshilfe in einem Krankenhaus versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt in Teilzeit vier Stunden täglich. Seit Oktober 2002 war sie arbeitsunfähig und bezog ab November 2002 Krankengeld und ab 18. März 2003 Arbeitslosengeld. Seit Januar 2005 erhielt sie Arbeitslosengeld II (vgl. Versicherungsverlauf vom 10.4.2008).
Vom 13.2. bis 13.3.2003 befand sich die Klägerin zu einem Heilverfahren in der Rehaklinik K., aus dem sie als arbeitsunfähig für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit entlassen wurde. In ihrer bisherigen Tätigkeit hielten die Ärzte die Klägerin nicht mehr (bzw. unter drei Stunden täglich) für einsetzbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten könne die Klägerin dagegen ab sofort sechs Stunden und mehr verrichten.
Am 22.9.2003 beantragte die Klägerin – wegen chronifizierter Kopfschmerzen – die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen (u.a. Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung – MDK – vom 2.10.2003: Diagnosen: Somatisierungsstörung, Tendovaginitis linkes Handgelenk, depressive Episode leichtgradiger Ausprägung, allergisch bedingtes Asthma bronchiale, Migräne; Arbeitsunfähigkeit seit 22.8.2003, weiterhin arbeitsunfähig; eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit liege nicht vor) bei und ließ die Klägerin von der Ärztin für Sozialmedizin B. untersuchen. Diese stellte bei der Klägerin im Gutachten vom 30.4.2004 folgende Diagnosen: Somatisierungsstörung, rezidivierender Kombinationskopfschmerz (muskulotendinös, Migräne), chronisch rezidivierendes degeneratives Wirbelsäulensyndrom ohne Bewegungseinschränkung und ohne neurologische Ausfälle. Als Reinemachefrau (am letzten Arbeitsplatz) sei die Klägerin nur unter drei Stunden täglich einsetzbar. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne anhaltende Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne häufiges Bücken, ohne häufige Überkopfarbeiten, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne Tätigkeiten mit besonderem Zeitdruck, mit erhöhten Anforderungen an das Umstellungsvermögen, mit Kontakt zu den bekannten Allergenen und mit inhalativen Reizstoffen sowie ohne Nachtschicht könne die Klägerin täglich sechs Stunden und mehr ausüben.
Mit Bescheid vom 5.5.2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab, weil weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vorliege.
Hiergegen legte die Klägerin unter Vorlage eines Attestes des Nervenarztes Dr. G. vom 14.5.2004 Widerspruch ein, der über Behandlungen der Klägerin vom 27.4.1993 bis 13.5.2004 berichtete und die Auffassung vertrat, bei der Klägerin lägen eine generalisierte Angsterkrankung, eine Somatisierungsstörung und eine Migräne vor, die die Erwerbsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigten.
Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin auf psychiatrischem Gebiet untersuchen. Die Psychiaterin Dr. S. diagnostizierte im Gutachten vom 31.8.2004 bei der Klägerin eine Somatisierungsstörung, eine Dysthymie bei histrionischen Persönlichkeitszügen, einen rezidivierenden Kombinationskopfschmerz (Migräne) und äußerte den Verdacht auf Panikattacken. Sie empfahl der Klägerin zusätzlich zur psychiatrischen medikamentösen Behandlung eine psychotherapeutische Behandlung sowie die Fortführung der im Heilverfahren erlernten Entspannungsmaßnahmen. Im Reinigungsdienst/Hauswirtschaftsbereich sei die Klägerin nicht mehr einsetzbar. Einfache Tätigkeiten mit geringer Anforderung an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen könne die Klägerin vollschichtig, sechs Stunden und mehr, verrichten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 25.11.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg (S 6 RJ 4170/04 bzw. späteres Az. S 12 RJ 4170/04) erhoben, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgt hat.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin (den Nervenarzt Dr. G., den Chirurgen W., den Internisten und Kardiologen Dr. G. und den Internisten Dr. B.) schriftlich als sachverständige Zeugen gehört (Auskünfte vom 7.1., 25.1. und 31.1.2005). Dabei bejahten Dr. G. und Dr. G. ein sechsstündiges Leistungsvermögen pro Tag, während Dr. B. befürchtete, dass auch leichte Tätigkeiten sechs Stunden pro Tag nicht möglich seien. Der Chirurg W. hielt zur Beurteilung des Leistungsvermögens ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten für erforderlich.
Das SG hat Dr. K., Chefarzt der W.-Klinik St. B., mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser hat im Gutachten vom 24.1.2006 bei der Klägerin eine generalisierte Angststörung sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert. Die Klägerin sei in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit ohne Zwangshaltungen der Hals- und Rumpfwirbelsäule, ohne überwiegendes Stehen und Gehen, ohne ständige Überkopfarbeit, ohne Schichtarbeit und Zeitdruck, ohne Einwirkung von Staub vollschichtig (mindestens sechs Stunden täglich) auszuüben.
Nachdem Dr. G. wegen der Migräne die Einholung eines zusätzlichen neurologischen Gutachtens empfohlen hatte, hat das SG den Neurologen Dr. O. mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser hat im Gutachten vom 19.7.2006 bei der Klägerin auf neurologischem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt: Migräne mit Aura, rezidivierende Cervicobrachialgien beidseits, rezidivierende lumboischialgieforme Schmerzen beidseits, rezidivierende Kribbel-parästhesien beidseits occipital im Rahmen der Somatisierungsstörung, unspezifische Kopfschmerzen bei Sonneneinstrahlung und auf psychiatrischem Fachgebiet: Generalisierte Angststörung und Somatisierungsstörung. Er hat ausgeführt, die Auswirkung der Migräne auf den Alltag und die Arbeitsfähigkeit der Klägerin sei derzeit beträchtlich. So seien – nach Angaben der Klägerin – die Kopfschmerzen in den vergangenen drei Monaten etwa zwei- bis dreimal pro Woche aufgetreten und hätten ein bis zwei Tage angehalten. Während der Migräneattacken sei von einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Derzeit könne die Klägerin einer Erwerbstätigkeit nur weniger als drei Stunden pro Tag nachgehen. Bei suffizienter Migränebehandlung könne sie möglicherweise über sechs Stunden täglich arbeiten.
In der mündlichen Verhandlung vom 24.7.2007 hat das SG die Klägerin persönlich angehört. Die Beklagte hat sich bereit erklärt, der Klägerin eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation auf psychosomatischem Gebiet zu gewähren und danach nochmals über den Rentenantrag unter Einbeziehung der Ergebnisse der Rehabilitation zu entscheiden. Daraufhin hat das SG mit Beschluss vom 24.7.2007 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Vom 31.1. bis 28.2.2008 befand sich die Klägerin zu einem Heilverfahren in der M.-Klinik. Die dortigen Ärzte stellten bei der Klägerin im Entlassungsbericht vom 7.3.2008 folgende Diagnosen: Generalisierte Angststörung, Somatisierungsstörung, leichtes allergisch bedingtes Asthma bronchiale, rezidivierende saisonale Rhino-Konjunktividen, Zustand nach Strumektomie 1992 wegen Hypothyreose mit diffuser Struma, Zustand nach Hysterektomie 2005 wegen Endometriose des Uterus. Die Ärzte entließen die Klägerin als arbeitsfähig und führten aus, sie sei in der Lage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit in Tagesschicht, Früh-/Spätschicht täglich sechs Stunden und mehr auszuüben. Einschränkungen ergäben sich hinsichtlich hoher Anforderungen an Konzentration, Verantwortung für Personen und Maschinen, Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge, Nachtarbeit sowie inhalativer Belastungen und Allergene.
Nach Auswertung des Entlassungsbericht durch Dr. G. in der Stellungnahme vom 3.4.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 10.4.2008 erneut ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege.
Nach Fortführung des Klageverfahrens (S 8 R 2077/08) hat das SG ein weiteres psychiatrisches Gutachten eingeholt. Dr. T. hat im Gutachten vom 6.10.2008 bei der Klägerin auf ihrem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt: Somatisierungsstörung, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, Tabakabhängigkeit. Aufgrund der schweren depressiven Störung und der ausgeprägten chronifizierten Somatisierungsstörung sei die Klägerin derzeit nicht in der Lage, ihrer früheren Tätigkeit als Hauswirtschafterin oder einer anderen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Derzeit bestehe Arbeitsunfähigkeit aufgrund der schwergradigen depressiven Symptomatik. Die Erwerbsfähigkeit liege derzeit bei weniger als drei Stunden täglich. Der schwergradig depressive Einbruch sei Anfang März 2008 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin ausgeprägte Verlustängste erlitten, während ihre Mutter in der T. eine schwere Erkrankung durchgemacht habe. Zuvor sei die Leistungsfähigkeit der Klägerin in der M.-Klinik mit mehr als sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten angegeben worden. Zum Zeitpunkt des Heilverfahrens habe die depressive Symptomatik nicht im Vordergrund des Beschwerdebildes gestanden. Aufgrund des Alters der Klägerin sollte eine Optimierung der psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung erfolgen. Eine depressive Erkrankung müsse nicht zwangsläufig zu einem dauerhaften Verlust der Erwerbsfähigkeit führen.
Die Beklagte hat sich daraufhin – entsprechend der beratungsärztlichen Stellungnahme von MUDr. H. vom ab 15.1.2009 – im Vergleichswege bereit erklärt, der Klägerin ein erneutes psychosomatisch ausgerichtetes Heilverfahren in einer geeigneten Rehabilitationseinrichtung zu gewähren, sofern die Klage zurückgenommen wird. Dieses Angebot hat die Klägerin abgelehnt. Mit Urteil vom 1.7.2009 hat das SG den Bescheid vom 5.5.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2004 sowie den Bescheid vom 10.4.2008 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ausgehend von einem Leistungsfall am 28.7.2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.2.2009 bis zum 31.1.2012 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG vorgetragen, es sei zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin voll erwerbsgemindert sei. Sie sei nur noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten in einem Umfang von unter drei Stunden täglich auszuüben. Diese Überzeugung stütze das SG auf das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten von Dr. T. Die Klägerin leide, wie die Sachverständige dargelegt habe, an einer Somatisierungsstörung sowie einer rezidivierenden depressiven Störung, die gegenwärtig stark ausgeprägt sei. Hinsichtlich des Eintritts des Leistungsfalls sei das SG zur Überzeugung gelangt, dass die Leistungsminderung der Klägerin ab dem 28.7.2008, dem Tag der ersten psychiatrischen Untersuchung bei Dr. T., vorliege. Soweit die Sachverständige ausführe, die schwergradige depressive Episode liege seit März 2008 vor, habe das SG dem nicht folgen können. Denn vom 31.1. bis 28.2.2008 habe die stationäre Rehabilitation stattgefunden, aus der die Klägerin als vollschichtig leistungsfähig entlassen worden sei. Für die Zwischenzeit lägen dem SG keine Befundberichte vor. Von einem früheren Leistungsfall habe sich das SG nicht zu überzeugen vermocht. Auf die Entscheidungsgründe im übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 20.7.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.7.2009 und die Klägerin, der das Urteil am 16.7.2009 zugestellt worden ist, am 23.7.2009 Berufung eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, im Gegensatz zum SG sehe sie eine rentenrelevante Leistungsminderung nicht mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit als erwiesen an. Das SG stütze seine Entscheidung auf das psychiatrische Gutachten von Dr. T. vom 6.10.2008. MUDr. H. habe sich ausführlich mit den Schwachstellen dieses Gutachtens auseinandergesetzt und plausibel dargelegt, weshalb im Einzelnen diesem Gutachten nicht gefolgt werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 1. Juli 2009 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 1. Juli 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2004 sowie den Bescheid vom 10. April 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr aufgrund eines Leistungsfalls im März 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. Januar 2012 hinaus zu gewähren sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie trägt unter Vorlage eines Attestes des Internisten Dr. B. vom 12.3.2009 vor, Frau Dr. T. habe festgestellt, dass ihre schwergradige depressive Erkrankung seit März 2008 bestehe.
Der Senat hat Dr. D. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört (Auskunft vom 28.10.2009) und Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eingeholt.
Dr. D. hat erklärt, er behandle die Klägerin seit Juli 2006; zuvor habe sie schon in nervenärztlicher Behandlung bei seinem Vorgänger Dr. G. bestanden, der sie erstmals im Jahr 1993 wegen einer Migräne sowie wegen eines Halswirbelsäulen-Syndroms behandelt habe. Im Laufe der Jahre sei es zu einer Chronifizierung der Migräne-Erkrankung und einer Häufung verschiedener psychosomatischer Beschwerden gekommen. Wie Dr. G. im Attest vom 14.5.2004 zum Ausdruck gebracht habe, sei der psychopathologische Befund über lange Zeit unverändert gewesen. Eine wesentliche Änderung sei auch nach der Behandlungsübernahme durch ihn nicht eingetreten. Medikamente gegen Migräne habe er nicht verordnet, sondern lediglich Medikamente aufgrund der generalisierten Angststörung und der somatoformen Schmerzstörung.
Prof. Dr. E., Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, hat im Gutachten vom 19.4.2010 ausgeführt, bei der Klägerin lägen ein depressives Syndrom und ein paranoid-halluzinatorisches Syndrom vor. Nach ICD 10 könnten eine Schizophrenie und eine rezidivierende depressive Störung diagnostiziert werden, wobei viele Symptome der rezidivierenden depressiven Störung und der depressiven Episode auch im Rahmen einer Schizophrenie auftreten könnten. In Verbindung mit den körperlichen Erkrankungen seien allenfalls noch leichte körperliche Tätigkeiten ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne Arbeiten mit Publikumsverkehr, ohne Anforderungen an geistige Beanspruchung, vor allem an Konzentration, Flexibilität und Stressstabilität, und ohne Übernahme von Verantwortung drei bis unter sechs Stunden täglich zumutbar. Es würden gehäuft Zeiten auftreten, in denen die Klägerin weniger als drei Stunden täglich arbeiten könne, und zwar dann, wenn ausgeprägte Symptome der Schizophrenie aufträten. Die Klägerin sei auch nicht in der Lage, sich auf die Anforderungen einzustellen, die mit der Aufnahme einer jeden neuen Tätigkeit verbunden seien. Die schizophreniebedingten Ängste und fehlerhaften Wahrnehmungen der Realität könnten sehr schnell zu Umstellungsschwierigkeiten bei der Einarbeitung führen. Die Erkrankungen bestünden nach Angaben der Klägerin seit der Antragstellung; der Ausprägungsgrad lasse sich allerdings nicht bis zum September 2003 rekonstruieren. Es sei von einer Verschlimmerung in den letzten Jahren auszugehen. Die schizophrene Symptomatik sei erstmals bei seiner Begutachtung nachgewiesen worden, so dass erst seit diesem Zeitpunkt eine Aussage zu genauen Diagnosen und zur Leistungsfähigkeit gemacht werden könne.
MUDr. H. hat in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 17.6.2010 eingewandt, unter Berücksichtigung der Aktenlage erscheine es unwahrscheinlich, dass – trotz wiederholter psychiatrischer Begutachtung bzw. trotz muttersprachlicher Behandlung in einer psychosomatischen Klinik – die angeblich seit 1992 bestehenden Phänomene (Stimmen hören) bisher nicht exploriert und festgestellt worden seien. Gegen einen so langen Verlauf der schizophrenen Psychose spreche auch die Tatsache, dass sich bei der Klägerin offenbar keine residuale Symptomatik entwickelt habe. Bei realistischer Betrachtung der gesamten Aktenlage müsse festgestellt werden, dass die Tatsache, dass die Klägerin im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. E. behauptet habe, Stimmen zu hören bzw. dass paranoid anmutende Ängste angenommen würden, noch keine Diagnose einer Schizophrenie rechtfertigen könne. Prof. Dr. E. habe die subjektiven Angaben der Klägerin nicht einer Plausibilitätskontrolle unterzogen, die jedoch bei dem seit Jahren beschriebenen starken Rentenbegehren und bei den auffälligen histrionischen Persönlichkeitszügen der Klägerin dringend erforderlich gewesen wäre.
Der Senat hat daraufhin eine sachverständige Zeugenaussage bei dem die Klägerin (nunmehr) behandelnden Psychiater Dr. B. sowie ergänzende Stellungnahmen bei Prof. Dr. E. eingeholt.
Der Neurologe und Psychiater Dr. B. hat am 19.8.2010 mitgeteilt, die Klägerin habe ihn zwischen 1990 und dem 9.7.2010 etwa 21 Mal aufgesucht. Der Ehemann habe als Dolmetscher fungiert. Er habe bei der Klägerin folgende Diagnosen gestellt: Psychosomatischer Beschwerdekomplex, familiärer Konflikt, Verdacht auf Hyperventilation, Migränekopfschmerz, Angst und Depression, sensible Missempfindungen, Wirbelsäulensyndrom, Verdacht auf Dysthymia. Er habe bei der Klägerin keine Befunde erhoben, die die Diagnose eines paranoid-halluzina-torischen Syndroms bzw. einer Schizophrenie stützten.
Zusammenfassend hat Prof. Dr. E. in den ergänzenden Stellungnahmen vom 7.9. und 8.12.2010 an seiner Beurteilung festgehalten, dass bei der Klägerin eine Schizophrenie vorliege.
Dr. S., Chefarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I am Psychiatrischen Zentrum N., hat im Gutachten vom 4.10.2011 bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichtgradige depressive Episode, eine Somatisierungsstörung sowie einen Kombinationskopfschmerz diagnostiziert. Er hat dargelegt, es hätten sich markante Diskrepanzen zwischen den Beschwerdeangaben und den Befunden ergeben (z.B. bezüglich Konzentration, Schmerzen, Depressivität). In Tests, die lediglich der Messung der Anstrengungsbereitschaft gedient hätten, habe die Klägerin Ergebnisse erzielt, die teils noch unter den Ergebnissen lägen, die sie bei rein zufälligem Antwortverhalten ohne jegliche Anstrengungsleistung erzielt hätte. Bei der Klägerin lägen massive Verdeutlichungstendenzen vor, so dass zumindest Aggravation im Sinne von akzentuierter Darstellung tatsächlich vorhandener Beschwerden anzunehmen sei. Auf Befundebene habe sich eine etwas herabgeminderte Stimmungslage und eine gering eingeengte emotionale Schwingungsfähigkeit gefunden. Der Affekt sei themenspezifisch (multiple intrafamiliäre Konfliktkonstellationen) auch immer wieder moros-dysphorisch gewesen. Hinweise auf Psychopathologien, wie sie bei schwerer Depressivität gefunden werden könnten, – etwa Ich-Störungen oder Wahnerleben – ergäben sich überhaupt nicht. Zu diskutieren sei der diagnostische Status der von der Klägerin angegebenen akustischen und optischen Fehlwahrnehmungen. In Bezug auf die akustischen Fehlwahrnehmungen sei die Klägerin in der Lage, den Trugcharakter zu erkennen. Der Zusammenhang mit emotionalen Belastungssituationen liege auf der Hand und sei der Klägerin bewusst. Hierbei handele es sich um typische dissoziative Pseudohalluzinationen, wie sie bei affektiv erkrankten Personen aus dem Kulturkreis der Klägerin in nicht geringer Häufigkeit aufträten. Es handele sich nicht um eigentlich psychotische Phänomene, also Zeichen einer gestörten Realitätskontrolle als Ausdruck einer Schizophrenie, sondern um eine im Zusammenhang mit Konflikten und Affektbelastungen zu sehende temporäre Desintegration von Wahrnehmungsstörungen. Passend hierzu seien die beschriebenen optischen Fehlwahrnehmungen (schattenhafte Gestalten mit Flügel ohne Gesicht) eine geradezu klassische Wahrnehmungsverzerrung, wie sie in den Einschlaf- und Aufwachphasen von affektiv erkrankten Personen aus dem Kulturkreis der Klägerin nicht selten beschrieben würden. Auch hierbei handele es sich um Fehlwahrnehmungen, die nicht auf eine psychotische Grunderkrankung hinweisen würden, sondern vielmehr passagere psychopathologische Phänomene darstellten. Die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen führten zu einer Minderung der Stressbelastbarkeit, der sozialen Kompetenzen und einer Reduktion der körperlichen Belastbarkeit. Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung, etwa durch erhöhten Zeitdruck (z.B. Akkordarbeit) oder durch unphysiologische psychovegetative Belastung (z.B. Nachtarbeit), kämen für die Klägerin nicht mehr in Frage. Ebenso schieden Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen oder Sachwerte und unmittelbarem Kundenkontakt sowie körperlich schwere Tätigkeiten aus. Körperlich leichte bis vorübergehend mittelschwere Tätigkeiten könne die Klägerin vollschichtig, d.h. bis zu acht Stunden an fünf Tagen pro Woche, verrichten. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich. Es seien auch keine psychischen Beeinträchtigungen festgestellt worden, die es der Klägerin unmöglich machen würden, die jeweiligen Anforderungen zu bewältigen, die mit der Aufnahme jeder neuen beruflichen Tätigkeit verbunden sein.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegten Berufungen der Beklagten und der Klägerin sind zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat. Die Berufung der Klägerin ist dagegen nicht begründet.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung der Klägerin, das heißt ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, der Entlassungsberichte der Rehaklinik K. vom 18.3.2003 und der M.-Klinik vom 7.3.2008, des Gutachtens des MDK vom 2.10.2008, der Gutachten der Ärztin für Sozialmedizin B. vom 30.4.2008 und der Psychiaterin Dr. S. vom 31.8.2004, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, sowie der Sachverständigengutachten von Dr. K. vom 24.1.2006 und Dr. S. vom 4.10.2011 sowie der beratungsärztlichen Stellungnahmen von MUDr. H. vom 15.1.2009, 17.6.2010 und 5.1.2011, die als qualifizierter Beteiligten-vortrag berücksichtigt werden.
Bei der Klägerin liegen im Wesentlichen Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychia-trischem Gebiet vor. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um eine rezidivierende depressive Störung, eine Somatisierungsstörung und einen Kombinationskopfschmerz. Diese Gesundheits-störungen hat schon die Psychiaterin Dr. S. im Gutachten vom 31.8.2004 bei der Klägerin festgestellt, wobei sie die depressive Störung als Dysthymia bei histrionischen Persönlichkeitszügen (ICD 10 F 34.1) angesehen hat und zusätzlich den Verdacht auf Panikattacken geäußert hat. Anlässlich ihrer gutachterlichen Untersuchung war die Klägerin zu allen Qualitäten gut orientiert; es fanden sich weder im inhaltlichen noch im formalen Gedankengang Auffälligkeiten. Antrieb und Psychomotorik waren ungestört. Allerdings hatte sich die Klägerin von den erlebten Kränkungen durch die Familie ihres Mannes nicht distanziert. Die Stimmung war bei den Schilderungen der Biografie und der Lebenssituation gedrückt, bei Schilderung der Kinder bzw. der Freizeitaktivitäten mit Freundinnen gelang der Klägerin hin und wieder ein Lächeln, so dass Dr. S. die Schwingungsfähigkeit nachvollziehbar als erhalten ansah. Eine Tagesstruktur war bei der Klägerin ebenfalls vorhanden (Aufstehen gegen 7:00 Uhr, Kinder – Mädchen 14 Jahre und Junge 9 Jahre – zur Schule schicken, Kaffee trinken und frühstücken, Haushalt – Wäsche bügeln usw. –, Kochen, Mittagessen mit den Kindern, Hausaufgaben mit den Kindern machen, spielen, den Jungen zum Fußball bringen, früher die Tochter zum Handball bringen, nach dem Abendessen mit einer Freundin 1,5 Stunden 6 km laufen).
Dr. S. hat aufgrund seiner gutachterlichen Untersuchung vom 30.6.2011 bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung mit nur leichtgradiger depressiver Episode festgestellt. Die Klägerin war modisch-gepflegt gekleidet und im Kontaktverhalten freundlich-zugewandt. Sie war wach, bewusstseinsklar, zu Person, Ort, Zeit und Situation uneingeschränkt orientiert. Manifeste formale Denkstörungen, insbesondere eine Hemmung oder Verlangsamung des Denkens, ein Perseverieren und eine formal gedankliche Einengung waren nicht vorhanden. Auffassung und Konzentration waren altersentsprechend durchschnittlich gut, mnestische Funktionsdefizite in Bezug auf das Kurz- oder Langzeitgedächtnis waren nicht vorhanden und auch keine verstärkt ausgeprägten kognitiven Ermüdungszeichen. Pathologische Angstsyndrome im Sinne generalisierter, phobischer oder panikartiger Ängste, eine Zwangssymptomatik im Sinne von Zwangsgedanken, -impulsen oder -handlungen war nicht feststellbar. Hinweise auf paranoides Erleben, auf Derealisations- oder Depersonalisationserleben oder andere Ich-Störungen wie Gedankenausbreitung, -entzug oder -eingebung waren nicht vorhanden. Die Stimmungslage war etwas herabgemindert, die emotionale Schwingungsfähigkeit war nur gering eingeengt, der Antrieb war situationsadäquat, das Ausdrucksverhalten war affektkongruent und durchaus lebhaft. Eigenanamnestisch gab die Klägerin akustische und visuelle Fehlwahrnehmungen an. Die Tagesstruktur war erhalten (Aufstehen zwischen 6:30 und 7:00 Uhr, Einkauf beim Bäcker, Verrichten von Hausarbeiten wie Betten machen, putzen und waschen, frühstücken zwischen 10:00 Uhr und 11:00 Uhr, Vorbereitung des Mittagessens für sich und die Kinder, Mittagessen mit den Kindern, nach dem Mittagessen fernsehen, spazieren gehen, gelegentliches Treffen mit Freunden, gemeinsames Abendessen mit der Familie, aufräumen, gelegentliches spazieren gehen nach dem Abendessen, manchmal fernsehen, manchmal lesen).
Eine Schizophrenie – wie von Prof. Dr. E. angenommen – liegt bei der Klägerin nach Überzeugung des Senats nicht vor. Eine solche haben weder die behandelnden Neurologen und Psychiater der Klägerin Dr. G., Dr. D. und Dr. B., die die Klägerin ab dem 27.4.1993 (Dr. G. und ab Juli 2006 Praxisnachfolger Dr. D.; Dr. B. von 1990 bis 9.7.2010: 21 Mal) noch die Gutachter und Sachverständigen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet Dr. S., Dr. K., Dr. O., Dr. T. und Dr. S. und auch nicht die Ärzte, die die Klägerin während der Heilverfahren betreut haben, festgestellt. Dr. S. hat in Kenntnis der Diagnose von Prof. Dr. E. unter umfassender Auswertung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen und unter Berücksichtigung der von ihm erhobenen Befunde für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die von der Klägerin geschilderten Fehlwahrnehmungen die Diagnose einer Schizophrenie nicht rechtfertigen, was mit der Beurteilung von MUDr. H. übereinstimmt. Die Klägerin war in der Lage, den Trugcharakter zu erkennen. Es bestand ein Zusammenhang der Fehlwahrnehmungen mit emotionalen Belastungssituationen, der der Klägerin auch bewusst war. Die Fehlwahrnehmungen sind typische dissoziative Pseudohalluzinationen, wie sie bei affektiv erkrankten Personen aus dem Kulturkreis der Klägerin häufig auftreten. Es handelt sich nicht um eigentlich psychotische Phänomene, also Zeichen einer gestörten Realitätskontrolle als Ausdruck einer Schizophrenie, sondern um eine im Zusammenhang mit Konflikten und Affektbelastung zu sehende temporäre Desintegration von Wahrnehmungsvorgängen. Bei den beschriebenen optischen Fehlwahrnehmungen (schattenhafte Gestalten mit Flügel ohne Gesicht) handelt es sich um eine klassische Wahrnehmungsverzerrung, wie sie in der Einschlaf- und Aufwachphase von affektiv erkrankten Personen aus dem Kulturkreis der Klägerin nicht selten beschrieben wird. Auch dies sind Fehlwahrnehmungen, die nicht auf eine psychotische Grunderkrankung hinweisen, sondern vielmehr passagere psychopathologische Phänomene.
Die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem sowie auf orthopädischem und internistischem Gebiet führen zwar zu qualitativen Leistungseinschränkungen, hindern die Klägerin jedoch nicht daran, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich zu verrichten. Vermeiden muss die Klägerin schwere körperliche Arbeiten, Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung (z.B. Akkord, Nachtarbeit), mit erhöhter Verantwortung für Personen und Sachwerte sowie mit unmittelbarem Kundenkontakt. Ferner scheiden Tätigkeiten mit inhalativer Belastung und Allergenen sowie mit Zwangshaltungen aus. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der im Wesentlichen übereinstimmenden Leistungsbeurteilungen der Ärzte der Reha-Klinik K. und der M.-Klinik, die die Klägerin über einen längeren Zeitraum beobachten konnten, der Gutachter B. und Dr. S. sowie der Sachverständigen Dr. K. und Dr. S ...
Den hiervon abweichenden Beurteilungen von Dr. O., Dr. T. und Prof. Dr. E. vermag sich der Senat dagegen nicht anzuschließen.
Dr. O. begründet im Gutachten vom 19.7.2006 das von ihm aufgrund der Untersuchung vom 19.6.2006 angenommene Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden mit den in den letzten drei Monaten gehäuft aufgetretenen Migräneattacken. Diese können zwar gegebenenfalls zu einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit führen, nicht aber zu einer Erwerbsminderung auf Dauer. So räumt Dr. O. selbst ein, dass bei suffizienter Migränebehandlung möglicherweise ein über sechsstündiges Leistungsvermögen gegeben sei. Außerdem ist auch nicht nachgewiesen, dass es seit ca. März 2006 (drei Monate vor der Untersuchung durch Dr. O. am 19.6.2000) zu einer wesentlichen dauerhaften Verschlimmerung der Migräne gekommen ist. So hat Dr. D., der die Klägerin als Praxisnachfolger von Dr. G. seit Juli 2006 behandelt hat, in der sachverständigen Zeugenaussage vom 28.10.2009 angegeben, dass er der Klägerin keine Medikamente gegen Migräne verordnet habe und in der Zeit von Dezember 2005 (Untersuchung durch Dr. K.) bis Juni 2006 (Untersuchung durch Dr. O.) keine wesentliche Änderung hinsichtlich der Migräne eingetreten sei.
Dr. T. führt im Gutachten vom 6.10.2008 (Untersuchungen vom 28.7. und 22.9.2008) aus, derzeit bestehe Arbeitsunfähigkeit bei schwergradiger depressiver Symptomatik. Die Klägerin könne derzeit Tätigkeiten weniger als drei Stunden täglich ausüben, wobei sie von einem schwergradigen depressiven Einbruch der Klägerin seit Anfang März 2008, einer schweren Erkrankung der Mutter der Klägerin, ausgeht. Daraus lässt sich jedoch keine Leistungsminderung auf Dauer ableiten. Darüber hinaus hat der die Klägerin seit Juli 2006 behandelnde Psychiater Dr. D. keine wesentliche Verschlimmerung der depressiven Symptomatik für die Zeit ab März 2008 bestätigt, sondern ausgeführt, über depressive Symptome klage die Klägerin immer wieder. Eine progrediente depressive Symptomatik sei seit Anfang des Jahres 2009 sehr deutlich. Dies stehe im Zusammenhang mit psychosozialen Problemen, vor allem durch den verhaltensauffälligen Sohn und die allgemeine hohe psychosoziale Belastung sowie damit, dass die Klägerin bisher keinen geeigneten Therapieplatz habe finden können. Auch diese Angaben sprechen gegen eine wesentliche dauerhafte Verschlimmerung der depressiven Symptomatik und insbesondere gegen eine dauerhafte Verschlimmerung seit März bzw. Juli 2008.
Der Beurteilung von Prof. Dr. E. schließt sich der Senat nicht an, weil die von ihm diagnostizierte Schizophrenie – wie oben ausgeführt – nicht nachgewiesen ist. Vielmehr hat Dr. S. für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass bei seiner Untersuchung sowie auch in sämtlichen anderen Befund- und Behandlungsberichten sowie Begutachtungen der von Prof. Dr. E. angenommene verflachte Affekt nicht feststellbar war, und es sich bei den von der Klägerin beschriebenen Fehlwahrnehmungen um keine Halluzinationen, sondern um dissoziative Pseudohalluzinationen handelt. Derartige Phänomene sind bei affektiv erkrankten Patienten aus dem t. Kulturraum im klinischen Alltag mit hoher Regelmäßigkeit zu finden. Da der Senat die von Prof. Dr. E. angenommene Schizophrenie als nicht nachgewiesen ansieht, vermag er auch seiner darauf basierenden Leistungsbeurteilung nicht zu folgen.
Nach alledem konnte das Urteil des SG keinen Bestand haben. Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des SG abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Die Berufung der Klägerin war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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