Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 83/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3490/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 7. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten in Höhe von 4.355,00 EUR für die selbstbeschafften Hörgeräte Savia 211dSZ.
Die 1954 geborene Klägerin ist bei der A. Baden-Württemberg gegen Krankheit versichert und bei der Beklagten rentenversichert. Seit Juli 1991 ist sie bei der Agentur für Arbeit als Fachassistentin im Bereich Controlling und Statistik beschäftigt. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt (Bescheid des Versorgungsamtes U. vom 28.10.1998), worin ein GdB für die Hörminderung von 20 (versorgungsärztliche Stellungnahmen vom 10.9.1998 und 24.7.2006) enthalten ist.
Mit Antrag vom 15.7.2006, eingegangen bei der Beklagten am 17.7.2006, hat die Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben begehrt und ein Messprotokoll (Ton- und Sprachaudiogramm) der B. Hörakustik (Dokumentation zur Hörgeräteanpassung der Hörakustikerin L. vom 12.7.2006) übersandt. Sie hat ausgeführt, einen HNO-Arzt habe sie nicht mehr konsultiert, da nach dessen Aussagen eine Behandlung nicht mehr möglich sei. Mit beidseitigen Hörhilfen könne sie ihre Arbeit weiterhin verrichten. Telefonverstärker seien vorhanden, aber nicht ausreichend. Die zur Zeit genutzten Hörgeräte seien mit der technischen Leistung überfordert und reichten nicht mehr aus. Mit leistungsstärkeren Geräten sei die Weiterarbeit möglich. Verschiedene Modelle würden derzeit zur Probe getragen.
Mit Schreiben vom 26.7.2006 bat die Beklagte die Klägerin um Übersendung der Hörgeräte-Verordnung des HNO-Arztes und des Anpassberichtes des Hörgeräteakustikers. Daraufhin übersandte die Klägerin mit Schreiben vom 8.8.2006 die Verordnung des HNO-Arztes Dr. J. vom 3.8.2006 (Diagnosen: Innenohrschwerhörigkeit; Hörhilfe ist beidseits notwendig; Altgeräte sind nicht mehr ausreichend) und die Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 7.8.2006 (gemessen am 24.7.2006), worin ein Hörgewinn mit Hörgeräten (im Vergleich dazu: ohne Hörgeräte) von 40 % (ohne Geräusch) und von 35 % (mit Geräusch) bescheinigt wird. Gleichzeitig teilte die Klägerin mit, mittlerweile seien mehrere Geräte getestet worden. Die Entscheidung sei auf das zuletzt getestete Gerät Savia 211dSZ gefallen. Nach Aufforderung durch den Hörgeräteakustikers sei das getestete Gerät gleich zur weiteren Nutzung überlassen worden. Die Klägerin legte die Rechnung hierüber vom 7.8.2006 über 4.355,00 EUR (2 Hörgeräte Savia 211dSZ zum Preis von je 2.520,00 EUR abzüglich eines Krankenkassen-Anteils von 756,00 EUR, 2 Open-Tube zum Preis von jeweils 33,50 EUR abzüglich des Krankenkassenanteils von 67,00 EUR, 6 Batterien zum Preis von insgesamt 12,00 EUR und ein elektrisches Trockenkissen zum Preis von 59,00 EUR) bei und bat um Zahlung direkt an den Hörgeräteakustiker.
Mit Bescheid vom 29.8.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab, da ein höherwertiges Hörgerät wegen besonderer beruflicher Anforderungen nicht erforderlich sei.
Mit Widerspruch vom 12.9.2006 machte die Klägerin geltend, ihre zuvor getragenen Hörgeräte seien acht Jahre alt, reparaturanfällig und technisch nicht mehr in der Lage, den beruflichen Erfordernissen zu genügen. In den letzten Jahren habe sich ihre Tätigkeit gewandelt und bestehe hauptsächlich aus Telefonie und (Team-)Besprechungen. Gerade dies sei bei der Auswahl der neuen Geräte berücksichtigt worden. Die Klägerin legte ein Schreiben der Hörgeräteakustikerin Lang vom 26.8.2006 vor, die ausführte, die Altgeräte von 1998 seien nicht mehr ausreichend. Die Technik sei verbraucht und eine Reparatur unwirtschaftlich. Die Klägerin habe über das freie Feld bei 65 dB (1 m Abstand) ohne Hörgerät 45 %, im Störgeräusch (60 dB) 20 % verstanden. Ihre Hörprobleme träten hauptsächlich in Konferenzen/Besprechungsrunden sowie Unterhaltungen in Störgeräuschsituationen im Berufsalltag auf. Folgende Geräte seien getestet worden: Gerät Eigenschaften Hörgewinn (Störgeräusch) "Bereich" Oticon Tego Digital, Störgeräuschunterdrückung, 4 Kanäle 15 % (5 %) untere Mittelklasse Oticon Tego Pro Digital, Störgeräuschunterdrückung, 6 Kanäle 30 % (25 %) obere Mittelklasse Phonak Eleva 211 Digital, 16 Kanäle, 2 Mi-krrofon-Technik 30 % (20 %) obere Mittelklasse Phonak Savia 211 Digital, 20 Kanäle, 2 Mi-krofon-Technik 40 % (35 %) High End Unter den getesteten Geräten habe die Klägerin bezüglich der oben genannten Bereiche das Phonak Savia 211 als bestes System bewertet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Versorgung mit Hörhilfen gehöre grundsätzlich nicht zu den Leistungen der Beklagten, sondern zur Krankenbehandlung. Eine Leistungsgewährung seitens des Rentenversicherungsträgers könne nur in Betracht kommen, wenn die Hörhilfen - gegebenenfalls auch eine besondere Ausstattung - als höherwertige Hörgeräteversorgung über die Basisversorgung hinaus erforderlich seien, um den speziellen beruflichen Anforderungen gerecht zu werden. Der sozialmedizinische Dienst habe zwar festgestellt, dass die Klägerin aus medizinischen Gründen auf speziell angepasste Hörhilfen angewiesen sei. Die Hörhilfen (besondere Ausstattung) zum Ausgleich der Behinderung dienten aber nicht ausschließlich der Ausübung eines Berufes, der spezielle Anforderungen an das Hörvermögen stelle. Der Hilfsmittelbedarf bestehe vielmehr für jeden Bereich des täglichen Lebens sowie für jedwede Form der Berufsausübung, wie z.B. auch für die Tätigkeit als Verwaltungsangestellte. Es bestehe daher kein besonderer berufsbedingter Bedarf für höherwertige Hörgeräte.
Hiergegen hat die Klägerin am 27.11.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Ulm (S 5 R 4606/06) erhoben und die Erstattung von Kosten in Höhe von 4.355,00 EUR für die Hörgeräte weiter verfolgt. Sie hat erklärt, bei der zuständigen A. habe sie ebenfalls einen Antrag auf Kostenerstattung gestellt, der unter Hinweis auf die landesweit vereinbarten Leistungsbeschränkungen abgelehnt worden sei.
Das SG hat Dr. J. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat unter dem 6.3.2007 erklärt, er behandle die Klägerin seit dem 19.8.1993 und habe sie zuletzt am 3.8.2006 untersucht. Bei ihr bestehe seit der ersten Untersuchung eine zunehmende Schallempfindungsschwerhörigkeit im Mittel- und Hochtonbereich mit einem Tinnitus aurium beidseits. Seit Juli 1998 sei die Klägerin mit Hörgeräten beidseits versorgt. Zunächst sei sie mit den Hörgeräten gut zurecht gekommen. Bei weiter nachlassendem Hörvermögen sei am 3.8.2006 eine Hörgeräteneuversorgung durch ihn veranlasst worden, da die alten Geräte nicht mehr ausreichend gewesen seien. Bei der Klägerin bestehe ein Steilabfall der Hörkurve ab etwa 1000 Hz beidseits. Die mittleren und hohen Frequenzen würden im Tonaudiogrammen nicht mehr wahrgenommen. Bei einem solchen Hörverlust sei die Verständigung vor allem im Nebengeräusch auch mit Hörgeräten stark eingeschränkt. Zudem bestehe in der Regel eine ausgeprägte Empfindlichkeit gegenüber Lautstärken, die über der Hörschwelle lägen. Der "Dynamikbereich" des Ohres, d.h. die Lautstärke, die gerade noch wahrgenommen werde bzw. noch nicht als unangenehm laut oder schmerzhaft empfunden werde, sei stark eingeschränkt. Im Publikumsverkehr sei durch die Nebengeräusche und stark wechselnde Stimmlautstärken eine andere Situation gegeben, als beim Schwerhörigen, der sich im Privatbereich eher auf den Gesprächspartner einstellen könne. Bei der beruflichen Tätigkeit mit Publikumsverkehr bedürfe es einer Versorgung mit Hörgeräten, die speziell auf solche Belange ausgerichtet seien.
Mit Beschluss vom 14.11.2007 hat das SG das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Am 7.2.2007 hat die Klägerin gegen die A. Baden-Württemberg Klage zum SG Ulm (S 9 KR 478/07) erhoben, die Aufhebung des Bescheides der A. vom 5.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.1.2007 sowie die Erstattung von Kosten in Höhe von 4.355,00 EUR für die beschafften Hörgeräte begehrt. Nach einem Ruhen des dortigen Verfahrens und Fortführung unter dem Az. S 13 (bzw. 10) 52/09 hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 8.7.2009 die Klage gegen die A. abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die A. habe den Antrag zu Recht abgelehnt, weil sie für die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe nicht der zuständige Leistungsträger gewesen sei. Dies folge aus § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Die Klägerin habe am 15.7.2006 einen Antrag auf Kostenerstattung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund gestellt. Damit sei dieser der erst angegangene Leistungsträger. Dieser habe den Antrag der Klägerin nicht innerhalb von zwei Wochen an die A. weitergeleitet. Damit sei die Deutsche Rentenversicherung Bund verpflichtet gewesen, nach § 14 Abs. 2 SGB IX den Rehabilitationsbedarf unverzüglich festzustellen, und zwar nicht allein nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), sondern nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen. Deshalb könne auch die Frage auf sich beruhen, ob hier nach den Grundsätzen, die das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 21.8.2008 - B 13 R 33/07 R - aufgestellt habe, die Versorgung mit einem Hörgerät nicht als Leistung der beruflichen Rehabilitation, sondern vielmehr eine Leistung der medizinischen Rehabilitation nach § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX darstelle. Dieser Gerichtsbescheid wurde rechtskräftig.
Nach Fortführung des Verfahrens S 5 R 4606/06 unter dem Az. S 6 R 83/09 hat das SG Unterlagen aus dem Parallelverfahren S 13 (bzw. 10) KR 52/09 (unter anderem die Erklärung der Klägerin zu Mehrkosten vom 7.8.2006) beigezogen.
Mit Gerichtsbescheid vom 7.7.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die sie für den Kauf der Hörgeräte aufgewendet habe. Die Beklagte sei - zumindest formal - zuständiger Leistungsträger, da sie der erstangegangene Träger i.S.d. § 14 SGB IX gewesen sei und nicht innerhalb von zwei Wochen ihre Unzuständigkeit festgestellt und den Antrag an einen anderen Leistungsträger weitergeleitet habe. Es könne offen bleiben, ob die Klägerin grundsätzlich die Voraussetzungen für Leistungen zur medizinischen oder beruflichen Rehabilitation im Sinne von §§ 9 ff. SGB IX i.V.m. §§ 26 ff. SGB IX erfülle. Denn die Klägerin könne keine Kostenerstattung verlangen. Keine der drei möglichen Anspruchsgrundlagen nach § 15 SGB IX sei erfüllt. Eine Fristsetzung durch die Klägerin und eine Erklärung, dass sie nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen werde, sei nicht erfolgt. Die Beklagte habe zum Zeitpunkt der Anschaffung der Hörgeräte die Leistung auch (noch) nicht zu Unrecht abgelehnt gehabt. Somit wäre die Beklagte nur dann zur Erstattung verpflichtet, wenn eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht worden wäre. Die Klägerin habe hierzu zwar vorgetragen, ein Hörgerät sei defekt und nicht mehr reparaturfähig gewesen. Die vorgelegte Stellungnahme der Hörgeräteakustikerin vom 26.8.2006 stütze diesen Vortrag nicht. Nicht glaubhaft sei daher, dass ein Hörgerät tatsächlich so defekt gewesen sei, dass die Klägerin es nicht mehr bis zum Ablauf einer angemessenen Frist, die sie der Beklagten hätte setzen müssen, hätte benutzen können. Selbst wenn jedoch eines der Hörgeräte defekt gewesen wäre, habe es sich nicht um eine unaufschiebbare Sachleistung kann. Auch nach Krankenversicherungsrecht, das die Beklagte als erstangegangene Rehabilitationsträger ebenfalls hätte prüfen müssen, sei die Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung ebenfalls nicht erfüllt. Auf einen Beratungsfehler der Beklagten und damit den sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könne sich die Klägerin nicht berufen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen den am 9.7.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 31.7.2009 Berufung eingelegt und vorgetragen, das SG sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass sie keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Hörgeräte habe. Aus ihrem Antrag vom 15.7.2006 sei abzuleiten, dass sie auf die Hörgeräteversorgung dringend angewiesen gewesen sei und nicht lange hätte zugewartet werden können. Auch aus ihrem Schreiben vom 8.8.2006 ergebe sich die zeitliche Dringlichkeit, da sie mitgeteilt habe, dass sie bereits die Rechnung bekommen und diese beigefügt habe. Entgegen den Ausführungen des SG hätte durchaus eine Spontanberatung der Beklagten dahingehend erfolgen müssen, dass sie (die Klägerin) einen bestimmten Zeitraum hätte abwarten und der Beklagten eine Frist hätte setzen müssen, nach deren Ablauf sie sich gezwungen sehe, die Hörgeräte selbst zu kaufen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 7. Juli 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Anschaffung zweier Hörgeräte Savia 211dSZ in Höhe von 4.355,00 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, neue Gesichtspunkte habe die Klägerin nicht vorgetragen. Sie verweise auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheid. Das spezielle Hilfsmittel "Hörhilfe" erbringe die Krankenversicherung im Sinne der Krankenbehandlung nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. §§ 27 Abs. 1 Nr. 3 und 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und nicht als Leistung zur Rehabilitation und Teilhabe im Sinne des SGB IX. Da die Krankenkasse für eine Hörhilfe nicht Rehabilitationsträger im Sinne der §§ 6 und 14 SGB IX sei, wäre eine Weiterleitung an sie gem. § 14 SGB IX auch nicht in Betracht gekommen.
Der Senat hat die Schwerbehindertenakten der Klägerin vom Landratsamt A.-Kreis, die Akten des SG Ulm (S 11 SB 3127/06, S 9 KR 478/07 und S 13 (bzw. 10) KR 52/09) und Unterlagen der A. G. (Rechnung der B. Hörakustik vom 24.8.2006 über 2 Hörgeräte Savia 211dSZ, Open-Tube, Reparaturpauschale, Gesamtbetrag 1.183,00 EUR; Versorgungsanzeige vom 31.7.2006, eingegangen bei der A. am 1.8.2006; Zustimmung der Krankenkasse vom 1.8.2006; Abschlussbericht zur Hörgeräteversorgung vom 7.8.2006; Empfangsbestätigung der Klägerin vom 7.8.2006; Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 7.8.2006) beigezogen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG (S 5 R 4606/06, S 5 R 83/09, S 9 KR 478/07, S 13 (10) KR 52/09 und S 11 SB 3127/06) sowie des LSG und die beigezogenen Akten des Landratsamts D.-Kreis Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der von der Krankenkasse nicht getragenen Kosten für ihre selbstbeschafften Hörgeräte hat.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin begehrte Erstattung der Kosten für die selbstbeschafften Hörgeräte – § 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), der trägerübergreifend Kostenerstattungsansprüche für selbstbeschaffte Leistungen zur Rehabilitation normiert (BSG vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - in Juris) – dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die drei möglichen Anspruchsgrundlagen für eine Kostenerstattung nicht erfüllt sind. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück.
Ergänzend ist auszuführen, dass das SG auch zu Recht die Beklagte als den zuständigen Rehabilitationsträger angesehen hat. Zuständiger Rehabilitationsträger im Sinne des § 15Abs. 1 SGB IX ist der nach § 14 SGB IX verantwortliche Rehabilitationsträger. § 14 SGB IX sieht im Grundsatz lediglich zwei Zuständigkeiten vor, die des erstangegangenen oder des im Wege der Weiterleitung zweitangegangenen Rehabilitationsträgers (BSG, Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 5/07 R – SozR 4-3250 § 14 Nr. 8).
Bei der Beklagten ist der Antrag der Klägerin vom 15.7.2006 auf Teilhabe, mit dem die Klägerin neue Hörgeräte begehrte, am 17.7.2006 eingegangen. Die Krankenkasse wurde mit dem Begehren der Klägerin erstmals nach Eingang der Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers vom 31.7.2006 am 1.8.2006 befasst. Zuvor hatte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 26.7.2006 um Übersendung der Hörgeräte-Verordnung des HNO-Arztes und des Anpass-berichtes des Hörgeräteakustikers gebeten, woraufhin die Klägerin, die im Antrag vom 15.7.2006 erklärt hatte, einen HNO-Arzt habe sie – wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten – nicht mehr konsultiert, am 3.8.2006 den HNO-Arzt Dr. J. aufsuchte, wie sich aus dessen Zeugenaussage vom 6.3.2007 ergibt. Da die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 15.7.2006 nicht an die Krankenkasse, die erst ab 1.8.2006 mit dem Begehren der Klägerin auf Gewährung neuer Hörgeräte befasst war, weitergeleitet hat, ist diese auch nicht als zweitangegangener Leistungsträger zuständig geworden. Darüber hinaus ist das Klageverfahren gegen die Krankenkasse, die mit Bescheid vom 5.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.1.2007 die Erstattung von weiteren Kosten (Eigenanteil i.H.v. 4.353,00 EUR) abgelehnt hat, auch rechtskräftig abgeschlossen (Gerichtsbescheid vom 8.7.2009 – S 13 KR 52/09 –).
Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nicht gegeben sind, weil die Klägerin der Beklagten weder eine Frist gesetzt hatte, mit der Erklärung, dass sie nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbstbeschaffen werde noch die Beklagte die Leistung zum Zeitpunkt der Beschaffung der Hörgeräte (7.8.2006) abgelehnt hatte. Vielmehr erging der ablehnende Bescheid der Beklagten erst danach am 29.8.2006.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann ein Anspruch auf Kostenerstattung auch nicht darauf gestützt werden, dass die Beklagte eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Unaufschiebbar ist eine Leistung, wenn sie sofort – ohne die Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs – zu erbringen ist. Sie muss so dringlich sein, dass keine Möglichkeit besteht, die Entscheidung des Leistungsträgers einzuholen (vgl. Brands in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 13 SGB V Rn. 75, der § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX entspricht). Derartige dringliche Gründe hat die Klägerin nicht genannt und sind auch nicht ersichtlich. Eine zeitliche Dringlichkeit ergibt sich insbesondere nicht aus dem Schreiben der Klägerin vom 8.8.2006, worin sie mitgeteilt hat, ihr seien die Hörgeräte schon überlassen und sie habe inzwischen auch die (beigefügte) Rechnung vom 7.8.2006 erhalten. Darüber hinaus ergibt sich weder aus der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. J. vom 6.3.2007 (alte Geräte sind nicht mehr ausreichend) noch den Angaben der Hörgeräteakustikerin und auch nicht den eigenen Angaben der Klägerin (Antrag vom 15.7.2006: Die zur Zeit genutzten Hörgeräte sind mit ihrer technischen Leistung überfordert und reichen nicht mehr aus. Verschiedene Modelle werden derzeit zur Probe betragen), dass die alten Hörgeräte defekt waren und – angesichts der Erprobungsphase mit verschiedenen Hörgeräten – irgendein unwiederbringlicher Schaden drohte, der ein Zuwarten auf die Entscheidung der Beklagten nicht zuließ. Das SG hat im Ergebnis auch zu Recht einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verneint. Die in § 13 Abs. 3 SGB V und § 15 Abs. 1 SGB IX geregelten Ansprüche auf Kostenerstattung stellen sich nämlich schon als abschließende gesetzliche Regelung der auf dem Herstellungsgedanken beruhenden Kostenerstattungsansprüche im Krankenversicherungsrecht dar; für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ist daneben kein Raum (BSG vom 2.11.2007 - B 1 KR 14/07 R; Festhaltung an BSG vom 24.9.1996 - 1 RK 33/95 = BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11; Abgrenzung zu BSG vom 30.10.2001 - B 3 KR 27/01 R = BSGE 89, 50 = SozR 3-3300 § 12 Nr. 1). Im Übrigen vermag der Senat ebenfalls keinen Beratungsfehler der Beklagten festzustellen.
Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenerstattung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten in Höhe von 4.355,00 EUR für die selbstbeschafften Hörgeräte Savia 211dSZ.
Die 1954 geborene Klägerin ist bei der A. Baden-Württemberg gegen Krankheit versichert und bei der Beklagten rentenversichert. Seit Juli 1991 ist sie bei der Agentur für Arbeit als Fachassistentin im Bereich Controlling und Statistik beschäftigt. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt (Bescheid des Versorgungsamtes U. vom 28.10.1998), worin ein GdB für die Hörminderung von 20 (versorgungsärztliche Stellungnahmen vom 10.9.1998 und 24.7.2006) enthalten ist.
Mit Antrag vom 15.7.2006, eingegangen bei der Beklagten am 17.7.2006, hat die Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben begehrt und ein Messprotokoll (Ton- und Sprachaudiogramm) der B. Hörakustik (Dokumentation zur Hörgeräteanpassung der Hörakustikerin L. vom 12.7.2006) übersandt. Sie hat ausgeführt, einen HNO-Arzt habe sie nicht mehr konsultiert, da nach dessen Aussagen eine Behandlung nicht mehr möglich sei. Mit beidseitigen Hörhilfen könne sie ihre Arbeit weiterhin verrichten. Telefonverstärker seien vorhanden, aber nicht ausreichend. Die zur Zeit genutzten Hörgeräte seien mit der technischen Leistung überfordert und reichten nicht mehr aus. Mit leistungsstärkeren Geräten sei die Weiterarbeit möglich. Verschiedene Modelle würden derzeit zur Probe getragen.
Mit Schreiben vom 26.7.2006 bat die Beklagte die Klägerin um Übersendung der Hörgeräte-Verordnung des HNO-Arztes und des Anpassberichtes des Hörgeräteakustikers. Daraufhin übersandte die Klägerin mit Schreiben vom 8.8.2006 die Verordnung des HNO-Arztes Dr. J. vom 3.8.2006 (Diagnosen: Innenohrschwerhörigkeit; Hörhilfe ist beidseits notwendig; Altgeräte sind nicht mehr ausreichend) und die Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 7.8.2006 (gemessen am 24.7.2006), worin ein Hörgewinn mit Hörgeräten (im Vergleich dazu: ohne Hörgeräte) von 40 % (ohne Geräusch) und von 35 % (mit Geräusch) bescheinigt wird. Gleichzeitig teilte die Klägerin mit, mittlerweile seien mehrere Geräte getestet worden. Die Entscheidung sei auf das zuletzt getestete Gerät Savia 211dSZ gefallen. Nach Aufforderung durch den Hörgeräteakustikers sei das getestete Gerät gleich zur weiteren Nutzung überlassen worden. Die Klägerin legte die Rechnung hierüber vom 7.8.2006 über 4.355,00 EUR (2 Hörgeräte Savia 211dSZ zum Preis von je 2.520,00 EUR abzüglich eines Krankenkassen-Anteils von 756,00 EUR, 2 Open-Tube zum Preis von jeweils 33,50 EUR abzüglich des Krankenkassenanteils von 67,00 EUR, 6 Batterien zum Preis von insgesamt 12,00 EUR und ein elektrisches Trockenkissen zum Preis von 59,00 EUR) bei und bat um Zahlung direkt an den Hörgeräteakustiker.
Mit Bescheid vom 29.8.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab, da ein höherwertiges Hörgerät wegen besonderer beruflicher Anforderungen nicht erforderlich sei.
Mit Widerspruch vom 12.9.2006 machte die Klägerin geltend, ihre zuvor getragenen Hörgeräte seien acht Jahre alt, reparaturanfällig und technisch nicht mehr in der Lage, den beruflichen Erfordernissen zu genügen. In den letzten Jahren habe sich ihre Tätigkeit gewandelt und bestehe hauptsächlich aus Telefonie und (Team-)Besprechungen. Gerade dies sei bei der Auswahl der neuen Geräte berücksichtigt worden. Die Klägerin legte ein Schreiben der Hörgeräteakustikerin Lang vom 26.8.2006 vor, die ausführte, die Altgeräte von 1998 seien nicht mehr ausreichend. Die Technik sei verbraucht und eine Reparatur unwirtschaftlich. Die Klägerin habe über das freie Feld bei 65 dB (1 m Abstand) ohne Hörgerät 45 %, im Störgeräusch (60 dB) 20 % verstanden. Ihre Hörprobleme träten hauptsächlich in Konferenzen/Besprechungsrunden sowie Unterhaltungen in Störgeräuschsituationen im Berufsalltag auf. Folgende Geräte seien getestet worden: Gerät Eigenschaften Hörgewinn (Störgeräusch) "Bereich" Oticon Tego Digital, Störgeräuschunterdrückung, 4 Kanäle 15 % (5 %) untere Mittelklasse Oticon Tego Pro Digital, Störgeräuschunterdrückung, 6 Kanäle 30 % (25 %) obere Mittelklasse Phonak Eleva 211 Digital, 16 Kanäle, 2 Mi-krrofon-Technik 30 % (20 %) obere Mittelklasse Phonak Savia 211 Digital, 20 Kanäle, 2 Mi-krofon-Technik 40 % (35 %) High End Unter den getesteten Geräten habe die Klägerin bezüglich der oben genannten Bereiche das Phonak Savia 211 als bestes System bewertet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Versorgung mit Hörhilfen gehöre grundsätzlich nicht zu den Leistungen der Beklagten, sondern zur Krankenbehandlung. Eine Leistungsgewährung seitens des Rentenversicherungsträgers könne nur in Betracht kommen, wenn die Hörhilfen - gegebenenfalls auch eine besondere Ausstattung - als höherwertige Hörgeräteversorgung über die Basisversorgung hinaus erforderlich seien, um den speziellen beruflichen Anforderungen gerecht zu werden. Der sozialmedizinische Dienst habe zwar festgestellt, dass die Klägerin aus medizinischen Gründen auf speziell angepasste Hörhilfen angewiesen sei. Die Hörhilfen (besondere Ausstattung) zum Ausgleich der Behinderung dienten aber nicht ausschließlich der Ausübung eines Berufes, der spezielle Anforderungen an das Hörvermögen stelle. Der Hilfsmittelbedarf bestehe vielmehr für jeden Bereich des täglichen Lebens sowie für jedwede Form der Berufsausübung, wie z.B. auch für die Tätigkeit als Verwaltungsangestellte. Es bestehe daher kein besonderer berufsbedingter Bedarf für höherwertige Hörgeräte.
Hiergegen hat die Klägerin am 27.11.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Ulm (S 5 R 4606/06) erhoben und die Erstattung von Kosten in Höhe von 4.355,00 EUR für die Hörgeräte weiter verfolgt. Sie hat erklärt, bei der zuständigen A. habe sie ebenfalls einen Antrag auf Kostenerstattung gestellt, der unter Hinweis auf die landesweit vereinbarten Leistungsbeschränkungen abgelehnt worden sei.
Das SG hat Dr. J. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat unter dem 6.3.2007 erklärt, er behandle die Klägerin seit dem 19.8.1993 und habe sie zuletzt am 3.8.2006 untersucht. Bei ihr bestehe seit der ersten Untersuchung eine zunehmende Schallempfindungsschwerhörigkeit im Mittel- und Hochtonbereich mit einem Tinnitus aurium beidseits. Seit Juli 1998 sei die Klägerin mit Hörgeräten beidseits versorgt. Zunächst sei sie mit den Hörgeräten gut zurecht gekommen. Bei weiter nachlassendem Hörvermögen sei am 3.8.2006 eine Hörgeräteneuversorgung durch ihn veranlasst worden, da die alten Geräte nicht mehr ausreichend gewesen seien. Bei der Klägerin bestehe ein Steilabfall der Hörkurve ab etwa 1000 Hz beidseits. Die mittleren und hohen Frequenzen würden im Tonaudiogrammen nicht mehr wahrgenommen. Bei einem solchen Hörverlust sei die Verständigung vor allem im Nebengeräusch auch mit Hörgeräten stark eingeschränkt. Zudem bestehe in der Regel eine ausgeprägte Empfindlichkeit gegenüber Lautstärken, die über der Hörschwelle lägen. Der "Dynamikbereich" des Ohres, d.h. die Lautstärke, die gerade noch wahrgenommen werde bzw. noch nicht als unangenehm laut oder schmerzhaft empfunden werde, sei stark eingeschränkt. Im Publikumsverkehr sei durch die Nebengeräusche und stark wechselnde Stimmlautstärken eine andere Situation gegeben, als beim Schwerhörigen, der sich im Privatbereich eher auf den Gesprächspartner einstellen könne. Bei der beruflichen Tätigkeit mit Publikumsverkehr bedürfe es einer Versorgung mit Hörgeräten, die speziell auf solche Belange ausgerichtet seien.
Mit Beschluss vom 14.11.2007 hat das SG das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Am 7.2.2007 hat die Klägerin gegen die A. Baden-Württemberg Klage zum SG Ulm (S 9 KR 478/07) erhoben, die Aufhebung des Bescheides der A. vom 5.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.1.2007 sowie die Erstattung von Kosten in Höhe von 4.355,00 EUR für die beschafften Hörgeräte begehrt. Nach einem Ruhen des dortigen Verfahrens und Fortführung unter dem Az. S 13 (bzw. 10) 52/09 hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 8.7.2009 die Klage gegen die A. abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die A. habe den Antrag zu Recht abgelehnt, weil sie für die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe nicht der zuständige Leistungsträger gewesen sei. Dies folge aus § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Die Klägerin habe am 15.7.2006 einen Antrag auf Kostenerstattung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund gestellt. Damit sei dieser der erst angegangene Leistungsträger. Dieser habe den Antrag der Klägerin nicht innerhalb von zwei Wochen an die A. weitergeleitet. Damit sei die Deutsche Rentenversicherung Bund verpflichtet gewesen, nach § 14 Abs. 2 SGB IX den Rehabilitationsbedarf unverzüglich festzustellen, und zwar nicht allein nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), sondern nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen. Deshalb könne auch die Frage auf sich beruhen, ob hier nach den Grundsätzen, die das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 21.8.2008 - B 13 R 33/07 R - aufgestellt habe, die Versorgung mit einem Hörgerät nicht als Leistung der beruflichen Rehabilitation, sondern vielmehr eine Leistung der medizinischen Rehabilitation nach § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX darstelle. Dieser Gerichtsbescheid wurde rechtskräftig.
Nach Fortführung des Verfahrens S 5 R 4606/06 unter dem Az. S 6 R 83/09 hat das SG Unterlagen aus dem Parallelverfahren S 13 (bzw. 10) KR 52/09 (unter anderem die Erklärung der Klägerin zu Mehrkosten vom 7.8.2006) beigezogen.
Mit Gerichtsbescheid vom 7.7.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die sie für den Kauf der Hörgeräte aufgewendet habe. Die Beklagte sei - zumindest formal - zuständiger Leistungsträger, da sie der erstangegangene Träger i.S.d. § 14 SGB IX gewesen sei und nicht innerhalb von zwei Wochen ihre Unzuständigkeit festgestellt und den Antrag an einen anderen Leistungsträger weitergeleitet habe. Es könne offen bleiben, ob die Klägerin grundsätzlich die Voraussetzungen für Leistungen zur medizinischen oder beruflichen Rehabilitation im Sinne von §§ 9 ff. SGB IX i.V.m. §§ 26 ff. SGB IX erfülle. Denn die Klägerin könne keine Kostenerstattung verlangen. Keine der drei möglichen Anspruchsgrundlagen nach § 15 SGB IX sei erfüllt. Eine Fristsetzung durch die Klägerin und eine Erklärung, dass sie nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen werde, sei nicht erfolgt. Die Beklagte habe zum Zeitpunkt der Anschaffung der Hörgeräte die Leistung auch (noch) nicht zu Unrecht abgelehnt gehabt. Somit wäre die Beklagte nur dann zur Erstattung verpflichtet, wenn eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht worden wäre. Die Klägerin habe hierzu zwar vorgetragen, ein Hörgerät sei defekt und nicht mehr reparaturfähig gewesen. Die vorgelegte Stellungnahme der Hörgeräteakustikerin vom 26.8.2006 stütze diesen Vortrag nicht. Nicht glaubhaft sei daher, dass ein Hörgerät tatsächlich so defekt gewesen sei, dass die Klägerin es nicht mehr bis zum Ablauf einer angemessenen Frist, die sie der Beklagten hätte setzen müssen, hätte benutzen können. Selbst wenn jedoch eines der Hörgeräte defekt gewesen wäre, habe es sich nicht um eine unaufschiebbare Sachleistung kann. Auch nach Krankenversicherungsrecht, das die Beklagte als erstangegangene Rehabilitationsträger ebenfalls hätte prüfen müssen, sei die Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung ebenfalls nicht erfüllt. Auf einen Beratungsfehler der Beklagten und damit den sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könne sich die Klägerin nicht berufen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen den am 9.7.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 31.7.2009 Berufung eingelegt und vorgetragen, das SG sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass sie keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Hörgeräte habe. Aus ihrem Antrag vom 15.7.2006 sei abzuleiten, dass sie auf die Hörgeräteversorgung dringend angewiesen gewesen sei und nicht lange hätte zugewartet werden können. Auch aus ihrem Schreiben vom 8.8.2006 ergebe sich die zeitliche Dringlichkeit, da sie mitgeteilt habe, dass sie bereits die Rechnung bekommen und diese beigefügt habe. Entgegen den Ausführungen des SG hätte durchaus eine Spontanberatung der Beklagten dahingehend erfolgen müssen, dass sie (die Klägerin) einen bestimmten Zeitraum hätte abwarten und der Beklagten eine Frist hätte setzen müssen, nach deren Ablauf sie sich gezwungen sehe, die Hörgeräte selbst zu kaufen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 7. Juli 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Anschaffung zweier Hörgeräte Savia 211dSZ in Höhe von 4.355,00 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, neue Gesichtspunkte habe die Klägerin nicht vorgetragen. Sie verweise auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheid. Das spezielle Hilfsmittel "Hörhilfe" erbringe die Krankenversicherung im Sinne der Krankenbehandlung nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. §§ 27 Abs. 1 Nr. 3 und 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und nicht als Leistung zur Rehabilitation und Teilhabe im Sinne des SGB IX. Da die Krankenkasse für eine Hörhilfe nicht Rehabilitationsträger im Sinne der §§ 6 und 14 SGB IX sei, wäre eine Weiterleitung an sie gem. § 14 SGB IX auch nicht in Betracht gekommen.
Der Senat hat die Schwerbehindertenakten der Klägerin vom Landratsamt A.-Kreis, die Akten des SG Ulm (S 11 SB 3127/06, S 9 KR 478/07 und S 13 (bzw. 10) KR 52/09) und Unterlagen der A. G. (Rechnung der B. Hörakustik vom 24.8.2006 über 2 Hörgeräte Savia 211dSZ, Open-Tube, Reparaturpauschale, Gesamtbetrag 1.183,00 EUR; Versorgungsanzeige vom 31.7.2006, eingegangen bei der A. am 1.8.2006; Zustimmung der Krankenkasse vom 1.8.2006; Abschlussbericht zur Hörgeräteversorgung vom 7.8.2006; Empfangsbestätigung der Klägerin vom 7.8.2006; Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 7.8.2006) beigezogen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG (S 5 R 4606/06, S 5 R 83/09, S 9 KR 478/07, S 13 (10) KR 52/09 und S 11 SB 3127/06) sowie des LSG und die beigezogenen Akten des Landratsamts D.-Kreis Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der von der Krankenkasse nicht getragenen Kosten für ihre selbstbeschafften Hörgeräte hat.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin begehrte Erstattung der Kosten für die selbstbeschafften Hörgeräte – § 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), der trägerübergreifend Kostenerstattungsansprüche für selbstbeschaffte Leistungen zur Rehabilitation normiert (BSG vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - in Juris) – dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die drei möglichen Anspruchsgrundlagen für eine Kostenerstattung nicht erfüllt sind. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück.
Ergänzend ist auszuführen, dass das SG auch zu Recht die Beklagte als den zuständigen Rehabilitationsträger angesehen hat. Zuständiger Rehabilitationsträger im Sinne des § 15Abs. 1 SGB IX ist der nach § 14 SGB IX verantwortliche Rehabilitationsträger. § 14 SGB IX sieht im Grundsatz lediglich zwei Zuständigkeiten vor, die des erstangegangenen oder des im Wege der Weiterleitung zweitangegangenen Rehabilitationsträgers (BSG, Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 5/07 R – SozR 4-3250 § 14 Nr. 8).
Bei der Beklagten ist der Antrag der Klägerin vom 15.7.2006 auf Teilhabe, mit dem die Klägerin neue Hörgeräte begehrte, am 17.7.2006 eingegangen. Die Krankenkasse wurde mit dem Begehren der Klägerin erstmals nach Eingang der Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers vom 31.7.2006 am 1.8.2006 befasst. Zuvor hatte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 26.7.2006 um Übersendung der Hörgeräte-Verordnung des HNO-Arztes und des Anpass-berichtes des Hörgeräteakustikers gebeten, woraufhin die Klägerin, die im Antrag vom 15.7.2006 erklärt hatte, einen HNO-Arzt habe sie – wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten – nicht mehr konsultiert, am 3.8.2006 den HNO-Arzt Dr. J. aufsuchte, wie sich aus dessen Zeugenaussage vom 6.3.2007 ergibt. Da die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 15.7.2006 nicht an die Krankenkasse, die erst ab 1.8.2006 mit dem Begehren der Klägerin auf Gewährung neuer Hörgeräte befasst war, weitergeleitet hat, ist diese auch nicht als zweitangegangener Leistungsträger zuständig geworden. Darüber hinaus ist das Klageverfahren gegen die Krankenkasse, die mit Bescheid vom 5.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.1.2007 die Erstattung von weiteren Kosten (Eigenanteil i.H.v. 4.353,00 EUR) abgelehnt hat, auch rechtskräftig abgeschlossen (Gerichtsbescheid vom 8.7.2009 – S 13 KR 52/09 –).
Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nicht gegeben sind, weil die Klägerin der Beklagten weder eine Frist gesetzt hatte, mit der Erklärung, dass sie nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbstbeschaffen werde noch die Beklagte die Leistung zum Zeitpunkt der Beschaffung der Hörgeräte (7.8.2006) abgelehnt hatte. Vielmehr erging der ablehnende Bescheid der Beklagten erst danach am 29.8.2006.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann ein Anspruch auf Kostenerstattung auch nicht darauf gestützt werden, dass die Beklagte eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Unaufschiebbar ist eine Leistung, wenn sie sofort – ohne die Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs – zu erbringen ist. Sie muss so dringlich sein, dass keine Möglichkeit besteht, die Entscheidung des Leistungsträgers einzuholen (vgl. Brands in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 13 SGB V Rn. 75, der § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX entspricht). Derartige dringliche Gründe hat die Klägerin nicht genannt und sind auch nicht ersichtlich. Eine zeitliche Dringlichkeit ergibt sich insbesondere nicht aus dem Schreiben der Klägerin vom 8.8.2006, worin sie mitgeteilt hat, ihr seien die Hörgeräte schon überlassen und sie habe inzwischen auch die (beigefügte) Rechnung vom 7.8.2006 erhalten. Darüber hinaus ergibt sich weder aus der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. J. vom 6.3.2007 (alte Geräte sind nicht mehr ausreichend) noch den Angaben der Hörgeräteakustikerin und auch nicht den eigenen Angaben der Klägerin (Antrag vom 15.7.2006: Die zur Zeit genutzten Hörgeräte sind mit ihrer technischen Leistung überfordert und reichen nicht mehr aus. Verschiedene Modelle werden derzeit zur Probe betragen), dass die alten Hörgeräte defekt waren und – angesichts der Erprobungsphase mit verschiedenen Hörgeräten – irgendein unwiederbringlicher Schaden drohte, der ein Zuwarten auf die Entscheidung der Beklagten nicht zuließ. Das SG hat im Ergebnis auch zu Recht einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verneint. Die in § 13 Abs. 3 SGB V und § 15 Abs. 1 SGB IX geregelten Ansprüche auf Kostenerstattung stellen sich nämlich schon als abschließende gesetzliche Regelung der auf dem Herstellungsgedanken beruhenden Kostenerstattungsansprüche im Krankenversicherungsrecht dar; für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ist daneben kein Raum (BSG vom 2.11.2007 - B 1 KR 14/07 R; Festhaltung an BSG vom 24.9.1996 - 1 RK 33/95 = BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11; Abgrenzung zu BSG vom 30.10.2001 - B 3 KR 27/01 R = BSGE 89, 50 = SozR 3-3300 § 12 Nr. 1). Im Übrigen vermag der Senat ebenfalls keinen Beratungsfehler der Beklagten festzustellen.
Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenerstattung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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