L 12 AS 551/11 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 37 AS 946/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 551/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe im Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 04.03.2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH) für ein von ihm bei dem Sozialgericht (SG) Dortmund geführtes Eilverfahren hat, in dem er die Aushändigung eines Bildungsgutscheins nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) begehrte.

Der Antragsteller, der beim Antragsgegner im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II steht, erkundigte sich bei diesem Ende Januar 2011 nach Fördermöglichkeiten einer Weiterbildung zum Servicefahrer / EU-Kraftfahrer. Hierzu überreichte er eine Einstellungszusage der Firma U für eine Einstellung als EU-Kraftfahrer. Der Antragsgegner teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 08.02.2011 mit, dass Bildungsgutscheine für das angestrebte Bildungsziel erst im 2. Quartal des Jahres 2011 ausgehändigt würden. Voraussichtlich werde es hierzu ein Auswahlverfahren geben.

Am 17.02.2011 bat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers, dass der Antragsgegner über das Anliegen des Mandanten nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden möge. Es stelle sich die Frage, ob es wirklich so viele Bewerber gebe, die wie sein Mandant eine Einstellungszusage hätten. Die Qualifizierungsmaßnahme könne im Bildungszentrum in I oder im Bildungszentrum in E durchgeführt werden. Die Anmeldung in I müsse jedoch bis 08.03.2011 erfolgen, wohingegen in E ein offener Einstieg möglich sei.

Mit Schreiben vom 22.02.2011 teilte der Antragsgegner dem Prozessbevollmächtigten mit, dass die Weiterbildung zum EU-Kraftfahrer entsprechend der Bildungszielplanung erst im 2. Quartal des Jahres 2011 möglich sei. Hierfür sei der Antragsteller auch nicht geeignet, da er die Grundvoraussetzung für die Weiterbildung, den Besitz des Führerscheins Klasse B (alt: Klasse 3) nicht vorweisen könne. Daran ändere auch die vorgelegte Einstellungszusage nichts. Bei der Maßnahme in I und E handele es sich um eine Weiterbildung zum Service- und Auslieferungsfahrer (Kurierdienst). Diese sei nicht gleichzusetzen mit der Weiterbildung zum EU-Kraftfahrer. Diese Weiterbildung sei nicht Bestandteil der Bildungszielplanung. Eine Förderung erscheine dennoch möglich, wenn der Antragsteller die persönlichen Eignungskriterien erfülle und einen unterschriebenen Arbeitsvertrag über eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 6 Monaten Dauer vorlegen könne, die die erfolgreiche Teilnahme an der Maßnahme als Voraussetzung vorsehe.

Am 04.03.2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Dortmund Eilantrag gestellt und begehrt, "den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm zum Zwecke der Weiterbildung zum EU-Kraftfahrer einen entsprechenden Ausbildungsgutschein auszuhändigen" sowie ihm PKH zu bewilligen. Sein Ziel, "zum EU-Kraftfahrer" weitergebildet zu werden, hat er in einer eidesstattlichen Versicherung vom 02.03.2011 bekräftigt. Er habe sich im Januar 2011 im Bildungszentrum einem Eignungstest zur Eignung als Kurier- und Auslieferungsfahrer unterzogen und diesen Test bestanden. Hierauf sei ihm eine "Vormerkung für eine berufliche Qualifizierungsmaßnahme aus dem Bereich Transport und Verkehr" überreicht und die Zusage erteilt worden, ab 08.03.2011 in I die Ausbildung durchzuführen. Die Teilnahme an dem o.g. Lehrgang sei notwendig, um ihn beruflich einzugliedern. Nach Erlangung des Führerscheins Klasse B, CE und CE1 habe er beste Voraussetzungen für eine Einstellung im Transportgewerbe, was durch die vorgelegte Einstellungszusage der Firma U dokumentiert werde. Das dem Antragsgegner grundsätzlich zustehende Ermessen sei auf Null reduziert. Wichtige Gründe, die der Gewährung der Leistung entgegenstünden, lägen nicht vor. Vielmehr spreche für die Förderung die zeitliche Begrenzung des Lehrgangs und das verhältnismäßig geringe Volumen der einstweiligen (vorläufigen) Ausgaben hierfür. Der Antragsgegner habe rechtswidrig die Vorlage eines (bedingten) Arbeitsvertrages verlangt. Es sei ihm nicht zumutbar, bis zum Beginn einer evtl. vergleichbaren Weiterbildung zunächst das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Bei der Folgenabwägung sei auch zu berücksichtigen, dass er dem Antragsgegner die Kosten im Falle seines Unterliegens in der Hauptsache zu erstatten habe.

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und den Antrag auf Bewilligung von PKH jeweils mit Beschluss vom 04.03.2011 abgelehnt. Der Antragsteller habe eine besondere Eilbedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht. Es sei nicht dargelegt, dass der spätere Beginn der Ausbildung als unzumutbar angesehen werden müsse. Vielmehr habe der Antragsteller selbst darauf hingewiesen, dass ein Einstieg im Bildungszentrum in E keinen terminlichen Bedingungen unterliege. Ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens sei zumutbar. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner die beantragten Leistungen gem. § 16 SGB II i.V.m. § 77 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) als Ermessensleistung erbringe. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei eine Ermessensreduktion auf Null nicht erkennbar. Es sei bereits nicht glaubhaft gemacht, dass die Vorlage eines Arbeitsvertrages zur Voraussetzung der Förderung gemacht worden sei. Die Bewilligung von PKH sei entsprechend abzulehnen.

Der Antragsteller hat gegen den ihm am 09.03.2011 zugestellten Beschluss über die Ablehnung der Bewilligung von PKH am 17.3.2011 Beschwerde eingelegt. Die gesetzwidrige Anforderung des Antragsgegners, vor Förderung einen Arbeitsvertrag vorzulegen, sei in dessen Schreiben vom 22.02.2011 aufgeführt.

Der Antragsgegner hat die Auffassung vertreten, der Antragsteller habe die Voraussetzungen für den von ihm im Eilverfahren allein beantragten Bildungsgutschein zum Zwecke der Einstellung "als EU-Kraftfahrer" mangels Führerscheins der Klasse B nicht erfüllt. Ein Bildungsgutschein zum Service- und Auslieferungsfahrer/Kurierdienst sei von ihm im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht beantragt worden. Mit Bescheid vom 16.08.2011 hat der Antragsgegner die Förderung einer Weiterbildung zum Service- und Auslieferungsfahrer abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten der Hauptsacheklage S 37 AS 999/11 verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Antragsteller keine Prozesskostenhilfe für das von ihm geführte, mittlerweile abgeschlossene Eilverfahren zu gewähren ist.

Voraussetzung für die Gewährung von PKH ist nach § 73 a Abs.1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) unter anderem, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung (vgl. hierzu BVerfG Beschluss vom 07.05.1997 - 1 BvR 296/94 - NJW 1997, 2745) den Standpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 73a Rn 7a; ständige Rspr des erkennenden Senats, z.B. Beschluss vom 16.11.2011 - L 12 AS 1526/11 B). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte, ist der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen (vgl. BSG Beschluss vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1750 § 114 Nr. 5; BVerfG Beschluss vom 14.04.2003 - 1 BvR 1998/02 - NJW 2003, 296; BVerfG Beschluss vom 29.09.2004 - 1 BvR 1281/04 - NJW-RR 2005, 140).

Dies ist hier der Fall. Der Eilantrag des Antragstellers hatte keine Aussicht auf Erfolg.

Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das von Antragstellerseite geltend gemachte Recht (sog. Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit, d.h. die Dringlichkeit, die Angelegenheit sofort vor einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu regeln (sog. Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Hiervon ausgehend waren vorliegend die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht erfüllt.

Dahinstehen kann im Rahmen der PKH-Entscheidung, ob der im Eilverfahren ausdrücklich vom Bevollmächtigten des Antragstellers beantragte "Ausbildungsgutschein zum Zwecke der Weiterbildung zum EU-Kraftfahrer" auch als Antrag auf Gewährung eines Bildungsgutscheins zur Weiterbildung zum Service- und Auslieferungsfahrer / Kurierdienst" ausgelegt werden konnte. Im Hinblick auf die verschiedentlich vorgelegten Dokumente (eidesstattliche Versicherung "EU-Kraftfahrer", Einstellungszusage "EU-Kraftfahrer") und die dem entgegenstehenden anderen Hinweise, z.B. auf die am 08.03.2011 beginnende gewünschte Fortbildung - bei der es sich um eine solche zum Service- und Auslieferungsfahrer handelte - ist davon auszugehen, dass die Unterschiede der Ausbildungsgänge bzw. deren jeweiliger verschiedener Ziele weder dem Antragsteller noch seinem Bevollmächtigten klar waren.

Der Eilantrag hatte bezogen auf die Gewährung eines Bildungsgutscheins für beide Fortbildungen keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht ausgeführt, dass als Rechtsgrundlage für die gewünschte Leistung allein §§ 16 ff. SGB II in Betracht kommen, bei denen die Leistungserbringung - mit Ausnahme des lediglich Vermittlungstätigkeiten des Leistungsträgers umfassenden und damit hier nicht anwendbaren § 16 Abs. 1 S. 1 SGB II - sämtlich im Ermessen des Antragsgegners steht.

Es kann hier dahingestellt bleiben ob der Erlass einer Regelungsanordnung in Fällen, in denen die Verwaltung Ermessen hat, grundsätzlich nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null in Betracht kommt und in allen weiteren Fällen ausgeschlossen ist oder ob das Gericht die Behörde gleichwohl wegen des Gebotes effektiven Rechtsschutzes in eng begrenzten Ausnahmefällen zu einem bestimmten Verhalten verpflichten darf (vgl. dazu die Nachweise bei Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 86 b RdNr. 30a). Voraussetzung für eine solche Verpflichtung ist zumindest, dass bei der nachzuholenden Ermessensentscheidung diese mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu Gunsten des Antragstellers ausgeht (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 21.01.2009, L 19 B 219/08 AS; LSG Niedersachsen/Bremen, Beschluss vom 16.10.2006, L 12 AL 212/06 ER, in Breithaupt 2007, 342, 347).

Vorliegend ist hinsichtlich des vom Antragsteller konkret beantragten Bildungsgutscheins für eine Weiterbildung zum "EU-Kraftfahrer" weder eine Ermessensreduzierung auf Null ersichtlich noch ist sein Obsiegen im Hauptsacheverfahren überwiegend wahrscheinlich. Vielmehr scheitert dessen Gewährung bereits daran, dass der Antragsteller mangels Führerscheins der Klasse B die Voraussetzungen dieser konkreten Weiterbildung nicht erfüllt.

Soweit der Eilantrag - nach Auslegung - die Gewährung eines Bildungsgutscheins für die Weiterbildung zum Service- und Auslieferungsfahrer beinhalten sollte, kann dahinstehen, ob das Ermessen des Antragsgegners, wie der Antragsteller meint, reduziert war bzw. welche Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestünden. Bezüglich eines solchen Antrags fehlte es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Der Antragsteller hat im Eilverfahren keine Gründe aufgeführt, aus denen eine unmittelbare Teilnahme an der gewünschten Weiterbildung dringend notwendig erschien und auch keine Nachteile aufgezeigt, die im Falle einer späteren, zu seinen Gunsten ergehenden Hauptsacheentscheidung nicht mehr hätte rückgängig gemacht werden können. Gerade im Hinblick darauf, dass die Weiterbildung in E - wie vom Antragsteller selbst ausgeführt - ohne terminliche Einschränkungen möglich ist, spricht dafür, dass der Antragsteller diese auch zu einem späteren Zeitpunkt wahrnehmen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Die Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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