L 19 AS 2042/11 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AS 465/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 2042/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 18.10.2011 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für seine Klage gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid.

Der am 00.00.1976 geborene Kläger stellte am 23.12.2008 einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Hierbei bestätigte er mit seiner Unterschrift u.a., dass er davon Kenntnis genommen habe, dass wesentliche Änderungen der Einkommenshöhe unverzüglich mitzuteilen und entsprechende Nachweise vorzulegen sind. Der Rechtsvorgänger des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter) bewilligte ihm sodann ab dem 18.12.2008 Leistungen nach dem SGB II. Auch in Folgeanträgen, wie etwa in jenem vom 10.11.2009, bestätigte der Kläger die Kenntnis davon, dass er Änderungen der Einkommenshöhe unverzüglich mitzuteilen habe.

Mit Bescheid vom 04.01.2010 bewilligte ihm der Beklagte Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Januar 2010 bis Juni 2010. Für Januar 2010 berücksichtigte die Beklagte eine Sanktion vom 02.11.2009 in Höhe von 107,70 EUR anspruchsmindernd. Im Verlauf des Bewilligungszeitraumes erließ die Beklagte mehrere Sanktionsbescheide, die teilweise im Rahmen von Widerspruchsverfahren wieder aufgehoben wurden.

Vom 01.06.2010 bis zum 15.06.2010 war der Kläger bei der Firma Böttcher-Bedachungen beschäftigt. Laut entsprechender Einkommensbescheinigung erzielte er ein Bruttoeinkommen von 932,80 EUR, das einem Nettoeinkommen von 634,38 EUR entsprach. Die Auszahlung erfolgte zum 10. des Folgemonats.

Am 29.06.2010 beantragte der Kläger die Fortzahlung von SGB II-Leistungen ab Juli 2010. Über die Beschäftigung und das zu erwartende Einkommen machte er keine Angaben.

Mit Bescheid vom selben Tag bewilligte der Beklagte Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum Juli bis Dezember 2010. Für den Monat Juli bewilligte er die Regelleistung von 359,00 EUR sowie Kosten der Unterkunft von 360,00 EUR.

Im Rahmen eines Datenabgleiches erlangte der Beklagte Kenntnis von der Beschäftigung des Klägers im Juni 2010 und hörte ihn am 27.09.2010 zu einer Aufhebung und Erstattung an.

Mit Bescheid vom 15.10.2010 hob der Beklagte den Bescheid vom 29.06.2010 für den Monat Juli 2010 teilweise in Höhe der gesamten Regelleistung von 359,00 EUR und in Höhe von 22,10 EUR der Kosten der Unterkunft nach § 48 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuches - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) auf und forderte die Erstattung von insgesamt 381,10 EUR.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 11.11.2010 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dies begründete der Beklagte damit, dass die Bewilligung nach § 45 SGB X teilweise aufzuheben sei, da sie auf grob fahrlässig durch den Kläger gemachten falschen Angaben beruhe.

Am 25.02.2011 hat der Kläger Klage erhoben und zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Er ist der Ansicht, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei. Ihm sei kein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen. Er habe die Tätigkeit ausgeübt, als er aufgrund von Sanktionen keine Leistungen erhalten habe. Er habe nicht erkennen können, dass diese Auswirkung auf seine Leistungsanspruch habe.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Er ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid sei zu Recht ergangen.

Mit Beschluss vom 18.10.2011, dem Kläger am 31.10.2011 zugestellt, hat das Sozialgericht Detmold die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Aufhebung und Rückforderung sei nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage sei jedoch, anders als von dem Beklagten angenommen, nicht § 45 SGB X, sondern § 48 SGB X. Auf ein Verschulden komme es insoweit nicht an. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.

Am 25.11.2011 hat der Kläger Beschwerde gegen den Beschluss beim Landessozialgericht eingelegt. Er trägt vor, die Aufhebung sei nicht nach § 48 SGB X gerechtfertigt. Zutreffende Rechtsgrundlage sei § 45 SGB X, wobei er sich hier mit Recht auf vorhandenes Vertrauen in die Bewilligung berufen könne.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114, 115 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet - nach der hier gebotenen summarischen Prüfung - keine Aussicht auf Erfolg.

Die teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 29.06.2010 wegen Anrechnung von Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II für den Monat Juli 2010 in Höhe von 381,10 EUR und die Verpflichtung zur Erstattung von zu viel gezahlten Leistungen in dieser Höhe erfolgte zu Recht. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts und macht sich diese zu Eigen.

Das Sozialgericht stellt zu Recht auf § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X und 330 Abs. 3 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches - Arbeitsförderung - (SGB III) ab.

Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, aufzuheben, wenn nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt nach § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile des Gesetzbuches anzurechnen sind, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (vgl. Urteil des Senats v 08.02.2010 - L 19 (20) AS 45/09 = juris Rn. 40 f.). Bei dem vorliegend teilweise aufgehobenen Bewilligungsbescheid vom 29.06.2010 handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt. Nach Erlass des nunmehr aufgehobenen Bewilligungsbescheids ist in den Verhältnissen betreffend den Monat Juli 2010 durch den Zufluss des Arbeitsentgelt des Klägers eine wesentliche Änderung i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten. Das Arbeitsentgelt war als Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II auf den Hilfebedarf des Klägers nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II anzurechnen.

Die Ausführungen des Klägers in der Beschwerdebegründung gehen fehl. Der aufgehobene Bescheid war nicht ursprünglich rechtswidrig. Das Einkommen war zum Zeitpunkt des Erlasses noch nicht zugeflossen (vgl. dazu auch BSG Urteil v. 21.06.2011 - B 4 AS 22/10 R = juris Rn. 16 f.).

Bei der Entscheidung über die Aufhebungen von Leistungen nach dem SGB II nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X handelt es sich nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der zum streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern vielmehr um eine gebundene Entscheidung. Die Fristen der §§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 3 SGB X sind ebenfalls gewahrt. Der Beklagte hat die Jahresfrist der §§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten, da er innerhalb eines Jahres nach der Anhörung des Klägers den Aufhebungsbescheid Bescheid vom erlassen hat (vgl. dazu Urteil des Senats a.a.O.). Auf die vom Kläger thematisierte Frage eines Verschuldens kommt es somit nicht an.

Auch die Tatsache, dass der Beklagte die Aufhebung und Rückforderung zu Unrecht auf § 45 SGB X gestützt hat, führt nicht dazu, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben wäre, da sie zutreffend auf die andere Rechtsgrundlage gestützt werden kann. Hierdurch wird der Verwaltungsakt weder in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert noch die Rechtsverteidigung des Betroffenen in unzulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert (vgl. BSG Urteil v. 21.06.2011 - B 4 AS 22/10 R = juris Rn. 26 m.w.N.). Es handelte sowohl im Fall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X als auch im Fall von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 SGB II, § 330 SGB III jeweils um gebundene Entscheidungen.

Die Aufhebung ist nach summarischer Prüfung auch hinsichtlich der Höhe nicht zu beanstanden.

Dem Kläger ist am 10.07.2010 eine einmalige Einnahme in Höhe von 634,38 EUR zugeflossen, die - unter Berücksichtigung von gesetzlich vorgeschriebenen Absetzungen und Freibeträgen - in Höhe von 381,10 EUR auf seinen Bedarf anzurechnen war.

Für die nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II zu berücksichtigenden Absetzungen von Einkommen wird bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein Freibetrag von 100,00 EUR gewährt, soweit nicht höhere Ausgaben bei einem Einkommen von mehr als 400,00 EUR nachgewiesen werden (§ 11 Abs. 2 Satz 3 SGB 11). Höhere Ausgaben sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Weiterhin ist noch der sog. Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 SGB II zu berücksichtigen. Bei einem Brutto- Arbeitsentgelt von 932,80 EUR beträgt dieser 153,28 EUR (§ 30 Satz 2 Nr. 1 SGB 11). Es verbleibt dann ein anrechenbares Einkommen von 381,10 EUR (634,38 EUR - 100,00 EUR - 153,28 EUR).

Das Einkommen von 381,10 EUR ist entsprechend bedarfsmindernd auf den Leistungsanspruch des Klägers für Juli 2010 anzurechnen.

Da die Leistungsbewilligungen aus dem Bescheid vom 29.06.2010 demnach für Juli 2010 zu Recht teilweise aufgehoben worden sind, sind die zu Unrecht erhalten Leistungen nach dem SGB II gem. § 50 Abs. 1 SGB X in entsprechender Höhe von 381,10 EUR durch den Kläger zu erstatten. Die Regelung des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II findet, da es sich lediglich um eine teilweise Leistungsaufhebung handelt, keine Anwendung, vgl. § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II.

Kosten des Beschwerdeverfahrens nach Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind entsprechend § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
Rechtskraft
Aus
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