S 12 KR 1300/11 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 12 KR 1300/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Sozialgericht Dortmund

Az.: S 12 KR 1300/11 ER

Beschluss

In dem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes

hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Dortmund am 13.12.2011 durch die Vorsitzende, Richterin am Sozialgericht Stange, beschlossen:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, die Antragstellerin so zu behandeln, als habe die Antragstellerin durch das mit Schreiben vom 06.10.2011 abgegebene Angebot auf Beitritt zu dem Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V über die Abgabe von Hilfsmitteln zur Versorgung der Versicherten bei enteraler Ernährung, bei Tracheotomie und bei Laryngektomie, bei ableitender Inkontinenz und bei Stomaanlagen zwischen der Antragsgegnerin und der GHD - Gesundheits GmbH Deutschland mit Wirkung ab dem 25.10.2011 den Status als Vertragspartner für die Versorgung von Versicherten im Bundesland Nordrhein-Westfalen mit Hilfsmitteln der Produktgruppen 15 (ableitende Inkontinenz) und 29 (Stoma) erlangt. Diese vorläufige Anordnung verliert ihre Gültigkeit, wenn die Antragstellerin nicht binnen drei Monaten nach der Zustellung dieses Beschlusses in der Hauptsache Klage mit dem Ziel erhoben haben wird, das auf Grund des Teilbeitritts zu dem vorgenannten Vertrag begründete Rechtsverhältnis gegenüber der Antragsgegnerin feststellen zu lassen, außerdem mit dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 90.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes, ob die Antragstellerin einem Vertrag über die Lieferung von Hilfsmitteln wirksam beigetreten ist.

Die Antragstellerin ist als Leistungserbringer seit 1994 im Bereich der Versorgung Versicherter mit Stoma- und Inkontinenzprodukten tätig. Seit dem 01.10.1993 ist sie für die Abgabe von Hilfsmitteln für die Versicherten der nordrhein-westfälischen Betriebskrankenkassen zugelassen. Unter dem 30.11.1993 schloss die Antragsgegnerin durch ihren Landesverband mit der Antragstellerin einen Vertrag über die Abgabe von Hilfsmitteln. Die Antragstellerin war seit dem 01.10.1993 zur Versorgung von Versicherten der Antragsgegnerin berechtigt. Die Antragstellerin ist präqualifiziert im Sinne von § 126 Abs. 1 a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Die Antragsgegnerin ging zum 01.04.2011 aus der Fusion von zwei Krankenkassen hervor und übernahm im Wege der Rechtsnachfolge mehrere Verträge über die Versorgung mit Hilfsmitteln. Sie kündigte diese Altverträge zum 30.09.2011. Am 04.07.2011 machte die Antragsgegnerin auf ihrer Internetseite bekannt, dass sie beabsichtige, einen (neuen) Vertrag gemäß § 127 Abs. 2 SGB V über die Versorgung mit Hilfsmitteln zu schließen. Interessierte Unternehmen wurden aufgefordert, bis 31.07.2011 ein Angebot abzugeben. Mit Schreiben vom 15.08.2011 und vom 06.09.2011 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass sie den bestehenden Verträgen für die Produktgruppen 29 (Stoma) und 15 (Inkontinenz) beitreten wolle und sie bat um Übersendung der Vertragsunterlagen.

Die Antragsgegnerin schrieb am 05.09.2011 ihre Versicherten - auch die bis dahin von der Antragstellerin versorgten - an und informierte sie darüber, dass ab 01.10.2011 die Versorgung nur noch über Premiumpartner erfolge, die bereits gefunden seien. Dem Schreiben war eine Liste mit "Kontaktdaten der Premiumpartner" beigefügt, auf der sich die Antragstellerin nicht befand. Die Antragsgegnerin übersandte der Antragstellerin am 07.09.2011 den Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V über die Abgabe von Hilfsmitteln zur Versorgung der Versicherten bei enteraler Ernährung, bei Tracheotomie und bei Laryngektomie, bei ableitender Inkontinenz und bei Stomaanlagen (nachfolgend Hilfsmittelliefervertrag genannt) zwischen ihr und der H-GmbH sowie die für den Beitritt notwendige Unterlagencheckliste.

Hierauf kreuzte die Antragsstellerin unter "Liefergebiet" von den Optionen "Bundesweit", "Bundesland" und "Postleitzahlen" die Option "Bundesland" an und fügte die Buchstaben "NRW" ein. Unter der Überschrift "Versorgungsbereiche" kreuzte die Antragstellerin "ableitende Inkontinenz" und "Stoma" an und erklärte mit Schreiben vom 06.10.2011 den Beitritt zu dem Hilfsmittelliefervertrag.

Die Antragsgegnerin lehnte den Beitritt mit Schreiben vom 07.10.2011 ab: Der Hilfsmittelliefervertrag sehe eine bundesweite Leistungserbringung in allen genannten Versorgungsbereichen vor. Die vertraglich geforderte Deckungssumme für die Betriebshaftpflicht bei Vermögensschäden sei nicht erfüllt. Der aktuelle Auszug aus der Creditreformauskunft sei unvollständig. Wenige Tage später lehnte die Antragsgegnerin Kostenvoranschläge der Antragstellerin über die Versorgung der Versicherten der Antragsgegnerin ab.

Die Antragstellerin hat am 25.10.2011 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie hat eine Creditreformauskunft vom 28.09.2011 sowie Bescheinigungen vom 02.01.2011 und vom 16.11.2011 über ihre Betriebshaftpflichtversicherung vorgelegt. Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund seien gegeben. Ein örtlicher und sachlicher Teilbeitritt zu dem Hilfsmittelliefervertrag zwischen der H-GmbH und der Antragsgegnerin bezüglich der landesweiten Versorgung mit den Produktgruppen 29 und 15 sei rechtlich zulässig und mit Schreiben vom 06.10.2011 auch wirksam erfolgt. Ohne die Möglichkeit eines Teilbeitritts würde der Gesetzeszweck, den willkürlichen Ausschluss von Leistungserbringern zu verhindern, konterkariert. Die Krankenkassen könnten dann durch entsprechende Gestaltung ihrer Verträge Leistungserbringer, die zum Beispiel auf bestimmte Produktgruppen oder örtlich spezialisiert seien, von vornherein von der Beteiligung an den Verträgen ausschließen und ihnen damit die Möglichkeit zur Teilnahme an der Versorgung nehmen. Dies sei mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und dem daraus resultierenden Recht auf Zugang zum Markt nicht vereinbar. Aus Art. 3 GG sowie § 20 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ergebe sich - auch nach Ansicht des Bundesversicherungsamtes - ein Diskriminierungs- und Willkürverbot, gegen das vorliegend verstoßen werde. Auch gegen das Gebot zur Sicherstellung einer wohnortnahen Versorgung sowie das in § 2 Abs. 3 SGB V normierte Gebot zur Beachtung der Vielfalt der Leistungserbringer werde verstoßen. Die einzelnen im Hilfsmittelliefervertrag genannten Bereiche seien in getrennten Anlagen geregelt und für sich umsetzbar. Schließlich werde in den Beitrittsunterlagen durch die Möglichkeit, Versorgungsgebiete bzw. Produktgruppen anzukreuzen, gerade die Möglichkeit eines örtlichen bzw. sachlichen Teilbeitritts eingeräumt.

Es sei ihr nicht zuzumuten, ein mehrjähriges Hauptsacheverfahren abzuwarten. Denn sie sei von der Versorgung der Versicherten der Antragsgegnerin ausgeschlossen. Aktuell drohe der Verlust von acht Patienten, was einem Umsatzverlust von mehr als 30.000,00 EUR pro Jahr entspreche. Zumal sich die Versicherten der Antragsgegnerin voraussichtlich dauerhaft umorientieren würden, drohten erhebliche wirtschaftliche Einbußen. Sie sei daher auf eine zeitnahe Klärung ihrer Versorgungsberechtigung ab 01.10.2011 angewiesen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund in einer Wechselbeziehung zueinander stünden. Da der Anordnungsanspruch bestehe, verringerten sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Eine Existenzgefährdung sei nicht zu verlangen.

Bei Vorliegen aller Voraussetzungen komme der Hilfsmittelliefervertrag durch die Erklärung des Beitritts zustande. Die Krankenkasse müsse den Beitritt nicht annehmen. Nur hilfsweise begehre sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin verpflichtet sei, das in der Beitrittserklärung liegende Angebot auf Vertragsabschluss anzunehmen.

Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,

im Wege der einstweiligen Anordnung ohne mündliche Verhandlung vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache festzustellen,

1. dass sie dem Vertrag nach 127 Abs. 2 SGB V über die Abgabe von Hilfsmitteln zur Versorgung der Versicherten bei enteraler Ernährung, bei Tracheotomie und bei Laryngektomie, bei ableitender Inkontinenz und bei Stomaanlagen zwischen der Antragsgegnerin und der H-GmbH hinsichtlich der Versorgung bei ableitender Inkontinenz im Sinne der Anlage 4 c und von Stomata im Sinne der Anlage 4 d mit Wirkung zum 06.10.2011 wirksam beigetreten ist ,

2. hilfsweise festzustellen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, das durch die Beitrittserklärung vom 06.10.2011 abgegebene Angebot auf Abschluss eines Vertrages nach § 127 Abs. 2 SGB V über die Abgabe von Hilfsmitteln zur Versorgung der Versicherten bei enteraler Ernährung, bei Tracheotomie und bei Laryngektomie, bei ableitender Inkontinenz und bei Stomaanlagen hinsichtlich der Versorgung bei ableitender Inkontinenz im Sinne der Anlage 4 c und von Stomata im Sinne der Anlage 4 d anzunehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht in Berlin zu verweisen,

hilfsweise, den Antrag auf einstweiligen Rechtschutz vom 25.10.2011 zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin regt an, eine Verweisung an die ordentlichen Gerichte nach § 51 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu prüfen, da die Antragstellerin wettbewerbsrechtlich argumentiere. Die Antragsgegnerin trägt vor, in der Sache habe sie den Beitritt der Antragstellerin wirksam abgelehnt. Nach der Fassung des Antrags im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei kein räumlicher Teilbeitritt beantragt. Sie habe neben dem bundesweiten auch einen regionalen Vertrag für die Postleitzahlenbereiche 4 und 5 als beitrittsfähigen Vertrag abgeschlossen. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch zu einem auf bestimmte Produktgruppen begrenzten Teilbeitritt. Die Zusammenfassung der Versorgungsbereiche sei aufgrund von Überschneidungen sinnvoll. Insoweit stehe ihr ein gerichtlich nur bedingt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Antragstellerin habe einen Antrag zum Vertragsbeitritt zu veränderten Bedingungen abgegeben. Bei dem Beitritt handele es sich um einen Antrag, der nach allgemeinen Grundsätzen angenommen werden müsse. Eine für den Anordnungsgrund erforderliche wirtschaftliche Betroffenheit sei nicht erkennbar.

Die Antragstellerin erwidert, ihre Anträge seien aufgrund der zu den Gerichtsakten gereichten Beitrittserklärung samt Nachweisen eindeutig so auszulegen, dass die Versorgung in den Produktgruppen ableitende Inkontinenz und Stoma für das Bundesland Nordrhein-Westfalen angestrebt werden.

II.

Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG eröffnet. Eine Ausnahme nach § 51 Abs. 3 SGG liegt nicht vor. Denn es handelt sich nicht um ein Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Der Schwerpunkt liegt im SGB V. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist nämlich § 127 Abs. 2 a SGB V.

Örtlich zuständig ist das Sozialgericht Dortmund nach § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG, weil die Antragstellerin ihren Sitz im Bezirk dieses Gerichts hat. Es folgt nicht aus § 57 a Abs. 4 SGG eine Zuständigkeit des Sozialgerichts Berlin.

Dabei konnte offen bleiben, ob § 57 a Abs. 4 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 444 –SGGArbGGÄndG-) auch nichtvertragsärztliche Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst. Hieran könnten insofern Zweifel bestehen, als die Rechtsfolge, d. h. die Zuständigkeit des Sozialgerichts, in dessen Bezirk die Kassenärztliche Bundesvereinigung bzw. die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung ihren Sitz hat, nur für vertragsärztliche Streitigkeiten passt. Für sonstige krankenversicherungsrechtliche Streitigkeiten gibt es keinen Anknüpfungspunkt wie beispielsweise den Sitz der Bundesregierung.

Jedenfalls "betrifft" das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht einen Vertrag auf Bundesebene. Die Regelung in § 57 a Abs. 4 SGG erfasst nur die unmittelbare gerichtliche Überprüfung einer vertraglichen Vereinbarung auf Bundesebene zwischen den an dem Vertag unmittelbar Beteiligten (Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 31.01.2011, S 36 KR 2345/10). An dem Hilfsmittelliefervertrag unmittelbar beteiligt sind jedoch nur die Antragsgegnerin und die H-GmbH. Die Antragstellerin würde durch den begehrten (Teil-) Beitritt auch nicht Vertragspartner dieses Vertrages.

Streitgegenstand ist der (Teil-) Beitritt der Antragstellerin zu dem zwischen der Antragsgegnerin und der H-GmbH geschlossenen Hilfsmittelliefervertrag für die Versorgungsbereiche 29 (Stoma) und 15 (ableitende Inkontinenz) für das Versorgungsgebiet Nordrhein-Westfalen. Der Haupt- und der Hilfsantrag in der Antragsschrift vom 25.10.2011 konnten vor dem Hintergrund der den Beteiligten bekannten und dem erkennenden Gericht unterbreiteten vorgerichtlichen Korrespondenz, insbesondere dem Formblatt "Unterlagen zum Vertragsbeitritt", auf dem als Liefergebiet "Bundesland NRW" angegeben wurde, nur so ausgelegt werden, dass ein Beitritt für die ausdrücklich genannten zwei Produktgruppen in Nordrhein-Westfalen begehrt wird. Es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin abweichend von der vorgerichtlichen Korrespondenz nunmehr eine bundesweite Versorgung durchführen möchte. Diese Auslegung des Antrags stellt keine Antragsänderung im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG dar, die der Einwilligung der Antragsgegnerin bedürfte oder die das Gericht für sachdienlich halten müsste.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig.

Gemäß § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sogenannte Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung von wesentlichen Nachteilen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Vorliegend kommt der Erlass einer Reglungsanordnung in Betracht, weil in der Hauptsache entweder eine auf die Annahme des Vertragsbeitritts durch die Antragsgegnerin gerichtete Leistungsklage oder eine auf die Feststellung eines durch den wirksamen Beitritt zustande gekommenen Vertrags gerichtete Feststellungsklage erhoben werden müsste. Nach § 86 b Abs. 3 SGG ist ein Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung schon vor Klageerhebung zulässig.

Da die Antragstellerin als Leistungserbringer und die Antragsgegnerin als Krankenkasse sich bei der Lieferung von Hilfsmitteln im Gleichordnungsverhältnis gegenüberstehen, findet § 86 b Abs. 1 SGG keine Anwendung.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung ist begründet.

Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, also des materiellen Anspruchs, der grundsätzlich die summarische Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache verlangt, und eines Anordnungsgrundes, der Erforderlichkeit im Sinne einer besonderen Dringlichkeit, voraus. Die Voraussetzungen sind jeweils gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung glaubhaft zu machen.

Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht.

Gemäß § 127 Abs. 2 a Satz 1 SGB V können Leistungserbringer den Verträgen nach § 127 Abs. 2 SGG zu den gleichen Bedingungen beitreten, soweit sie nicht aufgrund bestehender Verträge bereits zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind.

Es konnte offen bleiben, ob ein Vertrag zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin allein durch die Beitrittserklärung vom 06.10.2011, also durch einseitige Erklärung, zustande gekommen ist, oder ob eine Annahmeerklärung der Antragsgegnerin erforderlich ist. Jedenfalls stünde die fehlende Annahmeerklärung und die Tatsache, dass deswegen noch kein Vertrag zustande gekommen sein sollte, der getroffenen vorläufigen Regelung nicht entgegen. Denn die Antragsgegnerin wäre bei summarischer Prüfung zur Annahme der Beitrittserklärung verpflichtet.

Die Voraussetzungen für einen solchen Beitritt der Antragstellerin liegen vor. Die Antragstellerin ist unstreitig nach Kündigung des Altvertrages seit 01.10.2011 nicht mehr zur Versorgung der Versicherten der Antragstellerin berechtigt. Der Beitritt setzt voraus, dass der Leistungserbringer die Voraussetzungen für eine ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel erfüllt. Diese Voraussetzung hat die Antragstellerin durch ein Präqualifizierungsverfahren nachgewiesen. Die ursprünglichen Bedenken an der Finanzkraft und der vertraglich vorgesehenen Betriebshaftpflichtversicherung hält die Antragsgegnerin nicht mehr aufrecht. Zweifel an der Eignung der Antragstellerin bestehen nach alledem nicht mehr.

Weiter ist ein Beitritt nur zu den gleichen Bedingungen möglich. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung ist ein sogenannter Teilbeitritt, d. h. der Abschluss eines Vertrags nur in Bezug auf einen Teil der von dem bestehenden Hilfsmittelliefervertrag erfassten Produktgruppen, rechtlich zulässig (so auch Weber in: NZS 2011, 53 ff.; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.03.2011, L 11 KR 4724/10 ER B; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.04.2011, L 16 KR 7/11 B ER; Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 22.11.2011, S 210 KR 2084/11 ER). Das erkennende Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung und Literatur nach eigener Prüfung und Bewertung vollumfänglich an. Dabei waren im Wesentlichen die folgenden Erwägungen maßgeblich:

Der Wortlaut des § 127 Abs. 2 a Satz 1 SGB V steht einem solchen Teilbeitritt nicht entgegen. Denn ein vertragsloser Leistungserbringer kann einem bestehenden Vertrag auch für einzelne Produktgruppen "zu den gleichen Bedingungen" hinsichtlich der Leistungen, des Preises und des Verfahrens der Leistungserbringung beitreten. Einen Beitritt zu allen Produktgruppen (Gesamtbeitritt) verlangt der Wortlaut nicht.

Auch die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des Gesetzes stehen einem Teilbeitritt nicht entgegen. Mit der Schaffung eines Beitrittsrechts zu Verhandlungsverträgen nach § 127 Abs. 2 SGB V soll die weitere Versorgungsberechtigung der Leistungserbringer, die bisher noch keine Verträge mit den Krankenkassen abschließen konnten, sichergestellt werden. Dadurch soll auch verhindert werden, dass Leistungserbringer willkürlich von ausgehandelten Verträgen ausgeschlossen werden (Bundestagsdrucksache 16/10609 Seite 57). Die Krankenkassen sollen also spezialisierte, in der Regel kleinere Unternehmen, nicht durch die Gestaltung von Verträgen über mehrere Produktgruppen willkürlich von ausgehandelten Verträgen ausschließen können. Vielmehr genügt es, wenn der betreffende Leistungserbringer gerade die für die fraglichen Produktgruppen geltenden Bedingungen akzeptiert. Die Antragstellerin ist unstreitig bereit und in der Lage, die in dem bestehenden Hilfsmittelliefervertrag vorgesehenen Bedingungen für die Versorgung mit Hilfsmitteln der Produktgruppen 29 (Stoma) und 15 (ableitende Inkontinenz) zu erfüllen.

Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Versorgungssicherheit, die einem Teilbeitritt entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Zusammenfassung der Versorgungsbereiche enterale Ernährung, Tracheotomie, Laryngektomie, ableitende Inkontinenz und Stomaanlagen ist für eine sachgerechte Versorgung nicht zwingend erforderlich. Weder ist hinreichend dargetan, dass es hinsichtlich der fünf Versorgungsbereiche oder einzelner von ihnen wesentliche Überschneidungen gibt, noch warum in den Fällen einer Überschneidung die Versorgung aus einer Hand notwendig sein sollte. Die von der Beitrittserklärung erfassten Bestimmungen des Hilfsmittelliefervertrags sind von den übrigen vertraglichen Regelungen ohne Beeinträchtigung des Leistungszwecks teilbar. Der Hilfsmittelliefervertrag regelt die Versorgung mit Hilfsmitteln der verschiedenen Produktgruppen getrennt voneinander in verschiedenen Anlagen.

Für eine Mischkalkulation im Hinblick auf die verschiedenen Produktgruppen ist nichts ersichtlich. Gegen eine solche Mischkalkulation bestünden auch Bedenken, weil sie zu einer Verzerrung der Preise für die einzelnen Hilfsmittelproduktgruppen führen würde.

Ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer (bindender) Beurteilungsspielraum der Krankenkassen bei der Zusammenstellung der Versorgungsbereiche folgt weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte oder Sinn und Zweck des Gesetzes. Im Gegenteil entspricht die den ungehinderten Beitritt zu bestehenden Verträgen in den Vordergrund stellende Gesetzesgründung gegen einen solchen Beurteilungsspielraum.

Ein räumlicher Teilbeitritt nur für das Bundesland Nordrhein-Westfalen als Versorgungsgebiet ist bei summarischer Prüfung ebenfalls zulässig. Auch ein solcher Teilbeitritt ist durch den Wortlaut "zu den gleichen Bedingungen" nicht ausgeschlossen. Denn ein vertragsloser Leistungserbringer kann einem bestehenden Vertrag auch für ein einzelnes Bundesland "zu den gleichen Bedingungen" hinsichtlich der Leistungen, des Preises und des Verfahrens der Leistungserbringung beitreten. Nach der Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des Gesetzes soll auch verhindert werden, dass die Krankenkassen auf die örtliche Versorgung spezialisierte häufig kleinere Unternehmen durch die Gestaltung von bundesweiten Verträgen willkürlich von ausgehandelten Verträgen ausschließen können. Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Versorgungssicherheit sind nicht ersichtlich. Für eine sachgerechte Versorgung ist es nicht notwendig, dass ein einzelner Leistungserbringer bundesweit tätig sein muss. Die Antragsgegnerin kann die Antragstellerin auch nicht auf einen regionalen Vertrag für die Postleitzahlen 4 und 5 verweisen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 127 Abs. 2 a Satz 1 SGB V können vertragslose Leistungserbringer "den Verträgen" nach § 127 Abs. 2 SGB V beitreten. Mithin haben sie bei Bestehen unterschiedlicher Verträge ein Wahlrecht, welchem Vertrag sie beitreten wollen (Knispel, GesR 2009, 236, 240).

Die Antragstellerin kann sich auf den Beitritt zu dem Hilfsmittelliefervertrag berufen, denn die Regelung in § 127 Abs. 2 a SGB V hat individualschützenden Charakter. Dies zeigt bereits die erwähnte Gesetzesbegründung, die das Beitrittsrecht vertragsloser Leistungserbringer in den Vordergrund stellt und ausdrücklich besagt, dass der willkürliche Ausschluss von Leistungserbringern von ausgehandelten Verträgen bezweckt wird.

Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht.

Es ist der Antragstellerin nicht zuzumuten, ein unter Umständen mehrjähriges Hauptsacheverfahren abzuwarten. Denn nach § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist die Antragstellerin seit Oktober 2011 nicht mehr zur Versorgung von Versicherten der Antragsgegnerin berechtigt, weil der bisherige Versorgungsvertrag durch Kündigung beendet worden ist. Es liegt auf der Hand, dass die Antragstellerin auf eine zeitnahe Klärung ihrer Versorgungsberechtigung ab Oktober 2011 angewiesen ist.

Dabei konnte dahinstehen, wieviel Prozent der gesetzlich Krankenversicherten Mitglied der Antragsgegnerin sind, welcher Anteil der bisher von der Antragstellerin versorgten Patienten Mitglied der Antragsgegnerin sind oder welcher Anteil vom Gesamtumsatz der Antragstellerin auf Mitglieder der Antragsgegnerin entfällt. Da ein Anordnungsanspruch mit großer Wahrscheinlichkeit besteht, verringern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Es genügt, dass der Antragstellerin wirtschaftliche Nachteile drohen, weil die bisher von ihr versorgten Mitglieder der Antragsgegnerin sich den ihnen als "Premiumpartner" benannten anderen Leistungserbringern zuwenden und wahrscheinlich bei einem Erfolg der Antragstellerin in der Hauptsache nicht wieder zur Antragstellerin zurückkehren werden.

Es erschien sachgerecht, den Beginn der vorläufigen Regelung auf den Zeitpunkt des Zugangs des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz festzusetzen. Eine Rückwirkung für den geringfügigen Zeitraum von 18 Tagen zwischen der Ablehnung des Teilbeitritts am 07.10.2011 und dem Eingang des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht am 25.10.2011 war nicht angezeigt. Angesichts der Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anspruchs auf den geltend gemachten Teilbeitritt erschien es andererseits nicht sachgerecht, die Wirkung der vorläufigen Regelung erst auf den Zeitpunkt der Zustellung dieses Beschlusses festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 1, § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Abweisung des Antrags für den Zeitraum vom 06.10.2011 bis zum 25.10.2011 ist so geringfügig, dass sie gegenüber dem Obsiegen nicht ins Gewicht fällt und eine Kostenquotelung unbillig erscheint.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs.1 und Abs. 2 Gerichtskostengesetz. Ausgehend von den Angaben der Antragstellerin zu dem angestrebten jährlichen Mehrumsatz von über 30.000,00 EUR wurde eine drei Jahre erfassende Vorausschau vorgenommen, da eine Regelung mit Dauerwirkung angestrebt wird (vgl. Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 01.06.2010, S 15 KR 119/10 ER m. w. N.).
Rechtskraft
Aus
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