S 12 KA 719/11 und S 12 KA 867/11

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 719/11 und S 12 KA 867/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
Sprungrevision
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 15/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein MKG-Chirurg mit Anerkennung als - ärztlicher - Belegarzt, der zugleich als Zahnarzt zugelassen ist, jedoch keine belegzahnärztliche Anerkennung besitzt, ist mangels Erstreckung seines ambulanten zahnärztlichen Teilnahmestatus in den stationären Sektor zur unmittelbaren zahnärztlichen Leistungserbringung nicht befugt ist (Anschluss an LSG Bayern v. 05.03.2008 - L 12 KA 5008/06 - juris Rn. 33 - Breith 2008, 457).
1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Berichtigung der Kieferbruchabrechnungen für den Monat 09/2011 im Behandlungsfall LE. (Barmer GEK) in Höhe von 5.155,35 EUR sowie der KCH-Abrechnung I/11 und der KB-Abrechnung 2/2011 bis 4/211 in weiteren Behandlungsfälle in Höhe von 12.710,89 EUR.

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Ihre beiden Mitglieder sind Fachärzte für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Als solcher ist aber nur Herr Dr. AA zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Beide Mitglieder sind als Zahnärzte zur vertragzahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. In seinem Status als Vertragsarzt ist Herr Dr. AA durch die KV Hessen als Belegarzt anerkannt worden und behandelt am WC.-Krankenhaus A-Stadt Belegpatienten.

Die beklagte KZV Hessen lehnte unter Datum vom 23.03.2011 die KB-Abrechnung 02/2011 in den Behandlungsfällen LF: (Deutsche BKK), LG. (AOK Hessen) sowie LH. (DAK) ab, weil im Rahmen einer belegärztlichen Behandlung keine zahnärztlichen Leistungen als Vertragsleistung über sie abgerechnet werden könnten. Sie führte ein Urteil des LSG Bayern vom 05.03.2008, Az. L 12 KA 5008/06, zur Abrechnung zahnärztlicher Leistungen durch Belegärzte an. Sie bitte daher, die Leistungen innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung abzurechnen.

Hiergegen legte der Kläger am 08.04.2011 Widerspruch ein.

Mit weiterem Bescheid vom 15.04.2011 lehnte die Beklagte die KB-Abrechnung 03/2011 in den Behandlungsfällen LI. (Barmer), LJ. (TKK) und LK (DAK), mit Bescheid vom 03.05.2011 die KB-Abrechnung 04/2011 in den Behandlungsfällen LL. (AOK Hessen) und LM. (AOK Hessen), und mit Bescheid vom 21.04.2011 die KCH-Abrechnung I/2011 in den Behandlungsfällen LN. (Knappschaft), LO. (AOK Hessen) und LF. (Deutsche BKK), ab.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung ihrer Widersprüche trug die Klägerin vor, in sämtlichen Behandlungsfällen mit Ausnahme des Behandlungsfalls LO. seien Dysgnathieoperationen bzw. Metallentfernungen nach Dysgnathieoperationen vorgenommen worden. Diese seien als Belegarzt stationär im WC.Krankenhaus durchgeführt worden. Sämtliche Dysgnathieoperationen seien zuvor von den jeweiligen Krankenkassen genehmigt worden. Es handele sich um zahnärztliche Leistungen (OLG Zweibrücken, Urteil vom 21.08.1998 – 2 U 29/1997 – juris, Rn. 70-73). Bei der Patientin LO. seien zwei Weißheitszähne ambulant in Lokalbetäubung in seiner Praxis entfernt worden. Die Patientin habe jedoch postoperativ wegen Nachblutungen stationär in das WC.Krankenhaus eingewiesen werden müssen. Sämtliche KB-Anträge seien vorab von den Kostenträgern (zahnärztlich) genehmigt worden. Sie habe deshalb darauf vertrauen dürfen, dass nach Genehmigung der geplanten Dysgnathieoperationen diese als zahnärztliche (Kieferbruch-)Behandlungsfälle vergütet werden würden. Auch seien stationäre (belegzahnärztliche) Leistungen gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung abrechenbar. Die gesetzliche Definition nach § 121 Abs. 2 SGB V gelte nach § 72 Abs. 1 SGB V auch für Zahnärzte. § 2 Abs. 2b BMV-Z bestätige dies. Danach gehörten zur zahnärztlichen Behandlung im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung auch die stationäre vertragszahnärztliche Behandlung gem. § 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V. Auch andere Vorschriften setzten die Existenz des Belegzahnarztes voraus. Die Auffassung des LSG München, die stationäre zahnmedizinische Versorgung erfolge ausschließlich in den zahnmedizinischen Universitätskliniken sei objektiv falsch. Es bestehe auch außerhalb der Universitätszahnkliniken ein Bedarf für stationäre zahnärztliche Leistungen. Anders als im ärztlichen Bereich würde die belegzahnärztliche Tätigkeit nicht unter einen präventiven Erlaubnisvorbehalt gestellt werden. Nach § 121 Abs. 2 SGB V müsse einem Zahnarzt vom Krankenhausträger das Recht eingeräumt worden sein, seine Patienten stationär zu behandeln und das Krankenhaus müsse selbst zur stationären zahnmedizinischen Behandlung der Patienten zugelassen sein. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Sie habe einen Belegarztvertrag. Für das WC.Krankenhaus sei in dem Krankenhausplan mund-, kiefer- und gesichtschirurgische Betten ausgewiesen, womit das Krankenhaus nach § 108 Nr. 2 SGB V auch zur stationären zahnmedizinischen Behandlung der Patienten zugelassen sei. Dies folge aus den einschlägigen Regelungen des Krankenhausplanes und der Weiterbildungsordnung in Hessen. Maßgeblich für den Umfang des Versorgungsauftrages seien bei Plankrankenhäusern nach § 8 Abs. 1 Satz 4 KHEntgG die Festlegungen des Krankenhausplanes. Das gewachsene Berufsbild des MKG-Chirurgen sei durch dessen Doppelqualifikation und durch die Gestattung sowohl der ärztlichen als auch der zahnärztlichen Berufsausübung geprägt. Die fachliche Weiterbildung in MKG-Chirurgie setze die Berechtigung zur Ausübung des zahnärztlichen Berufes zwingend voraus. Die Partner der Bundesmantelverträge hätten auf ein Anerkennungsverfahren verzichtet. Der BEMA-Z kenne für belegzahnärztliche Leistungen nicht eine Anerkennungsvoraussetzung.

Die Beklagte verband alle Verfahren und wies mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2011 die Widersprüche als zulässig, aber unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, alle Patienten seien im Rahmen der belegärztlichen Tätigkeit im WC.Krankenhaus in A-Stadt behandelt worden. Es handele sich somit um stationäre und außerdem in Narkose durchgeführte chirurgische Behandlungsfälle. Die Klägerin sei darüber unterrichtet worden, dass im Rahmen einer belegärztlichen Behandlung keine zahnärztlichen Leistungen abgerechnet werden könnten. Das Wahlrecht, ob die chirurgischen Leistungen über die Kassenärztliche oder die Kassenzahnärztliche Vereinigung abgerechnet werden sollen, bestehe im Rahmen der belegärztlichen Sachleistungserbringungspflicht jedoch nicht. Die Anerkennung als Belegarzt erfolge über die Kassenärztliche Vereinigung. Ein Anerkennungsverfahren für belegzahnärztliche Tätigkeiten durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung existiere im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Regelungen nicht. Die Belegarztanerkennung durch die Kassenärztliche Vereinigung beinhalte die vertragsärztliche Sachleistungserbringungspflicht für die belegärztliche Tätigkeit. Sie sei als zugelassener Vertragsarzt mit Belegarztanerkennung verpflichtet, die fachärztlichen Leistungen vertragsärztlich abzurechnen. Hiervon würden auch chirurgische Leistungen erfasst, die bei ambulanter Erbringung zum vertragszahnärztlichen Leistungsspektrum zählten. Die Genehmigung der Krankenkasse betreffe ausschließlich das Leistungsrecht und nicht dem die Leistungserbringerrecht zuzurechnende Abrechnung. Im Übrigen hätte auch dieses Formular nicht verwandt werden dürfen, da die Behandlungsfälle nicht der vertragszahnärztlichen Leistungserbringung zuzurechnen seien. Sie habe mit Schreiben vom 28.01.2010 die vertragszahnärztlich zugelassenen Fachärzte für MKG-Chirurgie über das vorstehende Urteil des LSG Bayern informiert. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass im Rahmen einer belegärztlichen Behandlung keine zahnärztlichen Leistungen als Vertragsleistung über die KZVH abgerechnet werden könnten.

Hiergegen hat die Klägerin am 30.09.2011 zum Az.: S 12 KA 719/11 die Klage erhoben.

Mit weiterem Bescheid vom 05.09.2011 lehnte die Beklagte aus den gleichen Gründen die KB-Abrechnung 08/2011 in den Behandlungsfällen LP. (KKH) und LQ. (AOK Hessen) (Wert: 3.245,88 EUR) und vom 06.10.2011 die KB-Abrechnung 08/2011 im Behandlungsfall LE. (Barmer GEK) (Wert: 3.245,88 EUR) ab. Hiergegen legte die Klägerin am 08.09.2011 und am 13.10.2011 Widerspruch ein, den die Beklagte jeweils mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2011 als unbegründet zurückwies.

Hiergegen hat die Klägerin am 22.11.2011 zum Az.: S 12 KA 867/11 die Klage erhoben.

Die Klägerin ist unter weitgehender Wiederholung ihres Vorbringen im Verwaltungsverfahren der Auffassung, dass die Leistungen bei der Beklagten abrechenbar seien. Ergänzend führt sie aus, aufgrund der Verweisungsvorschriften im BEMA-Z sei auch der Abschnitt N der GOÄ 1982 anzuwenden. Bei der Halbseitenresektion des Ober- oder Unterkiefers nach der Nr. 2712 GOÄ oder der Osteotomie im Zusammenhang mit operativen Eingriffen am Mundboden – einschließlich Osteosynthese nach der Nr. 2720 GOÄ - handele es sich um als obligat stationäre Behandlung erfordernde Operationen, die demzufolge nicht mit einem Zuschlag für ambulantes Operieren ausgestattet seien. Wenn aber der BEMA-Z Leistungen enthalte, die obligat nur stationär durchführbar seien, gehe offenbar auch der Bewertungsausschuss davon aus, dass es eine belegzahnärztliche Versorgung gebe. Desgleichen gebe es eine Reihe von Operationen, die typischerweise wegen ihres Umfangs aus medizinischen Gründen nur stationär ausgeführt werden könnten. Dazu gehörten auch die hier streitige operative Verlagerung des Ober- bzw. Unterkiefers bei Dysgnathie nach den Nrn. 2340 bzw. 2642 GOÄ. Die im Widerspruchsbescheid angegebene Begründung überzeuge nicht. Die Beklagte übersehe, dass die Vertragspartner der Bundesmantelverträge für Zahnärzte auf die Regelung eines Anerkennungsverfahrens für die belegzahnärztliche Tätigkeit verzichtet hätten. Die Sachleistungserbringungspflicht bedeute nur, dass die ärztliche Leistung als Sachleistung erbracht werden müsse im Gegensatz zur Kostenerstattung. Eine Abrechnung könne auch zahnärztlich erfolgen. Die Auffassung der Beklagten bedeute in der Konsequenz, dass Zahnärzte keine stationären (belegzahnärztlichen) Leistungen erbringen dürften. Warum schließlich von der vertragsärztlichen Sachleistungserbringungspflicht im Rahmen einer belegärztlichen Tätigkeit auch chirurgische Leistungen erfasst sein sollten, die bei ambulanter Erbringung zur vertragszahnärztlichen Leistungsspektrum zählten, sei unerfindlich.

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Bescheide vom 23.03.2011, 15.04.2011, 21.04.2011 und 03.05.2011, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2011, des Bescheids vom 05.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2011 und des Bescheids vom 06.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2011 die Beklagte zu verurteilen, für die abgerechneten Leistungen das Honorar in gesetzlicher Höhe festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, strittig sei nicht die Abrechenbarkeit der Leistungen, sondern nur die Abrechenbarkeit über sie, also die Fragestellung, ob ein entsprechendes Abrechnungswahlrecht bestehe. Eine Abrechnungsmöglichkeit bestehe auch deshalb nicht, weil die gesetzlichen und die vertraglichen Regelungen über die belegärztlichen Leistungen belegzahnärztliche Versorgungen quasi mitumfassten. Die Regelungen beschränkten sich ausschließlich auf die belegärztliche Leistungserbringung. Sie habe hierzu eine Stellungnahme der KZBV vom 08.12.2011 eingeholt. Darin bestätige die KZBV, dass die bestehenden Vorschriften eine belegzahnärztliche Versorgung nicht vorsähen. Es bestehe weder eine Möglichkeit der Abrechnung der belegzahnärztlichen Leistungen über die KZV noch eine Verpflichtung der Vertragspartner an der vertragszahnärztlichen Versorgung zu diesbezüglichen Vertragsabschlüssen auf Bundes- oder Landesebene. Hierauf verweise sie im Einzelnen. Das streng formalisierte Verfahren nach den Bundesmantelverträgen zeige, dass eine Belegarztanerkennung mit hohen Hürden für den antragstellenden Belegarzt verbunden sei. Entsprechende Vorgaben für Belegzahnärzte fehlten vollständig. Die Vorgaben zur Förderung des Belegarztwesens (§ 115 SGB V) liefen im vertragszahnärztlichen Bereich vollständig leer. Dreiseitige Verträge fehlten. Der Hinweis auf die GOÄ-Leistungen vermöge nicht zu überzeugen, da eine Abrechnungsmöglichkeit im ambulanten Bereich bestehen bleibe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragszahnärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragszahnärzte handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klagen sind zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klagen sind aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide vom 23.03.2011, 15.04.2011, 21.04.2011 und 03.05.2011, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2011, des Bescheids vom 05.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2011 und des Bescheids vom 06.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2011 sind rechtmäßig und waren daher nicht aufzuheben. Die Beklagte war nicht zu verpflichten, die abgerechneten Leistungen in gesetzlicher Höhe festzusetzen. Die Klagen waren abzuweisen.

Die Beklagte war zuständig für die sachlich-rechnerischen Berichtigungen.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertrags(zahn)ärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertrags(zahn)ärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertrags(zahn)ärzte fest; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb nach § 19 BMV-Z/§ 17 Abs. 1 Satz 1 EKV-Z der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen (vgl. BSG, Urt. v. 10.05.1995 - 6 RKa 30/94 - SozR 3-5525 § 32 Nr. 1 = NZS 1996, 134 = Breith 1996, 280 = USK 95120, juris Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 5, juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R - SozR 4 2500 § 85 Nr. 11 = BSGE 93, 69 = SGb 2004, 474 = GesR 2004, 522 = MedR 2005, 52 = NZS 2005, 549, juris Rdnr. 17; BSG, Urt. v. 13.05.1998 - B 6 KA 34/97 R - SozR 3 5555 § 10 Nr. 1 = USK 98155, juris Rdnr. 13).

Die Beklagte hat zu Recht die strittigen Behandlungsfälle von einer Vergütung ausgeschlossen.

Bei allen berichtigten Behandlungsfällen handelte es sich um zahnärztliche Leistungen, die im Rahmen einer belegärztlichen Tätigkeit erbracht worden sind. Es besteht aber gegenüber der Beklagten kein Vergütungsanspruch, weil im Rahmen einer belegärztlichen Tätigkeit erbrachte Leistungen nicht gegenüber der Beklagten abgerechnet werden können.

Mit der Zulassung als Zahnarzt nach § 95 Abs. 1 SGB V besteht nur die Möglichkeit, an der ambulanten vertragszahnärztlichen Versorgung teilzunehmen. Das SGB V geht grundsätzlich von der Trennung der ambulanten und stationären Versorgung aus, so dass die für einen der beiden Leistungssektoren zugelassenen Leistungserbringer nur Leistungen innerhalb ihres Leistungssektors erbringen dürfen. Tätigkeiten in einem anderen Leistungssektor sind daher nur zulässig, wenn dies rechtlich vorgesehen ist. Eine solche Ausnahme stellt die belegärztliche Tätigkeit dar.

Das Belegarztwesen ist nur vereinzelt im SGB V geregelt. § 121 Abs. 2 SGB V definiert Belegärzte als nicht am Krankenhaus angestellte Vertragsärzte, die berechtigt sind, ihre Patienten (Belegpatienten) im Krankenhaus unter Inanspruchnahme der hierfür bereitgestellten Dienste, Einrichtungen und Mittel vollstationär oder teilstationär zu behandeln, ohne hierfür vom Krankenhaus eine Vergütung zu erhalten. § 73 Abs. 6 SGB V bezieht die belegärztliche Behandlung ausdrücklich in die vertragsärztliche Versorgung ein. Der durch das 2. GKV-NOG eingefügte und bisher unveränderte § 103 Abs. 7 SGB V berücksichtigt die Interessen der Krankenhäuser mit Belegärzten und ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen deren Zulassung – was Voraussetzung für eine belegärztliche Tätigkeit ist – trotz bestehender Zulassungsbeschränkungen. Das BVerfG hatte zuvor auf entsprechende Auslegungsmöglichkeiten der Bestimmungen zur Sonderbedarfszulassung hingewiesen (vgl. BVerfG (Kammer) v. 08.10.1996 - 1 BvL 3/95 - juris Rn. 12 - NJW 1997, 792 = MedR 1997, 77). § 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V erklärt die Förderung des Belegarztwesens zum Vertragsinhalt der von den Gesamtvertragspartnern mit den Vereinigungen der Krankenhausträger zu schließenden gemeinsam Verträge mit dem Ziel, durch enge Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und zugelassenen Krankenhäusern eine nahtlose ambulante und stationäre Behandlung der Versicherten zu gewährleisten. § 121 Abs. 1 SGB V regelt ergänzend die Förderung des Belegarztwesens. § 121 Abs. 3 bis 5 SGB V enthält Regelungen zur Vergütung. § 18 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG übernimmt die Definition nach § 121 Abs. 2 SGB V und definiert in Satz 2 weiter als Leistungen des Belegarztes seine persönlichen Leistungen (Nr. 1), den ärztlichen Bereitschaftsdienst für Belegpatienten (Nr. 2), die von ihm veranlassten Leistungen nachgeordneter Ärzte des Krankenhauses, die bei der Behandlung seiner Belegpatienten in demselben Fachgebiet wie der Belegarzt tätig werden (Nr. 3) und die von ihm veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses (Nr. 4). § 18 Abs. 2 und 3 KHEntgG regeln die Krankenhausvergütung für Belegbetten. §§ 38 bis 41 BMV-Ä/§§ 30 bis 33 EKV-Ä regeln den Inhalt der belegärztlichen Tätigkeit, Voraussetzungen der Anerkennung als Belegarzt und Fragen der Abrechnung und Vergütung. § 1a Nr. 10 BMV-Ä/EKV-Ä verweist auf die Definition nach dem SGB V, §§ 1a Nr. 21 und 15a Abs. 1 Satz 7 BMV-Ä/EKV-Ä bestimmt als Betriebsstätte des Belegarztes auch das Krankenhaus, § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 3 Abs. 2 Nr. 7 BMV-Ä/EKV-Ä bezieht ebf. die belegärztlichen Leistungen in die vertragsärztliche Versorgung ein.

Ob die Regelungen des SGB V analog auf die zahnärztliche Versorgung anwendbar sind (§ 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V), ist fraglich. Die Bundesmantelverträge der Zahnärzte sehen eine belegzahnärztliche Tätigkeit jedenfalls nicht vor. Lediglich § 2 Abs. 2 Buchst. b BMV Z rechnet für den Primärkassenbereich zur vertragszahnärztlichen Behandlung auch die stationäre vertragszahnärztliche Behandlung gem. § 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V. Voraussetzung dürfte aber in jedem Fall eine entsprechende Vorgabe im Krankenhausplan oder ein vertraglich vereinbarter Versorgungsauftrag sein (vgl. § 108 Nr. 2 und 3 SGB V). Diese Frage kann aber letztlich dahinstehen, da jedenfalls für eine belegzahnärztliche Tätigkeit eine sozialrechtliche Anerkennung Voraussetzung ist.

§ 121 Abs. 2 SGB V definiert als Belegärzte nur die nicht am Krankenhaus angestellten Vertragsärzte, die "berechtigt" sind, ihre Patienten im Krankenhaus stationär zu behandeln. Aus dieser Definition folgt, dass eine Berechtigung vorliegen muss. Diese kann nicht nur zivilrechtlich i. S. eines Belegarztvertrages verstanden werden, sondern setzt wegen des Ausnahmecharakters der Belegarzttätigkeit eine sozialrechtliche Anerkennung voraus. Das Verfahren zur Anerkennung als Belegarzt dient der Gewährleistung der Eignung des Belegarztes und des Vorrangs der ambulanten vor der stationären Tätigkeit (vgl. BSG v. 02.09.2009 - B 6 KA 27/08 R - juris Rn. 48 = SozR 4 2500 § 103 Nr. 5 = ZMGR 2010, 168 = USK 2009-105 = KH 2010, 340 = KHR 2010, 52). Von daher ist LSG Bayern zuzustimmen, dass ein MKG-Chirurg mit Anerkennung als - ärztlicher - Belegarzt, der zugleich als Zahnarzt zugelassen ist, jedoch keine belegzahnärztliche Anerkennung besitzt, mangels Erstreckung seines ambulanten zahnärztlichen Teilnahmestatus in den stationären Sektor zur unmittelbaren zahnärztlichen Leistungserbringung nicht befugt ist (vgl. LSG Bayern v. 05.03.2008 L 12 KA 5008/06 - juris Rn. 33 - Breith 2008, 457).

Soweit das SGB V keine zwingenden Vorgaben für eine vertragszahnärztliche Tätigkeit macht, könnte sich die Befugnis der Bundesmantelvertragsparteien ergeben, hierüber selbst zu entscheiden, d. h. ein vertragszahnärztliche Belegarztwesen vorzusehen oder eben nicht vorzusehen und demzufolge auf ein Anerkennungsverfahren zu verzichten. Der Gesetzgeber des § 121 SGB V geht jedenfalls mit seiner Definition des Belegarztes vom Modell des vertragsärztlichen Anerkennungsverfahren aus, wenn er ausdrücklich auf die Berechtigung zur Belegarzttätigkeit abstellt. Das Bundessozialgericht geht auch bei MKG-Chirurgen, die gleichzeitig über eine vertragszahn- und vertragsärztliche Zulassung verfügen, davon aus, dass diese nur einen Versorgungsauftrag haben, allerdings mit der Besonderheit, dass sie infolge der Mitgliedschaft in der KV und KZV über zwei - freilich inhaltlich verbundene - Zulassungen verfügen (vgl. BSG v. 09.02.2011 - B 6 KA 44/10 B - juris Rn. 11). Die Zulassung für beide Versorgungsgebiete folgt aus dem Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), der sich auf jede berufliche Betätigung erstreckt, auch auf die Betätigung in einem zweiten Beruf (vgl. BSG v. 17.11.1999 - B 6 KA 15/99 R - juris Rn. 19 - BSGE 85, 145 = SozR 3-5525 § 20 Nr. 1). Ein MKG-Chirurg, der aber über keine zahnärztliche Approbation verfügt, darf im Rahmen seines Fachgebietes bereits berufsrechtlich keine zahnärztlichen Leistungen erbringen (vgl. BVerwG v. 25.08.2010 - 3 B 31/10 - juris Rn. 5; die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat BVerfG v. 26.10.2010 - 1 BvR 2528/10 - nicht zur Entscheidung angenommen). Aus der vertragsärztlichen Zulassung als MKG-Chirurg folgt daher nicht zwingend ein Anspruch auf belegzahnärztliche Anerkennung. Die sog. Doppelzulassung als MKG-Chirurg und Zahnarzt folgt allein aus dem Umstand einer doppelten Approbation. Soweit man eine belegärztliche Tätigkeit auch zum Berufsbild des MKG-Chirurgen rechnet - so gab es im Jahr 2009 allerdings nur 212 Genehmigungen als Belegarzt (vgl. KBV, Grunddaten 2010 zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland, Tab, I.22, www.kbv.de) bei über 1.000 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende MKG-Chirurgen (für 2008: 1.087, vgl. KBV, Grunddaten 2009 zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland) -, so genügt der verfassungsrechtlichen Gewährleistung jedenfalls die Möglichkeit, eine vertragsarztrechtliche Anerkennung als Belegarzt zu erhalten. Soweit die zahnärztliche Tätigkeit betroffen ist, ist der MKG-Chirurg nicht weiter geschützt als die übrigen Zahnärzte. Zum zahnärztlichen Berufsbild gehört aber gerade nicht die stationäre bzw. belegärztliche Tätigkeit. Mit der Anerkennung als Belegarzt für den vertragsärztlichen Bereich hat der MKG-Chirurg für fast alle Behandlungsfälle die Möglichkeit, diese im Rahmen der vertragsrechtlichen Versorgung abzurechnen. Insofern hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, strittig sei nicht die belegärztliche Tätigkeit, sondern das im ambulanten Bereich bestehende Abrechnungswahlrecht. Die in der mündlichen Verhandlung erörterten verbliebenen Behandlungsfälle, in denen ausschließlich zahnärztliche Leistungen stationär erbracht werden müssen, dürften zahlenmäßig in äußerst geringem Umfang anfallen. Eine Versorgungslücke für die Versicherten besteht aber insofern nicht, als eine Behandlung in zahnärztlichen Universitätskliniken möglich ist.

Soweit auf Probleme bei der Weiterbildung von Oralchirurgen verwiesen wurde, müssen diese, soweit sie tatsächlich bestehen sollten, weiterbildungsrechtlich oder ggf. über entsprechende Ermächtigungen gelöst werden.

Von daher ist bereits zweifelhaft, ob ein Anspruch auf Anerkennung als zahnärztlicher Belegarzt besteht. Jedenfalls folgt aber aus einem fehlenden Anerkennungsverfahren nicht, dass eine stationäre Tätigkeit als Zahnarzt zulässig ist. Auch im ambulanten Bereich folgt die Zulässigkeit einer Abrechnung zahnärztlicher Leistungen eines MKG-Chirurgen ausschließlich aus seinem vertragszahnärztlichen Zulassungsstatus. Die Erbringung stationärer zahnärztlicher Leistungen bedarf daher der vorherigen Anerkennung als Belegarzt.

Aus der Vergütungsfähigkeit bestimmter, nach dem Vorbringen der Klägerseite nur stationär erbringbarer Leistungen kann nicht auf die Zulässigkeit der stationären Leistungserbringung Rückschluss gezogen werden. Dies steht nicht in der Kompetenz des Bewertungsausschusses. Auch ersetzt dies nicht die notwendige Berechtigung. Gleichfalls bezieht sich eine evtl. erteilte Genehmigung der Krankenkasse nicht auf die stationäre Leistungserbringung. Von daher kann hieraus kein Vertrauensschutz folgen. Zudem hat die Beklagte ihre veränderte Abrechnungsprüfung nach der Entscheidung des LSG Bayern angekündigt und eine Übergangsfrist eingeräumt.

Nach allem waren die Klagen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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