Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 SF 49/10 E
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Im Falle der Vertretung mehrerer Kläger bezieht sich die Deckelung der durch Nr. 1008 VV RVG angeordneten Gebührenerhöhung auf den Betrag ihrer „Erhöhung“ selbst, nicht aber auf den Gesamtbetrag der (festzusetzenden) Gebühr bzw. den Höchstbetrag des Gebührensrahmens.
2. Handelt es sich um Betragsrahmengebühren, so sind nur „die Erhöhungen“ gemäß Nr. 1008 VV RVG auf das Doppelte des Mindest- und Höchstbetrags, die Gesamthöchstgebühr somit auf das Dreifache der „normalen“ Höchstgebühr beschränkt (entgegen LSG NW, Beschl. v. 28.5.2008 – L 20 B 7/08 AS –).
2. Handelt es sich um Betragsrahmengebühren, so sind nur „die Erhöhungen“ gemäß Nr. 1008 VV RVG auf das Doppelte des Mindest- und Höchstbetrags, die Gesamthöchstgebühr somit auf das Dreifache der „normalen“ Höchstgebühr beschränkt (entgegen LSG NW, Beschl. v. 28.5.2008 – L 20 B 7/08 AS –).
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des SG Fulda vom 18. August 2010 für das Verfahren S 7 AY 13/07 abgeändert und die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf insgesamt 2.185,38 EUR festgesetzt.
Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen der vor dem SG Fulda geführten Verfahrens S 7 AY 13/07 und S 7 AY 7/09 aus der Staatskasse zu gewährenden Verfahrensgebühr.
Der Erinnerungsführer vertrat in den vorbezeichneten Verfahren jeweils sieben Kläger. Nachdem in beiden Verfahren am 18. März 2010 ein Erörterungstermin vor dem SG Fulda bei Teilnahme des Erinnerungsführers stattgefunden hatte, wurden diese Verfahren mit Beschluss des Kammervorsitzenden vom selben Tag verbunden unter Führung des Verfahrens S 7 AY 13/07. Am selben Tag war (zuvor) den Klägern im Verfahren S 7 AY 7/09 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Erinnerungsführers durch den Kammervorsitzenden gewährt worden.
Das (verbundene) Verfahren fand sodann seine Erledigung durch schriftlichen Vergleich, der durch Beschluss des SG Fulda vom 29. Juli 2010 festgestellt wurde. Mit Beschluss vom selben Tag wurde den Klägern mit Wirkung ab dem 11. September 2007 auch im Verfahren S 7 AY 13/07 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Erinnerungsführers gewährt.
In der Folge beantragte der Bevollmächtigte, seine Vergütung wie folgt festzusetzen:
(zweifache) Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG (á 504 EUR) 1.008,00 EUR
(zweifache) Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG (á 200 EUR) 400,00 EUR
Erledigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG 250,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 40,00 EUR
Dokumentenpauschale, Nr. 7000 VV RVG 42,25 EUR
Reisekosten, Nr. 7003 VV RVG 61,20 EUR
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG 35,00 EUR
Zwischensumme 1.836,45 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 348,93 EUR
2.185,38 EUR
Demgegenüber setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 18. August 2010 die Vergütung wie folgt fest:
(zweifache) Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG (á 504 EUR) 760,00 EUR
(zweifache) Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG (á 200 EUR) 400,00 EUR
Erledigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG 250,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 40,00 EUR
Dokumentenpauschale, Nr. 7000 VV RVG 42,25 EUR
Reisekosten, Nr. 7003 VV RVG 61,20 EUR
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG 35,00 EUR
Zwischensumme 1.588,45 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 301,81 EUR
1.890,26 EUR
Zu Begründung der – gegenüber dem Antrag allein abweichenden – niedrigeren Festsetzung der Verfahrensgebühr führte der Urkundsbeamte aus, dass deren Höhe in Hinblick auf Nr. 3 der Anmerkung zu Nr. 1008 VV RVG auf das Doppelte des Höchstbetrages zu beschränken sei. Es sei dabei eine leicht überdurchschnittliche Gebühr angemessen, so dass 380 EUR je Verfahren anzusetzen seien.
Hiergegen hat der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 23. August 2010, am selben Tag bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen, Erinnerung eingelegt und verweist darauf, dass entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten nicht die Gesamtgebühr auf das Doppelte der Höchstgebühr beschränkt sei, sondern die durch die Mehrvertretung ausgelöste Erhöhung. Daher sei die Gesamtgebühr auf das Dreifache der Höchstgebühr beschränkt. Dieser Betrag werde durch die beantragte Festsetzung nicht überschritten. Zwar sei zuzugeben, dass in dem Antrag aufgrund eines Versehens von einer fehlerhaften Mindestgebühr ausgegangen worden sei. Dadurch ergebe sich eine moderate Überschreitung der Mittelgebühr, was in dem angefochtenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss aber als solches ohnehin zugestanden worden sei.
Der Vertreter der Staatskasse hat in seiner Stellungnahme vom 16. Dezember 2011 den Mehrvertretungszuschlag im Grundsatz entsprechend dem Antrag des Erinnerungsführers bestätigt, allerdings eine Verfahrensgebühr in Höhe von 896 EUR ermittelt (wohl auf der Basis der fehlerhaften Auffassung, dass Nr. 1008 VV RVG einen Aufschlag auf die Verfahrensgebühr statt der Verschiebung des Gebührenrahmens zur Folge habe).
In seiner abschließenden Stellungnahme vom 21. Januar 2012 sieht sich der Erinnerungsführer somit bestätigt, geht aber davon aus, dass der Vertreter der Staatskasse übersehen habe, dass vorliegend zwei Verfahren geführt worden seien.
II.
Die zulässige Erinnerung ist begründet. Der Erinnerungsführer hat Anspruch auf die beantragte Vergütung, die, wie der Erinnerungsführer im Einzelnen mit zuletzt zutreffender Berechnung dargelegt hat, die in Nr. 1008 VV RVG festgesetzte Höchstvergütung weder überschreitet noch sich vor deren Hintergrund der Höhe nach als unbillig erweist.
Gem. § 3 Abs. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das GKG nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des SGG genannten Personen gehört. Da der Erinnerungsführer zu dem Kreis der Personen nach § 183 SGG zählt und das GKG somit nicht anwendbar ist, entstehen vorliegend Betragsrahmengebühren.
Gem. § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt seine gesetzliche Vergütung, die er sonst von seinem Mandanten verlangen könnte, aus der Staatskasse, soweit im 8. Abschnitt des RVG (§§ 44 bis 59) nichts anderes bestimmt ist. Er kann dabei nach § 48 Abs. 1 RVG sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab dem Wirksamwerden seiner Beiordnung ergeben. Die von ihm danach aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung und der Vorschuss darauf wird auf Antrag des Rechtsanwalts grundsätzlich (vgl. aber § 55 Abs. 2 RVG) vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges festgesetzt, § 55 Abs. 1 S. 1 RVG.
Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet. Dabei ist für jede Rahmengebühr eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich.
Hier allein streitig ist die Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG, die aufgrund zweier zu vergütender Verfahren doppelt festzusetzen ist.
Entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten wird durch die Anmerkung Nr. 3 zu Nr. 1008 VV RVG nicht der Gesamtbetrag der Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG auf das Doppelte der Höchstgebühr beschränkt, sondern nur der sich aus der Mehrvertretung ergebende Erhöhungsbetrag der jeweiligen Rahmengebühren. Zur Bestimmung der angemessenen Verfahrensgebühr (je Verfahren) darf als Höchstgebühr damit maximal das Dreifache des Höchstsatzes nach Nr. 3103 VV RVG, hier also 960 EUR, nicht etwa nur das Doppelte herangezogen.
Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Anmerkung Nr. 3 zu Nr. 1008 VV RVG. Reduziert man den verschachtelten Satz auf die hier relevante Frage der Betragsrahmengebühr, so lautet er: "( ) die Erhöhungen" dürfen "bei Betragsrahmengebühren das Doppelte des Mindest- und Höchstbetrags nicht übersteigen". Daraus wird deutlich, dass sich die Deckelung auf die Erhöhung als solche bezieht, nicht aber auf den Endbetrag unter Einschluss der (Grund )Verfahrensgebühr selbst. Dies wird bestätigt durch die Vorbemerkung 1, die Nr. 1000 VV RVG voransteht: "Die Gebühren dieses Teils entstehen neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren." Daher folgt auch aus systematischer Auslegung, dass die folgenden Vorschriften und Regelungen sich eben nur auf die (zusätzlichen) Gebühren "dieses Teils" beziehen, die neben denen der "anderen Teile" entstehen. Es handelt sich somit um separate Regelungen nur mit Bezug auf diese selbst.
Letztlich wird dieses Ergebnis auch durch die gesetzgeberischen Motive belegt, denn in der Entwurfsbegründung zu Nr. 1008 VV RVG (BT-Drs. 15/1971, S. 205) wird ausgeführt: "Mehrere Erhöhungen dürfen nach Absatz 3 der Anmerkung aber höchstens zu einer Erhöhung um 2,0 führen. Bei Festgebühren soll sich diese und bei Rahmengebühren der Mindest- und der Höchstbetrag um 30 % erhöhen. Der Erhöhungsbetrag soll jedoch das Doppelte der Festgebühr bzw. des Mindest- und des Höchstbetrages nicht übersteigen" (Hervor. nicht im Original). Bewirkt werden soll also nicht eine Erhöhung "auf", sondern "um" 2,0 bzw. 30 %, und die Deckelung bezieht sich auf den "Erhöhungsbetrag", nicht den Gesamtbetrag (zutreffend daher AG Offenbach, Beschl. v. 8.12.2004 – 61 M 10544/04 –, juris Rn. 14 f., das bei einer Festgebühr von 0,3 zu einer Maximalgebühr von 0,9 gelangt).
Zutreffend weist der Urkundsbeamte allerdings darauf hin, dass das LSG NW (Beschl. v. 25.5.2008 – L 20 B 7/08 AS – juris) eine Auslegung in dem von ihm vertretenen Sinne vorgenommen hat. Dem kann jedoch aus den vorbezeichneten Gründen nicht gefolgt werden. Zudem ist die Argumentation des LSG NW in sich nicht schlüssig. Es lässt nämlich bei seiner Wortlautauslegung das Subjekt des heranzuziehenden Satzes unberücksichtigt, wenn es ausführt, dass "die amtliche Begründung zu Nr. 1008 VV unter III HS. 2 Fall 2 eine Deckelung dahingehend vorsieht, dass bei Betragsrahmengebühren das Doppelte des Mindest- und Höchstbetrages nicht überstiegen werden" dürfe (ebd., Rn. 15). Insofern fehlt dem Multiplikator ("das Doppelte") der Ausgangswert, der eben – wie dargelegt – nicht die (Gesamt )Verfahrensgebühr ist, sondern nur die durch Nr. 1008 VV RVG ausgelöste Erhöhung. Hierzu äußert sich das LSG NW in der zitierten Entscheidung aber nicht, so dass der "klare[n] Wortlaut", den das Gericht (ebd., Rn. 17) unterstellt, in seinem Sinne keineswegs eindeutig ist.
Insofern kann die seitens des LSG NW zitierte Entscheidung des LG Frankfurt (NJW 2004, S. 3642) sehr wohl für das Gegenteil seiner Auffassung herangezogen werden, wenn es das LG – ausführt, dass die "Erteilung des Auftrags durch deutlich mehr als sieben Gläubiger zur Erhöhung der Gebühr aus Nr. 3309 VV RVG um 2,0 Gebühren" führe (Hervorh. nicht im Original).
Hingegen bestätigt die seitens des LSG herangezogene Kommentierung von Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, Nr. 1008 VV Rn. 14, die Begrenzung auf das Doppelte der Höchstgebühr insgesamt gerade nicht, da auch hier ausgeführt, dass "Mehrere Erhöhungen ( ) insgesamt das Doppelte des einzelnen Mindest- und Höchstbetrags nicht übersteigen" dürften.
Nach alledem ist – da die Festsetzung der jeweiligen Verfahrensgebühr nach der zutreffenden Einschätzung auch des Urkundsbeamten knapp oberhalb der Mittelgebühr nicht unbillig ist – die Verfahrensgebühr für die beiden verbundenen Verfahren nach entsprechender Erhöhung der Rahmengebühren (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. 2010, VV 1008 Rn. 242; hier: 56 EUR bis 896 EUR) antragsgemäß auf jeweils 504 EUR, insgesamt also auf 1.008 EUR festzusetzen. Weitere Vergütungsbestandteile sind nicht streitig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 RVG.
Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen der vor dem SG Fulda geführten Verfahrens S 7 AY 13/07 und S 7 AY 7/09 aus der Staatskasse zu gewährenden Verfahrensgebühr.
Der Erinnerungsführer vertrat in den vorbezeichneten Verfahren jeweils sieben Kläger. Nachdem in beiden Verfahren am 18. März 2010 ein Erörterungstermin vor dem SG Fulda bei Teilnahme des Erinnerungsführers stattgefunden hatte, wurden diese Verfahren mit Beschluss des Kammervorsitzenden vom selben Tag verbunden unter Führung des Verfahrens S 7 AY 13/07. Am selben Tag war (zuvor) den Klägern im Verfahren S 7 AY 7/09 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Erinnerungsführers durch den Kammervorsitzenden gewährt worden.
Das (verbundene) Verfahren fand sodann seine Erledigung durch schriftlichen Vergleich, der durch Beschluss des SG Fulda vom 29. Juli 2010 festgestellt wurde. Mit Beschluss vom selben Tag wurde den Klägern mit Wirkung ab dem 11. September 2007 auch im Verfahren S 7 AY 13/07 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Erinnerungsführers gewährt.
In der Folge beantragte der Bevollmächtigte, seine Vergütung wie folgt festzusetzen:
(zweifache) Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG (á 504 EUR) 1.008,00 EUR
(zweifache) Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG (á 200 EUR) 400,00 EUR
Erledigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG 250,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 40,00 EUR
Dokumentenpauschale, Nr. 7000 VV RVG 42,25 EUR
Reisekosten, Nr. 7003 VV RVG 61,20 EUR
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG 35,00 EUR
Zwischensumme 1.836,45 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 348,93 EUR
2.185,38 EUR
Demgegenüber setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 18. August 2010 die Vergütung wie folgt fest:
(zweifache) Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG (á 504 EUR) 760,00 EUR
(zweifache) Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG (á 200 EUR) 400,00 EUR
Erledigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG 250,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 40,00 EUR
Dokumentenpauschale, Nr. 7000 VV RVG 42,25 EUR
Reisekosten, Nr. 7003 VV RVG 61,20 EUR
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG 35,00 EUR
Zwischensumme 1.588,45 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 301,81 EUR
1.890,26 EUR
Zu Begründung der – gegenüber dem Antrag allein abweichenden – niedrigeren Festsetzung der Verfahrensgebühr führte der Urkundsbeamte aus, dass deren Höhe in Hinblick auf Nr. 3 der Anmerkung zu Nr. 1008 VV RVG auf das Doppelte des Höchstbetrages zu beschränken sei. Es sei dabei eine leicht überdurchschnittliche Gebühr angemessen, so dass 380 EUR je Verfahren anzusetzen seien.
Hiergegen hat der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 23. August 2010, am selben Tag bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen, Erinnerung eingelegt und verweist darauf, dass entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten nicht die Gesamtgebühr auf das Doppelte der Höchstgebühr beschränkt sei, sondern die durch die Mehrvertretung ausgelöste Erhöhung. Daher sei die Gesamtgebühr auf das Dreifache der Höchstgebühr beschränkt. Dieser Betrag werde durch die beantragte Festsetzung nicht überschritten. Zwar sei zuzugeben, dass in dem Antrag aufgrund eines Versehens von einer fehlerhaften Mindestgebühr ausgegangen worden sei. Dadurch ergebe sich eine moderate Überschreitung der Mittelgebühr, was in dem angefochtenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss aber als solches ohnehin zugestanden worden sei.
Der Vertreter der Staatskasse hat in seiner Stellungnahme vom 16. Dezember 2011 den Mehrvertretungszuschlag im Grundsatz entsprechend dem Antrag des Erinnerungsführers bestätigt, allerdings eine Verfahrensgebühr in Höhe von 896 EUR ermittelt (wohl auf der Basis der fehlerhaften Auffassung, dass Nr. 1008 VV RVG einen Aufschlag auf die Verfahrensgebühr statt der Verschiebung des Gebührenrahmens zur Folge habe).
In seiner abschließenden Stellungnahme vom 21. Januar 2012 sieht sich der Erinnerungsführer somit bestätigt, geht aber davon aus, dass der Vertreter der Staatskasse übersehen habe, dass vorliegend zwei Verfahren geführt worden seien.
II.
Die zulässige Erinnerung ist begründet. Der Erinnerungsführer hat Anspruch auf die beantragte Vergütung, die, wie der Erinnerungsführer im Einzelnen mit zuletzt zutreffender Berechnung dargelegt hat, die in Nr. 1008 VV RVG festgesetzte Höchstvergütung weder überschreitet noch sich vor deren Hintergrund der Höhe nach als unbillig erweist.
Gem. § 3 Abs. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das GKG nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des SGG genannten Personen gehört. Da der Erinnerungsführer zu dem Kreis der Personen nach § 183 SGG zählt und das GKG somit nicht anwendbar ist, entstehen vorliegend Betragsrahmengebühren.
Gem. § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt seine gesetzliche Vergütung, die er sonst von seinem Mandanten verlangen könnte, aus der Staatskasse, soweit im 8. Abschnitt des RVG (§§ 44 bis 59) nichts anderes bestimmt ist. Er kann dabei nach § 48 Abs. 1 RVG sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab dem Wirksamwerden seiner Beiordnung ergeben. Die von ihm danach aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung und der Vorschuss darauf wird auf Antrag des Rechtsanwalts grundsätzlich (vgl. aber § 55 Abs. 2 RVG) vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges festgesetzt, § 55 Abs. 1 S. 1 RVG.
Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet. Dabei ist für jede Rahmengebühr eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich.
Hier allein streitig ist die Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG, die aufgrund zweier zu vergütender Verfahren doppelt festzusetzen ist.
Entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten wird durch die Anmerkung Nr. 3 zu Nr. 1008 VV RVG nicht der Gesamtbetrag der Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG auf das Doppelte der Höchstgebühr beschränkt, sondern nur der sich aus der Mehrvertretung ergebende Erhöhungsbetrag der jeweiligen Rahmengebühren. Zur Bestimmung der angemessenen Verfahrensgebühr (je Verfahren) darf als Höchstgebühr damit maximal das Dreifache des Höchstsatzes nach Nr. 3103 VV RVG, hier also 960 EUR, nicht etwa nur das Doppelte herangezogen.
Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Anmerkung Nr. 3 zu Nr. 1008 VV RVG. Reduziert man den verschachtelten Satz auf die hier relevante Frage der Betragsrahmengebühr, so lautet er: "( ) die Erhöhungen" dürfen "bei Betragsrahmengebühren das Doppelte des Mindest- und Höchstbetrags nicht übersteigen". Daraus wird deutlich, dass sich die Deckelung auf die Erhöhung als solche bezieht, nicht aber auf den Endbetrag unter Einschluss der (Grund )Verfahrensgebühr selbst. Dies wird bestätigt durch die Vorbemerkung 1, die Nr. 1000 VV RVG voransteht: "Die Gebühren dieses Teils entstehen neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren." Daher folgt auch aus systematischer Auslegung, dass die folgenden Vorschriften und Regelungen sich eben nur auf die (zusätzlichen) Gebühren "dieses Teils" beziehen, die neben denen der "anderen Teile" entstehen. Es handelt sich somit um separate Regelungen nur mit Bezug auf diese selbst.
Letztlich wird dieses Ergebnis auch durch die gesetzgeberischen Motive belegt, denn in der Entwurfsbegründung zu Nr. 1008 VV RVG (BT-Drs. 15/1971, S. 205) wird ausgeführt: "Mehrere Erhöhungen dürfen nach Absatz 3 der Anmerkung aber höchstens zu einer Erhöhung um 2,0 führen. Bei Festgebühren soll sich diese und bei Rahmengebühren der Mindest- und der Höchstbetrag um 30 % erhöhen. Der Erhöhungsbetrag soll jedoch das Doppelte der Festgebühr bzw. des Mindest- und des Höchstbetrages nicht übersteigen" (Hervor. nicht im Original). Bewirkt werden soll also nicht eine Erhöhung "auf", sondern "um" 2,0 bzw. 30 %, und die Deckelung bezieht sich auf den "Erhöhungsbetrag", nicht den Gesamtbetrag (zutreffend daher AG Offenbach, Beschl. v. 8.12.2004 – 61 M 10544/04 –, juris Rn. 14 f., das bei einer Festgebühr von 0,3 zu einer Maximalgebühr von 0,9 gelangt).
Zutreffend weist der Urkundsbeamte allerdings darauf hin, dass das LSG NW (Beschl. v. 25.5.2008 – L 20 B 7/08 AS – juris) eine Auslegung in dem von ihm vertretenen Sinne vorgenommen hat. Dem kann jedoch aus den vorbezeichneten Gründen nicht gefolgt werden. Zudem ist die Argumentation des LSG NW in sich nicht schlüssig. Es lässt nämlich bei seiner Wortlautauslegung das Subjekt des heranzuziehenden Satzes unberücksichtigt, wenn es ausführt, dass "die amtliche Begründung zu Nr. 1008 VV unter III HS. 2 Fall 2 eine Deckelung dahingehend vorsieht, dass bei Betragsrahmengebühren das Doppelte des Mindest- und Höchstbetrages nicht überstiegen werden" dürfe (ebd., Rn. 15). Insofern fehlt dem Multiplikator ("das Doppelte") der Ausgangswert, der eben – wie dargelegt – nicht die (Gesamt )Verfahrensgebühr ist, sondern nur die durch Nr. 1008 VV RVG ausgelöste Erhöhung. Hierzu äußert sich das LSG NW in der zitierten Entscheidung aber nicht, so dass der "klare[n] Wortlaut", den das Gericht (ebd., Rn. 17) unterstellt, in seinem Sinne keineswegs eindeutig ist.
Insofern kann die seitens des LSG NW zitierte Entscheidung des LG Frankfurt (NJW 2004, S. 3642) sehr wohl für das Gegenteil seiner Auffassung herangezogen werden, wenn es das LG – ausführt, dass die "Erteilung des Auftrags durch deutlich mehr als sieben Gläubiger zur Erhöhung der Gebühr aus Nr. 3309 VV RVG um 2,0 Gebühren" führe (Hervorh. nicht im Original).
Hingegen bestätigt die seitens des LSG herangezogene Kommentierung von Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, Nr. 1008 VV Rn. 14, die Begrenzung auf das Doppelte der Höchstgebühr insgesamt gerade nicht, da auch hier ausgeführt, dass "Mehrere Erhöhungen ( ) insgesamt das Doppelte des einzelnen Mindest- und Höchstbetrags nicht übersteigen" dürften.
Nach alledem ist – da die Festsetzung der jeweiligen Verfahrensgebühr nach der zutreffenden Einschätzung auch des Urkundsbeamten knapp oberhalb der Mittelgebühr nicht unbillig ist – die Verfahrensgebühr für die beiden verbundenen Verfahren nach entsprechender Erhöhung der Rahmengebühren (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. 2010, VV 1008 Rn. 242; hier: 56 EUR bis 896 EUR) antragsgemäß auf jeweils 504 EUR, insgesamt also auf 1.008 EUR festzusetzen. Weitere Vergütungsbestandteile sind nicht streitig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 RVG.
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