L 17 R 247/11 WA

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 16 R 675/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 R 247/11 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 17 R 329/10 durch die Rücknahme der Klage am 13. Januar 2011 erledigt ist. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Fortsetzung des Berufungsverfahrens nach Rücknahme der Klage.

Der 1938 geborene Kläger wandte sich ursprünglich mit seiner Klage bei dem Sozialgericht P gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2009, mit dem seine Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 01. Oktober 2009 neu festgestellt worden war. Die Neufeststellung war erforderlich geworden, weil der Zusatzversorgungsträger am 10. Juni 2009 bestandskräftig festgestellt hatte, dass der Feststellungsbescheid vom 22. März 2002 fehlerhaft war, aber nicht zurückgenommen werden könne. Eine Änderung des Rentenzahlbetrags von 1.581,72 Euro ergab sich durch die Neuberechnung der Altersrente nicht. Die Beklagte entschied, dass die sich aus den rechtswidrig anerkannten Zeiten ergebende höhere Rente solange unverändert gezahlt wird, bis die aus den rechtmäßigen Zeiten/Arbeitsverdiensten berechnete niedrigere Rente (aus 53,8666 statt 64,5048 Entgeltpunkten) infolge von Rentenanpassungen diesen Betrag erreicht. Die wegen der Kürzung der Entgeltpunkte am 16. November 2009 bei dem Sozialgericht P erhobene Klage hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 24. März 2010 abgewiesen. Die Beklagte sei berechtigt und nach § 48 Abs. 3 i. V. m. § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch sogar verpflichtet gewesen, bei zukünftigen Erhöhungen der Rentenleistung ein Abschmelzen der an sich zu gewährenden Erhöhung bis zur Höhe des Bestandschutzes vorzunehmen.

Gegen den am 31. März 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. April 2010 Berufung eingelegt, die unter dem Aktenzeichen L 17 R 329/10 geführt worden ist. Mit Schriftsatz vom 08. Januar 2011, eingegangen bei Gericht am 13. Januar 2011, hat er erklärt: "Ich ziehe hiermit meine Klage gegen die Deutsche Rentenversicherung zurück." Am 07. Februar 2001 hat er mitgeteilt, er wolle die Rücknahmeerklärung bis zur weiteren Klärung des Sachverhalts zurückziehen und die Klage aufrechterhalten. Eine eventuelle erneute Rücknahme werde er zu gegebener Zeit beantragen.

Der Kläger beantragt,

das Berufungsverfahren L 17 R 329/10 fortzusetzen und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts P vom 24. März 2010 und den Bescheid vom 20. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 17 R 329/10 durch Rücknahme der Klage am 13. Januar 2011 erledigt ist, hilfsweise die Berufung zuzulassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 17 R 329/10 und damit auch nicht auf Aufhebung des Gerichtsbescheids und der angefochtenen Bescheide der Beklagten. Mit seiner Erklärung vom 13. Januar 2011 hat er ausdrücklich seine Klage zurückgenommen, was auch im Berufungsverfahren noch möglich ist, wenn - wie hier - die am 20. April 2010 eingelegte Berufung das statthafte Rechtsmittel ist (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 102 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG); vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. A. 2008, § 102 RdNr. 6a m. w. N.). Durch die Rücknahme wird der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (vgl. § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG), d. h. die durch die Erhebung der Klage bewirkte Rechtshängigkeit der Streitsache (§ 94 SGG) endet, eine bereits ergangene rechtskräftige Entscheidung wie hier der erstinstanzliche Gerichtsbescheid wird wirkungslos, die angefochtenen Bescheide werden für die Beteiligten bindend (§ 77 SGG).

Der am 07. Februar 2011 erklärte Widerruf der Rücknahmeerklärung greift nicht durch. Es sind keine Gründe für eine Unwirksamkeit der Klagerücknahmeerklärung ersichtlich.

Die Klagerücknahme ist eine Prozesshandlung (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 102 RdNr. 2). Sie setzt die Verfügungsbefugnis des Erklärenden über den Streitgegenstand - was hier gegeben ist - sowie dessen Prozess- und Beteiligtenfähigkeit - die ebenfalls gegeben sind - und einen entsprechenden Handlungswillen bzw. ein Erklärungsbewusstsein des Betreffenden voraus (Keller in Meyer-Lade-wig/Keller/Leitherer, a. a. O., Vor § 60 RdNrn. 11, 11a; Krasney/Udsching, Handbuch des Sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl. 2008, Abschn. VII RdNr. 187). Da die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Willenserklärungen nach h. M. auf Prozesshandlungen nicht anwendbar sind, können sie auch nicht mit einer entsprechenden Begründung angefochten werden (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 20. Dezember 1995 - 6 RKa 18/95 - und Beschluss vom 04. November 2009 - B 14 AS 81/08 B -, jeweils zitiert nach juris; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in NVwZ-RR 1999, 407, 408; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leithe-rer, a. a. O., Vor § 60 RdNr. 12). Vorliegend ist die Rücknahme mit Schreiben von 08. Januar 2011, eingegangen bei Gericht am 13. Januar 2011, erklärt worden. Mit Schreiben vom 02. März 2011 hat der Kläger seine Gründe dafür näher erläutert. Danach sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass es an einem entsprechenden Handlungswillen bzw. einem Erklärungsbewusstsein des Klägers fehlte.

Prozesshandlungen - wie die Rücknahme einer Klage - können nur unter engen Voraussetzungen, z. B. beim Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne von § 179 SGG, §§ 578 ff Zivilprozessordnung, widerrufen werden oder dann, wenn aus dem Grundsatz von Treu und Glauben sich ein Festhalten an der Prozesshandlung verbietet (vgl. Bundesgerichtshof in BGHZ 33, 73; BVerwG in NVwZ 1997, 1210, 1211; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Vor § 60 Rdnr. 12a). Derartige Wiederaufnahmegründe hat der Kläger indes nicht geltend gemacht. Sein jetziges Vorbringen, in seinem Versicherungsverlauf seien die Werte entsprechend dem Bescheid des Zusatzversorgungsträgers aus dem Jahr 2002 trotz der Mitteilung des Zusatzversorgungsträgers vom 21. Dezember 2010 und telefonischer Rücksprache nicht enthalten, dieser Widerspruch müsse jedoch noch aufgeklärt werden, reicht hierfür nicht aus. Welche Auskünfte der Zusatzversorgungsträger dem Kläger schriftlich oder telefonisch gegeben haben soll, sind weder der Beklagten noch dem Gericht bekannt. Der Kläger hat vielmehr aus eigenem Antrieb und ohne Beeinflussung durch das Gericht seine Entscheidung, die Klage zurückzunehmen, getroffen. Dass der Kläger die Folgen seines prozessualen Verhaltens nicht berücksichtigt hat, weil sie ihm womöglich nicht bekannt gewesen sind, ist unerheblich und hat für die Wirksamkeit der Erklärung keine Bedeutung.

Liegen daher keine Gründe für eine Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung vor, war eine Fortsetzung des früheren Berufungsverfahrens mit einer Sachentscheidung über das Berufungsbegehren des Klägers nicht möglich. Die Entscheidung des Senats beschränkt sich dementsprechend darauf prozessual festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 17 R 329/10 durch die Rücknahme der Klage am 13. Januar 2011 erledigt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 102 RdNr. 12) mit der Folge, dass der noch nicht rechtkräftige Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 24. März 2010 unwirksam ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved