S 41 SO 59/12 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
41
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 41 SO 59/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig für die Zeit vom 01.03.2012 bis zum 31.01.2013, längstens jedoch bis zur Entscheidung in der Hauptsache, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1/2.

Gründe:

I.

Die am 26.02.1990 geborene Antragstellerin (AS) begehrt Leistungen nach Kapitel 4 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) in Gestalt des Regelbedarfs sowie der Kosten der Unterkunft.

Die AS erhielt seit längerem Leistungen der Jugendhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) von der Stadt P, zuletzt in Form einer stationären Unterbringung nach §§ 41, 35a Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII in der Einrichtung Haus I auf dem Stadtgebiet der Stadt I. Die AS beabsichtigte, zum 01.02.2012 in eine eigene Wohnung in I zu ziehen und beantragte deshalb am 11.01.2012 telefonisch bei der Antragsgegnerin (AG) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 01.02.2012. Zur Begründung ihres Antrags legte sie zwei Bescheinigungen der Stadt P vom 02.01. und 03.01.2012 über die Beendigung der Jugendhilfeleistungen zum 31.01.2012 sowie über die Unmöglichkeit des Zusammenlebens der AS mit ihrer Familie und die Befürwortung des Umzugs der AS in eine eigene Wohnung durch das Regionalteam Jugendhilfe P-Ost vor. Auf Anforderung der AG übersandte die AS außerdem Kopien der Hilfepläne gem. §§ 36, 37 SGB VIII vom 16.08.2011, 03.05.2011, 10.11.2010, 03.11.2009 sowie ein auf Veranlassung des Amtsgerichts P erstelltes neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. (B) E und eine durch den ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit I erstellte sozialmedizinische Stellungnahme über die AS vom 20.10.2009, in der eine voraussichtlich auf Dauer bestehende volle Erwerbsminderung attestiert wird.

Mit Bescheid vom 25.01.2012 lehnte die AG den Antrag der AS ab. Die AS sei nach den Angaben aus dem Hilfeplan vom 16.08.2011 bei weitem noch nicht in der Lage, unabhängig außerhalb einer Einrichtung zu leben. Sie sei nicht in der Lage, alleine Einkaufen zu gehen, selbstständig über ihr Konto zu verfügen und ein gesundes Essverhalten einzuhalten. Deshalb bestehe weiterhin ein Anspruch auf stationäre Eingliederungshilfe, der den Annexanspruch des § 39 SGB VIII auf Sicherstellung des notwendigen Unterhalts nach sich ziehe, so dass der Lebensunterhalt der AS vorrangig vom Jugendhilfeträger – der Stadt P – sicherzustellen sei. Leistungen der AG als Sozialhilfeträger seien deswegen nachrangig (§ 2 SGB XII), die angekündigte Beendigung der Jugendhilfe durch die Stadt P rechtswidrig.

Mit Widerspruch vom 26.01.2012 teilte die AS mit, zum 01.02.2012 eine Wohnung angemietet zu haben. Ihre gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen bedeuteten nicht, dass sie nicht in einer eigenen Wohnung wohnen und leben könne. Vielmehr seien alle beteiligten Stellen der Auffassung, dass die AS dazu bei ambulanter Betreuung trotz ihrer Beeinträchtigungen in der Lage sei. Sie schlug der AG vor, zunächst Sozialhilfeleistungen zu erbringen und dann eine gerichtliche Klärung über die endgültige Kostenträgerschaft zwischen den beteiligten Behörden herbeizuführen. Sofern seitens der AG keine Kostenübernahme erfolge, werde ein Eilantrag bei Gericht gestellt werden.

Die AG verwies die AS im Hinblick auf den angesprochenen Eilantrag auf § 86c SGB VIII, wonach ihr mit der Stadt P weiterhin ein zuständiger Leistungsträger zur Verfügung stehe, der dann seine Kosten im Rahmen der Erstattung bei der AG refinanzieren könne.

Unter dem 13.02.2012 hat die AS einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Dortmund gestellt.

Zur Begründung trägt sie vor, ihre Entwicklung in der stationären Einrichtung Haus I sei so positiv verlaufen, dass alle Beteiligten im letzten Hilfeplangespräch übereingekommen seien, dass sie nun in einer eigenen Wohnung wohnen und leben könne. Wegen des Lebens in einer eigenen Wohnung ist sie auch der Auffassung, dass ihr Ansprüche nach dem SGB XII und nicht (mehr nur) nach dem SGB VIII zustünden. Trotzdem habe sie sich im Hinblick auf das Verhalten der AG im Widerspruchsverfahren parallel an die Stadt P gewandt und beantragt, von dort die Wohnungs- und Lebenshaltungskosten – wenigstens vorläufig – zu tragen. Ihrer Betreuerin sei bisher nur telefonisch mitgeteilt worden, dass eine Kostenübernahme durch die Stadt P nicht erfolgen könne. Die AS macht neben dem Regelbedarf in Höhe von 374,- Euro pro Monat Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 338,- Euro geltend und erklärt unter Bezugnahme auf eine eidesstattliche Versicherung ihrer Betreuerin, über keinerlei Einnahmen und Vermögen zu verfügen. Ihre ehemalige Einrichtung Haus I habe für Februar 2012 darlehensweise die Kosten für Miete und Strom übernommen sowie ein Taschengeld gezahlt. Weitere Zahlungen für die Zeit ab März 2012 erfolgten durch das Haus I nicht.

Die AS beantragt sinngemäß schriftsätzlich,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII ab Februar 2012 in Höhe von insgesamt 712,- Euro monatlich zu zahlen.

Die AG beantragt schriftsätzlich,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Es bestehe weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund.

Einem Anspruch auf Sozialhilfe stehe der gem. § 10 Abs. 4 SGB VIII vorrangige Anspruch der AS auf Eingliederungshilfe in stationärer Form nach § 35a SGB VIII gegen die Stadt P entgegen. Entgegen der Auffassung der AS und ihrer Betreuerin sei nämlich eine ambulante Hilfe nach den vorliegenden Hilfeplänen und dem Gutachten des Dr. (B) E vom 05.03.2008 nicht die geeignete und notwendige Maßnahme. An einem Anordnungsgrund fehle es, weil nach Ablehnung des Grundsicherungsantrags durch die AG noch während der Zeit des Leistungsbezuges bei der Stadt P letztere gem. § 86c SGB VIII bzw. § 2 Abs. 3 SGB X bis zur Klärung der Zuständigkeitsfrage örtlich und sachlich zuständiger Leistungsträger bleibe.

Auf telefonische Nachfrage des Kammervorsitzenden hat die Stadt P den Sachverhalt im Schreiben vom 02.03.2012 aus ihrer Sicht geschildert: Bereits im Hilfeplangespräch vom 03.05.2011 habe die AS den Wunsch geäußert, in eine ambulante Betreuungsform zu wechseln. Zunächst sei man dem Wunsch nur insoweit nachgekommen, als man die AS in einer Außenwohngruppe und dort in eine eigene Wohnung im Rahmen des "Betreuten Wohnens" untergebracht habe. Im Hilfeplangespräch vom 02.11.2011 habe die AS jedoch ihren Entschluss, die Jugendhilfemaßnahme beenden zu wollen, bekräftigt. Die stationäre Hilfe sollte auf Wunsch der AS bereits zum 30.11.2011 beendet werden, die AS wollte nach X umziehen. Nachdem sich diese Umzugspläne zerschlagen hätten, sei die stationäre Maßnahme zunächst weitergeführt worden. Die AS sei nunmehr bereit gewesen, in Ruhe einen Übergang aus der stationären Jugendhilfe zu suchen, insbesondere weiterhin Hilfe in ambulanter Form über Fachleistungsstunden anzunehmen. Zum 01.02.2012 sei die Hilfeform in eine ambulante Betreuung gem. §§ 41, 35a Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII umgewandelt worden. Aufgrund der Fortschritte der AS sei diese Betreuungsform von allen Fachkräften und der Betreuerin mitgetragen worden, zumal sie dem Wunsch der AS entsprochen und eine weitere positive Zusammenarbeit der AS mit der Jugendhilfe gewährleistet habe. Für die Jugendhilfemaßnahme halte sich die Stadt P auch weiterhin gem. §§ 86a Abs. 4, 35a Abs. 1 SGB VIII für örtlich zuständig und trage auch die Kosten der ambulanten Maßnahme. Dem Schreiben der Stadt P lagen Kopien der Hilfepläne gem. §§ 36, 37 SGB VIII vom 08.06.2010, 10.11.2010, 03.05.2011, 16.08.2011, 02.11.2011 an.

Mit einem von der AS zu den Gerichtsakten gereichten Schreiben vom 29.02.2012 hat die Stadt P der AS mitgeteilt, ihr – der AS – würde Hilfe gem. § 35a SGB V in ambulanter Form gewährt, bei der der Lebensunterhalt nicht durch das Jugendamt sichergestellt werde. § 86c SGB VIII sei nicht einschlägig, weil er den Wechsel der örtlichen Zuständigkeit betreffe, hier jedoch die sachliche Zuständigkeit streitig sei. Beim Antrag der AS auf SGB XII-Leistungen handele es sich um einen Neuantrag, bei dem die Stadt I als zuerst angegangener Träger gem. § 43 SGB I die beantragte Leistung jedenfalls vorläufig zu erbringen habe.

Im Hinblick auf die Ausführungen der Stadt P wiederholt und vertieft die AG ihren bisherigen Vortrag. Ergänzend führt sie aus, dass die AS wegen der nach § 86c SGB VIII bzw. § 2 Abs. 3 SGB X fortbestehenden Leistungspflicht der Stadt P und aufgrund des Erlasses des Ablehnungsbescheids vor Auslaufen der Jugendhilfeleistung durch ein einstweiliges Anordnungsverfahren gegen die Stadt P rechtzeitig Mittel hätte einfordern können, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Deshalb hätten der AS bereite Mittel zur Bedarfszeit zur Verfügung gestanden.

Übereinstimmend haben die Beteiligten – die AS bereits mit der Antragsschrift vom 10.02.2012, die AG mit Schriftsatz vom 06.03.2012 – die Beiladung der Stadt P beantragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der AG Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Kammer konnte eine Entscheidung treffen, ohne die Stadt P notwendig beizuladen (§ 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–). Nach § 75 Abs. 2 SGG sind solche Dritten beizuladen, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 75 Abs. 2 1. Alt. SGG) oder bei denen sich im Laufe des Verfahrens ergibt, dass sie als anderer Versicherungsträger, Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende, Träger der Sozialhilfe oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts als Land bei der Ablehnung des Anspruchs als leistungspflichtig in Betracht kommen (§ 75 Abs. 2 2.Alt. SGG). Die Stadt P ist an dem zwischen AS und AG streitigen Rechtsverhältnis nicht dergestalt beteiligt, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Denn dies setzt eine Identität des Streitgegenstandes im Verhältnis zwischen den am Rechtsstreit Beteiligten und Dritten voraus (BSG, Urteil vom 23.11.1992, Az. 12 RK 29/92; BSGE 85, 278, 279), an der es hier fehlt. Zwar schließt die Erbringung von Leistungen nach dem SGB VIII im Falle und im Umfang einer Kollision mit Leistungen nach dem SGB XII wegen § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII Leistungen nach dem SGB XII aus. Allerdings führt eine im Sinne der AS positive oder negative Entscheidung über den Antrag auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII nicht ohne weiteres dazu, dass die Stadt P von einer Leistungspflicht nach dem SGB VIII gegenüber der AS frei oder zu einer Leistung verpflichtet wird, so dass die dem Gericht allein mögliche Entscheidung im Rahmen des Streitgegenstandes nicht zugleich unmittelbar in die Rechtssphäre der Stadt P eingreift. Die Stadt P kommt auch nicht als "möglicherweise anderer Leistungspflichtiger" im Sinne von § 75 Abs. 2 2. Alt. SGG in Betracht. Weder gehört sie als Jugendhilfeträger zu den in § 75 Abs. 2 2.Alt. SGG aufgezählten Trägern, noch ist bezüglich der auch nach Auffassung der AG allenfalls von der Stadt P zu erbringenden Leistungen nach dem SGB VIII überhaupt der Sozialrechtsweg eröffnet (vgl. zu dieser Voraussetzung Meyer-Ladewig, aaO., § 75 Rn 12), so dass der Sinn und Zweck der notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 2. Alt. SGG – eine umfassende Klärung der Verhältnisse der Beteiligten durch (nur) eine gerichtliche Entscheidung – nicht erreicht werden kann. Schließlich hat die Kammer von einer einfachen und gem. § 75 Abs. 1 SGG in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellten Beiladung abgesehen. Nach dem Dafürhalten der Kammer hätten insbesondere die aus der Beiladung erwachsenden Unterrichtungspflichten des Gerichts gegenüber einem Beigeladenen sowie die mutmaßlich erfolgte Ausnutzung der einem Beigeladenen zustehenden Verfahrensrechte (§ 75 Abs. 4 SGG) durch die Stadt P eine Entscheidung in dem Eilverfahren unverhältnismäßig verzögert. Zum anderen ist den Beteiligten insoweit auch kein Nachteil entstanden, weil die Stadt P auf Anfrage des Kammervorsitzenden Informationen auch außerhalb der verfahrensrechtlichen Stellung eines Beigeladenen mitgeteilt hat.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein.

Anordnungsgrund kann nur die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sein. Entscheidend ist insoweit, ob es nach den Umständen des Einzelfalles für den Betroffenen zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzu¬warten. Ein wesentlicher Nachteil liegt vor, wenn der Antragsteller konkret in seiner wirt¬schaftlichen Existenz bedroht ist oder ihm sogar die Vernichtung der Lebensgrundlage droht. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsachever¬fahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht mehr summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - = NVwZ 2005, 927 ff.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nur teilweise gegeben.

Soweit Leistungen auch für Zeiträume vor Eingang des vorliegenden Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht beansprucht werden sollten ("ab Februar 2012"), fehlt es an einem Anordnungsgrund bereits deshalb, weil es nicht Aufgabe des einstweiligen Rechtschutzverfahrens in Angelegenheiten des SGB XII ist, in der Vergangenheit liegende Notlagen zu beseitigen. Leistungen können frühestens ab dem Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht (hier: 13.02.2012) geltend gemacht werden. Die der AS vom Haus I für Februar 2012 darlehensweise zur Verfügung gestellten Geldmittel stehen der Annahme eines Anordnungsgrundes darüber hinaus bis zum 29.02.2012 entgegen.

Im Hinblick auf die begehrte Bewilligung der Kosten der Unterkunft ("Mietkosten 338,00 EUR") fehlt es auch im Übrigen an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.

Für Kosten der Unterkunft ist ein Anordnungsgrund regelmäßig nur und erst dann gegeben, wenn der Hilfesuchende glaubhaft macht, dass ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung nach Ablauf des nächstfolgenden Fälligkeitszeitpunktes für die Zahlung des Mietzinses ernsthaft mit einer Kündigung oder einer Räumungsklage zu rechnen ist (LSG NRW, Beschluss vom 13.08.2007, Az.: L 9 B 102/07 AS ER, m.w.N.; Beschluss vom 15.02.2007, Az.: L 1 B 4/07 AS ER; Beschluss vom 27.03.2007, Az.: L 9 B 46/07 AS ER; Beschluss vom 16.04.2007, Az.: L 9 B 48/07 AS ER; Beschluss vom 06.10.2006, Az.: L 12 B 120/06 AS ER und Beschluss vom 15.01.2007, Az.: L 12 B 199/06 AS, jeweils m.w.N.). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn nur nicht ersichtlich ist, aus welchen Mitteln der nichtgedeckte Unterkunftsbedarf bestritten werden kann (LSG NRW, Beschluss vom 13.08.2007, Az.: L 9 B 102/07 AS ER, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Eine Kündigung des Mietverhältnisses der AS ist bisher weder erklärt noch in Aussicht gestellt worden.

Im Hinblick auf die begehrte Regelbedarfsleistung ("Grundleistungsbetrag von 374,00 EUR") hingegen hat die AS Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsanspruch hinsichtlich der vorläufigen Gewährung von Grundsicherungsleistungen in Gestalt der Regelbedarfsleistung folgt aus §§ 19 Abs. 2, 41 Abs. 1 und 3, 42 Nr. 1, 28 SGB XII.

Grundsicherungsleistungen in Gestalt der Regelbedarfsleistung (§§ 42 Nr.1, 28 SGB XII) erhält auf Antrag u.a., wer das 18. Lebensjahr vollendet hat und dauerhaft voll erwerbsgemindert ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen bestreiten kann (§§ 41 Abs. 1 und 3, 19 Abs. 2 SGB XII). Die am 26.02.1990 geborene AS hat das 18. Lebensjahr vollendet, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in I und am 11.01.2012 telefonisch Grundsicherungsleistungen bei der AG beantragt. Durch die vom ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit I erstellte sozialmedizinische Stellungnahme über die AS vom 20.10.2009 ist die dauerhafte volle Erwerbsminderung der AS hinreichend glaubhaft gemacht. Mittels eidesstattlicher Versicherung ihrer Betreuerin sowie durch Vorlage der am 09.03.2012 übersandten Bescheinigung des Haus I vom 08.03.2012 ist außerdem hinreichend glaubhaft gemacht, dass die AS ab März 2012 nicht in der Lage ist, ihren notwendigen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen und Vermögen zu bestreiten.

Der Anspruch der AS auf Grundsicherungsleistungen ist auch nicht nach § 2 Abs. 1 SGB XII ("Nachranggrundsatz") ausgeschlossen. Danach erhält Sozialhilfe nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Zunächst ist angesichts der Stellung des § 2 SGB XII im SGB XII, der Vorschriften über den Einsatz von Einkommen und Vermögen sowie des Bestehens konkreter Leistungsausschlussnormen wie § 39a SGB XII schon fraglich, ob § 2 Abs. 1 SGB XII einen eigenständigen Ausschlusstatbestand regelt. Das Bundessozialgericht (BSG) geht davon aus, dass § 2 Abs. 1 SGB XII jedenfalls "regelmäßig" keine eigenständige Ausschlussnorm darstellt, sondern lediglich im Zusammenhang mit ergänzenden bzw. konkretisierenden Vorschriften des SGB XII die Bedürftigkeit verneinen lässt (BSG, Urteil vom 02.02.2010, Az. B 8 SO 21/08 R juris-Rn 13; Urteil vom 26.08.2008, Az. B 8/9b SO 16/07 R, juris-RN 15; vgl. auch Coseriu, jurisPK-SGB XII, § 2 Rn 8 ff. m.w.N.). Aber selbst wenn man hier eine – vom BSG nicht näher beschriebene – Ausnahme von der Regel annehmen und § 2 Abs. 1 SGB XII ausnahmsweise als Ausschlussnorm behandeln (vgl. dazu Coseriu, jurisPK-SGB XII, § 2 Rn 19, der dies selbst in extremen Ausnahmefällen nicht annehmen will) oder an der Einordnung des § 2 Abs. 1 SGB XII als negatives Tatbestandsmerkmal (stRspr. des BVerwG, vgl. die Nachweise bei Coseriu, jurisPK-SGB XII, § 2 Rn 8 ff.) festhalten wollte, steht dies dem Anspruch der AS nicht entgegen. Denn weder erhält die AS derzeit die erforderlichen Leistungen von anderen, noch besteht ein Anspruch der AS gegen andere auf die erforderlichen Leistungen, dessen Inanspruchnahme der AS zumutbar wäre.

Tatsächlich erhält die AS derzeit von der Stadt P Leistungen der Jugendhilfe in Gestalt von Fachleistungsstunden im Rahmen einer ambulanten Betreuung nach §§ 41, 35a Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII. Durch diese Leistung ist der notwendige Lebensunterhalt (§§ 19 Abs. 2, 41 SGB XII) der AS jedoch nicht gesichert und erbringt die Stadt P damit nicht die "derzeit erforderliche Leistung" im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB XII. Denn anders als bei den Jugendhilfeleistungen nach § 35a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SGB VIII zählt der notwendige Unterhalt schon nach dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 SGB VIII nicht als Annex zur erzieherischen Hilfe nach § 35a Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII. Der genau zwischen den Leistungen nach § 35a Abs. 2 Nr. 1 und Nrn. 2 bis 4 SGB VIII unterscheidende Wortlaut verbietet zur Überzeugung der Kammer auch, der Auffassung der AG zu folgen, wonach der notwendige Unterhalt vom SGB VIII-Träger auch nach Umwandlung einer Hilfe nach § 35a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SGB VIII – wie es die vorherige stationäre Unterbringung der AS war – in eine Hilfe nach § 35a Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII – wie die AS sie jetzt erhält – weiter zu zahlen ist. Insoweit bestand weder eine Anspruchsgrundlage für die AS, noch eine Rechtsgrundlage für Zahlungen durch die Stadt P.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Stadt P zum Zeitpunkt der Umwandlung der Jugendhilfeleistung bereits wusste, dass die AG die Aufnahme von Sozialhilfeleistungen abgelehnt hatte. Sofern die AG rechtswidrig die Aufnahme von Sozialhilfeleistungen verweigert, kann dies keine Leistungspflicht der Stadt P aus dem SGB VIII begründen. Denn ansonsten stünden Zuständigkeitsordnung und Leistungspflichten im Belieben der Sozialleistungsträger. Im System des subjektiven Rechtsschutzes (vgl. § 54 Abs. 1 S. 2 SGG) obliegt es in einer solchen Situation vielmehr dem betroffenen Menschen selbst, seine subjektiven Rechte – ggf. wie die AS in einem Eilverfahren – gegenüber dem zuständigen Träger geltend zu machen.

Auch sofern die AG mit dem Einwand, die Stadt P habe wegen Kenntniserlangung vom Ablehnungsbescheid der AG zu einem Zeitpunkt vor Umwandlung der Hilfeform weiter den notwendigen Unterhalt der AS im Sinne von § 39 SGB VIII sicherzustellen, auf § 86c SGB VIII und § 2 Abs. 3 SGB X Bezug nehmen wollte, greift diese Argumentation nicht durch. Beide Normen verpflichten bei einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit den früher örtlich zuständigen Träger zur Weiterleistung, bis der neu zuständig gewordene Träger die Leistung fortsetzt. Dabei sind diese Normen – worauf die AG wohl abhebt – zwar auch für den Fall geschaffen worden, dass der nach dem Wechsel der Zuständigkeit neu zuständig gewordene Träger seine Zuständigkeit – wie die AG – bestreitet (für § 86c SGB VIII vgl. Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 6. Auflage 2009, § 86c Rn 2). Allerdings besteht die Pflicht zur Weitergewährung der Leistung nicht losgelöst von der materiellen Rechtslage (Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, aaO., § 86c Rn 3), so dass eine Umwandlung der Hilfeform und die daran anknüpfenden Rechtsfolgen zu beachten sind. Ferner ist jedenfalls der Tatbestand dieser Normen vorliegend nicht erfüllt. Für die Erbringung der Jugendhilfeleistungen war (§ 86a Abs. 2 SGB VIII) und ist vorerst (§ 86a Abs. 4 SGB VIII) auch nach eigenem Bekunden die Stadt P zuständig, so dass insoweit ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit nicht eingetreten ist. Sozialhilfeleistungen wurden bisher nicht erbracht, so dass die örtliche Zuständigkeit insoweit nicht gewechselt hat, sondern durch den Antrag der AS vom 11.01.2012 gem. § 98 Abs. 1 Satz 2 SGB XII bei der AG erstmals begründet wurde. Davon geht augenscheinlich auch die AG aus, wenn sie eine Fortzahlungspflicht der Stadt P aus § 86c SGB VIII und § 2 Abs. 3 SGB X herleitet, ohne die sozialhilferechtlichen Zuständigkeitsregelungen des § 98 SGB XII auch nur in Bezug zu nehmen.

Der AS steht als "bereites Mittel" gegen die Stadt P auch kein Anspruch auf die erforderliche Leistung zu, dessen Inanspruchnahme ihr zumutbar wäre. Dabei kann dahin stehen, ob – wie die AG vorträgt und insbesondere aus den Hilfeplänen ableitet – die Umwandlung der stationären in eine ambulante Jugendhilfemaßnahme rechtswidrig ist und tatsächlich ein Anspruch der AS gegen die Stadt Oberhausen auf eine stationäre Jugendhilfemaßnahme nach §§ 41, 35a Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII besteht, dessen Inanspruchnahme nach § 39 SGB VIII als Annex die Leistung des notwendigen Unterhalts der AS durch die Stadt P nach sich zöge. Zwar lassen gerichtlich rechtzeitig durchsetzbare Ansprüche auf bedarfsdeckende Leistungen bei einem Hilfeempfänger den Sozialhilfeanspruch grundsätzlich entfallen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Inanspruchnahme dieser Ansprüche dem Hilfeempfänger nicht zumutbar ist (Coseriu, jurisPK-SGB XII, § 2 Rn 32 ff. m.w.N. aus der Rspr. des BVerwG; Grube/Wahrendorf, aaO., § 2 Rn 16 und 31 m.w.N.). Vorliegend ist es zur Überzeugung der Kammer für die AS unzumutbar, sich auf einen Anspruch gegen die Stadt P auf stationäre Jugendhilfeleistungen verweisen zu lassen. Die AS hat – dokumentiert beispielsweise im Hilfeplan vom 02.11.2011 und 16.08.2011 sowie den Angaben der Stadt P aus dem Schriftsatz vom 02.03.2012 – deutlich ihren Willen bekundet, die stationäre Leistung zu beenden und ein selbstbestimmteres Leben unter Zuhilfenahme ambulanter Leistungen zu führen. Dieser Wille ist auch schutzwürdig. Dies zeigt der Rechtsgedanke des dem Hilfeempfänger in § 9 Abs. 2 SGB XII eingeräumten Wunschrechts sowie etwa § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, der aus Gründen der Humanität (Piepenstock, jurisPK-SGB XII, § 13 Rn 13) und im Hinblick auf die Verwirklichung der Grundrechte der Leistungsberechtigten – zu denken ist etwa an das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Freizügigkeit und die allgemeine Handlungsfreiheit – im Grundsatz ambulanten Leistungen den Vorrang vor stationären Leistungen einräumt. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass sowohl das Wunschrecht nach § 9 Abs. 2 SGB XII als auch der Vorrang ambulanter vor stationären Leistungen aus § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB XII unter wirtschaftlichen Aspekten durchbrochen werden, wenn die Erfüllung des Wunsches bzw. die ambulante gegenüber der stationären Leistungserbringung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII bzw. § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB XII). Allerdings dürfte die ambulante Versorgung der AS nach den Erfahrungen der Kammer bei einer Gesamtbetrachtung (Fachleistungsstunden, Regelbedarf, Kosten der Unterkunft) erheblich kostengünstiger, jedenfalls aber nicht unverhältnismäßig im Sinne von gravierend teurer (Grube/Wahrendorf, aaO., § 13 Rn 27) sein, als die weitere stationäre Unterbringung der AS im Haus I. Zwar fallen für die AG erstmalig Kosten an, so dass aus ihrer Sicht die ambulante Versorgung der AS teurer ist als die stationäre, deren Kosten vollständig der Stadt P zur Last fallen. Eine isolierte Betrachtung allein der bei der AG entstehenden Kosten kommt nach Auffassung der Kammer jedoch nicht in Betracht. Denn ansonsten wäre derjenige Leistungsempfänger, dem der Staat durch verschiedene Träger Hilfe leistet, gegenüber einem Leistungsempfänger ungerechtfertigt benachteiligt, der Leistungen nur aus einer Hand erhält.

Schließlich ist der Anspruch der AS auf Grundsicherungsleistungen auch nicht durch § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII ausgeschlossen. Danach gehen Leistungen nach dem SGB VIII Leistungen nach dem SGB XII vor.

Trotz des Wortlauts ist eine Auslegung dieser Norm zu weit, wonach jede Leistung nach dem SGB XII ausgeschlossen ist, sobald (irgend-)eine Leistung nach dem SGB VIII in Anspruch genommen wird. Denn tatsächlich ist § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII als Kollisionsnorm konzipiert (Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, aaO., § 10 Rn 1), d.h. geregelt wird der Fall, dass SGB VIII und SGB XII dieselbe Leistung bzw. jeweils eine Leistung zur Deckung desselben Bedarfs vorsehen und die Voraussetzungen beider Leistungsgesetze erfüllt sind, also die einzelnen Leistungen hinsichtlich ihres (am Bedarf orientierten) Anwendungsbereichs überhaupt miteinander konkurrieren (Rothkegel, Sozialhilferecht, Teil III Kapitel 25 Rn 42). Deshalb ist auf Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 4 SGB VIII auch anerkannt, dass die Sicherung des notwendigen Unterhalts – sofern die entsprechenden Voraussetzungen nach dem SGB VIII vorliegen – gegenüber der Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung nach dem SGB XII vorrangig sind (vgl. Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, aaO., § 10 Rn 41). Sofern jedoch – wie bei der AS – trotz gewährter SGB VIII-Leistungen ein ungedeckter und sozialhilferechtlich anzuerkennender Bedarf besteht, steht § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen neben Leistungen nach dem SGB VIII zur Deckung dieses Bedarfs nicht entgegen. Dies ist im Hinblick auf das Verhältnis des SGB XII zum SGB XI sogar ausdrücklich in § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB XI bzw. § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB XII normiert, ergibt sich aber auch ohne weiteres aus dem Prinzip der Bedarfsdeckung, wonach die Sozialhilfe eine vollständige Deckung des sozialhilferechtlich relevanten Bedarfs gewährleisten muss (Grube/Wahrendorf, aaO., Einl. Rn 37 m.w.N.; Rothkegel, Sozialhilferecht, Teil II Kapitel 3 Orientierungssatz 1). Da der notwendige Lebensunterhalt der AS – nach der gesetzgeberischen Konzeption gem. § 27a Abs. 2 SGB XII ausgedrückt im pauschalen monatlichen Regelbedarf – durch die von der Stadt P erbrachten ambulanten SGB VIII-Leistungen nach dem o.G. nicht gedeckt wird, besteht insoweit trotz § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII ein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen gegen die AG.

Aus den Ausführungen zum Anordnungsanspruch folgt zugleich, dass auch ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht ist. Der AS ist ein Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten. Ihre aktuelle Hilfebedürftigkeit kann nicht anders als durch die vorläufige Gewährung von Grundsicherungsleistungen beseitigt werden. Bereits daraus folgt zur Überzeugung der Kammer vor dem Hintergrund der bestehenden Grundrechtsrelevanz der Gewährung existenzsichernder Leistungen ein Anordnungsgrund (vgl. zu Leistungen nach dem SGB II BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, Az. 1 BvR 569/05; Urteil vom 09.02.2010, Az. 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09). Entgegen der Auffassung der AG stehen der Annahme eines Anordnungsgrundes die Regelungen der § 86c SGB VIII und § 2 Abs. 3 SGB X nicht entgegen. Wie oben bereits ausgeführt, sind diese Vorschriften schon tatbestandlich nicht einschlägig.

Im Hinblick auf die Höhe der vorläufig zu gewährenden Leistung orientiert die Kammer sich an der Höhe der Regelbedarfsleistung nach Regelbedarfsstufe 1. In zeitlicher Hinsicht hält die Kammer es unter Bezugnahme auf die obigen Ausführungen zum Anordnungsgrund für gerechtfertigt, dass die AG die Leistungen ab dem 01.03.2012 und – im Hinblick auf § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und den Eingang des Antrags des AS bei der AG am 11.01.2012 – längstens bis zum 10.01.2013 erbringt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt das Verhältnis der beantragten Leistungen (EUR 712,- pro Monat) zum Umfang des Obsiegens der AS (EUR 374,- pro Monat).
Rechtskraft
Aus
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