Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 9/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 19/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der Prüfung der Einhaltung der Parodontose-Richtlinien handelt es sich um eine Wirtschaftlichkeitsprüfung (vgl. BSG, Urt. v. 05.08.1992 - 14a/6 RKa 17/90 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 12, juris Rdnr. 34 ff.; BSG, Urt. v. 16.06.1993 - 14a RKa 4/92 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 18 juris Rdnr. 19), wofür auch im Ersatzkassenbereich die Prüfgremien zuständig sind.
1. Der Bescheid vom 04.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2010 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Berichtigung der PAR-Abrechnung für die Patientin DD. im Zeitraum 03/2010 und hierbei um die Absetzung der kompletten Behandlungskosten wegen fehlender aktueller Röntgenaufnahmen im Umfang von 550,12 EUR.
Die Klägerin ist als Zahnärztin zur vertragszahnärztlichen Behandlung mit Praxissitz in A Stadt zugelassen. Sie rechnete am 03.03.2010 die PAR-Behandlung für die Patienten DD., geb. am xx.xx196x und bei der KKH-Allianz versichert, ab. Die Krankenkasse der Versicherten stellte einen Berichtigungsantrag, weil keine aktuellen Röntgenbilder für die PAR-Behandlung angefertigt worden seien. Die Klägerin erklärte hierzu, es lägen zwei Bissflügelaufnahmen vom 17.12.2009 vor, der Prämolaren- und Molarenbereich beidseits sei dort abgebildet.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 04.08.2010 den gesamten Krankenkassenanteil in Höhe von 550,12 EUR ab. Zur Begründung führte sie aus, eine der wesentlichen Grundlagen zur Diagnostik für die Planung der PAR-Therapie seien aktuelle, auswertbare Röntgenaufnahmen. Bissflügelaufnahmen als einzige Röntgendiagnostik seien nur in Ausnahmefällen zu weiteren Röntgenaufnahmen zulässig, die auch die periapikalen Bereiche abbilde. Bissflügelaufnahmen allein seien als Diagnostik für die PAR-Therapie nicht als ausreichend zu betrachten.
Hiergegen legte die Klägerin am 09.08.2010 Widerspruch ein. Sei wies nochmals darauf hin, dass sie zur Beantragung des PAR-Planes am 17.12.2009 zwei Bisslfügelaufnahmen angefertigt habe. Darauf seien alle Übergänge zwischen klinischer Krone und Parodontalbereich mit Knochenabbaubereichen und vertikalen Einbrüchen im Molaren- und Prämolarenbereich abgebildet. Dort seien im klinischen Befund erhöhte Werte vorhanden, im Frontzahnbereich ließen sich Werte an der Grenze zur kassenseitigen PAR-Behandlung finden. In ihrer Weiterbildung zur Erlangung des Tätigkeitsschwerpunktes Parodontologie sei die Lehrmeinung weitergegeben worden, dass bei pathologischen Taschen im Grenzbereich auf eine umfangreiche Röntgendiagnostik verzichtet werden könne. Dies reduziere auch die Strahlenbelastung der Patienten. Es liege ihr auch eine Genehmigung der Krankenkasse vor, auf die sie sich habe verlassen können. Sie versuche auch wirtschaftlich zu arbeiten.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2010 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies sie auf ihre Begründung im Ausgangsbescheid und führte ergänzend an, die vorherige Röntgendiagnostik sei zur Durchführung der vertragszahnärztlichen PAR-Therapie unerlässlich. Ausnahmen hiervon seien vertraglich nicht vorgesehen. Die Bissflügelaufnahmen seien unzureichend. Im Rahmen einer systematischen PAR-Therapie werde eine systematische, d. h. auch vollständige röntgenologische Befundung verlangt. Daher seien alle vorhandenen Zähne, nicht nur die, die später therapiert würden, darzustellen. Dies erfordere mehrere Röntgenaufnahmen zur Darstellung der Zähne. Es seien daher weitere Aufnahmen indiziert gewesen. Die vorherige Genehmigung der Krankenkasse schließe nachträgliche sachlich-rechnerische Korrekturen nicht aus, wenn die Behandlung nicht den verbindlichen Richtlinien entspreche.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.01.2011 die Klage erhoben. Sie trägt vor, auf den von ihr angefertigten Röntgenaufnahmen seien alle Backenzähne und kleine Backenzähne mit der vollständigen klinischen Krone und den Übergängen Zahnfleisch und Kieferknochenbeginn mit Anteilen der Wurzeln zu sehen, also genau der Bereich, um den es bei der chirurgischen Zahnfleischtaschenreinigung gehe. In diesem Bereich befänden sich auch die besonders auffälligen Taschentiefenwerte mit erhöhtem Behandlungsbedarf. Im nicht auf den Röntgenbildern dargestellten Frontzahnbereich fänden sich Taschentiefenwerte, die gerade auf der Grenze der Taschentiefen lägen, die die Krankenkasse für ihre Genehmigung fordere. Am 12.01.2010 habe sie alle vorhandenen Zähne mittels Kältespray auf ihre ordnungsgemäße Kälte-Reizleitung überprüft, um Auffälligkeiten hinsichtlich Erkrankungen des Zahnnervs oder des Zahnhalteapparates zu überprüfen. Es hätten sich keinerlei Auffälligkeiten bei sämtlichen Zähnen ergeben. Am 19.01.2010 habe sie die Messung und Dokumentation der Taschentiefen vorgenommen. Sie erfasse vier Messwerte. Zusammen mit dem klinischen Befund ergebe dies einen sehr guten Überblick über den Zustand der Zähne hinsichtlich der Taschentiefen. Zur Reduktion der Strahlenbelastung habe sie auf eine weitere Röntgendiagnostik der Frontzähne verzichtet. Dies sei auch wirtschaftlicher. Die von der Beklagten angeführten verbindlichen Richtlinien seien ihr so nicht bekannt und lägen ihr so nicht vor. Nach den Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses werde nicht ersichtlich, welche weiteren Konsequenzen sich bei schwachen Erkrankungen durch die Röntgenbilder ergeben würden. In den Richtlinien sei kein Hinweis zu finden über Art und Umfang der Röntgendiagnostik, speziell darauf, dass alle Zähne dargestellt werden müssten. Es handele sich auch nicht um einen Gesamtbehandlungskomplex. Im Übrigen wiederholte sie ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 04.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid und trägt ergänzend vor, Voraussetzung für die Durchführung einer PAR-Behandlung sei u. a. eine vorherige umfängliche Röntgendiagnostik. Dies ergebe sich aus Abschnitt V Ziffer 2 der Behandlungsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Das SG Frankfurt am Main habe in der Entscheidung vom 20.06.2001 – S 27 KA 4155/00 – entschieden, die Richtlinien seien so zu verstehen, dass die Anfertigung von Röntgenaufnahmen der Kontrolle diene, ob ein Knochenabbau evtl. so stark fortgeschritten sei, dass eine Parodontosebehandlung insgesamt nicht angezeigt sei. Die Kammer gehe also davon aus, dass es sich bei der PAR-Behandlung um einen Gesamtbehandlungskomplex handele, so dass trotz der Abrechnungsweise nach Einzelzähnen die Gesamtbehandlung als nicht indiziert anzusehen sei, wenn nur über Einzelzähne eine Röntgendokumentation vorliege.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragszahnärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragszahnärzte handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 04.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2010 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. Der Klage war stattzugeben.
Der Bescheid der Beklagten vom 04.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.12.2010 ist rechtswidrig.
Die Beklagte war nicht zuständig, da es sich nicht um eine sachlich-rechnerische Berichtigung handelte.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertrags(zahn)ärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertrags(zahn)ärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertrags(zahn)ärzte fest; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb nach § 19 BMV-Z/§ 17 Abs. 1 Satz 1 EKV-Z der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen (vgl. BSG, Urt. v. 10.05.1995 - 6 RKa 30/94 - SozR 3-5525 § 32 Nr. 1 = NZS 1996, 134 = Breith 1996, 280 = USK 95120, juris Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 5, juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R - SozR 4 2500 § 85 Nr. 11 = BSGE 93, 69 = SGb 2004, 474 = GesR 2004, 522 = MedR 2005, 52 = NZS 2005, 549, juris Rdnr. 17; BSG, Urt. v. 13.05.1998 - B 6 KA 34/97 R - SozR 3 5555 § 10 Nr. 1 = USK 98155, juris Rdnr. 13).
Während die Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 106 SGB V bei der Menge der erbrachten Leistungen ansetzt, erstreckt sich die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß - also ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht worden sind. Solche Verstöße können zum Beispiel darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 01. Juli 1998, Az: B 6 KA 48/97 R- BSG SozR 3-2500 § 75 Nr. 10 S 43 = Breith 1999, 659 = USK 98163, juris Rdnr. 15 m. w. N.). Eine K(Z)V darf im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung vom Arzt in Ansatz gebrachte Leistungen in vollem Umfang streichen, wenn deren Voraussetzungen erweislich nicht vorliegen oder ihr Vorliegen sich im Einzelfall nicht nachweisen lässt. Diese Berechtigung besteht unabhängig davon, ob die Nichterfüllung der Leistungslegende nur in Einzelfällen oder in vielen Fällen im Streit ist. Während bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung allein an die Menge ärztlicher oder ärztlich veranlasster Leistungen angeknüpft wird, die in grundsätzlicher Übereinstimmung mit den gesetzlichen und/oder vertraglichen Bestimmungen erbracht worden sind, bezieht sich die Prüfung der Abrechnung seitens der KV auf Rechenfehler und die Einhaltung der tatbestandlich umschriebenen Voraussetzungen einer Position der Gebührenordnung und der sie flankierenden Regelungen. Dieses bedingt bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Zurückführung der überhöht erbrachten Leistungen ggf. auf Durchschnittswerte, während für nicht in Einklang mit den Vergütungsnormen erbrachte Leistungen unabhängig von ihrer Menge - kein Vergütungsanspruch besteht. Ergeben sich in einzelnen Behandlungsfällen begründete Zweifel daran, dass der Tatbestand einer Gebührenordnungsposition erfüllt ist, weil der abrechnende Vertragsarzt den Inhalt der Leistungslegende verkannt hat, obliegt es auch dem betroffenen Arzt, an der Beseitigung dieser Zweifel durch sachdienliche Angaben mitzuwirken. Da ihn als Anspruchssteller grundsätzlich die Feststellungslast hinsichtlich der Voraussetzungen für seinen Vergütungsanspruch trifft, liegt eine derartige Mitwirkung in seinem eigenen Interesse. Den KVen ist es nicht untersagt, anhand von Einzelfällen zu prüfen, worauf etwa ein als implausibel bewerteter Anstieg der Ansatzhäufigkeit einer bestimmten EBM-Ä-Position beruht und darauf ggf. mit einer Korrektur der Abrechnung zu reagieren (vgl. BSG, Beschl. v. 06.09.2000 - B 6 KA 17/00 B - juris Rdnr. 8).
Nach der Rechtsprechung des BSG ist ferner anerkannt, dass die K(Z)Ven ärztliche Leistungen nicht honorieren müssen, die der Vertragsarzt nicht hat erbringen dürfen, weil sie nicht Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind. Eine Leistungspflicht der GKV besteht nicht bei solchen Leistungen, die sich im konkreten Behandlungszusammenhang in offenkundigem Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft befinden oder erkennbar ohne jeden Nutzen erbracht worden sind. Ist bei vertragsarztrechtlich an sich zulässigen Leistungen diese Evidenzschwelle nicht erreicht, kommt aus kompetenzrechtlichen Gründen nur die Untersuchung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise durch die zuständigen Prüfgremien in Betracht (vgl. BSG, Urt. v. 05.02.2003 - B 6 KA 15/02 R - SozR 4-2500 § 95 Nr. 1 = MedR 2003, 591 = Breith 2003, 704 = USK 2003-125, juris Rdnr. 19; BSG, Urt. v. 20.03.1996 - 6 RKa 85/95 - SozR 3-5533 Nr. 3512 Nr. 1 = NZS 1997, 44 = SGb 1997, 229 = MedR 1997, 187 = USK 9696, juris Rdnr. 14; jurisPK-Clemens, § 106a, Rdnr. 38; s.a. BSG, Beschl. v. 17.03.2010 - B 6 KA 23/09 B -, juris Rdnr. 11).
Die Beklagte stützt die Absetzung wesentlich auf die Nichteinhaltung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Sachlich war hierbei die Auffassung der Beklagten nicht zu beanstanden. Auch die mit zahnärztlichen Beisitzern fachkundig besetzte Kammer ist der Auffassung, dass für alle behandelten Zähne, also hier auch für den Frontzahnbereich, ein Röntgenbild vorhanden sein muss, um die Verankerung im Knochen zu erkennen. Dies ist in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten ausführlich erörtert worden. Das Gebot der Anfertigung ausreichender Röntgenaufnahmen ist in den Parodontose-Richtlinien verankert und entspricht dem zahnärztlichen Behandlungsstandard. Bei den Parodontose-Richtlinien handelt es sich aber nicht um eine Konkretisierung der Leistungslegende zur Abrechnung von Parodontose-Behandlungen oder um eine Vorgabe zur Leistungserbringung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, konkretisieren die Parodontose-Richtlinien das Wirtschaftlichkeitsgebot. Bei den Parodontose-Richtlinien handelt es sich nicht um eine Regelung der Abrechenbarkeit, über deren Einhaltung im Interesse einer ausreichenden Gewährleistung der Therapiefreiheit kein paritätisch besetztes Organ, sondern nur die KZV allein entscheiden darf. Die Verbindlichkeit von Richtlinien, die das Wirtschaftlichkeitsgebot konkretisieren, beruht darauf, dass sie Erfahrungssätze wiedergeben. Im Regelfall ist von den Richtlinien auszugehen. Der Kassen(zahn)arzt kann aber darlegen, dass im Einzelfall ein Abweichen wirtschaftlich war, oder dass der zugrundeliegende Erfahrungssatz nicht dem gegenwärtigen Erkenntnisstand entspricht. Der Charakter von Richtlinien zur Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots trägt damit der Therapiefreiheit weitergehend Rechnung als eine strikte Regelung der Abrechenbarkeit. Die Zuordnung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung wird auch nicht - wie die Beklagte geltend macht - durch die der systematischen Parodontosebehandlung vorausgehende Genehmigung des Parodontalstatus durch die Krankenkasse ausgeschlossen (vgl. BSG, Urt. v. 05.08.1992 - 14a/6 RKa 17/90 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 12, juris Rdnr. 34 ff.; BSG, Urt. v. 16.06.1993 - 14a RKa 4/92 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 18 juris Rdnr. 19).
Von daher geht die Kammer davon aus, dass es sich sachlich um eine Wirtschaftlichkeitsprüfung handelte, für die aber auch im Ersatzkassenbereich die Prüfgremien zuständig sind.
Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung teilnehmende (Zahn)Arzt - Vertrags(zahn)arzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit (zahn)ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung SGB V - nicht erbringen. Die Krankenkassen und die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung. Über die Frage, ob der Vertrags(zahn)arzt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind, entscheiden die Prüfgremien (§ 106 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 SGB V; vgl. hierzu BSG, Urt. v. 31.07.1991 - 6 RKa 20/90 - BSGE 69, 154 = SozR 3-2500 § 106 SGB V Nr. 8 = USK 91179, juris, Rdnr. 11 ff.).
Die Beklagte hat auch die Leistungen nicht wegen Nichterfüllung der Nr. 4 BEMA-Z abgesetzt. Würde man hiervon ausgehen, dass also auch die Röntgenaufnahmen leistungsrechtliche Voraussetzung für die Befundaufnahme wäre, so müsste auch die Genehmigung der Krankenkasse diese umfassen und würde einer Berichtigung entgegenstehen. Davon geht offensichtlich auch die Beklagte nicht aus. Im Übrigen kann dem Wortlaut der Leistungslegende hierfür nichts entnommen werden.
Die von der Beklagten angeführten Praktikabilitätsgründe können nicht zur Billigung einer Verwaltungspraxis gegen die rechtlichen Vorgaben führen. Eine Verwaltung hat sich vielmehr so zu organisieren, dass sie den gesetzlichen Anforderungen nachkommt. Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, weshalb Prüfungsstelle und Beschwerdeausschuss die Aufgabe nicht bewältigen können. Den Prüfgremien steht insofern auch im Gegensatz zur Beklagten ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu, der auch Raum für Überlegungen lässt, ob Einzelfälle wie im vorliegenden Fall überhaupt mit einem Regress abgeschlossen werden sollten.
Nach allem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung war im Hinblick auf eine Vielzahl noch bei der Beklagten anhängiger Verwaltungsverfahren zuzulassen.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Berichtigung der PAR-Abrechnung für die Patientin DD. im Zeitraum 03/2010 und hierbei um die Absetzung der kompletten Behandlungskosten wegen fehlender aktueller Röntgenaufnahmen im Umfang von 550,12 EUR.
Die Klägerin ist als Zahnärztin zur vertragszahnärztlichen Behandlung mit Praxissitz in A Stadt zugelassen. Sie rechnete am 03.03.2010 die PAR-Behandlung für die Patienten DD., geb. am xx.xx196x und bei der KKH-Allianz versichert, ab. Die Krankenkasse der Versicherten stellte einen Berichtigungsantrag, weil keine aktuellen Röntgenbilder für die PAR-Behandlung angefertigt worden seien. Die Klägerin erklärte hierzu, es lägen zwei Bissflügelaufnahmen vom 17.12.2009 vor, der Prämolaren- und Molarenbereich beidseits sei dort abgebildet.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 04.08.2010 den gesamten Krankenkassenanteil in Höhe von 550,12 EUR ab. Zur Begründung führte sie aus, eine der wesentlichen Grundlagen zur Diagnostik für die Planung der PAR-Therapie seien aktuelle, auswertbare Röntgenaufnahmen. Bissflügelaufnahmen als einzige Röntgendiagnostik seien nur in Ausnahmefällen zu weiteren Röntgenaufnahmen zulässig, die auch die periapikalen Bereiche abbilde. Bissflügelaufnahmen allein seien als Diagnostik für die PAR-Therapie nicht als ausreichend zu betrachten.
Hiergegen legte die Klägerin am 09.08.2010 Widerspruch ein. Sei wies nochmals darauf hin, dass sie zur Beantragung des PAR-Planes am 17.12.2009 zwei Bisslfügelaufnahmen angefertigt habe. Darauf seien alle Übergänge zwischen klinischer Krone und Parodontalbereich mit Knochenabbaubereichen und vertikalen Einbrüchen im Molaren- und Prämolarenbereich abgebildet. Dort seien im klinischen Befund erhöhte Werte vorhanden, im Frontzahnbereich ließen sich Werte an der Grenze zur kassenseitigen PAR-Behandlung finden. In ihrer Weiterbildung zur Erlangung des Tätigkeitsschwerpunktes Parodontologie sei die Lehrmeinung weitergegeben worden, dass bei pathologischen Taschen im Grenzbereich auf eine umfangreiche Röntgendiagnostik verzichtet werden könne. Dies reduziere auch die Strahlenbelastung der Patienten. Es liege ihr auch eine Genehmigung der Krankenkasse vor, auf die sie sich habe verlassen können. Sie versuche auch wirtschaftlich zu arbeiten.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2010 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies sie auf ihre Begründung im Ausgangsbescheid und führte ergänzend an, die vorherige Röntgendiagnostik sei zur Durchführung der vertragszahnärztlichen PAR-Therapie unerlässlich. Ausnahmen hiervon seien vertraglich nicht vorgesehen. Die Bissflügelaufnahmen seien unzureichend. Im Rahmen einer systematischen PAR-Therapie werde eine systematische, d. h. auch vollständige röntgenologische Befundung verlangt. Daher seien alle vorhandenen Zähne, nicht nur die, die später therapiert würden, darzustellen. Dies erfordere mehrere Röntgenaufnahmen zur Darstellung der Zähne. Es seien daher weitere Aufnahmen indiziert gewesen. Die vorherige Genehmigung der Krankenkasse schließe nachträgliche sachlich-rechnerische Korrekturen nicht aus, wenn die Behandlung nicht den verbindlichen Richtlinien entspreche.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.01.2011 die Klage erhoben. Sie trägt vor, auf den von ihr angefertigten Röntgenaufnahmen seien alle Backenzähne und kleine Backenzähne mit der vollständigen klinischen Krone und den Übergängen Zahnfleisch und Kieferknochenbeginn mit Anteilen der Wurzeln zu sehen, also genau der Bereich, um den es bei der chirurgischen Zahnfleischtaschenreinigung gehe. In diesem Bereich befänden sich auch die besonders auffälligen Taschentiefenwerte mit erhöhtem Behandlungsbedarf. Im nicht auf den Röntgenbildern dargestellten Frontzahnbereich fänden sich Taschentiefenwerte, die gerade auf der Grenze der Taschentiefen lägen, die die Krankenkasse für ihre Genehmigung fordere. Am 12.01.2010 habe sie alle vorhandenen Zähne mittels Kältespray auf ihre ordnungsgemäße Kälte-Reizleitung überprüft, um Auffälligkeiten hinsichtlich Erkrankungen des Zahnnervs oder des Zahnhalteapparates zu überprüfen. Es hätten sich keinerlei Auffälligkeiten bei sämtlichen Zähnen ergeben. Am 19.01.2010 habe sie die Messung und Dokumentation der Taschentiefen vorgenommen. Sie erfasse vier Messwerte. Zusammen mit dem klinischen Befund ergebe dies einen sehr guten Überblick über den Zustand der Zähne hinsichtlich der Taschentiefen. Zur Reduktion der Strahlenbelastung habe sie auf eine weitere Röntgendiagnostik der Frontzähne verzichtet. Dies sei auch wirtschaftlicher. Die von der Beklagten angeführten verbindlichen Richtlinien seien ihr so nicht bekannt und lägen ihr so nicht vor. Nach den Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses werde nicht ersichtlich, welche weiteren Konsequenzen sich bei schwachen Erkrankungen durch die Röntgenbilder ergeben würden. In den Richtlinien sei kein Hinweis zu finden über Art und Umfang der Röntgendiagnostik, speziell darauf, dass alle Zähne dargestellt werden müssten. Es handele sich auch nicht um einen Gesamtbehandlungskomplex. Im Übrigen wiederholte sie ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 04.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid und trägt ergänzend vor, Voraussetzung für die Durchführung einer PAR-Behandlung sei u. a. eine vorherige umfängliche Röntgendiagnostik. Dies ergebe sich aus Abschnitt V Ziffer 2 der Behandlungsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Das SG Frankfurt am Main habe in der Entscheidung vom 20.06.2001 – S 27 KA 4155/00 – entschieden, die Richtlinien seien so zu verstehen, dass die Anfertigung von Röntgenaufnahmen der Kontrolle diene, ob ein Knochenabbau evtl. so stark fortgeschritten sei, dass eine Parodontosebehandlung insgesamt nicht angezeigt sei. Die Kammer gehe also davon aus, dass es sich bei der PAR-Behandlung um einen Gesamtbehandlungskomplex handele, so dass trotz der Abrechnungsweise nach Einzelzähnen die Gesamtbehandlung als nicht indiziert anzusehen sei, wenn nur über Einzelzähne eine Röntgendokumentation vorliege.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragszahnärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragszahnärzte handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 04.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2010 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. Der Klage war stattzugeben.
Der Bescheid der Beklagten vom 04.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.12.2010 ist rechtswidrig.
Die Beklagte war nicht zuständig, da es sich nicht um eine sachlich-rechnerische Berichtigung handelte.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertrags(zahn)ärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertrags(zahn)ärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertrags(zahn)ärzte fest; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb nach § 19 BMV-Z/§ 17 Abs. 1 Satz 1 EKV-Z der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen (vgl. BSG, Urt. v. 10.05.1995 - 6 RKa 30/94 - SozR 3-5525 § 32 Nr. 1 = NZS 1996, 134 = Breith 1996, 280 = USK 95120, juris Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 5, juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R - SozR 4 2500 § 85 Nr. 11 = BSGE 93, 69 = SGb 2004, 474 = GesR 2004, 522 = MedR 2005, 52 = NZS 2005, 549, juris Rdnr. 17; BSG, Urt. v. 13.05.1998 - B 6 KA 34/97 R - SozR 3 5555 § 10 Nr. 1 = USK 98155, juris Rdnr. 13).
Während die Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 106 SGB V bei der Menge der erbrachten Leistungen ansetzt, erstreckt sich die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß - also ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht worden sind. Solche Verstöße können zum Beispiel darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 01. Juli 1998, Az: B 6 KA 48/97 R- BSG SozR 3-2500 § 75 Nr. 10 S 43 = Breith 1999, 659 = USK 98163, juris Rdnr. 15 m. w. N.). Eine K(Z)V darf im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung vom Arzt in Ansatz gebrachte Leistungen in vollem Umfang streichen, wenn deren Voraussetzungen erweislich nicht vorliegen oder ihr Vorliegen sich im Einzelfall nicht nachweisen lässt. Diese Berechtigung besteht unabhängig davon, ob die Nichterfüllung der Leistungslegende nur in Einzelfällen oder in vielen Fällen im Streit ist. Während bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung allein an die Menge ärztlicher oder ärztlich veranlasster Leistungen angeknüpft wird, die in grundsätzlicher Übereinstimmung mit den gesetzlichen und/oder vertraglichen Bestimmungen erbracht worden sind, bezieht sich die Prüfung der Abrechnung seitens der KV auf Rechenfehler und die Einhaltung der tatbestandlich umschriebenen Voraussetzungen einer Position der Gebührenordnung und der sie flankierenden Regelungen. Dieses bedingt bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Zurückführung der überhöht erbrachten Leistungen ggf. auf Durchschnittswerte, während für nicht in Einklang mit den Vergütungsnormen erbrachte Leistungen unabhängig von ihrer Menge - kein Vergütungsanspruch besteht. Ergeben sich in einzelnen Behandlungsfällen begründete Zweifel daran, dass der Tatbestand einer Gebührenordnungsposition erfüllt ist, weil der abrechnende Vertragsarzt den Inhalt der Leistungslegende verkannt hat, obliegt es auch dem betroffenen Arzt, an der Beseitigung dieser Zweifel durch sachdienliche Angaben mitzuwirken. Da ihn als Anspruchssteller grundsätzlich die Feststellungslast hinsichtlich der Voraussetzungen für seinen Vergütungsanspruch trifft, liegt eine derartige Mitwirkung in seinem eigenen Interesse. Den KVen ist es nicht untersagt, anhand von Einzelfällen zu prüfen, worauf etwa ein als implausibel bewerteter Anstieg der Ansatzhäufigkeit einer bestimmten EBM-Ä-Position beruht und darauf ggf. mit einer Korrektur der Abrechnung zu reagieren (vgl. BSG, Beschl. v. 06.09.2000 - B 6 KA 17/00 B - juris Rdnr. 8).
Nach der Rechtsprechung des BSG ist ferner anerkannt, dass die K(Z)Ven ärztliche Leistungen nicht honorieren müssen, die der Vertragsarzt nicht hat erbringen dürfen, weil sie nicht Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind. Eine Leistungspflicht der GKV besteht nicht bei solchen Leistungen, die sich im konkreten Behandlungszusammenhang in offenkundigem Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft befinden oder erkennbar ohne jeden Nutzen erbracht worden sind. Ist bei vertragsarztrechtlich an sich zulässigen Leistungen diese Evidenzschwelle nicht erreicht, kommt aus kompetenzrechtlichen Gründen nur die Untersuchung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise durch die zuständigen Prüfgremien in Betracht (vgl. BSG, Urt. v. 05.02.2003 - B 6 KA 15/02 R - SozR 4-2500 § 95 Nr. 1 = MedR 2003, 591 = Breith 2003, 704 = USK 2003-125, juris Rdnr. 19; BSG, Urt. v. 20.03.1996 - 6 RKa 85/95 - SozR 3-5533 Nr. 3512 Nr. 1 = NZS 1997, 44 = SGb 1997, 229 = MedR 1997, 187 = USK 9696, juris Rdnr. 14; jurisPK-Clemens, § 106a, Rdnr. 38; s.a. BSG, Beschl. v. 17.03.2010 - B 6 KA 23/09 B -, juris Rdnr. 11).
Die Beklagte stützt die Absetzung wesentlich auf die Nichteinhaltung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Sachlich war hierbei die Auffassung der Beklagten nicht zu beanstanden. Auch die mit zahnärztlichen Beisitzern fachkundig besetzte Kammer ist der Auffassung, dass für alle behandelten Zähne, also hier auch für den Frontzahnbereich, ein Röntgenbild vorhanden sein muss, um die Verankerung im Knochen zu erkennen. Dies ist in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten ausführlich erörtert worden. Das Gebot der Anfertigung ausreichender Röntgenaufnahmen ist in den Parodontose-Richtlinien verankert und entspricht dem zahnärztlichen Behandlungsstandard. Bei den Parodontose-Richtlinien handelt es sich aber nicht um eine Konkretisierung der Leistungslegende zur Abrechnung von Parodontose-Behandlungen oder um eine Vorgabe zur Leistungserbringung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, konkretisieren die Parodontose-Richtlinien das Wirtschaftlichkeitsgebot. Bei den Parodontose-Richtlinien handelt es sich nicht um eine Regelung der Abrechenbarkeit, über deren Einhaltung im Interesse einer ausreichenden Gewährleistung der Therapiefreiheit kein paritätisch besetztes Organ, sondern nur die KZV allein entscheiden darf. Die Verbindlichkeit von Richtlinien, die das Wirtschaftlichkeitsgebot konkretisieren, beruht darauf, dass sie Erfahrungssätze wiedergeben. Im Regelfall ist von den Richtlinien auszugehen. Der Kassen(zahn)arzt kann aber darlegen, dass im Einzelfall ein Abweichen wirtschaftlich war, oder dass der zugrundeliegende Erfahrungssatz nicht dem gegenwärtigen Erkenntnisstand entspricht. Der Charakter von Richtlinien zur Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots trägt damit der Therapiefreiheit weitergehend Rechnung als eine strikte Regelung der Abrechenbarkeit. Die Zuordnung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung wird auch nicht - wie die Beklagte geltend macht - durch die der systematischen Parodontosebehandlung vorausgehende Genehmigung des Parodontalstatus durch die Krankenkasse ausgeschlossen (vgl. BSG, Urt. v. 05.08.1992 - 14a/6 RKa 17/90 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 12, juris Rdnr. 34 ff.; BSG, Urt. v. 16.06.1993 - 14a RKa 4/92 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 18 juris Rdnr. 19).
Von daher geht die Kammer davon aus, dass es sich sachlich um eine Wirtschaftlichkeitsprüfung handelte, für die aber auch im Ersatzkassenbereich die Prüfgremien zuständig sind.
Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung teilnehmende (Zahn)Arzt - Vertrags(zahn)arzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit (zahn)ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung SGB V - nicht erbringen. Die Krankenkassen und die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung. Über die Frage, ob der Vertrags(zahn)arzt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind, entscheiden die Prüfgremien (§ 106 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 SGB V; vgl. hierzu BSG, Urt. v. 31.07.1991 - 6 RKa 20/90 - BSGE 69, 154 = SozR 3-2500 § 106 SGB V Nr. 8 = USK 91179, juris, Rdnr. 11 ff.).
Die Beklagte hat auch die Leistungen nicht wegen Nichterfüllung der Nr. 4 BEMA-Z abgesetzt. Würde man hiervon ausgehen, dass also auch die Röntgenaufnahmen leistungsrechtliche Voraussetzung für die Befundaufnahme wäre, so müsste auch die Genehmigung der Krankenkasse diese umfassen und würde einer Berichtigung entgegenstehen. Davon geht offensichtlich auch die Beklagte nicht aus. Im Übrigen kann dem Wortlaut der Leistungslegende hierfür nichts entnommen werden.
Die von der Beklagten angeführten Praktikabilitätsgründe können nicht zur Billigung einer Verwaltungspraxis gegen die rechtlichen Vorgaben führen. Eine Verwaltung hat sich vielmehr so zu organisieren, dass sie den gesetzlichen Anforderungen nachkommt. Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, weshalb Prüfungsstelle und Beschwerdeausschuss die Aufgabe nicht bewältigen können. Den Prüfgremien steht insofern auch im Gegensatz zur Beklagten ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu, der auch Raum für Überlegungen lässt, ob Einzelfälle wie im vorliegenden Fall überhaupt mit einem Regress abgeschlossen werden sollten.
Nach allem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung war im Hinblick auf eine Vielzahl noch bei der Beklagten anhängiger Verwaltungsverfahren zuzulassen.
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