L 6 R 548/10 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 3 R 4199/09
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 548/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Alten-burg vom 27. April 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen ihre gesamtschuldnerische Inanspruchnahme für ausstehende Beiträge zur Alterskasse der Landwirte.

Zusammen mit ihrem Ehemann zeigte sie mit Meldebogen vom 18. Januar 1999 die Bewirt-schaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes (Milchschäferei) gegenüber der Beklagten an. Mit Bescheid vom 3. Juni 1999 bewilligte diese ihr einen Beitragszuschuss gem. §§ 32 - 35 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) für den Zeitraum ab 1. November 1998 bis 31. März 1999. Im Zusammenhang mit der Bewilligung einer Zuwendung aus dem Europäischen Sozialfonds zur Förderung der Einstellung schwervermittelbarer Arbeitsloser wurde die Beschwerdeführerin ab dem 1. April 1999 als Arbeitnehmerin im Betrieb ihres Ehemannes beschäftigt und war solange von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftli-chen Alterskasse freigestellt. Nach Beendigung dieser abhängigen Beschäftigung hob die Be-klagte mit Bescheid vom 30. April 2001 den Bescheid über die Befreiung von der Versiche-rungspflicht mit Wirkung zum 1. Januar 2001 auf. Einen hiergegen eingelegten Widerspruch nahm die Beschwerdeführerin zurück. In der Folgezeit bewilligte die Beklagte ihr erneut ei-nen Beitragszuschuss nach §§ 32 - 35 ALG.

Am 15. November 2007 wurde über das landwirtschaftliche Unternehmen des Ehemannes das Insolvenzverfahren eröffnet. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Juni 2008 fest, dass die Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin in der landwirtschaftlichen Al-terskasse mit Ablauf des 15. November 2007 endet. Im Rahmen eines Antrags auf Beitrags-stundung teilte sie mit Schreiben vom 8. August 2008 mit, dass die Stundung der ausstehen-den Forderungen in Höhe von insgesamt 1048,25 EUR beantragt werden könne. Am 19. Novem-ber 2008 erließ die Beklagte Feststellungsbescheide des Inhalts, dass die Beschwerdeführerin als Gesamtschuldnerin gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 ALG in Verbindung mit § 421 des Bürgerli-chen Gesetzbuches (BGB) für die Beiträge der mitarbeitenden Familienangehörigen T. und M. D. und für die Beiträge ihres Ehegatten hafte. Am 21. November 2008 ergingen entspre-chende Forderungsbescheide, welche die ausstehenden Forderungen auf 168,00 EUR bzw. 339,00 EUR und 385,25 EUR bezifferten. Mit Forderungsbescheid vom 20. November 2008 bezifferte die Beklagte den Rückstand hinsichtlich der Beiträge der Beschwerdeführerin selbst auf 385,25 EUR. Nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchverfahrens hat die Beschwerdeführerin gegen den sie betreffenden Forderungsbescheid vom 20. November 2008 und die Forde-rungsbescheide vom 21. November 2008 am 19. November 2009 Klage erhoben. Gegen die Feststellungsbescheide vom 19. November 2008 hat sie am 11. März 2010 Klage erhoben. Dies ist Gegenstand des Parallelverfahrens. Zugleich hat sie die Bewilligung von Prozesskos-tenhilfe (PKH) beantragt.

Mit Beschluss vom 27. April 2010 hat das SG die Bewilligung von PKH wegen mangelnder Erfolgsaussichten abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die For-derungsbescheide der Beklagten vom 20. bzw. 21. November 2008 in Gestalt der Wider-spruchsbescheide vom 16. Oktober 2009 nicht rechtswidrig seien. Die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 Satz 2 ALG seien erfüllt. Die Beklagte habe zu Recht gegenüber der Beschwerde-führerin eine Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte festgestellt und ihr in der Folgezeit Beitragszuschüsse gewährt. Dem Vorbringen, dass sie nicht als Landwirtin im Sinne des ALG anzusehen sei, weil die Beklagte von ihrem Bestimmungsrecht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 5 ALG in der Weise Gebrauch gemacht habe und allein ihr Ehemann als Landwirt im Sinne des Gesetzes einzustufen sei, sei nicht zu folgen. Eine Bestimmung des Landwirts könne nur erfolgen, wenn die Ehegatten eine schriftliche Erklärung nicht rechtzeitig abgege-ben hätten. Im vorliegenden Fall hätten die Ehegatten unter dem Datum vom 18. Januar 1999 eine solche schriftliche Erklärung abgegeben und auch ausgeführt, dass sie das landwirt-schaftliche Unternehmen gemeinschaftlich betreiben. Daher sei die Beschwerdeführerin ver-pflichtet, die auf sie entfallenen Beiträge zur Alterskasse zu entrichten und sie hafte zugleich gesamtschuldnerisch nach § 70 Abs. 1 Satz 2 ALG für die Beiträge der mitarbeitenden Fami-lienangehörigen und ihres Ehegatten.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 30. April 2010 zugestellten Beschluss hat die Be-schwerdeführerin am 26. Mai 2010 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass von der in § 1 ALG geregelten Versicherungspflicht die in § 70 ALG angeordnete Zah-lungspflicht zu unterscheiden sei. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 ALG werde der Ehegatte eines Landwirts im Wege der Fiktion wie ein selbständiger Landwirt versichert. Sinn und Zweck dieser Regelung sei es, die Rechtsstellung der Ehegatten von Landwirten zu verbessern und ihnen eine soziale Absicherung zu ermöglichen. Es sei aber nicht beabsichtigt, einen weiteren Beitragsschuldner für sonstige Versicherungsbeiträge zu erhalten. Beitragsschuldner nach § 70 ALG könne nur der Landwirt im Sinne von § 1 Abs. 2 ALG sein.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 27. April 2010 aufzuheben und ihr unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. B. Prozesskostenhilfe zu be-willigen.

Die Beklagte macht geltend, dass es nach dem Wortlaut des § 70 Abs. 1 Satz 2 ALG unerheb-lich sei, ob die Landwirtseigenschaft aus § 1 Abs. 2 ALG oder § 1 Abs. 3 ALG resultiere.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte dieses Verfahrens, des Verfahrens L 6 R 549/10 B, die Prozessakten des So-zialgerichts (Az.: S 3 LW 4199/09 und S 3 R 905/10) und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, welche Gegenstand der Entscheidung waren.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH für das Verfahren vor dem SG.

Nach § 73a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Eine hinreichende Erfolgssaussicht liegt vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung den Beschwerde-führer zum Erfolg führen kann. Dies setzt voraus, dass das Gericht den Standpunkt des Be-schwerdeführers nach dessen Sachdarstellung und den vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweis-führung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für den Eintritt des angestrebten Erfolgs eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Dies ist hier nach summarischer Prüfung nicht der Fall.

Rechtsgrundlage für die Beitragstragungspflicht der Beschwerdeführerin ist § 70 Abs. 1 Satz 1 ALG. Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 ALG in der ab dem 1. August 2004 geltenden Fassung des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Renten-versicherung (BGBl I 2004 Seite 1791/1802) werden die Beiträge getragen nach Ziffer 1 bei Landwirten von ihnen selbst und nach Ziffer 2 bei mitarbeitenden Familienangehörigen von dem Landwirt in dessen Unternehmen sie tätig sind. Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 ALG haften Ehegatten, wenn beide Landwirte sind, gesamtschuldnerisch. Der Begriff "Landwirt" ist um-fassend zu verstehen. Er schließt nicht nur landwirtschaftliche Unternehmer im Sinne von § 1 Abs. 2 ALG, sondern grundsätzlich auch deren Ehegatten ein (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juli 2002 - Az.: B 10 LW 40/00 R zitiert nach Juris Rn.18). § 1 Abs. 3 ALG bestimmt, dass der Ehegatte eines Landwirts nach Abs. 2 als Landwirt gilt, wenn beide Ehegatten nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte nicht -unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage- voll erwerbsgemindert nach § 43 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) ist. Die Beschwerdeführerin erfüllt die Voraussetzung des § 1 Abs. 3 ALG. Ihr Ehemann, von dem sie nicht dauernd getrennt lebte, war im maßgeblichen Zeitpunkt landwirtschaftlicher Unterneh-mer im Sinne von § 1 Abs. 2 ALG. Anhaltspunkte für eine volle Erwerbsminderung nach Maßgabe des Rentenversicherungsrechts bestehen nicht. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es nicht darauf an, ob der Ehegatte tatsächlich im landwirtschaftlichen Unternehmen mitarbeitet. Dies ist für die Fiktion des § 1 Abs. 3 ALG unbeachtlich.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist ihr versicherungsrechtlicher Status im Rahmen des § 70 Abs. 1 Satz 2 ALG unerheblich. § 70 Abs. 1 Satz 2 ALG ordnet eine ge-samtschuldnerische Haftung bereits dann an, wenn beide Ehegatten Landwirte sind. Insoweit kann dahinstehen, ob die Beschwerdeführerin auch als Landwirtin im Sinne des § 1 Abs. 2 ALG anzusehen ist und ob die Beklagte ihr Bestimmungsrecht nach § 1 Abs. 3 Satz 5 ALG ausgeübt, und wenn ja in welchem Sinne ausgeübt hat. Für eine gesamtschuldnerische Haf-tung im Sinne von § 70 Abs. 1 Satz 2 ALG ist es ausreichend, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls als Landwirtin gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 ALG im Wege der gesetzlichen Fiktion gilt.

Dies verstößt nicht gegen den Sinn und Zweck des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte. Mit der Änderung des § 70 Abs. 1 Satz 2 ALG durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 21. Juli 2004 (BGBl I Seite 1791/1802) wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass eine gesamtschuld-nerische Haftung der Ehegatten auch dann greift, wenn nur einer der Ehegatten in der Alters-sicherung der Landwirte - aktiv - versichert ist. Die Klarstellung war als Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 25. Juli 2002 - Az.: B 10 LW 40/00 R) erforderlich geworden. Durch dieses Urteil war aus Sicht des Gesetzgebers die gesamtschuldnerische Haf-tung der Ehegatten in einer Weise eingeschränkt worden, die nach seinem Verständnis die Erreichung des Gesetzeszwecks in Frage stellte (vgl. BT - Drs. 15/2149 S.30). Dies belegt hinreichend, dass der Gesetzgeber nicht nur die soziale Absicherung des Ehegatten eines Landwirts verbessern, sondern diesen hinsichtlich der zu leistenden Beiträge auch in die Pflicht nehmen wollte.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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