L 5 AS 421/11 NZB

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 AS 1705/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 421/11 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 4. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Kläger wenden sich im vorliegenden Verfahren gegen die Nichtzulassung ihrer Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 4. Oktober 2011. Dieses hat ihre Klage gegen die Anrechnung einer Steuererstattung als Einkommen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit von Februar bis Juli 2011 abgewiesen.

Während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II hatten die Kläger mit Einkommensteuerbescheid vom 15. Oktober 2010 eine Steuererstattung in Höhe von 1.094,11 EUR erhalten. Der Beklagte hatte schon in dem bis Januar 2011 laufenden Bewilligungsabschnitt die Einkommensteuererstattung monatlich zu 1/12 als Einkommen angerechnet.

Auf den Weiterzahlungsantrag der Kläger bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 26. Januar 2011 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 24. Februar und 30. März 2011 Leistungen für die Zeit von Februar bis Juli 2011 und legte dabei als Einkommen der Kläger wiederum eine monatliche Steuerersparnis i.H.v. 91,18 EUR als Einkommen zugrunde. Den Widerspruch der Kläger, wonach sie das Geld verbraucht hätten, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2011 zurück.

Dagegen haben die Kläger fristgerecht Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben und geltend gemacht, bei einer erneuten Antragstellung müsse geprüft werden, ob das Einkommen verbraucht sei. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 4. Oktober 2011 abgewiesen. Die Einkommensteuererstattung sei Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 2 SGB II. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. September 2008 (B 4 AS 29/07 R) seien Einnahmen auch über den Bewilligungsabschnitt hinaus als Einkommen und nicht als Vermögen anzusehen. Ein Verbrauch des Einkommens könne nicht durch die Anschaffung von Gegenständen erfolgen. Das Gericht hat die Berufung als nicht zulässig angesehen und diese auch nicht zugelassen.

Dagegen haben die Kläger am 18. Oktober 2011 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Das Gericht sei von dem Urteil des BSG vom 30. September 2008 (a.a.O.) abgewichen. Es sei nicht zulässig, eine Einkommensteuererstattung auf zwölf Monate zu verteilen, wenn diese aufgrund ihrer Höhe bereits im laufenden Bewilligungsabschnitt zu verbrauchen gewesen wäre. Bei korrekter Anrechnung wäre die Einnahme bereits im Dezember 2010 verbraucht gewesen.

Auf einen rechtlichen Hinweis des Berichterstatters haben die Kläger weiter ausgeführt: Dem Beschluss des BSG vom 10. August 2009 (B 14 AS 53/09 B) sei nicht zu entnehmen, dass eine Anrechnung auf zwölf Monate grundsätzlich zulässig sei. Nach dem Urteil des BSG vom 30. September 2008 (a.a.O.) setzte eine Verteilung auf zwölf Monate voraus, dass zunächst ein Folgeantrag gestellt worden sei. Darüber hinaus sei eine Verteilung im Folgezeitraum nur möglich, wenn das Einkommen nicht aufgebraucht wurde. Dies wäre aber bei korrekter Verteilung im vorangegangenen Bewilligungsabschnitt der Fall gewesen. Verteilzeitraum sei nach dem genannten Urteil klar und deutlich der Bewilligungszeitraum.

Die Kläger beantragen nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 4. Oktober 2011 zuzulassen und das Verfahren als Berufungsverfahren fortzuführen.

Der Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er sieht keine Abweichung gegenüber dem Urteil des BSG vom 30. September 2008 (a.a.O). Danach sei jede Einnahme nach Antragstellung als Einkommen anzurechnen. Diese wandle sich nach dem Ende des Bewilligungszeitraums auch nicht in Vermögen um. Der Verteilzeitraum ende erst mit dem Ende der Hilfebedürftigkeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

1.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden.

Sie ist auch statthaft, da die Berufung nicht kraft Gesetzes zulässig ist.

Gemäß § 144 Abs. 1 SGG in der ab 1. April 2008 gültigen Fassung bedarf die Berufung der Zulassung in einem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR oder 2. bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Hier streiten die Beteiligten über die Bewilligung von höheren Leistungen nach dem SGB II für sechs Monate ohne Berücksichtigung einer Einkommensteuererstattung als Einkommen i.H.v. 91,18 EUR/Monat. Der streitbefangene Betrag von 547,08 EUR erreicht den maßgeblichen Wert des Beschwerdegegenstands von 750,00 EUR nicht.

2.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Berufung gegen sein Urteil zu Recht nicht zugelassen.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

a.
Der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt nicht vor, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sie ungeklärt ist und eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Dies ist hier nicht der Fall.

Nach § 2 Abs. 4 der hier maßgeblichen Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) vom 4. Mai 2010 sind einmalige Einnahmen "auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen". Nach der Rechtsprechung des BSG ist dabei allein zu beachten, dass die Versicherungspflicht der gesetzlichen Kranken- und Sozialpflegeversicherung erhalten bleibt (BSG, Urteil vom 30. September 2008, a.a.O., Rdnr. 35). Angesichts der gesetzlichen Regelung sowie der obergerichtlichen Rechtsprechung ist nicht erkennbar, dass der Rechtsstreit klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfragen aufwirft (so auch: BSG, Beschluss vom 10. August 2009, B 14 AS 42/09 B, Rdnr. 6).

Entgegen der Darstellung der Kläger hat sich das BSG in dem genannten Beschluss auch mit der Frage des Verteilzeitraums befasst. In dem dort streitgegenständlichen Fall war nämlich eine Abfindung für die Dauer von zwölf Monaten monatlich - bei Verbleib eines Leistungsanspruchs von mehr als einem Euro - angerechnet worden.

b.
Entgegen der Auffassung der Kläger weicht das sozialgerichtliche Urteil auch nicht von dem Urteil des BSG vom 30. September 2008 (a.a.O.) ab. Das Urteil enthält keinen Rechtssatz, wonach eine einmalige Einnahme nicht auf zwölf Monate verteilt werden darf, wenn durch eine zulässige höhere monatliche Anrechnung der Verbrauch bereits im laufenden Bewilligungsabschnitt eingetreten wäre. Wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, misst das BSG dem Bewilligungszeitraum für sich allein genommen für die Begrenzung des Verteilzeitraums keine eigenständige Bedeutung zu (BSG, a.a.O., Rdnr. 27, 28). Vielmehr hat es ausgeführt, dass eine "Einkommensteuererstattung ohne die Grenze eines Bewilligungszeitraums oder neuen Antrags grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen war. Der "Verteilzeitraum" i.S.v. § 2 Abs. 3 Alg II-V erstreckt sich über beides hinweg". Nur solange für einen neuen Bewilligungszeitraum noch kein Leistungsantrag gestellt sei, sei der Leistungsträger an einer über den laufenden Bewilligungszeitraum hinausgehenden Verteilung gehindert. Entgegen der Meinung der Kläger lässt sich dem Urteil des BSG auch nicht entnehmen, dass Voraussetzung für eine Verteilung auf zwölf Kalendermonate eine bereits erfolgte Stellung eines Fortzahlungsantrags wäre.

c.
Einen Verfahrensfehler i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG haben sie Kläger nicht geltend gemacht.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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