L 4 P 1946/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 P 2907/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 1946/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 25. November 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klage wegen des Bescheids vom 27. März 2009 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Änderung der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III in Pflegestufe II mit Wirkung ab 01. Januar 2007 sowie in die Pflegestufe I mit Wirkung ab 01. Mai 2009.

Der am 1996 geborene Kläger, zunächst bei der AOK Allgäu-Oberschwaben, später bei verschiedenen Rechtsvorgängerinnen der jetzigen Beklagten, nunmehr über seine Mutter bei der Beklagten familienpflegepflichtversichert, wurde in der 34. Schwangerschaftswoche geboren. Er leidet an einer spastischen beinbetonten Tetraparese wegen der im Bereich der unteren Extremitäten des Klägers bereits mehrere Operationen durchgeführt wurden, einer kognitiven und sprachlichen Entwicklungsretardierung, einem komplexen Herzfehler, der bereits mehrfach operiert wurde, einem cerebralen Anfallsleiden und an einer Fehlsichtigkeit. Der Kläger besuchte zunächst einen Behindertenkindergarten und seit 28. September 2004 eine Schule für körperbehinderte Kinder, zu der er mit einem Fahrschuldienst gebracht und wieder abgeholt wird und in der Krankengymnastik, Ergotherapie und Logopädie durchgeführt werden.

Die AOK Allgäu-Oberschwaben bewilligte dem Kläger ab dem Jahr 1998 Pflegegeld nach der Pflegestufe I und ab dem Jahr 1999 Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Hierbei verblieb es auch nach dem Wechsel des Klägers zur BKK Voith & Partner. Seit 01. September 2002 ist der Kläger bei der Betriebskrankenkasse Fahr - Pflegekasse - (eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, im Folgenden einheitlich: Beklagte) versichert, die ihm zunächst ebenfalls Pflegegeld nach der Pflegestufe II und ab 01. Januar 2003 nach der Pflegestufe III bewilligte (Bescheid vom 20. Januar 2003). Dem zugrunde lag das Gutachten des Dr. H., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), vom 15. Januar 2003. Er schätzte, insbesondere nachdem der Kläger noch nicht frei stehen und gehen konnte und eine vollständige Harn- und Stuhlinkontinenz sowie nach wie vor häufige nächtliche Unruhezustände bestanden, den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit 242 Minuten (332 Minuten (Körperpflege 104 Minuten, Ernährung 110 Minuten, Mobilität 118 Minuten) abzüglich 90 Minuten für ein gesundes gleichaltriges Kind).

Nachdem der von der Mutter des Klägers geschiedene Vater der Beklagten mit Schreiben vom 27. August 2006 mitgeteilt hatte, dass der Kläger sehr große gesundheitliche Fortschritte gemacht habe und seiner Meinung nach deshalb die Pflegestufe III nicht mehr gerechtfertigt sei, erstattete auf Veranlassung der Beklagten Pflegefachkraft Schneider, MDK, das Gutachten vom 03. Dezember 2006. Darin wurde u.a. ausgeführt, dass eine Verbesserung hinsichtlich der Mobilität eingetreten sei. Das Gangbild des Klägers sei noch ataktisch und nicht immer sicher. Innerhalb der Wohnung gehe der Kläger jedoch selbstständig mit Halten an Wänden und Möbeln, wobei er teilweise zu Boden falle. Eine ständige Beaufsichtigung und Unterstützung beim Gehen sei aber nicht mehr erforderlich. Wegen feinmotorischer Störungen beidseits müsse die mundgerechte Zubereitung der Nahrung komplett übernommen werden. Der Kläger esse überwiegend mit den Händen, weshalb das Mittagessen eingegeben werde. Frühstück und Abendessen könne der Kläger selbständig einnehmen. Schluckstörungen könnten nicht mehr festgestellt werden. Derzeit versuche man ohne Windeln auszukommen. Dies könne tageweise klappen, dann komme es wieder bis zu fünf- bis sechsmaligem Einnässen. Nachts erfolge auf jeden Fall ein Windelwechsel gegen 23:00 Uhr und erneut um 2:30 Uhr. Stuhldrang melde der Kläger überwiegend, im Schnitt kote er aber noch zwei- bis dreimal pro Woche ein. Die Gutachterin kam zu einem geschätzten täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege von 145 Minuten (Körperpflege 56 Minuten, Ernährung 48 Minuten, Mobilität 41 Minuten).

Ohne vorherige Anhörung bewilligte die Beklagte dem Kläger hierauf mit Bescheid vom 19. Dezember 2006 ab 01. November 2006 nur noch Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Im Bescheid führte sie aus, der Kläger beziehe seit 01. Januar 2003 Leistungen aus der Pflegeversicherung in der Pflegestufe III. Am 27. November 2007 habe der MDK eine Nachbegutachtung durchgeführt. Im Rahmen dieser Nachuntersuchung sei festgestellt worden, dass sich der Pflegebedarf verringert habe. Aus diesem Grund erhalte der Kläger ab dem 01. November 2006 Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Die eingetretene Überzahlung werde mit den Zahlungen für die Monate Januar und Februar 2007 verrechnet.

Der Kläger vertrat die Auffassung, dass bei ihm auch weiterhin die Pflegestufe III vorliege, was die Beklagte als Widerspruch ansah. Hierauf forderte die Beklagte vom Kläger Angaben zu seinem Hilfebedarf an, worauf seine Mutter den Hilfebedarfermittlungsbogen vom 10. Januar 2007 und den Arztbrief des Augenarztes Dr. R. vom 19. Oktober 2006 vorlegte. Die Beklagte erhob sodann das Gutachten der Pflegefachkraft St., MDK, vom 02. März 2007. Er schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege im Vergleich zu einem gesunden Kind auf 165 Minuten (Körperpflege 80 Minuten, Ernährung 47 Minuten und Mobilität 38 Minuten). Der Hilfebedarf habe sich deutlich verringert. Der Kläger stehe und gehe innerhalb der Wohnung meist selbstständig. Bei Bedarf halte er sich am Mobiliar fest. Er könne die Arme nach oben anheben und nach vorne ausstrecken, die Bewegungen seien jedoch ataktisch. Die Funktionsgriffe seien endgradig eingeschränkt. Frühstück und Abendessen nehme er mit den Händen zu sich, Mittagessen werde ihm meist gegeben. Trinken aus dem Glas sei ihm selbständig möglich. In der Nacht sei er mit Windeln versorgt. Tagsüber werde er derzeit zur Sauberkeit erzogen. Daher seien vermehrte Toilettengänge erforderlich. Er trage Hosen mit Gummizug. Beim Hochziehen benötige er Hilfe. Seine Hände und sein Gesicht könne er jetzt selbstständig waschen. Zeiten für Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung entfielen komplett. Auf die hierauf erfolgte Anhörung der Beklagten trug der Kläger vor, dass sich sein Gesundheitszustand nicht entscheidend verbessert habe. Er regte an, ein Attest bei dem Kinderarzt Dr. S. einzuholen. Die Beklagte hörte hierauf Dr. S., der unter dem 22. Mai 2007 mitteilte, dass dem Kläger An- und Ausziehen sowie Körperpflege mit Zähneputzen nicht möglich sei. Beim Essen könne er vorgefertigte Stücke der Nahrung in den Mund schieben. Trinken könne er selbständig. Alleine Treppengehen sei ihm nicht möglich. Zuverlässig trocken und stuhlkontinent sei er ebenfalls nicht. Dr. S. fügte Arztbriefe des PD Dr. A., O.-klinik R. vom 15. April 2003, der den Kläger im Zusammenhang mit einem KR.anfall im Februar 2003 behandelt hatte, des Kinderarztes/Kinderkardiologen Dr. He. vom 07. April 2004 über eine kardiologische Untersuchung, des Dr. N., U.-klinikum U., Abteilung und Poliklinik für Orthopädie vom 09. Februar 2005, wonach der Kläger alleine ohne Stöcke laufen könne, des Dr. K., O.-klinik R., vom 19. September 2006 über ein Langzeit-EKG, des Prof. Dr. Ho., U.-klinikum T., Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, vom 20. November 2006 über eine durchgeführte Herzkatheteruntersuchung und Angiokardiographie und der Orthopädin Dr. Str., U.-klinik U., Abteilung für Orthopädie vom 07. März 2007 bei. In dem im Anschluss daran von der Beklagten veranlassten Kurzgutachten der Pflegefachkraft St. vom 13. Juni 2007 führte dieser aus, dass sich aufgrund des Attestes von Dr. S. und den von ihm beigefügten Arztbriefen keine neuen Erkenntnisse ergäben. Der Hilfebedarf beim An- und Ausziehen, bei der Körperpflege mit Zähneputzen, im Bereich der Nahrungsaufnahme und bei den häufigen Toilettengängen sei in seinem Gutachten vom 02. März 2007 in vollem Umfang berücksichtigt worden.

Mit Bescheid vom 20. August 2007 zahlte die Beklagte dem Kläger den Differenzbetrag des Pflegegelds der Pflegestufe II zur Pflegestufe III für die Monate November und Dezember 2006 nach, da versehentlich eine Veränderung der Zahlung des Pflegegeldes bereits zum 01. November 2006 und damit für die Monate November und Dezember 2006 für die Vergangenheit vorgenommen worden sei. Nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dürften Veränderungen, die zum Nachteil des Versicherten gemacht würden, erst für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit durchgeführt werden. Eine Veränderung sei damit erst ab 01. Januar 2007 zulässig. Im Übrigen wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2007 zurück. In seinen Gutachten habe der MDK festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Pflegestufe II vorlägen. Die Mobilität des Klägers habe sich ebenso wie die Nahrungsaufnahme im Vergleich zur ersten Einstufung verbessert. Der Kläger könne innerhalb der Wohnung teilweise selbstständig gehen und stehen. Auch bestünden keine Schluckstörungen mehr. Zwischenzeitlich könne sich der Kläger auch selbstständig die Hände waschen. Der Hilfebedarf für das An- und Auskleiden und das Zähneputzen sei vollständig berücksichtigt worden. Auch im Bereich der Nahrungsaufnahme seien umfassende Hilfestellungen zeitlich gewürdigt worden. Hilfe bei den häufigen Toilettengängen seien ebenfalls berücksichtigt. Der Zeitaufwand für die Grundpflege betrage 165 Minuten und liege damit im Zeitlimit der Pflegestufe II.

Der Kläger erhob am 23. Oktober 2007 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG). Entgegen der Auffassung der Beklagten liege bei ihm weiterhin die Pflegestufe III vor. Er könne nach wie vor weder richtig stehen noch gehen. Darüber hinaus bestehe bei ihm ein schweres Augenleiden. Seit November 2006 sei es bei ihm zu keiner Verbesserung seines Gesundheitszustands gekommen. Er sei derart schwer sowohl körperlich als auch geistig behindert, dass eine Betreuung durch seine Mutter im Umfang von täglich mehr als 240 Minuten geboten und erforderlich sei. Dem Gutachten von Dr. Kr. (hierzu im Folgenden) könne nicht gefolgt werden, da dieses nach Aktenlage erstattet worden sei. Es enthalte auch keinerlei fundierte Daten bzw. neue Erkenntnisse, die den Schluss zuließen, dass bei ihm ab November 2006 nur noch die Pflegestufe II vorliegen solle. Das Gutachten von Dr. Roe. (hierzu im Folgenden) sei teilweise unrichtig und unvollständig. Der Sachverständige habe sich nicht mit der recht erheblichen Ferienzeit auseinandergesetzt. Darüber hinaus habe es sich so verhalten, dass er, der Kläger, am Untersuchungstag außerordentlich zuvorkommend und freundlich gewesen sei, dies sei jedoch nicht repräsentativ. Außerdem habe der Gutachter fälschlicherweise festgestellt, dass er während der Begutachtung kein einziges Mal die Toilette aufgesucht habe. Tatsächlich habe er sehr wohl auch während der Anwesenheit des Sachverständigen die Toilette aufsuchen müssen. Der Hilfebedarf und die Zeitfeststellung seien in Wirklichkeit weit höher einzustufen. Er legte die von Dr. S. über ihn geführte Karteikarte für die Zeit vom 03. Juli 1997 bis 16. Oktober 2007, Arztbriefe des PD Dr. Ri., R.-krankenhaus U., vom 18. November 2003 und 04. August 2004, des Dr. E., R.-krankenhaus U. vom 01. März 2004 und 04. Oktober 2004, ein Attest des Dr. S. vom 26. Januar 2009 und ein Schreiben seiner Klassenlehrerin und seiner Ergotherapeutin vom Körperbehinderten-Zentrum O. vom 20. Januar 2009 zum Stand seiner Selbstständigkeit (nicht selbstständig An- und Ausziehen, nicht selbstständig sicher einige Meter frei Gehen, nicht selbstständig Waschen, Duschen, Zähneputzen, Säubern der Toilette, nachts Windelbedarf) sowie eine Stellungnahme zu seiner Betreuungssituation von Mitarbeitern der S. J. Behindertenhilfe GmbH auf der Grundlage von Beobachtungen anlässlich von Kurzzeitaufenthalten in der Einrichtung vom 29. Januar 2009 (sehr hoher Betreuungs- und Aufsichtsbedarf, umfassende Begleitung im Bereich der Körperpflege, selbstständiges Einnehmen von Mahlzeiten) vor.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage des Kurzgutachtens des Dr. Kr., MDK, vom 13. Juni 2008, wonach neue Erkenntnisse aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. S. vom 26. Februar 2008 (hierzu im Folgenden) nicht zu gewinnen und die bestehende Pflegestufe II zu bestätigen sei, und des Gutachtens der Pflegefachkraft Ba., MDK, vom 20. Januar 2009 entgegen. Pflegefachkraft Ba. gelangte in seinem Gutachten zu einem täglichen Zeitaufwand für die Grundpflege von nur noch 84 Minuten (Körperpflege 40 Minuten, Ernährung 16 Minuten, Mobilität 28 Minuten). Er führte aus, dass eine weitere Selbstständigkeit eingetreten sei. Die körperhygienischen Verrichtungen müssten nicht mehr vollständig übernommen werden. Es sei ausreichend, dass eine Betreuungsperson anwesend sei und den Kläger intensiv anleite. Er könne die Verrichtungen teilweise selbst übernehmen. Die Nahrungsaufnahme sei sehr selbstständig möglich. Mit Ausnahme von seltenem nächtlichen Einnässen, weshalb er nachts noch mit Windeln versorgt werde, sei der Kläger kontinent.

Das SG hörte Dr. S. als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte unter dem 26. Februar 2008 mit, dass sich der Kläger weder alleine anziehen noch Schuhe binden könne. Das Essen müsse ihm mundgerecht vorbereitet werden, damit er es sich alleine zuführen könne. Er könne alleine eine Strecke von ca. 200 Metern gehen, Treppenlaufen sei ihm nicht alleine möglich. Tagsüber und auch nachts habe er noch keine zuverlässige Sauberkeit erlangt und müsse deshalb mit Windeln versorgt werden. Nachts wache er nach Angaben der Mutter immer noch zwei- bis dreimal auf und werde dann frischgemacht. Seit Ende 2006 sei keine Befundänderung eingetreten.

Im Auftrag des SG erstattete Dr. Roe., Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Kinder- und Jugendmedizin, das Gutachten vom 31. Oktober 2008. Er schätzte einen täglichen Zeitbedarf für die Verrichtungen der Grundpflege von 84 Minuten (Körperpflege 51 Minuten, Ernährung 15 Minuten, Mobilität 18 Minuten). Pflegebegründende Diagnosen seien eine geistige Behinderung, eine Gangstörung und beinbetonte Koordinationsstörungen bei beinbetonter Tetraparese und eine Enuresis (Einnässen), vorwiegend in Form einer Enuresis nocturna. Ausschlaggebend für den Hilfebedarf sei einerseits die geistige Behinderung und daneben die neurologischen Störungen und dadurch hervorgerufene motorische Beeinträchtigungen, darunter führend die Koordinationsstörungen. Dies erfordere Hilfe bei Verrichtungen im Bereich der Körperpflege und teilweise im Bereich der Mobilität, insbesondere beim Bekleiden. Intimhygiene nach dem Stuhlgang sei ebenso wie Windelwechsel ein- bis zweimal täglich erforderlich, nach dem Toilettengang müsse zehnmal täglich die Kleidung gerichtet werden. Die Nahrungsaufnahme könne mehrheitlich selbständig vorgenommen werden. Gegenüber dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. H. im Jahr 2003 sei eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustands des Klägers und im Zusammenhang damit auch eine Abnahme des Hilfebedarfs eingetreten. Der Kläger könne jetzt innerhalb der Wohnung (in begrenztem Umfang auch außerhalb) selbstständig und frei gehen und sich fortbewegen. Aufstehen vom Stuhl oder vergleichbaren Sitzgelegenheiten und Hinsetzen seien selbstständig möglich. Auch Aufstehen und Zu-Bett-Gehen könne jetzt bei Benutzung eines Bettes, dessen Liegefläche sich in Höhe eines Stuhlsitzes befinde, völlig selbstständig vorgenommen werden. Auch beim An- und Ausziehen bestehe durch die Erlangung der teilweise freien Stehfähigkeit ein geringerer Hilfebedarf. Als Zeitpunkt der Besserung seien die orthopädischen Operationen im November 2003 und Juli 2004 dokumentiert. Die Abnahme des Pflegebedarfs im Bereich der Mobilität lasse sich unmittelbar auf die Operationsergebnisse zurückführen. Zu vielen Einzelfähigkeiten, die im Gutachten von Dr. H. zwar nicht expressis verbis aufgeführt worden seien, sei zusätzlich eine Besserung, korrekter eine Entwicklung von Fähigkeiten, eingetreten. Dies werde vor dem Hintergrund plausibel, dass beim Kläger mit der geistigen Behinderung die Ausbildung vieler Fähigkeiten nicht verhindert, sondern verzögert sei. Entsprechend habe der Kläger derartige Fähigkeiten zwischenzeitlich zwar erworben, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt als regulär. Der Hilfebedarf von 84 Minuten gelte für den Zeitpunkt der heutigen Begutachtung. Der im Januar 2007 noch erforderliche Hilfebedarf sei mit 20 vom Hundert (v. H.) über dem heutigen anzusetzen. Dies bedeute einen Zeitbedarf von 101 Minuten täglich für die Grundpflege im Januar 2007. Dr. Roe. fügte seinem Gutachten neben bereits vom Kläger vorgelegten Arztbriefen die Arztbriefe des Dr. N., U.-klinikum U., vom 03. März 2006 und 11. September 2008, des Prof. Dr. Ho., U.-klinikum T. vom 06. September 2006, des Dr. K., Oberschwabenklinik R., vom 28. September 2006 und 10. Juli 2007, des Dr. R., Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses N. W., vom 27. September 2007 und der Orthopädin Dr. Str. vom 06. Dezember 2007 bei.

Gestützt auf das von Pflegefachkraft Ba. erstattete Gutachten nahm die Beklagte nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 27. März 2009 eine weitere Rückstufung des Klägers in die Pflegestufe I mit Wirkung ab 01. Mai 2009 vor. Der Gutachter sei zu dem Schluss gekommen, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers soweit verbessert habe, dass bei ihm die Pflegestufe I vorliege. Der Hilfebedarf habe sich in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität pflegestufenrelevant verändert. Er betrage jetzt durchschnittlich 84 Minuten pro Tag. Über den vom Kläger dagegen erhobenen Widerspruch hat die Beklagte noch nicht entschieden.

Mit Urteil vom 25. November 2009 wies das SG, das die Auffassung vertrat, dass der Bescheid vom 27. März 2009 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden sei, die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe über den 31. Dezember 2006 hinaus keinen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe III. In den Verhältnissen, die für die Bewilligung von Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe III maßgeblich gewesen seien, sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Der Pflegeaufwand, der für die Zuerkennung der Pflegestufe III maßgeblich gewesen sei, habe sich in einem Maße verringert, dass (mindestens) seit 01. Januar 2007 nur noch die Voraussetzungen für Leistungen nach Pflegestufe II erfüllt seien. Dies ergebe ein Vergleich der Fähigkeiten und Defizite des Klägers in Bezug auf Verrichtungen der Grundpflege, die nach den Feststellungen von Pflegefachkraft St. (im März 2007) und Dr. Roe. (im Oktober 2008) vorgelegen hätten, mit denjenigen, die Dr. H. in seinem Gutachten vom 15. Januar 2003 beschrieben habe (und die Grundlage für die Bewilligung von Pflegestufe III gewesen seien). Dass sich der Pflegeaufwand in allen Bereichen der Grundpflege deutlich verringert habe, sei zum einen Resultat fortschreitender - wenn auch gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind verzögerter - Entwicklung, zum anderen auf die orthopädischen Operationen in den Jahren 2003 und 2004 mit anschließender Rehabilitation zurückzuführen. Stichhaltige Einwände gegen das Gutachten von Dr. Roe. seien nicht vorgebracht worden. In Anbetracht des von Dr. Roe. minutiös ermittelten Zeitaufwands von insgesamt 84 Minuten im Bereich der Grundpflege könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger, wie vorgetragen, am Tag der Untersuchung in - untypisch - guter Verfassung gewesen sei. Denn auch wenn die von Dr. Roe. ermittelten Zeiten mit einem deutlichen "Zuschlag" versehen würden, um den durchschnittlich bestehenden Pflegeaufwand abzubilden, wäre der für die Pflegestufe III zu fordernde Zeitaufwand von mindestens vier Stunden täglich für die Grundpflege ersichtlich nicht erreicht. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung des Attestes von Dr. S. vom 26. Januar 2009, der "Stellungnahme zur Betreuungssituation" vom 29. Januar 2009 und der Bescheinigung des Körperbehinderten-Zentrums vom 20. Januar 2009.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 26. März 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. April 2010 Berufung eingelegt. Er könne weder das Gutachten der Pflegefachkraft Ba. vom 20. Januar 2009 noch der Pflegefachkraft Be. vom 17. August 2011 (hierzu im Folgenden) akzeptieren. Gegen das Gutachten der Pflegefachkraft Be. sei einzuwenden, dass lediglich ein zweimaliges Duschen pro Woche zugrundegelegt worden sei. Dies sei falsch und überhaupt nicht nachvollziehbar. Es sei häufigeres Duschen erforderlich. Ähnliches gelte auch hinsichtlich der weiteren bei der Körperpflege im einzelnen aufgeführten Tätigkeiten. Die Zeitangaben seien völlig unzureichend und unrealistisch. Im Übrigen habe die Gutachterin Be. nach der Untersuchung seiner Mutter mitgeteilt, dass er mindestens in die Pflegestufe II gehöre und sie, die Gutachterin, davon ausgehe, dass sich der Pflegebedarf zukünftig noch erhöhe. Telefonisch sei seiner Mutter von der Beklagten mitgeteilt worden, dass ein erstes durch die Gutachterin Be. erstelltes Gutachten vom MDK nicht anerkannt worden sei, sodass ein zweites Gutachten erstellt worden sei. Seit August 2010 führe er zusätzlich eine Reittherapie durch, die Fahrten würden von seiner Mutter durchgeführt. Für das An- und Ausziehen der seit Oktober 2010 verordneten Oberschenkelorthesen würden jeweils ca. 15 Minuten benötigt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 25. November 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2006 in der Fassung des Abänderungsbescheids vom 20. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2007 sowie den Bescheid vom 27. März 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage wegen des Bescheids vom 27. März 2009 abzuweisen.

In den Jahren 2006 bis 2009 seien sechs Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Klägers angefertigt worden. Danach lägen die Voraussetzungen für die vom Kläger beantragte Pflegestufe III mit einem Grundpflegebedarf von 240 Minuten täglich über den 31. Dezember 2006 hinaus augenscheinlich nicht vor. Der Kläger sei pflegebedürftig entsprechend der Pflegestufe I. Ergänzend hat die Beklagte die sozialmedizinische Fallberatung zur Einstufung in die Pflegeversicherung des Dr. Kr., MDK, vom 21. Juni 2010, wonach die Pflegestufe I zu bestätigen und eine weitere Änderung der tatsächlichen Verhältnisse bezogen auf den Hilfebedarf nicht zu erwarten sei, sowie das weitere von ihr veranlasste Gutachten der Pflegefachkraft Be., MDK, vorgelegt. Die Gutachterin hat in ihrem Gutachten vom 17. August 2011 aufgrund einer Untersuchung am 28. Juni 2011 einen täglichen Hilfebedarf bei der Grundpflege von 92 Minuten (Körperpflege 61 Minuten, Ernährung 15 Minuten, Mobilität 16 Minuten) festgestellt. Der Hilfebedarf sei nahezu unverändert. Laut Aussage der Mutter habe sich das Gangbild des Klägers im letzten Jahr leicht verschlechtert. Durch Hilfsmittel wie Rollator und Rollstuhl könne der Kläger bei zunehmender Müdigkeit ab der Mittagszeit seine zunehmende Gangunsicherheit jedoch kompensieren. Seit einigen Monaten nässe und kote er gelegentlich ohne erkennbaren Grund wieder ein ... Der Senat hat Dr. N., Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm, als sachverständigen Zeugen gehört. Dr. N. hat unter dem 18. April 2011 ausgeführt, dass es im Jahr 2010 zu einer Verschlechterung des Gangbildes des Klägers aufgrund zunehmender Kontrakturen an beiden unteren Extremitäten gekommen sei, weshalb der Kläger zuletzt zunehmend nur noch im Rollstuhl mobilisierbar gewesen sei. Zur Verbesserung der Steh- und Gehfähigkeit seien Unterschenkelorthesen verordnet worden.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2006 in der Fassung des Abänderungsbescheids vom 20. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2007. Diese Bescheide hat der Kläger mit der Klage angefochten. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2006 in der Fassung des Abänderungsbescheids vom 20. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2007 hat die Beklagte die mit Bescheid vom 20. Januar 2003 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III mit Wirkung zum 01. Januar 2007 teilweise aufgehoben und ab diesem Zeitpunkt nur noch Pflegegeld nach der Pflegestufe II bewilligt. Obwohl dies ausdrücklich in den genannten Bescheiden so nicht verfügt worden ist, lässt sich dies mit gerade noch hinreichender Bestimmtheit den genannten Bescheiden entnehmen, nachdem im Bescheid darauf hingewiesen wurde, dass der Kläger seit 01. Januar 2003 Leistungen aus der Pflegeversicherung in der Pflegestufe III beziehe und im Rahmen der Nachuntersuchung festgestellt worden sei, dass sich der Pflegebedarf verringert habe und aus diesem Grund nunmehr nur noch Pflegegeld in der Pflegestufe II entrichtet werde und im Bescheid vom 20. August 2007 auch als Rechtsgrundlage § 48 SGB X genannt wurde (zu den Anforderungen an die Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld siehe z.B. Urteil des erkennenden Senats vom 05. März 2010 - L 4 P 4773/08 - in Juris).

Gegenstand des Rechtsstreits nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wurde weiter der Bescheid der Beklagten vom 27. März 2009, über den der Senat auf Klage entscheidet. Denn der Bescheid vom 27. März 2009 ändert den Bescheid vom 19. Dezember 2006 in der Fassung des Abänderungsbescheids vom 20. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2007 insoweit ab, als die in diesen Bescheiden ab 01. Januar 2007 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II ab 01. Mai 2009 aufgehoben und ab diesem Zeitpunkt Pflegegeld nur noch nach der Pflegestufe I bewilligt wurde. Dies lässt sich ebenfalls zwar nicht ausdrücklich aus diesem Bescheid entnehmen, ergibt sich aber daraus, dass die Beklagte im Bescheid darauf hinweist, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers ausweislich des vierten Gutachtens des MDK vom 20. Januar 2009 verbessert habe, weshalb das Pflegegeld nicht in der höheren Pflegestufe auszuzahlen sei und ab 01. März 2009 Pflegegeld der Pflegestufe I gewährt werde. Dieser Bescheid ist bereits Gegenstand des Klageverfahrens geworden, sodass über diesen Bescheid an sich bereits das SG hätte entscheiden müssen. Dies ist unterblieben, weil das SG davon ausging, dass dieser Bescheid vom 27. März 2009 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden sei. Für einen solchen Fall der unterbliebenen Entscheidung durch das SG ist durch die Rechtsprechung anerkannt, dass das Berufungsverfahren auch über den gemäß § 96 Abs. 1 SGG erweiterten Streitgegenstand zu entscheiden hat (Bundessozialgericht - BSG - SozR 4-1500 § 96 Nr. 4). Da der Bescheid vom 27. März 2009 Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, bedurfte es keines Vorverfahrens nach § 78 SGG (BSG SozR Nr. 16 zu § 96 SGG). Ein dennoch - wie hier - erhobener Widerspruch ist unzulässig.

Gegen diese Bescheide kann sich der Kläger jeweils nur mit der reinen Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG wenden. Denn mit der Aufhebung der Bescheide bleibt die in dem genannten ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 20. Januar 2003 enthaltene Verfügung über die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III wirksam und die Beklagte wäre verpflichtet, diese bewilligte Leistung auch für die Zeit ab 01. Januar 2007 zu zahlen. Eine daneben erhobene Leistungsklage ist deshalb unzulässig, weil ihr das Rechtsschutzinteresse fehlt (vgl. z.B. BSG SozR 4100 § 119 Nr.11).

Die gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers und auch die Klage sind zulässig. Die Berufung ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Denn streitig sind höhere Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers hinsichtlich des Bescheids vom 19. Dezember 2006 in der Fassung des Abänderungsbescheids vom 20. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2007 ist jedoch nicht begründet (dazu 1.). Die Klage wegen des Bescheids vom 27. März 2009 ist ebenfalls nicht begründet (dazu 2.).

1. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2006 in der Fassung des Abänderungsbescheids vom 20. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2007 ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Herabstufung des Pflegegeldes von Pflegestufe III in Pflegestufe II zum 01. Januar 2007 ist § 48 SGB X. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren. Ein solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet bzw. inhaltlich verändert (vgl. z.B. BSG SozR 1300 § 45 Nr. 6; SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG SozR 4-1300 § 48 Nr. 6).

Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen vor dem Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2006 in der Fassung des Abänderungsbescheids vom 20. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2007 erfolgte im Januar 2003 mit der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III, so dass dies der maßgebliche Vergleichszeitpunkt und maßgebliches Vergleichsgutachten das Gutachten des Dr. H. vom 15. Januar 2003 ist.

Gegenüber diesem maßgeblichen Zeitpunkt ist ab 01. Januar 2007 eine wesentliche Änderung eingetreten.

Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI). Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI Personen, die in denselben Bereichen täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Bei Kindern ist für die Zuordnung der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend (§ 15 Abs. 2 SGB XI). Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen, und in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 2, 3 SGB XI).

Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).

Bei der Prüfung, ob die Aufhebung der Bewilligung zu Recht erfolgte, ist bei der reinen Anfechtungsklage die Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt maßgebend, in dem der angefochtene Verwaltungsakt erlassen worden ist (vgl. z.B. BSG SozR 3-1500 § 54 Nr.18). Dies ist mit Blick auf die Absenkung der Pflegestufe III auf die Pflegestufe II der Erlass des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2007. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt betrug der Hilfebedarf des Klägers im Bereich der Verrichtungen der Grundpflege nicht mehr mindestens 240 Minuten. Dies entnimmt der Senat - wie das SG - den Gutachten der Pflegefachkraft St. vom 02. März 2007 sowie des Sachverständigen Dr. Roe. vom 31. Oktober 2008. Eine weitere Bestätigung findet diese Einschätzung darüber hinaus in dem Gutachten der Pflegefachkraft Schneider vom 03. Dezember 2006.

Der Kläger leidet an einer spastischen beinbetonten Tetraparese, einer kognitiven und sprachlichen Entwicklungsretardierung, einem bereits mehrfach operierten komplexen Herzfehler, einem cerebralen Anfallsleiden, wobei der letzte Anfall ausweislich der Akten letztmals im Februar 2003 auftrat, und an einer Fehlsichtigkeit. Im Zusammenhang damit stand beim Kläger zunächst eine vollständige Harn- und Stuhlinkontinenz. Ab dem Jahr 2006 fand insoweit ein Sauberkeitstraining statt, das zumindest bis Oktober 2008 vermehrte Toilettengänge erforderlich machte. Nachts wird der Kläger weiterhin mit Windeln versorgt. Die Tetraparese wirkt sich auf die Mobilität des Klägers aus, wobei sich diese aufgrund der durchgeführten Operationen nach und nach verbesserte. Zumindest ab Dezember 2006 geht der Kläger innerhalb der Wohnung selbstständig mit Festhalten an Wänden und Möbeln, wobei er zu Beginn teilweise noch zu Boden fiel. Dies ergibt sich aus den Gutachten der Pflegefachkräfte Schneider vom 03. Dezember 2006 und St. vom 02. März 2007 sowie dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Roe. vom 31. Oktober 2008. Sowohl die Gutachter Schneider und St. als auch der Sachverständige Dr. Roe. und nachfolgend Dr. Kr. in seinem Kurzgutachten vom 13. Juni 2008 gingen in ihren Gutachten von einer positiven Entwicklung des Klägers insbesondere hinsichtlich der Mobilität und beim Essen und Trinken, aber auch - so explizit insbesondere Dr. Roe. - der geistigen Entwicklung aus. Dem folgt der Senat. Denn die Gutachter und der Sachverständige haben schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass der Kläger aufgrund der durchgeführten orthopädischen Operationen sich nunmehr innerhalb der Wohnung und in begrenztem Umfang auch außerhalb selbstständig und frei fortbewegen kann und sich selbstständig von einem Stuhl erheben und wieder hinsetzen kann. Aufgrund seiner fortschreitenden Entwicklung benötigt er zumindest ab dem Jahr 2007 nur noch nachts Windeln und kommt tagsüber - wenn auch mit deutlich vermehrten Toilettengängen und anfänglich noch zu konstatierendem Einnässen - ohne Windeln aus. Auch ursprünglich bestehende Schluckstörungen können zumindest ab dem Jahr 2006 nicht mehr festgestellt werden. Der Kläger nimmt Frühstück und Abendessen mittlerweile selbstständig ein. Trinken aus dem Glas ist ihm ebenso wie Hände- und Gesichtwaschen zwischenzeitlich ebenfalls selbstständig möglich. Die Besserung wird bestätigt durch den Arztbrief des Dr. N. vom 09. Februar 2005. Danach konnte der Kläger alleine ohne Stöcke laufen. Im Einklang damit steht auch der Bericht des Dr. S. vom 22. Mai 2007, der mitteilte, dass dem Kläger Trinken selbstständig möglich sei, er beim Essen vorgefertigte Stücke der Nahrung in den Mund schieben könne, ihm - nur - das alleinige Treppengehen nicht möglich sei und er nicht zuverlässig trocken und stuhlkontinent sei.

Unter Berücksichtigung der Verminderung des Pflegebedarfs beträgt der Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege ab 01. Januar 2007 weniger als 240 Minuten täglich. Dies ergibt sich ebenfalls aus den Gutachten der Pflegefachkräfte Schneider (145 Minuten), St. (165 Minuten) und des Dr. Roe. (101 Minuten). Diese Schätzungen des Zeitbedarfs für die Hilfe bei einzelnen Verrichtungen sind aufgrund der zuvor genannten erhobenen Befunde und der sich hieraus ergebenden Einschränkungen plausibel und keineswegs grob fehlerhaft, so dass sie der Senat seiner Entscheidung zugrundelegt. Die Differenzen erklären sich mit der nicht immer gleichen Tagesform des Klägers und der Tatsache, dass Dr. Roe. im Oktober 2008 eine rückwirkende Einschätzung des Pflegebedarfs des Klägers im Januar 2007 vornahm.

Der von der Mutter des Klägers im gesamten Verfahren geltend gemachte Zeitbedarf für die Beaufsichtigung des Klägers insbesondere beim Gehen, aber auch bei den sonstigen Verrichtungen, kann einer gerichtlichen Entscheidung ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Kläger nach dem Vortrag seiner Mutter nicht allein sein kann, zugrunde gelegt werden. Denn insoweit handelt es sich um Verrichtungen, die nach dem abschließenden Katalog des § 14 SGB XI nicht berücksichtigt werden können. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich nur bestimmte täglich erforderliche Verrichtungen der Körperpflege, Ernährung und Mobilität, nicht jedoch die Beaufsichtigung oder die Notwendigkeit der Anwesenheit aufgezählt (vgl. BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 2 und SozR 3-3300 § 43 Nr. 1).

Auch ein Zeitbedarf für die Verrichtungen des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung ist nicht (mehr) zu berücksichtigen. Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG SozR 3-3300 § 14 Nrn. 5 und 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist u.a. nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist. Dies ist hier nicht der Fall. Arztbesuche erfolgen bei dem Kinderarzt Dr. S. nach den Angaben des Klägers Dr. Roe. gegenüber bedarfsweise, ca. einmal monatlich. Aus der Karteikarte des Dr. S. gehen insoweit Konsultationen im Januar, März, viermal im April, im Juli, September und Oktober 2007 hervor. Kinderkardiologische und orthopädische Kontrolluntersuchungen finden ausweislich der Arztbriefe von Dr. N. und Dr. Str. bezüglich des orthopädischen Fachgebiets jährlich, auf kardiologischem Fachgebiet nach dem Arztbrief des Prof. Dr. Ho. alle drei bzw. sechs Monate statt. Wege zur Krankengymnastik, Ergotherapie und Logopädie sind nur dann berücksichtigungsfähig, soweit sie der Behandlung einer Krankheit dienen und nicht die Stärkung oder Verbesserung zu eigenständiger Lebensführung im Vordergrund steht (vgl. BSG SozR 4-3300 § 15 Nr. 1 m.w.N.). Abgesehen davon, dass beim Kläger Letzteres im Vordergrund stehen dürfte, sind Wege für diese Therapien nicht durchzuführen, da die Therapie im Gegensatz zu den von Dr. H. im Januar 2003 getroffenen Feststellungen nunmehr in der Schule während des Schulbesuches stattfindet. Die Verbesserung der Fähigkeit zu eigenständiger Lebensführung dürfte auch im Hinblick auf die vom Kläger seit August 2010 durchgeführte Reittherapie im Vordergrund stehen. Dies kann jedoch letztlich ebenso wie die Klärung der Frage, ob die Reittherapie wöchentlich stattfindet und welcher Zeitbedarf hierfür erforderlich ist, dahingestellt bleiben, denn die Reittherapie wird nach den Angaben des Klägers erst seit August 2010 durchgeführt. Dies ist für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren indessen unerheblich, denn ein seit August 2010 gegebenenfalls entstandener Bedarf wirkt sich auf die für die Aufhebung maßgebliche Sach- und Rechtslage am 21. September 2007 nicht aus. Letzteres gilt auch im Zusammenhang mit den seit Oktober 2010 wegen Verschlechterung des Gangbildes des Klägers erforderlich gewordenen Orthesen und die mit Blick darauf notwendigen Bedarfe bezüglich des An- und Ablegens der Orthesen. Die Sach- und Rechtslage im Oktober 2010 ist nicht entscheidend.

Die vom Kläger erhobenen Einwände gegen das Gutachten des Sachverständigen Dr. Roe. greifen nicht durch. Soweit der Kläger vorträgt, dass er am Untersuchungstag in einer - untypisch - guten Verfassung gewesen sei, ergibt sich daraus, zumal das Gutachten des Sachverständigen Dr. Roe. im Wesentlichen mit dem von Pflegefachkraft Ba. (Körperpflege 40 Minuten, Ernährung 16 Minuten, Mobilität 28 Minuten) vom 20. Januar 2009 im Einklang steht, nicht, dass der Hilfebedarf des Klägers sich weiterhin auf mindestens 240 Minuten im Bereich der Grundpflege belaufen würde. Wie das SG insoweit zu Recht ausgeführt hat, wäre, auch wenn man die von Dr. Roe. ermittelten Zeiten mit einem Zuschlag versehen würde, um den objektiven Bedarf der Hilfe bei den im Gesetz genannten Verrichtungen der Grundpflege abzubilden, der nach § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB XI zu fordernde Zeitaufwand für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege im Bereich der Pflegestufe III von mindestens 240 Minuten täglich keinesfalls erreicht.

2. Der Bescheid der Beklagten vom 27. März 2009 ist ebenfalls rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Herabstufung des Pflegegeldes von Pflegestufe II in Pflegestufe I zum 01. Mai 2009 ist ebenfalls § 48 SGB X. Maßgeblich für die Aufhebung der ursprünglichen Bewilligung der Pflegestufe III war die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlass des Widerspruchsbescheids am 21. September 2007 (siehe unter 1.). Dies ist damit der maßgebliche Vergleichszeitpunkt. Maßgebliches Vergleichsgutachten ist somit das Gutachten der Pflegefachkraft St. vom 02. März 2007.

Gegenüber diesem Zeitpunkt ist zum 01. Mai 2009 eine erneute wesentliche Änderung eingetreten.

Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI).

Maßgebend bei der Prüfung, ob die weitere Aufhebung der Bewilligung von Pflegestufe II und Bewilligung von Pflegestufe I zu Recht erfolgte, ist bei der hier ebenfalls vorliegenden reinen Anfechtungsklage die Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt, in dem der angefochtene Verwaltungsakt erlassen worden ist (siehe unter 1.). Dies ist der Erlass des Bescheids vom 27. März 2009.

Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt betrug der Hilfebedarf des Klägers im Bereich der Verrichtungen der Grundpflege nicht mehr mindestens 120 Minuten. Aufgrund der weiter fortgeschrittenen Mobilität, aber auch der geistigen Entwicklung des Klägers hat sich sein Gesundheitszustand weiter verbessert. Dies ergibt sich für den Senat aus dem überzeugenden Gutachten der Pflegefachkraft Ba. vom 20. Januar 2009 (Grundpflege 84 Minuten), welches der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet (zur Zulässigkeit der Verwertung der vom MDK erstatteten Gutachten: BSG SozR 3-3300 § 15 Nr. 11), und lässt sich auch bereits dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Roe. vom 31. Oktober 2008 (Grundpflege 84 Minuten) entnehmen. Der Kläger sucht die Toilette nunmehr tagsüber selbstständig auf und bedarf nur nach der Rückkehr der Hilfe beim korrekten Richten der Kleidung. Er ist tagsüber kontinent, zu einem nächtlichen Einnässen kommt es nur noch selten. Dahingestellt bleiben kann, ob es mittlerweile, wie das von der Pflegefachkraft Be. erstattete Gutachten vom 17. August 2011 nahelegen könnte, wieder zu einer Verschlechterung gekommen ist, denn maßgeblich ist - wie ausgeführt - allein die Sach- und Rechtslage am 27. März 2009. Auch im Bereich der körperhygienischen Verrichtungen ist eine weitere Selbstständigkeit eingetreten. Es genügt, dass eine Betreuungsperson anwesend ist und den Kläger anleitet. Er kann dann die Verrichtungen teilweise selbst übernehmen. Zu einer Verbesserung kam es auch im Bereich der Nahrungsaufnahme, die dem Kläger mittlerweile sehr selbständig möglich ist. Bekleidungsstücke, die ihm angereicht werden, kann der Kläger teilweise selbst anziehen. Übernommen werden von der Pflegeperson muss insoweit weiter das Knöpfe schließen und Schuhe binden. Aufstehen und Zubettgehen kann der Kläger nach entsprechender Motivation ebenfalls selbstständig. Eine Bestätigung dieser weiteren Verbesserung findet sich auch im ärztlichen Attest des Dr. S. vom 26. Januar 2009. Danach kann der Kläger mundgerecht vorbereitete Speisen mit dem Löffel - wenn auch unsicher - essen, im Freien maximal ca. 500 Meter alleine laufen und mit dem Behindertendreirad fahren. Etwas anderes lässt sich insoweit auch nicht darauf stützen, dass Dr. S. auch angibt, dass der Kläger sich nicht an- und ausziehen und die Schuhe binden könne und ihm Zähneputzen und allgemeine Körperpflege nicht selbstständig möglich sei. Denn dies lässt sich auch den Gutachten von Pflegefachkraft Ba. und Dr. Roe. entnehmen. Auch Pflegefachkraft Ba. geht nicht davon aus, dass sich der Kläger vollständig selbstständig anziehen kann und Dr. Roser beschrieb hinsichtlich des Anziehens noch deutliche Defizite. Ebenso verhält es sich bezüglich der Körperhygiene, bei der die Gutachter auch nicht von einer Selbstständigkeit des Klägers, sondern weiterhin von einer Anleitung und teilweisen Übernahme ausgingen. Dass der Kläger Stuhl- und Urinabgang tagsüber nicht zuverlässig kontrollieren könne, hat Dr. S. nicht weiter belegt. Insbesondere hat er in diesem Zusammenhang aber auch nicht angegeben, dass es deshalb zu einem Einnässen und Einkoten des Klägers käme. Widerlegt wird die Einschätzung der Gutachter schließlich auch nicht durch das Schreiben der Klassenlehrerin und Ergotherapeutin des Klägers vom Körperbehindertenzentrum Oberschwaben vom 20. Januar 2009, die u.a. angaben, dass der Kläger sich nicht selbstständig An- und Ausziehen, sicher einige Meter frei gehen, sich waschen, duschen, Zähne putzen und die Toilette säubern könne, denn von einer Selbstständigkeit gehen auch die Gutachter nicht aus.

Den im Berufungsverfahren noch vorgebrachten Einwänden des Klägers gegen das Gutachten der Pflegefachkraft Be. muss vom Senat nicht nachgegangen werden, denn dieses Gutachten vom 17. August 2011 ist hinsichtlich der mit Bescheid vom 19. Dezember 2006 in der Fassung des Abänderungsbescheids vom 20. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2007 sowie der mit Bescheid vom 27. März 2009 verfügten Herabsetzungen des Pflegegelds von Pflegestufe III auf Pflegestufe II und nachfolgend auf Pflegestufe I nicht maßgebend.

3. Ein Gutachten nach § 109 SGG war nicht einzuholen, da der Kläger erklärt hat, er könne einen Vorschuss nicht leisten. Die dem Kläger für das Berufungsverfahren bewilligte Prozesskostenhilfe erfasst nach dem eindeutigen Wortlaut des § 73a Abs. 3 SGG nicht ein Gutachten nach § 109 SGG (vgl. BSG, Beschluss vom 26. August 1998 - B 9 VS 7/98 B -, in juris; BSG SozR 3-1500 § 109 Nr. 2). Eine abweichende Entscheidung ist auch nicht im Hinblick auf den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes geboten. Hält das Gericht - weitere - Ermittlungen im Rahmen der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht nicht für geboten, soll eine darüber hinausgehende Sachaufklärung nicht zu Lasten der Staatskasse erfolgen. Allerdings räumt § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG dem Gericht ein Ermessen ein, die beantragte Anhörung eines Arztes nach § 109 SGG davon abhängig zu machen, dass der Antragsteller die Kosten der Anhörung vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. In der Regel entspricht es auf Grund des Vorgenannten fehlerfreiem Ermessen, einen Kostenvorschuss anzufordern, auch bei einem (möglicherweise) unbemittelten Kläger (vgl. BSG, Beschluss vom 26. August 1998 - B 9 VS 7/98 B -, in juris). Nichts anderes gilt für den vorliegenden Rechtsstreit.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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