L 6 U 2764/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 3088/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2764/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Versicherungsschutz kann sich auf andere Tätigkeiten als die im
Arbeitsvertrag vorgesehenen erstrecken, wenn das Unternehmen eine
Sportveranstaltung (hier: Heidelberger Drachenbootsrennen) als
Werbeplattform nutzt.
Das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. Juni 2011 und der Bescheid vom 26. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2010 werden aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass das Unfallereignis vom 1. Juli 2009 ein Arbeitsunfall gewesen ist.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Unfallereignisses vom 1. Juli 2009 als Arbeitsunfall streitig.

Die am 12. Februar 1989 geborene Klägerin war Auszubildende im 2. Ausbildungsjahr bei der H. Druckmaschinen AG in H. Am 25. Juli 2009 sollte der vom Wassersportclub H.-Neuenheim veranstaltete H.er D.-Cup für Firmen-, Vereins- und Funteams durchgeführt werden; Anmeldeschluss war der 31. Mai 2009. Einer der Sponsoren der Veranstaltung war die H. Druckmaschinen AG. An dem Drachenrennen nahmen Teams aus verschiedenen Abteilungen der H. Druckmaschinen AG teil, darunter auch die Ausbildungswerkstatt mit zwei Mannschaften (Bl. 106 V-Akte). Die Mannschaften bestanden aus 20 Kollegen, die bereits zuvor aus dem Kreis freiwilliger Teilnehmer durch die Ausbilder ausgewählt waren. Am 1. Juli 2009 sollte ein erstes Training für eine Mannschaft der Ausbildungswerkstatt stattfinden, bei dem die Auswahl der Mannschaftsmitglieder erfolgen sollte (Bl. 53 V-Akte). Die Kosten für die Meldung der Mannschaften wurden von der H. Druckmaschinen AG übernommen, die Teilnehmer mussten ihre Fahrtkosten selber übernehmen.

Am 1. Juli 2009 wurde die Klägerin mit ihrem Motorrad auf dem Weg zu dem Training zu den D.bootrennen von einem Auto angefahren und erlitt eine Fraktur eines Lendenwirbels (LWK 1-Berstungsspaltfraktur). Sie wurde stationär bis zum 30. Juli 2009 in der Orthopädischen Universitätsklinik H. aufgenommen, wo unter anderem eine geschlossene Reposition der Wirbelsäule mittels minimal-invasiver Implantation eines Fixateurs interne durchgeführt wurde (Entlassungsbericht vom 6. August 2009, Bl. 42 ff. V-Akte). Die Klägerin bezog deswegen Krankengeld ab dem 13. August 2009 (vgl. Bescheinigung der AOK Mittlerer Oberrhein vom 16. September 2009, Bl. 119 f. V-Akte).

Am 14. Juli 2009 zeigte der Arbeitgeber der Beklagten einen Arbeitsunfall an. Die Klägerin sei auf dem Weg zu einer betrieblichen Veranstaltung verunfallt. Der Ausbildungsmeister gab auf Nachfrage an, die Teilnahme an dem Training sei freiwillig gewesen (Bl. 13 f. V-Akte). Zur Teilnahme seien alle Mitarbeiter eingeladen, aber nur eine begrenzte Anzahl von Booten verfügbar gewesen. Insgesamt hätten 36 von 350 Azubis teilgenommen (Antwortschreiben vom 9. September 2009, Bl. 106 V-Akte). Ferner seien die Ausbilder bei den Trainingsläufen und dem Rennen anwesend gewesen (Antwortschreiben vom 21. Oktober 2009, Bl. 127 V-Akte). Training und Rennen hätten nicht als Arbeitszeit gezählt (Gesprächsnotiz vom 4. November 2009, Bl. 144 V-Akte).

Die Klägerin gab selbst an, das D.bootrennen sei eine jährliche Veranstaltung des örtlichen Rudervereins, für das der Arbeitgeber 11 Boote mit jeweils 20 Personen stelle. 2 Boote seien für Auszubildende reserviert. Die Auszubildenden könnten sich anmelden, es werde aber eine Vorauswahl nach Eignung getroffen. Die Teilnahme diene der Stärkung des Gemeinschaftsgefühls der Mitarbeiter der Firma und der Förderung eines positiven Betriebsklimas. Der Arbeitgeber übernehme die Startgebühren, die Fahrtkosten trage jeder selbst.

Mit Bescheid vom 26. November 2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls mit der Begründung ab, die Information zu dem Rennen mit einem Teilnahmeaufruf sei zwar durch eine Meldung in der Mitarbeiterzeitung des Arbeitgebers erfolgt. Von Seiten der Firma sei auch das Startgeld übernommen und seien Trikots mit Firmenlogo gestellt worden. Zudem sei das Event als Möglichkeit, für die Gesundheitsinitiative der H. Druckmaschinen AG tätig zu werden, angepriesen worden. Da die Ausbildungswerkstatt bei der Anfertigung der Siegerpokale für das Rennen beteiligt gewesen sei, habe es für die Auszubildenden auch einen besonderen Anreiz zur Teilnahme dargestellt, sozusagen die eigenen Trophäen gewinnen zu können. Die Teilnahme an der Veranstaltung sei aber absolut freiwillig gewesen, sowohl das Training als auch das Rennen mit den erforderlichen Anfahrtswegen wären nicht als Arbeitszeit erfasst worden. Es habe auch an einer direkten Aufforderung zur Teilnahme im Sinne einer dienstlichen Weisung oder Anordnung gefehlt. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein Fernbleiben stillschweigend missbilligt worden wäre. Deswegen fehle es an einem betrieblichen Bezug der Veranstaltung. In erster Linie stehe eine reine Freizeitgestaltung unter Kollegen an. In den Hintergrund trete das Auftreten in einem Firmenoutfit in der Öffentlichkeit als Repräsentantin des Arbeitgebers, um zu einem gemeinnützigen und vom Sportsgeist geprägten Verhalten und damit zu einem positiven Unternehmensimage beizutragen. Die Teilnahme am D.-Cup sei deswegen nicht versichert.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, aus privater Veranlassung hätte sie an der Veranstaltung nicht teilgenommen. Bereits mehrere Wochen vor dem ersten Trainingstermin sei während der Arbeitszeit eine Besprechung durchgeführt worden. Dabei sei eröffnet worden, dass nur derjenige aus dem Kreis der Auszubildenden an der Hauptveranstaltung teilnehmen könne, der an allen festgelegten Trainingsterminen teilnehmen werde. Bevorzugt seien Mitarbeiter mit Drachenbooterfahrung ausgewählt worden. Sie habe sich bei dieser Besprechung in die ausgelegte Interessentenliste eingetragen und dadurch aus ihrer Sicht ein weitreichendes Firmeninteresse bekundet. Sie habe sich zur Teilnahme weder gezwungen noch genötigt gesehen. Eine Aufnahme in eine Ausbildungsmannschaft sei aber für sie ein durchaus erstrebenswertes Ziel gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2010 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, es handle sich nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, denn diese müsse allen Betriebsangehörigen offen stehen. Hierzu gehöre eine gewisse Mindestbeteiligung der Belegschaft. Die Teilnahme an dem D.bootrennen sei allein auf freiwilliger Basis erfolgt, wobei die Zahl der Teilnehmer durch ein Auswahlverfahren begrenzt worden sei, sodass die geforderte Mindestbeteiligung von 20 % nicht erfüllt gewesen sei. Auch wenn man die Auszubildenden als getrennte Organisationseinheit betrachte, wäre die Teilnahme von lediglich 36 Auszubildenden bei insgesamt 350 Auszubildenden nicht dazu geeignet, die Mindestbeteiligung zu erreichen. Die Teilnahme an dem Wettkampf habe nicht jedem Auszubildenden offen gestanden. Es handle sich auch nicht um Betriebssport, denn dieser müsse regelmäßig (mindestens einmal im Monat) stattfinden und der Teilnehmerkreis müsse sich im Wesentlichen auf Angehörige des Unternehmens beschränken. Der D.-Cup stelle indessen eine öffentliche Veranstaltung des ansässigen Wassersportclubs dar, die somit nicht im Wesentlichen auf Betriebsangehörige beschränkt sei. Es handle sich nur um eine einmalige Wettkampfveranstaltung. Es fehle auch deswegen an einem betrieblichen Zusammenhang, da die Teilnahme nicht im Wesentlichen dem Unternehmen diene, sodass zum Unfallzeitpunkt die Klägerin keiner versicherten Tätigkeit nachgegangen sei.

Mit ihrer dagegen am 23. Juli 2010 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei am 1. Juli 2009 auf dem Weg zu einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung verunglückt. Die Teilnahme habe auch dem Unternehmen im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit und Außendarstellung gedient. Die Firma habe die Teilnahmegebühr für ihre Mitarbeiter übernommen und sei als offizieller Sponsor der Veranstaltung aufgetreten. Die Mitarbeiter seien mit einheitlicher Kleidung ausgestattet worden. Am schwarzen Brett der Firma sei zur Teilnahme aufgerufen worden. Angesprochen seien lediglich Industriemechaniker und Mechatroniker (pro Lehrjahr 24 Mechatroniker und 54 Industriemechaniker; mithin insgesamt 156 Auszubildende) worden, während die kaufmännischen Auszubildenden an der Besetzung der beiden Boote nicht beteiligt gewesen wären. Zur Besetzung der beiden Drachenboote seien 36 Teilnahmer erforderlich gewesen. Wenn man nur von den Auszubildenden als Betriebseinheit ausginge, so seien also über 23 % der in Frage kommenden Auszubildenden am Rennen beteiligt gewesen.

Die Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegengetreten, auch nach dem klägerischen Vortrag habe die Teilnahme an der streitgegenständlichen Veranstaltung gerade nicht allen Betriebsangehörigen offen gestanden, noch nicht einmal allen Auszubildenden. Wenn nur 156 Auszubildende wegen einer Teilnahme an dem D.bootrennen angesprochen worden wären, während die restlichen - also rund 200 - gar nicht befragt worden seien, werde die erforderliche Mindestbeteiligungsquote von 20 % der Betriebsangehörigen nicht erfüllt.

Mit Urteil vom 1. Juni 2011, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 8. Juni 2011, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, das Ereignis vom 30. Juni 2009 (gemeint 1. Juli 2009) sei nicht als bei der Beklagten versicherter Arbeitsunfall festzustellen. Voraussetzung für die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung sei, dass die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander diene. Die Veranstaltung müsse deshalb allen Beschäftigten des Unternehmens - bei Großbetrieben mindestens allen Beschäftigten einzelner Abteilungen oder anderer betrieblicher Einheiten - offen stehen und von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung getragen werden. Die Veranstaltung müsse von ihrem Programm her geeignet sein, die Gesamtheit der Belegschaft und nicht nur einen begrenzten Teil anzusprechen. Es reiche nicht aus, dass allen Beschäftigten einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme an einer für sie und nicht für alle Beschäftigte des Unternehmens oder Unternehmensteils ausgerichteten Veranstaltung offen stehe. Eine Anwesenheit der Unternehmensleitung während der gesamten Veranstaltung sei nicht erforderlich, grundsätzlich müssten aber zumindest Teile der Unternehmensleitung an der Veranstaltung teilnehmen, damit die betriebliche Zielsetzung Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten erreicht werden könne. Davon sei bei dem D.bootrennen nicht auszugehen, denn die Teilnahme an dem - nicht vom Arbeitgeber veranstalteten - Rennen habe den erfolgreichen Verlauf eines Auswahlverfahrens vorausgesetzt und damit nicht allen Betriebsangehörigen offen gestanden. Auch sei das Kriterium einer bestimmten Mindestbeteiligung nicht erfüllt. Von insgesamt 9000 Mitarbeitern hätten höchstens 350 Beschäftigte am D.bootrennen teilgenommen. Die Berechnung könne zwar auch an einzelne organisatorische Einheiten anknüpfen, aber auch das führe nur zu einer Teilnahmequote von knapp über 10 %, da von 350 Auszubildenden nur bis zu 36 Personen teilgenommen hätten. Eine weitere Aufteilung der Gruppe der Auszubildenden in kleinere Gruppen sei nicht möglich, denn die Auszubildenden seien beim Rennen nicht entsprechend in Abteilungen aufgetreten. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Arbeitgeber die Anmeldungskosten gezahlt und die Teilnehmer mit T-Shirts mit dem Firmenlogo ausgestattet habe, denn es hätten lediglich Mitarbeiter der Arbeitgeberin der Klägerin an der Veranstaltung eines Dritten teilgenommen.

Mit ihrer dagegen am 4. Juli 2011 eingelegten Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, in der Unfallanzeige habe die Arbeitgeberin bescheinigt, dass sie auf dem Weg zu einer betrieblichen Veranstaltung in H. gewesen sei. Das SG habe die Aspekte der Öffentlichkeitsarbeit und des Sponsoring für die Firma H. Druck nicht berücksichtigt. Die H.er Druck sei seit Gründung des D.bootrennens einer der Hauptsponsoren dieser Veranstaltung. Bei der Veranstaltung 2009 sei an der größten Brücke in H. ein übergroßes Transparent mit dem Schriftzug der Firma und dem Hinweis auf das D.bootrennen weit sichtbar angebracht worden. Die Auszubildenden des Betriebs hätten Pokale hergestellt, die von der Firma H.er Druck gestiftet worden seien. Die Sieger hätten also einen von der H.er Druck hergestellten Pokal erhalten. Auf den Veranstaltungsplakaten sei das Firmenzeichen der H.er Druck als Sponsor deutlich sichtbar aufgedruckt gewesen. Bei der Veranstaltung sei Werbung der Firma aufgestellt worden - es hätte Ständerwände mit groß sichtbaren Firmenzeichen gegeben. Alle teilnehmenden Mitarbeiter hätten T-Shirts mit dem Firmenaufdruck getragen. 2008 seien im Rahmen des Rennens im Bereich des Zieleinlaufs von der H.er Druck große Schecks in Höhe von 5000,00 Euro für drei wohltätige Zwecke sichtbar und werbewirksam übergeben worden. Die Klägerin sei ebenso wie alle anderen teilnehmenden Auszubildenden verpflichtet gewesen, am Renntag von morgens an deutlich vor Beginn des Rennens bis 18:45 Uhr nach Ende der Siegerehrung anwesend zu sein. Sie hätte vor Beginn der Veranstaltung Bänke und Tische aufbauen und bei der Siegerehrung als Zuschauer teilnehmen sollen. Der Arbeitgeber habe nicht nur das Startgeld gezahlt, sondern auch die Verpflegung und das Boot gestellt. Die Arbeitszeit sei auf Anweisung des Arbeitgebers verkürzt worden, da das Training während der üblichen Arbeitszeit angesetzt worden wäre. Deswegen habe man die Arbeit an diesem Tag schon um 14:00 Uhr beendet und sei dann direkt von der Lehrwerkstatt gemeinsam mit dem Ausbilder und Teamleiter zum Training nach H. gefahren. Der Unfall sei dann auf diesem Weg gegen 14:30 Uhr passiert. Die Ausbilder hätten die volle Organisation des Trainings übernommen, es habe keine Selbstverwaltung und auch keine Mitspracherechte der Auszubildenden gegeben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. Juni 2011 sowie den Bescheid vom 26. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2010 aufzuheben und das Unfallereignis vom 30. Juni 2009 als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass der Arbeitgeber die Teilnahme am D.bootrennen mit der Initiative "Miles & More" verbunden habe. Diese Initiative stelle die gesunde Haltung der Mitarbeiter in den Vordergrund. Die Klägerin habe deswegen gerade nicht davon ausgehen können, Werbung für die Firma zu machen, sondern es sei firmenintern darauf hingewiesen worden, dass sie sich mit der Teilnahme am Rennen und dem dazugehörigen Training für ihre Gesundheit einsetze. In der Broschüre für künftige Auszubildende werde deswegen die Teilnahme am D.bootrennen auch als gemeinsame Aktivität der Auszubildenden beschrieben. Die Teilnahme am Training stelle auch keine Tätigkeit dar, die zu den versicherten Tätigkeiten als Auszubildende zähle. Die Klägerin sei auch nicht zur Teilnahme am D.bootrennen aufgefordert worden, sondern dies sei freiwillig gewesen. Dass der Arbeitgeber gezielt Werbung mit der Teilnahme an der Veranstaltung hätte machen wollen, sei nicht bewiesen.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat den Ausbilder T. R. als Zeugen vernommen. Hinsichtlich der Einzelheiten seiner Angaben wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist begründet. Die von der Klägerin anlässlich des Unfallereignisses vom 30. Juni 2009 erlittene Fraktur des Lendenwirbelkörpers ist ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Klägerin ist zum Unfallzeitpunkt - anders als von der Beklagten angenommen - als Versicherte tätig gewesen.

Nach § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten ist danach im Regelfall erforderlich, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Bedingung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des BSG vom 30. Januar 2007 - B 2 U 8/06 R - zit. nach Juris, sowie vom 27. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 31).

Ein Arbeitsunfall ist nach alledem nur anzunehmen, wenn das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr. 92; BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 82 und 97; SozR 3-2200 § 548 Nrn. 19 und 26). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1 m.w.N.; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (vgl. insgesamt zum Vorstehenden Urteil des BSG vom 14. Dezember 1999, B 2 U 3/99 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 1).

Bei der zum Unfall führenden Tätigkeit, der Anfahrt zum Training, stand die Klägerin unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dass die Klägerin als Beschäftigte grundsätzlich in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist und am 1. Juli 2009 bei dem von den Ausbildern ihres Arbeitgebers organisierten Training des D.bootrennens eine unfallbedingte Lendenwirbelkörperverletzung erlitten hat, steht fest. Es handelte sich zwar weder um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung noch um Betriebssport, die Klägerin ist aber als Beschäftigte verunfallt.

Die Tätigkeit, nämlich das Training des D.bootrennens, war zwar nicht von dem eigentlichen Inhalt des Ausbildungsvertrages umfasst. Deswegen hatte die H. Druckmaschinen AG die Teilnahme am Rennen auch ausdrücklich freigestellt. Der Unfallversicherungsschutz ist aber nicht auf Unfälle beschränkt, die sich bei Verrichtungen ereignen, die den arbeitsvertraglich festgelegten Aufgaben des Versicherten entsprechen (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 18. November 1997 - 2 RU 42/96 - zit. nach Juris). Vielmehr erstreckt sich der Versicherungsschutz auch auf andere Tätigkeiten als den im Arbeitsvertrag vorgesehenen, wenn der Beschäftigte entweder von sich aus unternehmensbezogen tätig wird oder vom Unternehmer hierzu herangezogen wird (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 18).

Die Klägerin ist mit der Teilnahme am Training zur Vorbereitung des D.bootrennens von sich aus unternehmensbezogen tätig gewesen. Die von der Klägerin zur Zeit des Unfallereignisses ausgeübte Verrichtung - die Teilnahme an dem D.bootrennen - steht im sachlichen Zusammenhang mit ihrer versicherten Tätigkeit im Unternehmen. Für den versicherten Beschäftigten ist für den sachlichen Zusammenhang maßgebend, ob er zur Zeit des Unfalls eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Bei der Tätigkeit - Ausübung von Sport - muss jedoch die Handlungstendenz zur Zeit des Unfallereignisses darauf gerichtet gewesen sein, dem Unternehmen zu dienen (BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 2 U 22/08 R - SGb 2009, 533). Sportliche Aktivitäten eines unfallversicherten "Beschäftigten" können im Einzelfall insbesondere dann unter Unfallversicherungsschutz stehen, wenn das Unternehmen die Sportveranstaltung durch konkrete Maßnahmen als Werbeplattform nutzt und durch die sportliche Vorstellung die Öffentlichkeit auf ihr Unternehmen aufmerksam machen will (LSG Saarland, Urteil vom 18. Januar 2006 - L 2 U 139/04 - zit. nach Juris).

Der Senat ist aufgrund der glaubhaften Angaben der Klägerin und des Zeugen R. davon überzeugt, dass die Klägerin am Tag des Unfalls nicht eigenwirtschaftlich, sondern allein mit der Handlungstendenz für ihren Arbeitgeber als Beschäftigte tätig war. Denn die Teilnahme an dem Rennen diente Werbezwecken und der Öffentlichkeitsarbeit für das Unternehmen (deswegen auch ein Hinweis in der Broschüre für Auszubildende, Bl. 41 Senatsakte) sowie der Förderung der betrieblichen Verbundenheit. Im Rahmen der Veranstaltung des Vorjahres 2008, bei der die Klägerin ebenfalls teilgenommen hatte, wurden deswegen im Bereich des Zieleinlaufs von der H.er Druck große Schecks in Höhe von 5000,00 Euro für drei wohltätige Zwecke sichtbar und werbewirksam übergeben. Daher war die Teilnahme der Beschäftigten, insbesondere der Gruppe des Nachwuchses, auch 2009 von der Firma zwar nicht angeordnet, aber ausdrücklich gewünscht und gefördert worden.

Für den Senat war dabei von entscheidender Bedeutung, dass für die Teilnahme an der in H. wichtigen Veranstaltung (so bereits der Hinweis in der H.er Post, Bl. 139 V-Akte) im Intranet der Firma geworben und diese auch betrieblich unterstützt wurde. Die Firma war nicht nur einer der Hauptsponsoren dieser Veranstaltung, sondern nahm ausdrücklich als Unternehmen teil, das in der Kategorie "Firmenmannschaft" gegen andere Firmen antrat, also nicht z.B. als Fungruppe, was bei einer rein sportlichen Teilnahme zu erwarten gewesen wäre (vgl. zu den verschiedenen Mannschaften auch den Flyer Bl. 93 V-Akte). Die einzelnen Teilnehmer wurden deswegen auch nicht namentlich, sondern das jeweilige Boot wurde unter der Firma und mit dem Teamkapitän von der H. Druckmaschinen AG angemeldet.

Deswegen trugen alle teilnehmenden Mitarbeiter T-Shirts, die sie aufgrund des aufgedruckten Schriftzuges als der Firma zugehörig zeigten. Die Auszubildenden des Betriebs stellten die Pokale her, die dann von der Firma H.er Druck gestiftet wurden, so dass die Sieger also einen von der H.er Druck hergestellten Pokal erhalten hätten. Über die reinen Rennteilnehmer hinaus wurden noch weitere 10 Auszubildende während des Wettkampftages eingesetzt.

Dabei hat die Firma deutlich gemacht, dass sie eine hohe Beteiligung an dem D.bootrennen wünscht, gerade um den Nachwuchs anzusprechen. Die Auszubildenden wurden zu diesem Zweck von ihrem Meister ausgewählt, zum Training begleitet und das jeweilige Boot von einem Ausbildungsmeister als Teamkapitän bei dem Wettkampf geführt. Das geht weit über eine normale sportliche Betätigung unter Betriebskollegen hinaus, wie diese z.B. bei den Fahrradausflügen der Auszubildenden praktiziert wurde. Die erforderlichen Vorbesprechungen wurden während der Arbeitszeit durchgeführt.

Die Arbeitszeit wurde am Unfalltag mit der dafür bei Auszubildenden erforderlichen Genehmigung des Arbeitgebers verkürzt und schon um 14:00 Uhr beendet, da das Training während der üblichen Arbeitszeit, die bis 15:00 Uhr ging, angesetzt worden war. Deswegen fuhr man direkt von der Lehrwerkstatt gemeinsam mit dem Ausbilder und Teamleiter zum Training nach H., wo dann der Unfall auf diesem Weg gegen 14:30 Uhr passierte. Die Ausbilder hatten die volle Organisation des Trainings übernommen, es gab keine Selbstverwaltung und auch keine Mitspracherechte der Auszubildenden. Die Klägerin wäre ebenso wie alle anderen teilnehmenden Auszubildenden verpflichtet gewesen, am Renntag von morgens an deutlich vor Beginn des Rennens bis 18:45 Uhr nach Ende der Siegerehrung anwesend zu sein. Sie sollte, wie sie dem Senat glaubhaft versichert hat, vor Beginn der Veranstaltung Bänke und Tische aufbauen und bei der Siegerehrung als Zuschauerin teilnehmen. Auch darin kommt ein über die bloße Teilnahme an einer Sportveranstaltung hinausgehendes Engagement der Mitarbeiter zum Ausdruck. Der Arbeitgeber zahlte nicht nur das Startgeld von 200 EUR pro Boot für damals insgesamt 11 Boote, sondern auch die Trainingseinheiten (weitere 50 EUR).

Somit war die Klägerin wegen des betrieblichen Werbebezugs des sportlichen Auftretens beim Training zum D.bootrennen am Unfalltag gesetzlich unfallversichert. Damit stand auch der Weg dorthin unter Versicherungsschutz und der Berufung war stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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