Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 15 AL 330/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Verböserung im Widerspruchsverfahren.
I. Der Änderungsbescheid der Beklagten vom 23.05.2008 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2008, geändert durch den Bescheid vom 29.01.2009) wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger fünf Sechstel der zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 27.06.2007 bis 06.11.2007 und die Erstattung bereits erbrachter Leistungen in Höhe von 3.957,40 Euro (statt vom Kläger akzeptierter 770,70 Euro).
Die Beklagte bewilligte dem 1977 geborenen Kläger – nach Arbeitslosmeldung zum 01.06.2007 – durch Bescheid vom 25.06.07 Arbeitslosengeld für 360 Tage ab 01.06.2007 in Höhe von 36,37 Euro täglich. Am 27.06.2007 (oder möglicherweise schon am 25.06.2007) nahm der Kläger eine Tätigkeit bei der Fa. B. auf. Die Beklagte erfuhr von der Tätigkeit durch eine Überschneidungsmitteilung vom 25.08.2007; eine vorherige telefonische Benachrichtigung durch den Kläger ist zwischen den Beteiligten streitig. Auf entsprechende Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 11.09.2007 legte die Fa. B Nebenverdienstbescheinigungen für die Zeit vom 27.06. bis zum 26.10.2007 vor; das Arbeitsverhältnis bestehe noch. Nach dem Inhalt der Bescheinigungen war der Kläger überwiegend mehr als 15 Stunden wöchentlich tätig; wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 20 ff. der Leistungsakte der Beklagten (LA) Bezug genommen.
Die Beklagte hob dennoch mit Bescheid vom 06.12.2007 die Arbeitslosengeldbewilligung nur wegen der Anrechnung von Nebeneinkommen teilweise für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.10.2007 auf und forderte die Erstattung von (nur) 770,70 Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 32 LA verwiesen. Überdies erteilte sie ebenfalls am 06.12.2007 einen Änderungsbescheid, mit dem sie die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 01.07.2007 bis 02.12.2007 – für die Zeit bis 31.10.2007 unter Berücksichtigung eines Anrechnungsbetrages wegen des erzielten Einkommens; ab 03.12.2007 war der Kläger wieder in Arbeit – verfügte. Insoweit wird auf Bl. 49 LA Bezug genommen.
Nachdem der Kläger unter dem 12.12.2007 wegen der nach seiner Auffassung unzureichenden Berücksichtigung von Werbungskosten Widerspruch eingelegt hatte, fiel der Beklagten auf, dass die Tätigkeit des Klägers für die Fa. B. über mehrere Wochen hinweg die Kurzzeitigkeitsgrenze überschritten hatte. Mit Änderungsbescheid vom 23.05.2008 hob sie daher die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 27.06.2007 ganz auf und forderte die Erstattung der gesamten in der Zeit bis 02.12.2007 erbrachten Leistungen in Höhe von 4.903,02 Euro. Sie stützte sich dabei auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) und führte zur Begründung insbesondere aus, der Kläger habe gewusst oder wissen müssen, dass der ihm zuerkannte Anspruch wegen der die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden Beschäftigung zum Ruhen gekommen bzw. ganz oder teilweise weggefallen sei. Entsprechende Hinweise habe auch das ihm ausgehändigte Merkblatt enthalten.
Anschließend wies sie unter dem 30.05.2008 den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Entscheidung war nunmehr auf § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch Arbeitsförderung – (SGB III) in Verbindung mit § 45 Abs. 2 S. 3 Nrn. 2 und 3 SGB X gestützt. Der Kläger habe die Aufnahme der Beschäftigung nicht mitgeteilt, obwohl er dazu nach § 60 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) verpflichtet gewesen sei. Die Beschäftigungsaufnahme sei der Beklagten vielmehr erst durch eine Überschneidungsmitteilung bekannt geworden. Außerdem habe der Kläger wissen müssen, dass mit der Beschäftigungsaufnahme die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld weggefallen seien. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 2 ff. der Gerichtsakte (GA) Bezug genommen.
Der Kläger hat daraufhin am 25.06.2008 Klage erhoben.
Nachdem die Fa. B. das Ende der Beschäftigung bereits mit dem 06.11.2007 bestätigt hatte, hat die Beklagte am 29.01.2009 einen weiteren Änderungsbescheid erteilt, mit dem sie die Aufhebung auf die Zeit vom 27.06.2007 bis 06.11.2007 beschränkt und die Erstattungsforderung auf einen Betrag von 3.957,40 Euro reduziert hat.
Der Kläger macht zur Begründung seiner Klage geltend, dass aus seiner Sicht die Beschäftigung bei der Fa. B. den Charakter einer Nebentätigkeit gehabt habe. Aus diesem Grunde sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass die entsprechende Bewertung der Beklagten fehlerhaft gewesen sei. Den Aufhebungsbescheid vom 06.12.2007 mit der Anrechnung als Nebeneinkommen hat er vor diesem Hintergrund akzeptiert.
Der Kläger beantragt,
den Änderungsbescheid vom 23. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen, damit die möglicherweise bisher unterbliebene Anhörung vor der Erteilung des Änderungsbescheides nachgeholt werden kann.
Sie ist der Auffassung, der Kläger habe leicht erkennen können, dass die Aufhebungsentscheidung vom 06.12.2007 unzureichend gewesen sei. Es habe ihm klar sein müssen, dass durch die Beschäftigungsaufnahme die Voraussetzungen seines Leistungsanspruchs in vollem Umfang entfallen seien. Daher sei die weitergehende Korrektur durch den Bescheid vom 23.05.2008 geboten und rechtmäßig gewesen. Soweit es diesbezüglich an einer Anhörung fehlen sollte, sei das Verfahren zu deren Nachholung auszusetzen.
Die Kammer hat den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2012 persönlich gehört; wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift (GA Bl. 68 ff.) Bezug genommen. Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der Gerichts- sowie der zum Kläger geführten Leistungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist, soweit der Kläger seinen Antrag in der mündlichen Verhandlung noch aufrecht erhalten hat, zulässig und begründet. Der Bescheid vom 23.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2008 und des Änderungsbescheides vom 29.01.2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für eine "Verböserung" im Widerspruchsverfahren, also eine weitergehende Korrektur der Leistungsbewilligung durch den Änderungsbescheid vom 23.05.2008 im Verhältnis zum Bescheid vom 06.12.2007, lagen nicht vor.
I. Gegenstand des Verfahrens ist (nur noch) der Änderungsbescheid vom 23.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2008 und des Änderungsbescheides vom 29.01.2009. Dass der Bescheid vom 29.01.2009, der über § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, im Rahmen des am Ende der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags nicht ausdrücklich erwähnt wurde, ist dabei unschädlich. Das Klagebegehren ist desungeachtet hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, umso mehr als der Bescheid vom 29.01.2009 nur die sich aus dem Bescheid vom 23.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2008 resultierende Beschwer des Klägers wieder etwas abmilderte.
Soweit der Klageantrag ursprünglich auch auf den Bescheid vom 06.12.2007 zielte, hat der Kläger bei der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung an diesem nicht mehr festgehalten und die Klage insoweit – konkludent – zurückgenommen. Die teilweise Aufhebung für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.10.2007 wegen der Anrechnung von Nebeneinkommen und die daraus resultierende Erstattungsforderung in Höhe von 770,70 Euro sind damit bindend; das Gericht hat über diese nicht mehr zu entscheiden.
II. Der Änderungsbescheid vom 23.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2008 und des Änderungsbescheides vom 29.01.2009 ist rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine über den Bescheid vom 06.12.2007 hinausgehende Rücknahme der Leistungsbewilligung lagen nicht vor.
1. Die Beklagte hat insoweit ihre Entscheidung (jedenfalls im Widerspruchsbescheid) im Ausgangspunkt zutreffend auf §§ 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. 45 Abs. 2 S. 3 SGB X gestützt. Auch ist eine sogenannte reformatio in peius im Widerspruchsverfahren, also eine Verschlechterung der Rechtsposition des Widerspruchsführers, grundsätzlich durchaus möglich, jedoch nur wenn die Voraussetzungen der §§ 45 ff. SGB X erfüllt sind (vgl. für viele Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ders., Komm. z. SGG, 9. Aufl. 2008, § 85 Rdnr. 5). Richtet sich der Widerspruch gegen einen Bescheid, der selbst an § 45 ff. SGB X zu messen ist, so spricht viel dafür, dass Bezugspunkt für die Prüfung, ob eine Verschärfung im Widerspruchsverfahren unter Anwendung von §§ 45 ff. SGB X möglich ist, nicht (nur) der ursprüngliche begünstigende Bescheid ist, sondern (auch) der mit Widerspruch angefochtene, aber nach Auffassung der Behörde nicht weit genug gehende Aufhebungsbescheid (so wohl auch Leitherer, ebd., allerdings ohne die Problematik ausdrücklich zu thematisieren). Im hier zu entscheidenden Fall kann dies sogar offenbleiben: Die Beklagte hat nämlich am 06.12.2007 nicht nur einen Teilaufhebungsbescheid erlassen, bei dem immerhin fraglich erscheinen könnte, ob der Bescheidempfänger ihm entnehmen und grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die Leistungsbewilligung, soweit sie nicht korrigiert wird, Bestand haben soll. Die Beklagte hat aber zudem einen (geänderten) Bewilligungsbescheid über die Leistung unter Berücksichtigung des aus der streitigen Beschäftigung erzielten Einkommens als Nebeneinkommen erlassen. Jedenfalls damit, also durch die Kombination des auf eine Teilaufhebung beschränkten Aufhebungs- mit einem dazu korrespondierenden geänderten Bewilligungsbescheid, hat die Beklagte eine Rechtsposition zu Gunsten des Klägers geschaffen, in die sie nur hätte eingreifen dürfen, wenn (auch) bezogen auf die Bescheide vom 06.12.2007 die Voraussetzungen für eine rückwirkende Korrektur nach §§ 45 ff. SGB X (ggf. in Verbindung mit § 330 SGB III) vorgelegen hätten. Da der Kläger am 06.12.2007 die Beschäftigung längst aufgenommen (und sogar bereits wieder aufgegeben) hatte, waren die Bescheide ggf. schon bei ihrem Erlass rechtswidrig. Eine Verböserung im Widerspruchsverfahren wäre daher nur möglich gewesen, wenn hinsichtlich der Bescheide vom 06.12.2007 – soweit sie den Kläger begünstigten, also insofern sie die Leistungsbewilligung wiederholten und bestätigten und sie nicht über die Anrechnung des erzielten Einkommens als Nebeneinkommen in Höhe von 770,70 Euro hinaus korrigierten – die Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Vergangenheit nach § 45 SGB X (ggf. in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III) vorgelegen hätten. Das war aber nicht der Fall.
2. Es kann dabei letztlich sogar offenbleiben, ob der vom Kläger allein noch angefochtene Änderungsbescheid vom 23.05.2008 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2008 und des Änderungsbescheides vom 29.01.2009) bereits aus formellen Gründen rechtswidrig ist. Insofern bestehen ganz erhebliche Bedenken, ob der Kläger zu dem verbösernden Änderungsbescheid ausreichend angehört wurde. Das erscheint deswegen zweifelhaft, weil die subjektiven Voraussetzungen für die Korrektur nunmehr einen anderen Bezugspunkt – nämlich die Bescheide vom 06.12.2007 und deren Rechtswidrigkeit – hatten und im Übrigen auch andere tatsächliche Umstände – nämlich statt der Höhe des erzielten Einkommens der zeitliche Umfang der Tätigkeit – maßgeblich waren. Letztlich kann dies aber offenbleiben, da der Bescheid (auch) aus anderen Gründen rechtswidrig ist. Aus diesem Grunde bestand zudem kein Anlass, dem Hilfsantrag der Beklagten zu entsprechen und das Verfahren zur Nachholung der Anhörung auszusetzen.
3. Der Änderungsbescheid vom 23.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2008 und des Änderungsbescheides vom 29.01.2009 ist nämlich in jedem Falle deswegen rechtswidrig, weil die subjektiven Voraussetzungen für eine nachträgliche Korrektur der mit den Bescheiden vom 06.12.2007 geschaffenen Rechtsposition nicht vorlagen.
Dabei spricht zunächst durchaus viel dafür, dass der Kläger tatsächlich in einem Umfang gearbeitet hat, der zum Wegfall der Beschäftigungslosigkeit (§ 119 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III) und damit einer notwendigen Voraussetzung für seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitsloskeit (§§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 SGB III) geführt hat. Angesichts der Vielzahl der Wochen, in denen die Arbeitszeit ausweislich der von der Fa. B. ausgestellten Bescheinigungen 15 Stunden überschritt, spricht auch wenig dafür, dass diese als gelegentliche Abweichung von geringer Dauer gemäß § 119 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 SGB III unberücksichtigt bleiben könnten. Die nur beschränkte Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld auf der Grundlage der Behandlung der erzielten Einkünfte als Nebeneinkommen dürfte daher tatsächlich rechtswidrig gewesen sein.
Allerdings waren alle in diesem Zusammenhang notwendigen Informationen der Beklagten bei Erlass der Bescheide vom 06.12.2007 auf Grund der von ihr zu diesem Zweck eingeholten Auskunft der Fa. B. bereits bekannt. Sie beruhten daher – anders als die angesichts des zeitlichen Ablaufs bei ihrem Wirksamwerden wohl ebenfalls bereits rechtswidrige ursprüngliche Bewilligungscheidung vom 25.06.2007 – nicht (mehr) auf den (fehlenden) Angaben des Klägers. Eine Rücknahme auf der Grundlage von §§ 330 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X kam von daher nicht in Frage, weil sie die Kausalität falscher oder unvollständiger Angaben voraussetzt (vgl. für viele Schütze in von Wulffen, Komm. z. SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45 Rdnr. 50). Zwar entbindet auch die anderweitige Kenntnis der Behörde von den maßgeblichen Umständen den Leistungsempfänger oder –antragsteller nicht von der Pflicht, vollständige und zutreffende Angaben zu machen und relevante Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen (vgl. § 60 SGB I). Dennoch beruht ein fehlerhafter Bescheid jedenfalls dann nicht mehr auf den unzutreffenden oder unvollständigen Angaben, wenn die Behörde die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit – wie hier – erkannt hat und die Angaben des Betroffenen ihrer Entscheidung gar nicht (mehr) zugrunde legt, sondern von der zutreffenden Tatsachengrundlage ausgeht und diese nur rechtlich falsch bewertet. Die Zweifel, die an der Einlassung des Klägers (erst) in der mündlichen Verhandlung, er habe die Arbeitsaufnahme der Beklagten telefonisch mitgeteilt, bestehen müssen, können daher auf sich beruhen. Die Beklagte ging vielmehr bereits am 06.12.2007 von den Angaben der Fa. B. aus, die sie nur rechtlich unzutreffend einordnete.
Auch die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit der sich aus den Bescheiden vom 06.12.2007 ergebenden Entscheidung der Beklagten ist nach Auffassung der Kammer nicht plausibel und jedenfalls nicht sicher feststellbar. Daher lässt sich die verbösernde Korrektur auch auf § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X (i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III) nicht stützen; Vorsatz oder eine Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 Hs. 2 SGB X) in Bezug auf die Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 06.12.2007 ist ihm nicht vorzuwerfen. Der Kläger hat vielmehr in der mündlichen Verhandlung insoweit durchaus nachvollziehbar und glaubhaft dargetan, dass die Tätigkeit für ihn den Charakter eines Nebenjobs hatte und trotz der in mehreren Wochen über einen Umfang von 15 Stunden wöchentlich hinausgehenden Arbeitszeit subjektiv auch durchgehend behielt. Der Inhalt der Tätigkeit, also die Überführung von Autos von einer B-Station zu einem Kunden und zurück bzw. von einer Station zur anderen, und die zeitliche Ausgestaltung, also die Tätigkeit auf Abruf, machen dies nachvollziehbar. Diese Einschätzung wird zusätzlich dadurch plausibel, dass auch die Arbeitgeberin, die Fa. B., das Einkommen als Nebeneinkommen bescheinigte und – nach den insoweit glaubhaften Angaben des Klägers – die Stelle als Nebentätigkeit angeboten hatte. Vor diesem Hintergrund musste es sich dem Kläger nicht aufdrängen, also auf Grund (für ihn) einfachster und naheliegender Überlegungen erkennbar sein (vgl. zu diesem Maßstab nochmals Schütze, a.a.O., Rdnr. 56 m.Nw. aus der st. Rspr. des BSG), dass die Beklagte mit der nur teilweisen Aufhebung einen Rechtsfehler zu seinen Gunsten begangen hatte. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zwar keineswegs einen unbedarften Eindruck gemacht, so dass ihm im Ausgangspunkt sicher durchaus (leicht) erkennbar sein musste, dass eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung mit dem Bezug von Arbeitslosengeld unvereinbar ist. Auch hat er den Erhalt des entsprechenden Merkblatts quittiert (und im Übrigen auch nicht in Frage gestellt), so dass für ihn die Anspruchsschädlichkeit seiner Beschäftigung hätte erkennbar sein können. Hier besteht aber neben den erwähnten Umständen, die für die ausgeübte Beschäftigung kennzeichnend waren, die Besonderheit, dass die Beklagte – ebenfalls in Kenntnis der maßgeblichen Umstände – den Bescheid vom 06.12.2007 erlassen hat. Insofern ist es angesichts des Charakters der Tätigkeit durchaus nachvollziehbar, wenn der Kläger zum Ausdruck bringt, er habe deren Behandlung als Nebentätigkeit als sachgerecht empfunden und keinen Anlass gehabt, die Beurteilung durch die Beklagte in Frage zu stellen. Nimmt man hinzu, dass eine Rechtspflicht eines Bescheidempfängers, einen Verwaltungsakt umfassend auf Richtigkeit zu prüfen, nicht besteht (Schütze, ebd.), so musste für ihn der Fehler der Beklagten, der zum Erlass der Bescheide vom 06.12.2007 führte, nicht augenfällig sein. Deren nachträgliche Korrektur, wie sie die Beklagte mit dem Bescheid vom 23.05.2008 versucht hat, erweist sich damit als rechtswidrig.
Nachdem der Kläger den Bescheid vom 06.12.2007 nicht mehr zum Gegenstand seines Antrags gemacht hatte, war der Klage, soweit sie sich durch die damit verbundene Rücknahme nicht erledigt hatte, in vollem Umfang zu entsprechen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Kläger die Aufhebung und Erstattung im Umfang von 770,70 Euro – dadurch dass er den gegen den Bescheid vom 06.12.2007 gerichteten Klageantrag nicht weiterverfolgt hat – akzeptiert hat. Dennoch hat der Kläger sein Klageziel ganz überwiegend erreicht, so dass es nach Ausübung des insoweit bestehenden Ermessens sachgerecht erschien, die Beklagte zu einer weitgehenden Erstattung der dem Kläger bei der Rechtsverfolgung entstandenen Kosten zu verpflichten.
II. Die Beklagte hat dem Kläger fünf Sechstel der zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 27.06.2007 bis 06.11.2007 und die Erstattung bereits erbrachter Leistungen in Höhe von 3.957,40 Euro (statt vom Kläger akzeptierter 770,70 Euro).
Die Beklagte bewilligte dem 1977 geborenen Kläger – nach Arbeitslosmeldung zum 01.06.2007 – durch Bescheid vom 25.06.07 Arbeitslosengeld für 360 Tage ab 01.06.2007 in Höhe von 36,37 Euro täglich. Am 27.06.2007 (oder möglicherweise schon am 25.06.2007) nahm der Kläger eine Tätigkeit bei der Fa. B. auf. Die Beklagte erfuhr von der Tätigkeit durch eine Überschneidungsmitteilung vom 25.08.2007; eine vorherige telefonische Benachrichtigung durch den Kläger ist zwischen den Beteiligten streitig. Auf entsprechende Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 11.09.2007 legte die Fa. B Nebenverdienstbescheinigungen für die Zeit vom 27.06. bis zum 26.10.2007 vor; das Arbeitsverhältnis bestehe noch. Nach dem Inhalt der Bescheinigungen war der Kläger überwiegend mehr als 15 Stunden wöchentlich tätig; wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 20 ff. der Leistungsakte der Beklagten (LA) Bezug genommen.
Die Beklagte hob dennoch mit Bescheid vom 06.12.2007 die Arbeitslosengeldbewilligung nur wegen der Anrechnung von Nebeneinkommen teilweise für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.10.2007 auf und forderte die Erstattung von (nur) 770,70 Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 32 LA verwiesen. Überdies erteilte sie ebenfalls am 06.12.2007 einen Änderungsbescheid, mit dem sie die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 01.07.2007 bis 02.12.2007 – für die Zeit bis 31.10.2007 unter Berücksichtigung eines Anrechnungsbetrages wegen des erzielten Einkommens; ab 03.12.2007 war der Kläger wieder in Arbeit – verfügte. Insoweit wird auf Bl. 49 LA Bezug genommen.
Nachdem der Kläger unter dem 12.12.2007 wegen der nach seiner Auffassung unzureichenden Berücksichtigung von Werbungskosten Widerspruch eingelegt hatte, fiel der Beklagten auf, dass die Tätigkeit des Klägers für die Fa. B. über mehrere Wochen hinweg die Kurzzeitigkeitsgrenze überschritten hatte. Mit Änderungsbescheid vom 23.05.2008 hob sie daher die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 27.06.2007 ganz auf und forderte die Erstattung der gesamten in der Zeit bis 02.12.2007 erbrachten Leistungen in Höhe von 4.903,02 Euro. Sie stützte sich dabei auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) und führte zur Begründung insbesondere aus, der Kläger habe gewusst oder wissen müssen, dass der ihm zuerkannte Anspruch wegen der die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden Beschäftigung zum Ruhen gekommen bzw. ganz oder teilweise weggefallen sei. Entsprechende Hinweise habe auch das ihm ausgehändigte Merkblatt enthalten.
Anschließend wies sie unter dem 30.05.2008 den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Entscheidung war nunmehr auf § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch Arbeitsförderung – (SGB III) in Verbindung mit § 45 Abs. 2 S. 3 Nrn. 2 und 3 SGB X gestützt. Der Kläger habe die Aufnahme der Beschäftigung nicht mitgeteilt, obwohl er dazu nach § 60 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) verpflichtet gewesen sei. Die Beschäftigungsaufnahme sei der Beklagten vielmehr erst durch eine Überschneidungsmitteilung bekannt geworden. Außerdem habe der Kläger wissen müssen, dass mit der Beschäftigungsaufnahme die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld weggefallen seien. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 2 ff. der Gerichtsakte (GA) Bezug genommen.
Der Kläger hat daraufhin am 25.06.2008 Klage erhoben.
Nachdem die Fa. B. das Ende der Beschäftigung bereits mit dem 06.11.2007 bestätigt hatte, hat die Beklagte am 29.01.2009 einen weiteren Änderungsbescheid erteilt, mit dem sie die Aufhebung auf die Zeit vom 27.06.2007 bis 06.11.2007 beschränkt und die Erstattungsforderung auf einen Betrag von 3.957,40 Euro reduziert hat.
Der Kläger macht zur Begründung seiner Klage geltend, dass aus seiner Sicht die Beschäftigung bei der Fa. B. den Charakter einer Nebentätigkeit gehabt habe. Aus diesem Grunde sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass die entsprechende Bewertung der Beklagten fehlerhaft gewesen sei. Den Aufhebungsbescheid vom 06.12.2007 mit der Anrechnung als Nebeneinkommen hat er vor diesem Hintergrund akzeptiert.
Der Kläger beantragt,
den Änderungsbescheid vom 23. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen, damit die möglicherweise bisher unterbliebene Anhörung vor der Erteilung des Änderungsbescheides nachgeholt werden kann.
Sie ist der Auffassung, der Kläger habe leicht erkennen können, dass die Aufhebungsentscheidung vom 06.12.2007 unzureichend gewesen sei. Es habe ihm klar sein müssen, dass durch die Beschäftigungsaufnahme die Voraussetzungen seines Leistungsanspruchs in vollem Umfang entfallen seien. Daher sei die weitergehende Korrektur durch den Bescheid vom 23.05.2008 geboten und rechtmäßig gewesen. Soweit es diesbezüglich an einer Anhörung fehlen sollte, sei das Verfahren zu deren Nachholung auszusetzen.
Die Kammer hat den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2012 persönlich gehört; wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift (GA Bl. 68 ff.) Bezug genommen. Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der Gerichts- sowie der zum Kläger geführten Leistungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist, soweit der Kläger seinen Antrag in der mündlichen Verhandlung noch aufrecht erhalten hat, zulässig und begründet. Der Bescheid vom 23.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2008 und des Änderungsbescheides vom 29.01.2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für eine "Verböserung" im Widerspruchsverfahren, also eine weitergehende Korrektur der Leistungsbewilligung durch den Änderungsbescheid vom 23.05.2008 im Verhältnis zum Bescheid vom 06.12.2007, lagen nicht vor.
I. Gegenstand des Verfahrens ist (nur noch) der Änderungsbescheid vom 23.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2008 und des Änderungsbescheides vom 29.01.2009. Dass der Bescheid vom 29.01.2009, der über § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, im Rahmen des am Ende der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags nicht ausdrücklich erwähnt wurde, ist dabei unschädlich. Das Klagebegehren ist desungeachtet hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, umso mehr als der Bescheid vom 29.01.2009 nur die sich aus dem Bescheid vom 23.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2008 resultierende Beschwer des Klägers wieder etwas abmilderte.
Soweit der Klageantrag ursprünglich auch auf den Bescheid vom 06.12.2007 zielte, hat der Kläger bei der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung an diesem nicht mehr festgehalten und die Klage insoweit – konkludent – zurückgenommen. Die teilweise Aufhebung für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.10.2007 wegen der Anrechnung von Nebeneinkommen und die daraus resultierende Erstattungsforderung in Höhe von 770,70 Euro sind damit bindend; das Gericht hat über diese nicht mehr zu entscheiden.
II. Der Änderungsbescheid vom 23.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2008 und des Änderungsbescheides vom 29.01.2009 ist rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine über den Bescheid vom 06.12.2007 hinausgehende Rücknahme der Leistungsbewilligung lagen nicht vor.
1. Die Beklagte hat insoweit ihre Entscheidung (jedenfalls im Widerspruchsbescheid) im Ausgangspunkt zutreffend auf §§ 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. 45 Abs. 2 S. 3 SGB X gestützt. Auch ist eine sogenannte reformatio in peius im Widerspruchsverfahren, also eine Verschlechterung der Rechtsposition des Widerspruchsführers, grundsätzlich durchaus möglich, jedoch nur wenn die Voraussetzungen der §§ 45 ff. SGB X erfüllt sind (vgl. für viele Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ders., Komm. z. SGG, 9. Aufl. 2008, § 85 Rdnr. 5). Richtet sich der Widerspruch gegen einen Bescheid, der selbst an § 45 ff. SGB X zu messen ist, so spricht viel dafür, dass Bezugspunkt für die Prüfung, ob eine Verschärfung im Widerspruchsverfahren unter Anwendung von §§ 45 ff. SGB X möglich ist, nicht (nur) der ursprüngliche begünstigende Bescheid ist, sondern (auch) der mit Widerspruch angefochtene, aber nach Auffassung der Behörde nicht weit genug gehende Aufhebungsbescheid (so wohl auch Leitherer, ebd., allerdings ohne die Problematik ausdrücklich zu thematisieren). Im hier zu entscheidenden Fall kann dies sogar offenbleiben: Die Beklagte hat nämlich am 06.12.2007 nicht nur einen Teilaufhebungsbescheid erlassen, bei dem immerhin fraglich erscheinen könnte, ob der Bescheidempfänger ihm entnehmen und grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die Leistungsbewilligung, soweit sie nicht korrigiert wird, Bestand haben soll. Die Beklagte hat aber zudem einen (geänderten) Bewilligungsbescheid über die Leistung unter Berücksichtigung des aus der streitigen Beschäftigung erzielten Einkommens als Nebeneinkommen erlassen. Jedenfalls damit, also durch die Kombination des auf eine Teilaufhebung beschränkten Aufhebungs- mit einem dazu korrespondierenden geänderten Bewilligungsbescheid, hat die Beklagte eine Rechtsposition zu Gunsten des Klägers geschaffen, in die sie nur hätte eingreifen dürfen, wenn (auch) bezogen auf die Bescheide vom 06.12.2007 die Voraussetzungen für eine rückwirkende Korrektur nach §§ 45 ff. SGB X (ggf. in Verbindung mit § 330 SGB III) vorgelegen hätten. Da der Kläger am 06.12.2007 die Beschäftigung längst aufgenommen (und sogar bereits wieder aufgegeben) hatte, waren die Bescheide ggf. schon bei ihrem Erlass rechtswidrig. Eine Verböserung im Widerspruchsverfahren wäre daher nur möglich gewesen, wenn hinsichtlich der Bescheide vom 06.12.2007 – soweit sie den Kläger begünstigten, also insofern sie die Leistungsbewilligung wiederholten und bestätigten und sie nicht über die Anrechnung des erzielten Einkommens als Nebeneinkommen in Höhe von 770,70 Euro hinaus korrigierten – die Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Vergangenheit nach § 45 SGB X (ggf. in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III) vorgelegen hätten. Das war aber nicht der Fall.
2. Es kann dabei letztlich sogar offenbleiben, ob der vom Kläger allein noch angefochtene Änderungsbescheid vom 23.05.2008 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2008 und des Änderungsbescheides vom 29.01.2009) bereits aus formellen Gründen rechtswidrig ist. Insofern bestehen ganz erhebliche Bedenken, ob der Kläger zu dem verbösernden Änderungsbescheid ausreichend angehört wurde. Das erscheint deswegen zweifelhaft, weil die subjektiven Voraussetzungen für die Korrektur nunmehr einen anderen Bezugspunkt – nämlich die Bescheide vom 06.12.2007 und deren Rechtswidrigkeit – hatten und im Übrigen auch andere tatsächliche Umstände – nämlich statt der Höhe des erzielten Einkommens der zeitliche Umfang der Tätigkeit – maßgeblich waren. Letztlich kann dies aber offenbleiben, da der Bescheid (auch) aus anderen Gründen rechtswidrig ist. Aus diesem Grunde bestand zudem kein Anlass, dem Hilfsantrag der Beklagten zu entsprechen und das Verfahren zur Nachholung der Anhörung auszusetzen.
3. Der Änderungsbescheid vom 23.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2008 und des Änderungsbescheides vom 29.01.2009 ist nämlich in jedem Falle deswegen rechtswidrig, weil die subjektiven Voraussetzungen für eine nachträgliche Korrektur der mit den Bescheiden vom 06.12.2007 geschaffenen Rechtsposition nicht vorlagen.
Dabei spricht zunächst durchaus viel dafür, dass der Kläger tatsächlich in einem Umfang gearbeitet hat, der zum Wegfall der Beschäftigungslosigkeit (§ 119 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III) und damit einer notwendigen Voraussetzung für seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitsloskeit (§§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 SGB III) geführt hat. Angesichts der Vielzahl der Wochen, in denen die Arbeitszeit ausweislich der von der Fa. B. ausgestellten Bescheinigungen 15 Stunden überschritt, spricht auch wenig dafür, dass diese als gelegentliche Abweichung von geringer Dauer gemäß § 119 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 SGB III unberücksichtigt bleiben könnten. Die nur beschränkte Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld auf der Grundlage der Behandlung der erzielten Einkünfte als Nebeneinkommen dürfte daher tatsächlich rechtswidrig gewesen sein.
Allerdings waren alle in diesem Zusammenhang notwendigen Informationen der Beklagten bei Erlass der Bescheide vom 06.12.2007 auf Grund der von ihr zu diesem Zweck eingeholten Auskunft der Fa. B. bereits bekannt. Sie beruhten daher – anders als die angesichts des zeitlichen Ablaufs bei ihrem Wirksamwerden wohl ebenfalls bereits rechtswidrige ursprüngliche Bewilligungscheidung vom 25.06.2007 – nicht (mehr) auf den (fehlenden) Angaben des Klägers. Eine Rücknahme auf der Grundlage von §§ 330 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X kam von daher nicht in Frage, weil sie die Kausalität falscher oder unvollständiger Angaben voraussetzt (vgl. für viele Schütze in von Wulffen, Komm. z. SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45 Rdnr. 50). Zwar entbindet auch die anderweitige Kenntnis der Behörde von den maßgeblichen Umständen den Leistungsempfänger oder –antragsteller nicht von der Pflicht, vollständige und zutreffende Angaben zu machen und relevante Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen (vgl. § 60 SGB I). Dennoch beruht ein fehlerhafter Bescheid jedenfalls dann nicht mehr auf den unzutreffenden oder unvollständigen Angaben, wenn die Behörde die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit – wie hier – erkannt hat und die Angaben des Betroffenen ihrer Entscheidung gar nicht (mehr) zugrunde legt, sondern von der zutreffenden Tatsachengrundlage ausgeht und diese nur rechtlich falsch bewertet. Die Zweifel, die an der Einlassung des Klägers (erst) in der mündlichen Verhandlung, er habe die Arbeitsaufnahme der Beklagten telefonisch mitgeteilt, bestehen müssen, können daher auf sich beruhen. Die Beklagte ging vielmehr bereits am 06.12.2007 von den Angaben der Fa. B. aus, die sie nur rechtlich unzutreffend einordnete.
Auch die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit der sich aus den Bescheiden vom 06.12.2007 ergebenden Entscheidung der Beklagten ist nach Auffassung der Kammer nicht plausibel und jedenfalls nicht sicher feststellbar. Daher lässt sich die verbösernde Korrektur auch auf § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X (i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III) nicht stützen; Vorsatz oder eine Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 Hs. 2 SGB X) in Bezug auf die Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 06.12.2007 ist ihm nicht vorzuwerfen. Der Kläger hat vielmehr in der mündlichen Verhandlung insoweit durchaus nachvollziehbar und glaubhaft dargetan, dass die Tätigkeit für ihn den Charakter eines Nebenjobs hatte und trotz der in mehreren Wochen über einen Umfang von 15 Stunden wöchentlich hinausgehenden Arbeitszeit subjektiv auch durchgehend behielt. Der Inhalt der Tätigkeit, also die Überführung von Autos von einer B-Station zu einem Kunden und zurück bzw. von einer Station zur anderen, und die zeitliche Ausgestaltung, also die Tätigkeit auf Abruf, machen dies nachvollziehbar. Diese Einschätzung wird zusätzlich dadurch plausibel, dass auch die Arbeitgeberin, die Fa. B., das Einkommen als Nebeneinkommen bescheinigte und – nach den insoweit glaubhaften Angaben des Klägers – die Stelle als Nebentätigkeit angeboten hatte. Vor diesem Hintergrund musste es sich dem Kläger nicht aufdrängen, also auf Grund (für ihn) einfachster und naheliegender Überlegungen erkennbar sein (vgl. zu diesem Maßstab nochmals Schütze, a.a.O., Rdnr. 56 m.Nw. aus der st. Rspr. des BSG), dass die Beklagte mit der nur teilweisen Aufhebung einen Rechtsfehler zu seinen Gunsten begangen hatte. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zwar keineswegs einen unbedarften Eindruck gemacht, so dass ihm im Ausgangspunkt sicher durchaus (leicht) erkennbar sein musste, dass eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung mit dem Bezug von Arbeitslosengeld unvereinbar ist. Auch hat er den Erhalt des entsprechenden Merkblatts quittiert (und im Übrigen auch nicht in Frage gestellt), so dass für ihn die Anspruchsschädlichkeit seiner Beschäftigung hätte erkennbar sein können. Hier besteht aber neben den erwähnten Umständen, die für die ausgeübte Beschäftigung kennzeichnend waren, die Besonderheit, dass die Beklagte – ebenfalls in Kenntnis der maßgeblichen Umstände – den Bescheid vom 06.12.2007 erlassen hat. Insofern ist es angesichts des Charakters der Tätigkeit durchaus nachvollziehbar, wenn der Kläger zum Ausdruck bringt, er habe deren Behandlung als Nebentätigkeit als sachgerecht empfunden und keinen Anlass gehabt, die Beurteilung durch die Beklagte in Frage zu stellen. Nimmt man hinzu, dass eine Rechtspflicht eines Bescheidempfängers, einen Verwaltungsakt umfassend auf Richtigkeit zu prüfen, nicht besteht (Schütze, ebd.), so musste für ihn der Fehler der Beklagten, der zum Erlass der Bescheide vom 06.12.2007 führte, nicht augenfällig sein. Deren nachträgliche Korrektur, wie sie die Beklagte mit dem Bescheid vom 23.05.2008 versucht hat, erweist sich damit als rechtswidrig.
Nachdem der Kläger den Bescheid vom 06.12.2007 nicht mehr zum Gegenstand seines Antrags gemacht hatte, war der Klage, soweit sie sich durch die damit verbundene Rücknahme nicht erledigt hatte, in vollem Umfang zu entsprechen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Kläger die Aufhebung und Erstattung im Umfang von 770,70 Euro – dadurch dass er den gegen den Bescheid vom 06.12.2007 gerichteten Klageantrag nicht weiterverfolgt hat – akzeptiert hat. Dennoch hat der Kläger sein Klageziel ganz überwiegend erreicht, so dass es nach Ausübung des insoweit bestehenden Ermessens sachgerecht erschien, die Beklagte zu einer weitgehenden Erstattung der dem Kläger bei der Rechtsverfolgung entstandenen Kosten zu verpflichten.
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