Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 15 AL 560/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Bezug einer Entgeltersatzleistung nach dem SGB III und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit als Voraussetzung für die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses (hier abgelehnt bei einem zeitlichen Abstand von zwölf Wochen und einem Tag wegen zwischenzeitlicher Arbeitsunfähigkeit und Erlöschen des Stammrechts).
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses nach § 421l des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) und insbesondere die Frage, ob der notwendige enge Zusammenhang zwischen dem Bezug einer Entgeltersatzleistung nach dem SGB III und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gewahrt ist.
Der 1947 geborene Kläger beantragte während des Bezugs von Arbeitslosengeld am 09.08.2005 die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses für den selbständigen Betrieb eines Büroservices bei der Beklagten. In der Folgezeit war er vom 29.08.2005 bis 06.11.2005 wegen einer Beinverletzung (Metallentfernung nach einer Unterschenkelfraktur) arbeitsunfähig. Während dieser Zeit endete mit dem 07.09.2005 der Bezug von Arbeitslosengeld, da der Anspruch erschöpft war; ab 08.09.2005 erhielt der Kläger Krankengeld von der X-Kasse. Die selbständige Tätigkeit konnte er erst nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit, konkret am 01.12.2005, aufnehmen und führte diese bis zu seiner Berentung im Jahre 2010 fort.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 09.03.2006 und Widerspruchsbescheid vom 03.07.2006 den Antrag auf Existenzgründungszuschuss ab, weil der Kläger nicht in engem Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit eine Entgeltersatzleistung bezogen habe.
Mit seiner am 27.07.2006 bei Gericht eingegangen Klage hat der Kläger zunächst geltend gemacht, der enge zeitliche Zusammenhang sei gewahrt, da er beim regulären Ende des Anspruchs auf Arbeitslosengeld arbeitsunfähig gewesen sei; daher habe der Anspruch auf Arbeitslosengeld geruht und er hätte nach Ende der Arbeitsunfähigkeit eigentlich bis 17.11.2005 weiter Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt. Nachdem die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass das Arbeitslosengeld während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit zunächst auf der Grundlage von § 126 SGB III weitergezahlt worden sei und der Kläger erst nach und wegen dessen Erschöpfung am 07.09.2005 (bereits) ab dem 08.09.2005 Krankengeld erhalten habe, hat der Kläger insbesondere argumentiert, der zeitliche Abstand zwischen dem Bezug von Arbeitslosengeld und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit sei auf seine Arbeitsunfähigkeit zurückzuführen, daher unverschuldet. Er könne daher seinem Anspruch auf Existenzgründungszuschuss nicht entgegengehalten werden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2006 zu verurteilen, ihm einen Existenzgründungszuschuss ab 1. Dezember 2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt ihren Bescheid.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der zum Kläger geführten Leistungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Existenzgründungszuschuss nicht zu.
Maßgebliche Anspruchsgrundlage ist § 421l Abs. 1 SGB III in der ab 27.11.2004 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.11.2004 (BGBl. I S. 2902); das zwischenzeitliche Auslaufen des Existenzgründungszuschusses als Instrument, um die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zu fördern, ist unbeachtlich, da es sich um einen Altfall im Sinne von § 421l Abs. 5 SGB III (in der ab 31.12.2005 geltenden und auf das Fünfte Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2005 [BGBl. I S. 3676] zurückgehenden Fassung) handelt.
Nach der genannten Vorschrift haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss. Dessen Gewährung setzt nach § 421l Abs. 1 S. 2 SGB III weiter voraus, dass der Existenzgründer (1.) in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch bezogen oder eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buch gefördert worden ist, (2.) nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Arbeitseinkommen nach § 15 des Vierten Buches erzielen wird, das voraussichtlich 25.000 Euro im Jahr nicht überschreiten wird, und (3.) eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt hat.
Hier fehlt es an dem in § 421l Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III geforderten engen Zusammenhang zwischen der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit und dem Bezug einer Entgeltersatzleistung nach dem SGB III (oder einer Beschäftigung, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gefördert worden wäre). Der Kläger hat Arbeitslosengeld nur bis 07.09.2005 erhalten, die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit erfolgte nach den glaubhaften eigenen Angaben des Klägers am 01.12.2005, also zwölf Wochen und einen Tag später. Das zwischenzeitlich bezogene Krankengeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) ist anders als das während der ersten sechs Wochen einer Arbeitsunfähigkeit (ggf. aber – wie hier – nur bis zur Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruchs) nach § 126 Abs. 1 S. 1 III fortgezahlte Arbeitslosengeld ("Kranken-Alg") keine Entgeltersatzleistung "nach diesem Buch" im Sinne von § 421l SGB III (vgl. so auch Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, § 421l SGB III Rdnr. 4; für das Überbrückungsgeld: BSG, Urtl. v. 24.06.1993 – 11 Rar 1/92 – SozR 3 4100 § 55a Nr. 4).
Allerdings ist ein nahtloser Übergang zwischen dem Bezug von Entgeltersatzleistungen und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit auch gar nicht erforderlich, wohl aber ein enger zeitlicher Zusammenhang. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Überbrückungsgeld nach § 55a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) dem Grundsatz nach in das Gesetz übernommen worden (vgl. zu § 55a AFG etwa BSG, Urtl. v. 24.06.1993 – 11 RAr 1/92 – SozR 3-4100 § 55a Nr. 4; ausf. zur Entwicklung LSG BW, Urtl. v. 12.05.2011 – L 12 AL 1695/10 – und BSG, Urtl. v. 05.05.2010 – B 11 AL 11/09 R). Im Gesetz ist dazu kein fester Zeitraum normiert; allerdings ist in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/873) zu dem vergleichbar formulierten § 57 SGB III a.F. ein Zeitraum von etwa einem Monat genannt, auf den sich Rechtsprechung und Literatur deshalb auch verschiedentlich beziehen (vgl. etwa BSG, Urtl. v. 05.05.2010 B 11 AL 11/09 R –, allerdings zum Gründungszuschuss nach § 57 SGB III n.F.; außerdem Winkler, ebd., und Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 421l Rdnr. 21; krit. dagegen Merten, in BeckOK, SGB III § 421l Rdnr. 8, Stand: 01.12.2011). Die Gesetzesbegründung zu § 421l SGB III selbst erwähnt keinen konkreten Zeitraum (BT-Drs. 15/26 S. 22 f.), stellt allerdings auf eine kurze Phase der Vorbereitung für die selbständige Tätigkeit ab.
Für das Überbrückungsgeld nach § 55a AFG hatte das BSG (vgl. Urtl. v. 24.06.1993 11 RAr 1/92 – SozR 3-4100 § 55a Nr. 4) als Höchstgrenze den Zeitraum einer Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung herangezogen, um dem Eintritt einer Sperrzeit keine übermäßigen Folgen zukommen zu lassen, und diesen Zeitraum auch in einem Fall, bei dem in der Zwischenzeit Krankengeld bezogen worden war, für maßgeblich erachtet. Bislang nicht abschließend geklärt ist, ob diese Rechtsprechung – trotz der Hinweise auf eine kürzere Zeitspanne und den Bezug auf die für die Vorbereitung der selbständigen Tätigkeit notwendige Zeit in den erwähnten Gesetzesbegründungen und der Verlängerung der Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung von acht Wochen nach § 119 AFG auf bis zu zwölf Wochen nach § 144 SGB III – weiter anwendbar ist (vgl. in diese Richtung BSG, Urtl. v. 21.03.2007 – B 11a AL 11/06 R). In der genannten Entscheidung hat das BSG zudem ausdrücklich offengelassen, ob überhaupt eine zeitliche Begrenzung im Sinne der bisherigen Rechtsprechung vorzunehmen sei, soweit der Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III allein wegen des Eintritts von Arbeitsunfähigkeit und des Bezuges von Krankengeld nach § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III ruhe. Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass ein Argument von erheblichem Gewicht für diese Position, und zwar sowohl hinsichtlich des Ruhens bei Bezug von Krankengeld wie für die mögliche Ausdehnung des Zeitraums auf die Dauer einer Sperrzeit, die Erhaltung des Stammrechts während dieser Zeit war. Der Betreffende hätte sich daher nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit und des Krankengeldbezuges bzw. der Sperrzeit einfach nochmals arbeitslos melden und damit einen nahen Vorbezug (erneut) realisieren können. Eine derartige, bloß formale Arbeitslosmeldung erscheint in der Tat wenig sinnvoll, so dass es naheliegt, bei der Bemessung des zeitlichen Zusammenhangs auf diesen Umstand Rücksicht zu nehmen.
Ob die Rechtsprechung zu § 55a AFG für das Verständnis von § 421l SGB III herangezogen werden kann, ist auch im hiesigen Verfahren nicht zu entscheiden. Im konkreten Fall war das Stammrecht nämlich bereits mit dem 07.09.2005 erloschen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhte daher ab dem 08.09.2005 nicht etwa wegen des Bezuges von Krankengeld, sondern er war erschöpft; eine Arbeitslosmeldung des Klägers nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit und des Bezuges von Krankengeld hätte ihm unter diesen Umständen nicht erneut zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld verholfen. In diesem Fall erscheint die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zwölf Wochen und einen Tag nach dem letzten Bezugstag von Arbeitslosengeld nicht mehr als hinreichend enger zeitlicher Zusammenhang. Dabei kann offenbleiben, ob der Anspruch möglicherweise wegen der Erschöpfung des Stammrechts auf Arbeitslosengeld ohne Rücksicht auf die Dauer des Übergangszeitraums ausgeschlossen ist, weil der erkennbare Zweck (auch) des Existenzgründungszuschusses – nämlich die Förderung einer selbständigen Tätigkeit, um dadurch andererseits Mittel der Arbeitslosenversicherung für die Weiterzahlung der zuvor bezogene oder einer anderen Entgeltersatzleistung zu sparen – nicht mehr erreicht werden kann (vgl. in diesem Sinne Winkler, a.a.O., Rdnr. 9 m.w.Nw.: "Abs 1 Satz 2 Nr 1 verlangt nur den Leistungsbezug in der Vergangenheit, so dass nach dem Wortlaut der Vorschrift der zurückliegende zeitnahe Leistungsbezug die Zahlung des Existenzgründungszuschusses rechtfertigen könnte, auch wenn im Zeitpunkt der Existenzgründung kein Anspruch mehr bestünde. Dieser wortgetreuen Auslegung steht jedoch entgegen, dass die Leistung aus Beitragsmitteln gefördert wird [BT-Drs 14/26 S 22]; auch könnte der Gesetzeszweck, durch die Förderung der Existenzgründung Kosten zu sparen, dann nicht erfüllt werden [LSG Berlin, 12. 2. 2004 – L 8 AL 100/02].")
Jedenfalls wird man nach dem Erlöschen des Stammrechts den zeitlichen Rahmen allein an der für die Vorbereitung der Existenzgründung notwendigen Zeitspanne bemessen müssen. Insoweit ist eine Orientierung am Einzelfall geboten (vgl. Brandts in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 421l Rdnr. 17; Beispiele aus der Rechtsprechung sind dabei etwa folgende: ein Monat und ein Tag unschädlich [SG Berlin, Urtl. v. 22.05.2003 – S 60 AL 5166/02; SG Karlsruhe, Urtl. v. 02.05.2006 – S 5 AL 2252/05]; drei Monate zuviel [LSG RhPf, Urtl. v. 20.10.2001 – L 1 AL 53/01]; zwei Monate zuviel [LSG BW, Urtl. v. 12.05.2011 – L 12 AL 1695/10]). Als Richtschnur wird man insoweit auf den in der Gesetzesbegründung zu § 57 SGB III a.F. in diesem Zusammenhang genannten Zeitraum von etwa einem Monat zurückgreifen können. Jedenfalls wenn das Stammrecht erloschen ist, darf dieser nicht mehr wesentlich überschritten werden, so dass im konkreten Fall der notwendige enge Zusammenhang nicht gewahrt ist.
Der Kläger verweist demgegenüber darauf, er habe die Dauer zwischen der Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruchs und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht zu vertreten, diese sei vielmehr allein auf seine Erkrankung zurückzuführen. Im Ergebnis kann er mit diesem durchaus nachvollziehbaren Argument nicht durchdringen: Die Gesetzesformulierung bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass es bei der Beurteilung des engen Zusammenhangs auf Verschuldensgesichtspunkte ankommen soll. Wäre dies anders, hätte es nahegelegen, das Wort "unverzüglich" zu verwenden, das in vielen Zusammenhängen genau mit dieser Absicht und entsprechend seiner Legaldefinition in § 121 Abs. 1 S. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches verwendet wird. Zudem hätte eine Ausdehnung des Kreises der Leistungen, die in engem zeitlichen Zusammenhang vorbezogen sein müssen, auf sonstige Entgeltersatzleistungen nach anderen Büchern des SGB – also z.B. des Krankengeldes nach dem SGB V, aber auch des Verletztengeldes aus der gesetzlichen Unfallversicherung o.Ä. – die Problematik gelöst. Der Umstand, dass der Gesetzgeber allein auf Entgeltersatzleistungen "nach diesem Buch" abstellt, enthält demgegenüber gerade einen Hinweis darauf, dass (auch) der Existenzgründungszuschuss regelmäßig dazu führen soll, andere Leistungen nach dem SGB III, insbesondere die Weiterzahlung von Arbeitslosengeld, einzusparen. Dieser Zusammenhang kommt in § 421l SGB III zwar nicht so unzweideutig zum Ausdruck wie bei der Regelung des Gründungszuschusses, bei dem ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von 90 Tagen vorhanden sein muss (§ 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB III). Er ist aber auch für § 421l SGB III hinreichend deutlich, um jedenfalls nach dem Erlöschen des Stammrechts allenfalls noch ein kurze Übergangszeit gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Eine andere Lösung müsste der Gesetzgeber schaffen, wenn er sie sozialpolitisch für sinnvoll erachten würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses nach § 421l des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) und insbesondere die Frage, ob der notwendige enge Zusammenhang zwischen dem Bezug einer Entgeltersatzleistung nach dem SGB III und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gewahrt ist.
Der 1947 geborene Kläger beantragte während des Bezugs von Arbeitslosengeld am 09.08.2005 die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses für den selbständigen Betrieb eines Büroservices bei der Beklagten. In der Folgezeit war er vom 29.08.2005 bis 06.11.2005 wegen einer Beinverletzung (Metallentfernung nach einer Unterschenkelfraktur) arbeitsunfähig. Während dieser Zeit endete mit dem 07.09.2005 der Bezug von Arbeitslosengeld, da der Anspruch erschöpft war; ab 08.09.2005 erhielt der Kläger Krankengeld von der X-Kasse. Die selbständige Tätigkeit konnte er erst nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit, konkret am 01.12.2005, aufnehmen und führte diese bis zu seiner Berentung im Jahre 2010 fort.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 09.03.2006 und Widerspruchsbescheid vom 03.07.2006 den Antrag auf Existenzgründungszuschuss ab, weil der Kläger nicht in engem Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit eine Entgeltersatzleistung bezogen habe.
Mit seiner am 27.07.2006 bei Gericht eingegangen Klage hat der Kläger zunächst geltend gemacht, der enge zeitliche Zusammenhang sei gewahrt, da er beim regulären Ende des Anspruchs auf Arbeitslosengeld arbeitsunfähig gewesen sei; daher habe der Anspruch auf Arbeitslosengeld geruht und er hätte nach Ende der Arbeitsunfähigkeit eigentlich bis 17.11.2005 weiter Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt. Nachdem die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass das Arbeitslosengeld während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit zunächst auf der Grundlage von § 126 SGB III weitergezahlt worden sei und der Kläger erst nach und wegen dessen Erschöpfung am 07.09.2005 (bereits) ab dem 08.09.2005 Krankengeld erhalten habe, hat der Kläger insbesondere argumentiert, der zeitliche Abstand zwischen dem Bezug von Arbeitslosengeld und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit sei auf seine Arbeitsunfähigkeit zurückzuführen, daher unverschuldet. Er könne daher seinem Anspruch auf Existenzgründungszuschuss nicht entgegengehalten werden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2006 zu verurteilen, ihm einen Existenzgründungszuschuss ab 1. Dezember 2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt ihren Bescheid.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der zum Kläger geführten Leistungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Existenzgründungszuschuss nicht zu.
Maßgebliche Anspruchsgrundlage ist § 421l Abs. 1 SGB III in der ab 27.11.2004 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.11.2004 (BGBl. I S. 2902); das zwischenzeitliche Auslaufen des Existenzgründungszuschusses als Instrument, um die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zu fördern, ist unbeachtlich, da es sich um einen Altfall im Sinne von § 421l Abs. 5 SGB III (in der ab 31.12.2005 geltenden und auf das Fünfte Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2005 [BGBl. I S. 3676] zurückgehenden Fassung) handelt.
Nach der genannten Vorschrift haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss. Dessen Gewährung setzt nach § 421l Abs. 1 S. 2 SGB III weiter voraus, dass der Existenzgründer (1.) in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch bezogen oder eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buch gefördert worden ist, (2.) nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Arbeitseinkommen nach § 15 des Vierten Buches erzielen wird, das voraussichtlich 25.000 Euro im Jahr nicht überschreiten wird, und (3.) eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt hat.
Hier fehlt es an dem in § 421l Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III geforderten engen Zusammenhang zwischen der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit und dem Bezug einer Entgeltersatzleistung nach dem SGB III (oder einer Beschäftigung, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gefördert worden wäre). Der Kläger hat Arbeitslosengeld nur bis 07.09.2005 erhalten, die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit erfolgte nach den glaubhaften eigenen Angaben des Klägers am 01.12.2005, also zwölf Wochen und einen Tag später. Das zwischenzeitlich bezogene Krankengeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) ist anders als das während der ersten sechs Wochen einer Arbeitsunfähigkeit (ggf. aber – wie hier – nur bis zur Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruchs) nach § 126 Abs. 1 S. 1 III fortgezahlte Arbeitslosengeld ("Kranken-Alg") keine Entgeltersatzleistung "nach diesem Buch" im Sinne von § 421l SGB III (vgl. so auch Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, § 421l SGB III Rdnr. 4; für das Überbrückungsgeld: BSG, Urtl. v. 24.06.1993 – 11 Rar 1/92 – SozR 3 4100 § 55a Nr. 4).
Allerdings ist ein nahtloser Übergang zwischen dem Bezug von Entgeltersatzleistungen und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit auch gar nicht erforderlich, wohl aber ein enger zeitlicher Zusammenhang. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Überbrückungsgeld nach § 55a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) dem Grundsatz nach in das Gesetz übernommen worden (vgl. zu § 55a AFG etwa BSG, Urtl. v. 24.06.1993 – 11 RAr 1/92 – SozR 3-4100 § 55a Nr. 4; ausf. zur Entwicklung LSG BW, Urtl. v. 12.05.2011 – L 12 AL 1695/10 – und BSG, Urtl. v. 05.05.2010 – B 11 AL 11/09 R). Im Gesetz ist dazu kein fester Zeitraum normiert; allerdings ist in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/873) zu dem vergleichbar formulierten § 57 SGB III a.F. ein Zeitraum von etwa einem Monat genannt, auf den sich Rechtsprechung und Literatur deshalb auch verschiedentlich beziehen (vgl. etwa BSG, Urtl. v. 05.05.2010 B 11 AL 11/09 R –, allerdings zum Gründungszuschuss nach § 57 SGB III n.F.; außerdem Winkler, ebd., und Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 421l Rdnr. 21; krit. dagegen Merten, in BeckOK, SGB III § 421l Rdnr. 8, Stand: 01.12.2011). Die Gesetzesbegründung zu § 421l SGB III selbst erwähnt keinen konkreten Zeitraum (BT-Drs. 15/26 S. 22 f.), stellt allerdings auf eine kurze Phase der Vorbereitung für die selbständige Tätigkeit ab.
Für das Überbrückungsgeld nach § 55a AFG hatte das BSG (vgl. Urtl. v. 24.06.1993 11 RAr 1/92 – SozR 3-4100 § 55a Nr. 4) als Höchstgrenze den Zeitraum einer Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung herangezogen, um dem Eintritt einer Sperrzeit keine übermäßigen Folgen zukommen zu lassen, und diesen Zeitraum auch in einem Fall, bei dem in der Zwischenzeit Krankengeld bezogen worden war, für maßgeblich erachtet. Bislang nicht abschließend geklärt ist, ob diese Rechtsprechung – trotz der Hinweise auf eine kürzere Zeitspanne und den Bezug auf die für die Vorbereitung der selbständigen Tätigkeit notwendige Zeit in den erwähnten Gesetzesbegründungen und der Verlängerung der Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung von acht Wochen nach § 119 AFG auf bis zu zwölf Wochen nach § 144 SGB III – weiter anwendbar ist (vgl. in diese Richtung BSG, Urtl. v. 21.03.2007 – B 11a AL 11/06 R). In der genannten Entscheidung hat das BSG zudem ausdrücklich offengelassen, ob überhaupt eine zeitliche Begrenzung im Sinne der bisherigen Rechtsprechung vorzunehmen sei, soweit der Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III allein wegen des Eintritts von Arbeitsunfähigkeit und des Bezuges von Krankengeld nach § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III ruhe. Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass ein Argument von erheblichem Gewicht für diese Position, und zwar sowohl hinsichtlich des Ruhens bei Bezug von Krankengeld wie für die mögliche Ausdehnung des Zeitraums auf die Dauer einer Sperrzeit, die Erhaltung des Stammrechts während dieser Zeit war. Der Betreffende hätte sich daher nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit und des Krankengeldbezuges bzw. der Sperrzeit einfach nochmals arbeitslos melden und damit einen nahen Vorbezug (erneut) realisieren können. Eine derartige, bloß formale Arbeitslosmeldung erscheint in der Tat wenig sinnvoll, so dass es naheliegt, bei der Bemessung des zeitlichen Zusammenhangs auf diesen Umstand Rücksicht zu nehmen.
Ob die Rechtsprechung zu § 55a AFG für das Verständnis von § 421l SGB III herangezogen werden kann, ist auch im hiesigen Verfahren nicht zu entscheiden. Im konkreten Fall war das Stammrecht nämlich bereits mit dem 07.09.2005 erloschen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhte daher ab dem 08.09.2005 nicht etwa wegen des Bezuges von Krankengeld, sondern er war erschöpft; eine Arbeitslosmeldung des Klägers nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit und des Bezuges von Krankengeld hätte ihm unter diesen Umständen nicht erneut zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld verholfen. In diesem Fall erscheint die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zwölf Wochen und einen Tag nach dem letzten Bezugstag von Arbeitslosengeld nicht mehr als hinreichend enger zeitlicher Zusammenhang. Dabei kann offenbleiben, ob der Anspruch möglicherweise wegen der Erschöpfung des Stammrechts auf Arbeitslosengeld ohne Rücksicht auf die Dauer des Übergangszeitraums ausgeschlossen ist, weil der erkennbare Zweck (auch) des Existenzgründungszuschusses – nämlich die Förderung einer selbständigen Tätigkeit, um dadurch andererseits Mittel der Arbeitslosenversicherung für die Weiterzahlung der zuvor bezogene oder einer anderen Entgeltersatzleistung zu sparen – nicht mehr erreicht werden kann (vgl. in diesem Sinne Winkler, a.a.O., Rdnr. 9 m.w.Nw.: "Abs 1 Satz 2 Nr 1 verlangt nur den Leistungsbezug in der Vergangenheit, so dass nach dem Wortlaut der Vorschrift der zurückliegende zeitnahe Leistungsbezug die Zahlung des Existenzgründungszuschusses rechtfertigen könnte, auch wenn im Zeitpunkt der Existenzgründung kein Anspruch mehr bestünde. Dieser wortgetreuen Auslegung steht jedoch entgegen, dass die Leistung aus Beitragsmitteln gefördert wird [BT-Drs 14/26 S 22]; auch könnte der Gesetzeszweck, durch die Förderung der Existenzgründung Kosten zu sparen, dann nicht erfüllt werden [LSG Berlin, 12. 2. 2004 – L 8 AL 100/02].")
Jedenfalls wird man nach dem Erlöschen des Stammrechts den zeitlichen Rahmen allein an der für die Vorbereitung der Existenzgründung notwendigen Zeitspanne bemessen müssen. Insoweit ist eine Orientierung am Einzelfall geboten (vgl. Brandts in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 421l Rdnr. 17; Beispiele aus der Rechtsprechung sind dabei etwa folgende: ein Monat und ein Tag unschädlich [SG Berlin, Urtl. v. 22.05.2003 – S 60 AL 5166/02; SG Karlsruhe, Urtl. v. 02.05.2006 – S 5 AL 2252/05]; drei Monate zuviel [LSG RhPf, Urtl. v. 20.10.2001 – L 1 AL 53/01]; zwei Monate zuviel [LSG BW, Urtl. v. 12.05.2011 – L 12 AL 1695/10]). Als Richtschnur wird man insoweit auf den in der Gesetzesbegründung zu § 57 SGB III a.F. in diesem Zusammenhang genannten Zeitraum von etwa einem Monat zurückgreifen können. Jedenfalls wenn das Stammrecht erloschen ist, darf dieser nicht mehr wesentlich überschritten werden, so dass im konkreten Fall der notwendige enge Zusammenhang nicht gewahrt ist.
Der Kläger verweist demgegenüber darauf, er habe die Dauer zwischen der Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruchs und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht zu vertreten, diese sei vielmehr allein auf seine Erkrankung zurückzuführen. Im Ergebnis kann er mit diesem durchaus nachvollziehbaren Argument nicht durchdringen: Die Gesetzesformulierung bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass es bei der Beurteilung des engen Zusammenhangs auf Verschuldensgesichtspunkte ankommen soll. Wäre dies anders, hätte es nahegelegen, das Wort "unverzüglich" zu verwenden, das in vielen Zusammenhängen genau mit dieser Absicht und entsprechend seiner Legaldefinition in § 121 Abs. 1 S. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches verwendet wird. Zudem hätte eine Ausdehnung des Kreises der Leistungen, die in engem zeitlichen Zusammenhang vorbezogen sein müssen, auf sonstige Entgeltersatzleistungen nach anderen Büchern des SGB – also z.B. des Krankengeldes nach dem SGB V, aber auch des Verletztengeldes aus der gesetzlichen Unfallversicherung o.Ä. – die Problematik gelöst. Der Umstand, dass der Gesetzgeber allein auf Entgeltersatzleistungen "nach diesem Buch" abstellt, enthält demgegenüber gerade einen Hinweis darauf, dass (auch) der Existenzgründungszuschuss regelmäßig dazu führen soll, andere Leistungen nach dem SGB III, insbesondere die Weiterzahlung von Arbeitslosengeld, einzusparen. Dieser Zusammenhang kommt in § 421l SGB III zwar nicht so unzweideutig zum Ausdruck wie bei der Regelung des Gründungszuschusses, bei dem ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von 90 Tagen vorhanden sein muss (§ 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB III). Er ist aber auch für § 421l SGB III hinreichend deutlich, um jedenfalls nach dem Erlöschen des Stammrechts allenfalls noch ein kurze Übergangszeit gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Eine andere Lösung müsste der Gesetzgeber schaffen, wenn er sie sozialpolitisch für sinnvoll erachten würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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