L 8 LW 9/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 14 LW 9/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 LW 9/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 31.5.2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Regelaltersrente (RAR).

Der am 00.00.1936 geborene Kläger betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen. Er ist verheiratet. Seine Ehefrau ist am 00.00.1959 geboren. Die Eheleute haben vier Kinder. Der Kläger ist seit dem 1.7.1973 Pflichtmitglied bei der Beklagten. Er bewirtschaftet 127,2 ha landwirtschaftliche und 16 ha forstwirtschaftliche Nutzfläche. Er hat mit seiner Ehefrau keinen Pachtvertrag oder sonstigen Vertrag zur Übernahme des landwirtschaftlichen Unternehmens geschlossen.

Am 17.2.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten RAR. Er gab an, er werde seinen Betrieb weiter bewirtschaften, da ein Übernehmer noch nicht vorhanden sei. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil der Kläger sein landwirtschaftliches Unternehmen nicht gemäß §§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 21 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) abgegeben habe (Bescheid v. 4.3.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 21.4.2010).

Der Kläger hat am 7.5.2010 zum Sozialgericht (SG) Münster Klage erhoben und vorgetragen, das Erfordernis der Unternehmensabgabe sei verfassungswidrig.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4.3.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2010 zu verurteilen, ihm eine Regelaltersrente zu zahlen, hilfsweise die Sache gemäß Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den angefochtenen Bescheid verteidigt.

Das SG hat die Klage mit Urteil v. 31.5.2011 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 7.6.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.6.2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, von seinen Kindern sei ein Sohn gewillt, den väterlichen Betrieb zu übernehmen; dieser habe jedoch sein Studium der Landwirtschaft noch nicht angeschlossen. Eine Abgabe an seine Ehefrau gem. § 21 Abs. 9 ALG sei nicht möglich, da sie am 00.00.1959 geboren und damit das in der genannten Bestimmung geforderte Alter noch nicht erreicht habe. Er hält das Erfordernis der Unternehmensabgabe für verfassungswidrig, ebenso die Regelung des § 21 Abs. 9 ALG. Das damit verfolgte Ziel strukturpolitischer Veränderungen lasse sich angesichts der hohen Zahl von Nebenerwerbslandwirten und sog. "Scheinabgaben" nicht mehr erreichen. Die Verpflichtung zur Hofabgabe beeinträchtige ihn unangemessen in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Es sei ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), wenn der Landwirt gezwungen werde, Pflichtmitglied der Alterskasse zu werden, die Alterssicherung dann jedoch nur als eine Teilsicherung ausgestaltet sei. Ergänzend überreicht er die Ausarbeitung "Fragen zur Hofabgabeklausel im Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte" des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 31.5.2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 4.3.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2010 zu verurteilen, ihm Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für richtig und weist darauf hin, dass die Verfassungsmäßigkeit des Abgabeerfordernisses in der Rechtsprechung hinreichend geklärt sei.

Der Senat hat mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Diskussion über Änderungen an der Hofabgabeklausel (BT-Drs. 17/5691), die Tabelle 3 "Einnahmen und Ausgaben in der Alterssicherung der Landwirte von 2004 bis 2008" im Lagebericht der Bundesregierung über die Alterssicherung der Landwirte 2009 (BT-Drs. 17/55), die Daten des Statistischen Bundesamtes zur Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe nach Größenklassen der landwirtschaftlichen Flächen von 1949 bis 2007 sowie die Informationen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) zum Referentenentwurf zum LSV-NOG (Stand Oktober 2011) erörtert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte - insbesondere die Niederschrift der mündlichen Verhandlung - sowie der von der Beklagten beigezogenen, den Kläger betreffenden Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Wie das SG zutreffend entschieden hat, ist die Klage unbegründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger RAR zu gewähren.

I.

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG setzt der Anspruch auf RAR aus der Alterssicherung der Landwirte voraus, dass das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist. Die Voraussetzungen der Abgabe sind in § 21 ALG geregelt. Nach § 21 Abs. 7 i.V.m. § 84 Abs. 5 ALG gilt ein Unternehmen der Landwirtschaft auch dann als abgegeben, wenn der Flächenwert des nicht abgegebenen Teils 25 v. H. der von der landwirtschaftlichen Alterskasse festgelegten Mindestgröße, d.h. bei landwirtschaftlichen Flächen 1,5 ha bis zum 31.12.2010 bzw. 2 ha ab dem 1.1.2011 nicht überschreitet.

Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der Abgabe nicht. Er selbst bewirtschaftet landwirtschaftliche Flächen von 127,2 ha und forstwirtschaftliche Flächen von 16 ha und damit - schon allein aufgrund der landwirtschaftlichen Flächen - in einer den zulässigen Rückbehalt übersteigenden Höhe.

Schwierigkeiten bei der Unternehmensabgabe, wie sie der Kläger im Hinblick auf seine familiäre Situation vorgetragen hat, können die vom Gesetz vorbehaltlos verlangte Abgabe weder erfüllen noch ersetzen (BSG, Urteil v. 25.2.2010, B 10 LW 1/09 R, SozR 4-5868 § 13 Nr. 5).

II.

Der Senat hält entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung (Urteil v. 12.9.2007, L 8 LW 2/07; Urteil v. 8.8.2007, L 8 LW 5/07; Urteil v. 8.3.2006, L 8 LW 12/05; Urteil v. 4.6.2003, L 8 LW 2/03) das Erfordernis der Unternehmensabgabe als Voraussetzung des Anspruchs auf RAR nicht für verfassungswidrig (Art. 100 Abs. 1 GG).

1. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Gewährung einer Altersrente von der vorherigen Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens abhängig zu machen, verstößt zunächst nicht gegen Art 3 Abs. 1 GG.

a) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (std. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschluss v. 27.2.2007, 1 BvL 10/00, BVerfGE 117, 272 [300 f.]). Dabei muss er an ein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungsmerkmal anknüpfen. Auf dem Gebiet des Sozialrechts ist ihm insoweit eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zuzugestehen (vgl. BVerfG, Urteil v. 23.1.1990, 1 BvL 44/86, 1 BvL 48/87, BVerfGE 81, 156 [205]; BVerfG, Beschluss v. 7.7.2010, 1 BvR 2556/09, SozR 4-4200 § 11 Nr. 33; m.w.N.). Die verfassungsrechtliche Kontrolle beschränkt sich daher darauf, ob seine Erwägungen offensichtlich verfehlt oder mit der Wertordnung des GG unvereinbar sind (vgl. BVerfG, Beschluss v. 18.12.1981, 1 BvR 943/81, SozR 5850 § 2 Nr. 8), was insbesondere dann der Fall sein kann, wenn sich für die Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zum Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt (BVerfG, Beschluss v. 15.3.2000, 1 BvL 16/96 u.a., BVerfGE 102, 68 [87]).

b) Das Erfordernis der Abgabe dient der Erreichung eines mit der landwirtschaftlichen Alterssicherung verfolgten strukturpolitischen Zieles, nämlich die Übergabe landwirtschaftlicher Unternehmen an jüngere Inhaber zu fördern (vgl. BVerfG, Beschluss v. 18.12.1981, 1 BvR 943/81, SozR 5850 § 2 Nr 8; Beschluss v. 1.3.2004, 1 BvR 2099/03, SozR 4-5868 § 1 Nr. 3; BSG, Urteil v. 19.2.2009, B 10 LW 3/07 R, SozR 4-5868 § 1 Nr. 7). Mit dem prinzipiell endgültigen Verlust der Unternehmereigenschaft soll zugleich sichergestellt werden, dass der Übernehmer die landwirtschaftliche Fläche sinnvoll weiter bewirtschaften kann (BSG, Urteil v. 16.11.1995, 4 RLw 6/94, juris). Denn nur wer das unternehmerische Risiko trägt, kann die Betriebsstruktur modernisieren, die erforderlichen technischen Innovationen vornehmen und ggf. die Ausrichtung des Unternehmens den Marktgegebenheiten anpassen (vgl. auch BMELV, Informationen zu den Modifizierungen der Hofabgabeverpflichtung in der Alterssicherung der Landwirte im Entwurf des LSV-NOG, zu Ziff. 2).

c) Die genannten Zielsetzungen sind weder offensichtlich verfehlt noch mit der Wertordnung des GG unvereinbar. Im Gegenteil gehören die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Produktion und die Verbesserung der Agrarstruktur zu den legitimen Staatsaufgaben, wie Art 74 Abs. 1 Nr. 17 GG und Art. 91 Abs. 1 Nr. 2 GG belegen. Diese Ziele darf der Bundesgesetzgeber auch im Rahmen der ihm gleichfalls (durch Art. 74 Nr. 12 GG) zugewiesenen Aufgabe der Sozialversicherung verfolgen. Die Legitimation hierzu ergibt sich aus dem Umstand, dass unverändert die Bundeszuschüsse an die Alterssicherung der Landwirte (§ 78 ALG) deren tragende Finanzierungssäule sind. Sie betrugen in den Jahren 2008 bis 2010 zuletzt rund 77 Prozent der Gesamtausgaben (BT-Drs. 17/5691, S. 2).

d) Im Rahmen der im Bereich der Sozialpolitik und Sozialversicherung eingeschränkten verfassungsrechtlichen Prüfungskompetenz lässt sich nicht feststellen, dass der Grad der Ungleichbehandlung zwischen Landwirten, die ihr Unternehmen abgeben und, solchen, die darauf verzichten, in einem unangemessenen Verhältnis zu den mit dem Abgabeerfordernis verfolgten Zielen steht. Da das Abgabeerfordernis seit Einführung der landwirtschaftlichen Altershilfe durch das Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) vom 27.7.1957 (BGBl. I S. 1063) besteht, kann sich jeder pflichtversicherte Landwirt von Beginn seiner Tätigkeit an darauf einstellen, dass der Bezug einer Altersrente die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens voraussetzt. Das ermöglicht eine langfristige Planung, auch hinsichtlich etwaiger Investitionen. Die Ausgestaltung des Abgabeerfordernisses in § 21 ALG eröffnet darüber hinaus zahlreiche Gestaltungsformen, die von der vollständigen Entäußerung über die langfristige Verpachtung bis hin zur Stilllegung reichen und vom Landwirt entsprechend den individuellen Bedürfnissen genutzt werden können. Damit wird auch in wirtschaftlicher Hinsicht der Ausgestaltung der Alterssicherung als einem Teilsicherungssystem Rechnung getragen, das von einer Ergänzung der Renten durch andere Einkommensquellen, insbesondere das Altenteil und/oder Pachteinnahmen, ausgeht (vgl. BT-Drucks. 14/4230 zu Art. 10 Nr. 11). Es kommt hinzu, dass kein Zwang zur Abgabe besteht und die Entscheidung gegen eine Abgabe bei Veränderung der für sie maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Umstände nach Erreichen der Altersgrenze mit der Folge des Rentenbeginns mit dem nächsten Kalendermonat jederzeit korrigiert werden kann (vgl. §§ 30 Abs. 1 Satz 1 ALG, 99 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]).

e) Ohne Erfolg hält der Kläger dieser Beurteilung entgegen, dass die vom Gesetzgeber angestrebten agrarstrukturellen Effekte aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Entwicklungen nicht mehr erreichbar und ein Festhalten am Abgabeerfordernis daher unangemessen sei.

aa) Insoweit übersieht der Kläger bereits im Ansatz, dass im Rahmen der verfassungsrechtlichen Kontrolle einer Rechtsnorm nicht zu prüfen ist, ob der Gesetzgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. Gewiss mag es dem Gesetzgeber, wenn ihm ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet ist, obliegen, die weitere Entwicklung des von ihm geschaffenen Regelungssystems zu beobachten und beim Auftreten von Fehlentwicklungen gegebenenfalls korrigierend einzugreifen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss v. 27.1.2011, 1 BvR 3222/09, NJW 2011, 1578 [1582]; Urteil v. 16.3.2004, 1 BvR 1778/01, BVerfGE 110, 141 [166]). Wie die Entwicklung des Abgabeerfordernisses zeigt, ist der Gesetzgeber dieser Verpflichtung im Bereich der Hofabgabe jedoch stetig nachgekommen. Insbesondere hat er den zunehmenden Schwierigkeiten, einen geeigneten Hofübernehmer zu finden, durch immer weiter gehende Abgabemöglichkeiten Rechnung getragen. Lediglich beispielhaft seien der Verzicht auf die Übergabe an den Hoferben durch § 2 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte v. 3.7.1961 (BGBl. I S. 845), die Gleichstellung der Stilllegung mit der Abgabe sowie die Lockerung des Abgabeverbots unter Ehegatten durch das Agrarsozialreformgesetz v. 29.7.1994 (BGBl. I S. 1890) bzw. Art. 9 Ziff. 2 Buchst. b) des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 19.12.2007 (BGBl. I S. 3024) erwähnt.

bb) Unabhängig davon vermag der Senat den Hinweis des Klägers nicht nachzuvollziehen, dass eine Strukturverbesserung schon wegen der hohen Anzahl an versicherungsfreien Nebenerwerbslandwirten nicht erreicht werden könne. Unbeschadet der Versicherungspflicht der jeweiligen Landwirte hat sich seit Einführung der landwirtschaftlichen Altershilfe die Zahl der kleinen Betriebe kontinuierlich verringert. So ist in den alten Bundesländern die Zahl der Betriebe mit landwirtschaftlichen Nutzflächen von bis zu 10 ha von 730.086 im Jahr 1960 auf 93.373 im Jahr 2007 gesunken, während im selben Zeitraum die Zahl der Betriebe mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 100 ha und mehr von 2.639 auf 22.791 gestiegen ist (Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2010, Tabelle 31, www.bmelv-statistik.de). Dies belegt, dass es agrarstrukturpolitisch erfolgreich gelungen ist, einer unerwünschten Zersplitterung der Bodenbewirtschaftung entgegenzuwirken.

cc) Ebenfalls ohne Erfolg weist der Kläger auf die vermeintlich hohe Zahl von "Scheinabgaben" hin. Zunächst wird mit der Hofabgabe nicht die Einstellung jeglicher Arbeit im landwirtschaftlichen Betrieb verlangt. Aus den dargestellten Gründen ist maßgebliches Kriterium für die Unternehmensabgabe vielmehr der Übergang des unternehmerischen Risikos auf den Hofnachfolger. Daher steht eine Mitarbeit in dem früher selbst bewirtschafteten Betrieb mit der Abgabeverpflichtung durchaus in Einklang (vgl. BT-Drs. 17/5691, S. 4 zu Frage 14). Es ist folglich nicht nur sprachlich falsch, sondern auch inhaltlich nicht gerechtfertigt, in solchen Fällen verallgemeinernd von einer "Scheinabgabe" zu sprechen. Im Übrigen haben Gesetzgeber und Rechtsprechung die Gefahr lediglich zum Schein vorgenommener Abgaben indessen erkannt und ihnen angemessene Schranken gesetzt. So begegnet die Rechtsprechung derartigen Fallgestaltungen mit dem abgabeschädlichen Einwand des Rechtsmissbrauchs (BSG, Urteil v. 24.4.2003, B 10 LW 6/02 R, SozR 4-5864 § 3 Nr. 1; Urteil v. 30.8.2007, B 10 LW 4/06 R, SozR 4-5868 § 30 Nr. 1; Urteil v. 7.12.2000, B 10 LW 5/00 R, Die Beiträge Beilage 2002, 302). Auch die in § 21 Abs. 9 ALG vorgesehenen Beschränkungen bei der Abgabe unter Ehegatten sollen im Einzelfall beabsichtigten "Scheinabgaben" entgegenwirken (BSG, Urteil v. 9.8.2001, B 10 LW 18/00 R, SozR 3-5868 § 13 Nr. 1; Urteil v. 6.5.1999, B 10 LW 3/98 R, SozR 3-5868 § 21 Nr.1). Soweit es gleichwohl Gestaltungen geben sollte, in denen der Übergang des unternehmerischen Risikos auf den Hofnachfolger lediglich zum Zweck der Rentenerlangung vorgespiegelt wird, kann dies - ebenso wie in anderen Fällen des Sozialleistungsmissbrauchs - die grundsätzliche Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit des Abgabeerfordernisses zur Erreichung der mit ihm verfolgten strukturpolitischen Ziele nicht durchgreifend in Frage stellen.

f) Ob die Beschränkung der Abgabe auf solche Ehegatten, die bei Abgabe das 55. Lebensjahr vollendet haben (§ 21 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 ALG), vor dem Gleichheitssatz Bestand hat, kann demgegenüber dahingestellt bleiben. Hierauf kommt es im vorliegenden Fall nämlich nicht an, weil der Kläger keine Abgabe an seine Ehefrau vollzogen hat, bevor diese die gesetzlich geregelte Altersgrenze erreicht hat.

2. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt vor dem geschilderten Hintergrund auch nicht darin, dass die der Pflichtversicherung in einem anderen gesetzlichen Alterssicherungssystem, nämlich der Rentenversicherung, unterliegenden Selbstständigen (vgl. § 2 SGB VI) ihr Unternehmen nicht aufgeben müssen, um in den Genuss einer Altersrente zu kommen.

Die landwirtschaftliche Alterssicherung ist vom Gesetzgeber bewusst als eigenständige Materie ausgestaltet worden, die ihrer eigenen Sachgesetzlichkeit unterliegt. Der Gesetzgeber durfte daher bei der Festsetzung der Leistungen und der Bestimmung ihrer Voraussetzungen berücksichtigen, dass die Geldleistungen der Landwirtschaftlichen Alterskassen zu nach wie vor mehr als drei Vierteln aus Bundeszuschüssen finanziert werden und daher im Gegensatz zu den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung weit überwiegend nicht durch Beiträge der Versicherten aufgebracht werden. Dieser Umstand der weitgehenden Fremdfinanzierung, durch den das System der landwirtschaftlichen Altersversorgung einen stark fürsorgerischen Charakter erhält, rechtfertigt es, die Ansprüche der Berechtigten an strengere Voraussetzungen zu binden als die der Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung. (BVerfG, Entscheidung v. 15.4.1969, 1 BvL 18/68, BVerfGE 25, 314; BSG SozR 4-5868 § 13 Nr. 5; BSG, Urteil v. 21.3.1991, 4 RLw 1/90, juris).

3. Das Erfordernis der Unternehmensabgabe verletzt die betroffenen Landwirte darüber hinaus nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG.

a) Das Abgabeerfordernis greift nicht in die Verfügungsbefugnis über das Eigentum ein. Es bleibt dem Landwirt überlassen, ob er, um einen Anspruch auf RAR zu erwerben, sein Land nach Maßgabe dieser Vorschrift abgeben will (BVerfG, Beschluss v. 30.5.1980, 1 BvR 313/80, SozR 3-5850 § 2 Nr. 6).

b) Der Senat kann weiter offen lassen, ob Ansprüche auf Altersrente in der Alterssicherung der Landwirte dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterliegen. Denn auch wenn man dies bejaht, kann das Abgabeerfordernis, weil es überhaupt erst die Voraussetzungen für die Entstehung eines Anspruchs auf RAR regelt, in Bezug auf diesen Anspruch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht verletzen (BSG SozR 4-5868 § 13 Nr. 5).

4. Das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ist schon deswegen nicht berührt, weil die Hofabgabe als Anspruchsvoraussetzunge für eine Rente nach dem ALG den Landwirt nicht zur Aufgabe seines Berufs zwingt, sondern es ihm überlässt, ob er als Landwirt weiter wirtschaften oder seinen Hof abgeben will (BVerfG SozR 5850 § 2 Nr. 8; BSG SozR 4-5868 § 13 Nr. 5).

5. Soweit der Kläger schließlich unter Hinweis auf Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG Einwände gegen seine Versicherungspflicht bei der Beklagten erhebt, sind diese im vorliegenden Verfahren, in dem es allein um den Anspruch auf RAR geht, nicht zu prüfen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved