L 6 SF 1854/11 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 43 SF 1120/08
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1854/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ein Sachverständiger ist grundsätzlich verpflichtet, seinen Gesamtanspruch nachvollziehbar aufzuschlüsseln; nur dann ist eine Plausibilitätsprüfung anhand von Erfahrungswerten möglich.

2. Die Tätigkeit eines berufskundlichen Sachverständigen ist der Honorargruppe 7 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG (80,00 Euro) zuzuordnen.
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 17. Oktober 2011 aufgehoben und die Vergütung des Beschwerdeführers für das Gutachten vom 1. April 2008 auf 1.118,49 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

In dem Klageverfahren G. K .../. Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland (Az.: S 17 R 424/06) beauftragte der Vorsitzende der 17. Kammer des Sozialgerichts Altenburg mit Beweisanordnung vom 10. März 2008 den Beschwerdeführer, einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Berufskunde und Tätigkeitsanalyse, mit der Erstattung eines berufskundlichen Gutachtens nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Er solle unter Verwertung der vorliegenden Gutachten und Befundberichte zu folgenden Fragen Stellung nehmen: I. Gibt es auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland mindestens 300 Arbeitsplätze für Produktionshilfstätigkeiten (unabhängig davon, ob die Arbeitsplätze offen oder besetzt sind), die der Kläger mit seinem von den medizinischen Sachverständigen Dres. S., H., F. und G. festgestellten Leistungsvermögen (Bl. 140 ff.) noch unter betriebsüblichen Bedingungen mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche ausüben könnte und die er unter Berücksichtigung seines beruflichen Werdeganges (vgl. die Sozial- und Berufsanamnese auf Seite 2 des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Sch., Bl. 86 der Gerichtsakte) nach einer Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten vollwertig verrichten könnte? Nicht zu berücksichtigen sind Arbeitsplätze, die in der Regel betriebsintern durch leistungsgeminderte Arbeitnehmer besetzt werden (Schonarbeitsplätze). II. Falls es solche Arbeitsplätze gibt: 1. Welche Aufgaben hat der Arbeitnehmer dort im Einzelnen zu erfüllen und welche körperlichen und geistigen Anforderungen werden gestellt? 2. Bei welchen Unternehmen sind die Arbeitsplätze vorhanden? III. Worauf beruhen Ihre Kenntnisse über die in Frage stehenden Produktionshilfstätigkeiten? Erbeten wird nicht die Mitteilung, worauf Ihre berufskundliche Sachkunde im Allgemeinen beruht, sondern worauf Sie sich bei der konkreten Beantwortung der vorstehenden Fragen stützen.

Übersandt wurden dem Beschwerdeführer insgesamt 365 Blatt Akten (154 Blatt Gerichtsakte, 144 Blatt Verwaltungsakte, 67 Blatt beigezogene Schwerbehindertenakten). Unter dem 19. März 2008 beantragte er eine Vergütung nach der Honorargruppe M3 nach § 9 Abs. 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG). In der Anlage zu dieser Vorschrift sei sein Sachgebiet nicht aufgeführt. Andere Sozialgerichte hätten seine Entschädigung nach ihr bzw. Honorargruppe 8 festgesetzt.

Am 2. April 2008 ging sein unter dem 1. April 2008 gefertigtes Gutachten auf 17 Blatt ein. In seiner Kostenrechnung vom gleichen Tag machte er insgesamt 1.405,74 Euro geltend: Aktenstudium 3,5 Stunden, Ausarbeitung und Diktieren des Gutachtens 12,0 Stunden, insgesamt 15,5 Stunden, aufgerundet 16 Stunden x 85,00 Euro = 1.360,00 Euro; Auslagen und Aufwendungsersatz 45,74 Euro. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 40 f. des Kostenhefts verwiesen. Nachdem sein Schreiben vom 19. März 2008 nicht beantwortet wurde, dürfe er von der Honorargruppe 8 ausgehen. Mit Verfügung vom 11. April 2008 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle diesen Betrag an.

Unter dem 9. Juni 2008 hat der Beschwerdegegner zuerst beantragt, die Vergütung für das Gutachten auf 1.004,49 Euro festzusetzen. Bei einem Zeitaufwand von 16 Stunden errechne sich die Vergütung bei einem Stundensatz von 60 Euro nach der Honorargruppe M2 auf 960,00 Euro. Hierzu kämen die Schreibauslagen (18,24 Euro), Kopierkosten (17,00 Euro) und Portokosten (9,25 Euro). Der Beschwerdeführer hat dagegen vorgetragen, er sei nach § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht mehr bereichert. Er habe darauf vertraut, dass er den Auszahlungsbetrag in voller Höhe behalten dürfe, auch nachdem seine sämtlichen Gutachten von Zivil- und Sozialgerichten seit Jahren mit einem Stundensatz von 85,00 Euro vergütet würden. Er beantrage zudem eine Prüfung, ob die Rücknahme nach § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) unzulässig sei. Unter dem 4. Februar 2010 hat der Beschwerdegegner beantragt, die Vergütung auf 584,75 Euro (7 Stunden x 80 Euro (560,00 Euro), Schreibgebühren 10,50 Euro, Kopierkosten 5,00 Euro, Porto 9,25 Euro) festzusetzen. Dem ist der Beschwerdeführer entgegen getreten und hat u.a. vorgetragen, seine Abrechnung sei ausreichend differenziert und nachvollziehbar. Eine noch weitergehende Aufschlüsselung sei nicht möglich. Der Beschwerdegegner habe ihm nicht bewiesen, dass sein angesetzter Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheine; dafür sei er beweispflichtig. Zu dieser Feststellung müsse ein anderer Sachverständiger hinzugezogen werden. Zu Unrecht gehe der Beschwerdegegner davon aus, dass er mit seiner Tätigkeit wirtschaftliche Interessen verfolge; tatsächlich gehe es ihm darum, den in der Gesellschaft am meisten Benachteiligten Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen.

Mit Beschluss vom 17. Oktober 20011 hat das Sozialgericht Altenburg die Vergütung für das Gutachten des Beschwerdeführers auf 757,74 Euro festgesetzt. Für die Aktendurchsicht hat es antragsgemäß 3,5 Stunden berücksichtigt, für die Beurteilung (7,5 Seiten) 2,33 Stunden, für Diktat und Korrektur 2,7 Stunden für 13,5 Blatt. Berufskundliche Gutachten seien entsprechend dem Senatsbeschluss vom 8. September 2009 - Az.: L 6 SF 49/08 der Honorargruppe 7 (80,00 Euro) zuzuordnen. Die Schreib- und Kopierkosten seien auf 14,49 bzw. 13,50 Euro zu kürzen. Eine Erstattung der Ösenhefter erfolge mangels Erforderlichkeit nicht. Der Entreicherungseinwand spiele bei der richterlichen Festsetzung nach dem JVEG keine Rolle. Das VwVfG und das ThürVwVfG seien nicht einschlägig, da kein Verwaltungsakt vorliege und das JVEG für die Festsetzung vorrangig sei.

Gegen den am 26. Oktober 2011 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 28. Oktober 2011 Beschwerde eingelegt. Er werde durch die Rückzahlungsforderung existenziell bedroht und rüge die Verletzung in seinen Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12, Art. 14, Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Der Beschluss sei unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar; es dränge sich der Schluss auf, dass die Entscheidung auf sachfremden und willkürlichen Erwägungen beruhe. Es gebe keine gesetzliche Grundlage für die auf Grund von Schätzungen vorgenommene Kürzung von Ansprüchen. Die erforderliche Zeit orientiere sich an dem Aufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen. Das Sozialgericht habe nicht den erforderlichen Zeitaufwand ermittelt, sondern Elemente der Erforderlichkeit mit einer Schätzung des tatsächlichen Zeitaufwands vermengt. An dem Einwand der Entreicherung halte er fest.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

die Vergütung für das Gutachten vom 1. April 2008 auf 1.405,74 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seine Anträge im Erinnerungsverfahren.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 15. Dezember 2011) und die Akten dem erkennenden 6. Senat vorgelegt. Mit Verfügung vom 21. Februar 2012 hat der Senatsvorsitzende den Beschwerdeführer unter Fristsetzung aufgefordert, seinen Zeitansatz von pauschal 12 Stunden für Ausarbeitung und Diktat des Gutachtens so aufzuschlüsseln, dass er konkret nachvollzogen werden kann. Unter dem 24. Februar 2012 hat dieser mitgeteilt, eine tiefer gehende Aufschlüsselung sei gedanklich nicht möglich und auch nicht erforderlich. Er habe sich an die Vorgaben und Musterrechnungen der Kommentarliteratur gehalten. Es gelte der Grundsatz, dass den Angaben des Sachverständigen zur Stundenzahl zu glauben sei. Kostenbeamter bzw. Gericht hätten nachzuweisen, dass das Gutachten in kürzerer Zeit hätte erarbeitet werden können. Trotzdem schlüssle er seinen Ansatz wie folgt auf: Recherchen (Internet, Rechtsprechung, Normen usw.) 3 Stunden, Überlegungszeit 4 Stunden Entwurf des Gutachtens und Diktat 4 Stunden Prüfung der Endfassung und Korrektur 1 Stunde.

Der Senatsvorsitzende hat das Verfahren mit Beschluss vom 1. März 2012 nach § 4 Abs. 7 S. 2 JVEG dem Senat übertragen.

II.

Die Beschwerde gegen einen im Erinnerungsverfahren ergangenen Beschluss ist nach § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetz – JVEG -) bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen statthaft (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. März 2010 - Az.: L 6 B 209/09 SF und 24. August 2009 - Az.: L 6 B 248/08 SF; ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. September 2009 - Az.: L 6 R 303/09 B, nach juris). Sie ist hier auch zulässig, denn der Beschwerdewert übersteigt 200,00 Euro.

Die Beschwerde ist teilweise begründet.

Bei der Entscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie der Beschwerdeführer aufgegriffen hat (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 1. Juni 2011 - Az.: L 6 SF 277/11 B und 21. Dezember 2006 – Az.: L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f., Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10. Oktober 2005 – Az.: 1 B 97.1352, nach juris).

Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung 1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG), 2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), 3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie 4. Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war (Satz 2 Halbs. 1).

Das Honorar eines Sachverständigen errechnet sich entsprechend den §§ 9 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Sie ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität orientiert (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - Az.: 1 BvR 55/07; BGH; Beschluss vom 16. Dezember 2003 – Az.: X ZR 206/98, beide nach juris; Senatsbeschlüsse vom 21. Dezember 2006 - Az.: L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f. und 11. März 2004 – Az.: L 6 980/03; Hartmann in Kostengesetze, 39. Auflage 2009, § 8 JVEG Rdnr. 35). Zu berücksichtigen sind dabei die Schwierigkeiten der zu beantworteten Fragen unter Berücksichtigung der Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - Az.: X ZR 206/98; Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 841). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind (h.M., vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006, - Az.: L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f.; Thüringer OVG, Beschluss vom 3. Juli 2006 – Az.: 4 VO 487/05, nach juris; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 – Az.: L 2/9 SF 82/04, nach juris; LSG Baden-Württemberg vom 22. September 2004 – Az.: L 12 RJ 3686/04 KO-A, nach juris). Werden die üblichen Erfahrungswerte allerdings um mehr als 15 v.H. überschritten (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006 - Az.: L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f.), ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen.

Vorab weist der Senat darauf hin, dass der Beschwerdeführer im Kostenantrag vom 1. April 2008 seinen Zeitansatz für die Erstellung des Gutachtens nicht ausreichend konkretisiert hatte. Als Sachverständiger ist er grundsätzlich verpflichtet, seinen Gesamtanspruch nachvollziehbar aufzuschlüsseln (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 10. Auflage 2010, § 2 JVEG Rdnr. 15). Nur dann ist eine Plausibilitätsprüfung anhand von Erfahrungswerten möglich (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage 2011, Rdnr. 2.2). Die Pauschalposition "Ausarbeitung und Diktat des Gutachtens" war nicht aufgeschlüsselt und damit viel zu allgemein bezeichnet. Kommt der Sachverständige in dieser Situation nicht der Aufforderung zur Substantiierung der Rechnung nach, wird die Möglichkeit einer Festsetzung im Wege der Schätzung bejaht (vgl. Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007 Rdnr. 987). Die Ansicht des Beschwerdeführers, in jedem Fall trage das Gericht die Beweislast, dass die beantragte Stundenzahl nicht erforderlich ist, teilt der Senat nicht. Andernfalls hätte es der Sachverständige in der Hand, die Überprüfung seiner Rechnung dadurch zu verhindern, dass er seinen Zeitaufwand nur ganz allgemein benennt.

Nachdem der Beschwerdeführer nunmehr im Beschwerdeverfahren eine Aufschlüsselung vorgenommen hat, kann der Senat diese Ansätze auf Plausibilität überprüfen. Zur Vollständigkeit weist er darauf hin, dass er bei der Prüfung der Plausibilität die Vergütung ähnlicher Gutachten berücksichtigt. Berufskundliche Gutachten zu Verweisungsberufen werden in Rentenverfahren nicht selten eingeführt und eingeholt. Ob die Kostenbeamten anderer Gerichte die Kostenansätze des Beschwerdeführers akzeptieren (wie er behauptet), ist nicht von Bedeutung. Eine Überprüfung der üblicherweise angesetzten Zeitansätze ist ihm insofern möglich.

Mit dem geforderten Zeitaufwand (16 Stunden) hat der Beschwerdeführer den üblichen Zeitaufwand (aufgerundet 13,5 Stunden) um mehr als 15 v.H. überschritten. Damit kann nur dieser akzeptiert werden. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die Aufrundung des Zeitansatzes durch den Beschwerdeführer von 15,5 Stunden auf 16 Stunden der gesetzlichen Regelung (§ 8 Abs. 2 S. 2 JVEG) widerspricht.

Der Senat hat keine Bedenken hinsichtlich des beantragten Zeitansatzes für das Aktenstudium von 3,5 Stunden, denn nach der Senatsrechtsprechung ist bei berufskundlichen Gutachten für die Aktendurchsicht im Regelfall 1 Stunde für 100 Blatt Unterlagen erforderlich (vgl. Beschluss vom 8. September 2009 - Az.: L 6 SF 49/08). Gleiches gilt für den beantragten Zeitansatz von 3 Stunden für die Internetrecherchen. Sie sind dann zu berücksichtigen, wenn sie erforderlich waren und Eingang in das Gutachten gefunden haben (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2011 - Az.: L 6 SF 1516/11 E); dies ist hier der Fall. Genaue Kenntnisse zur Tätigkeit von Produktionshelfern, den Zugang zu dieser Tätigkeit und den diesbezüglichen Arbeitsmarkt können von einem durchschnittlichen Sachverständigen ohne Recherchen nicht erwartet werden.

Für Entwurf des Gutachtens/Diktat ist - wie von der Vorinstanz bereits ausgeführt - ein Zeitansatz von 2,7 Stunden angemessen. Nach der Senatsrechtsprechung (vgl. u.a. Beschluss vom 8. September 2009 - Az.: L 6 SF 49/08) kommt sowohl bei medizinischen wie auch berufskundlichen Gutachten für Diktat, Durchsicht und Korrektur des Gutachtens ein Zeitaufwand von einer Stunde für ca. 5 bis 6 Seiten in Betracht; dabei ist die Schreibweise zu berücksichtigen. Ähnliche Ansätze sind bei anderen Landessozialgerichten üblich (vgl. Bayrisches LSG, Beschluss vom 30. November 2011 - Az.: L 15 SF 97/11: 1 Stunde 6 Blatt; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. September 2011 - Az.: L 2 SF 254/11: 1 Stunde 5 Blatt; Hessisches LSG, Beschluss vom 23. November 2010 - Az.: L 2 SF 335/09: 1 Stunde 5 bis 6 Blatt). Auch der Beschwerdeführer ist in einem anderen Verfahren des Senats (Az.: L 6 SF 49/08) von 5 Seiten pro Stunde ausgegangen. In dem o.g. Zeitansatz ist der Aufwand für Durchsicht und Korrektur enthalten; er kann nicht zusätzlich verlangt werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Fertigung des Deckblatts nur einen geringen Aufwand verursacht haben kann. Erstattet werden zudem immer nur Ausführungen, die vom Auftrag der Beweisanordnung umfasst und damit notwenig sind; das sind hier allenfalls 13,5 bis 14 Blatt. Überflüssig waren angesichts des Gutachtensumfangs das Inhaltsverzeichnis auf Blatt 2, die zweite vollständige wörtliche Widerholung der Beweisfragen (zusätzlich zur späteren Wiederholung in der Stellungnahme zur Beweisanordnung) und die Wiederholung der Diagnosen des medizinischen Sachverständigen Dr. Sch ... Letztere waren den Beteiligten bekannt, sind im Auftrag nicht aufgegeben und für die Beurteilung des Leistungsvermögens zudem überflüssig.

Die Position "Überlegungszeit" umfasst offensichtlich die Erhebung der Vorgeschichte und die Beurteilung. Bedenken gegen die Vergütung der angesetzten 4 Stunden hat der Senat im Ergebnis nicht. Zur Vorgeschichte gehört die bei berufskundlichen Beurteilungen relevante Arbeits- und Sozialanamnese, die auf Blatt 4 geschildert wird. Sie war in der Beweisanordnung ausdrücklich beauftragt. Die Vorinstanz hat sie, möglicherweise wegen der unkonkretisierten Kostenrechnung, nicht berücksichtigt. Die Beurteilung als Kern eines jeden Gutachtens ist die zusammenfassende Darstellung der relevanten Tatsachen und die argumentative Beantwortung der gestellten Fragen (vgl. Becker, Das professionelle Gutachten - Anforderungen aus rechtlicher Sicht in MedSach 2008, S. 85, 89). Sie erstreckt sich von Blatt 9 bis 16.

Damit errechnet sich folgender Zeitaufwand:

Aktenstudium 3,5 Stunden Internetrecherche 3,0 Stunden Diktat 2,7 Stunden Erhebung der Vorgeschichte/Beurteilung 4,0 Stunden 13,3 Stunden

Dieser Zeitansatz wird auf 13,5 Stunden aufgerundet (§ 8 Abs. 2 S. 2 2. Hs. JVEG).

Die Leistung des Sachverständigen ist der Honorargruppe 7 (80,00 Euro) zuzuordnen. Nach § 9 Abs. 1 JVEG bestimmt sich die Zuordnung zu einer Honorargruppe nach der Anlage 1 (Satz 2). Wird die Leistung in einem Sachgebiet erbracht, das in keiner Honorargruppe genannt wird, ist sie unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen; das gilt entsprechend, wenn ein medizinisches oder psychologisches Gutachten einen Gegenstand betrifft, der in keiner Honorargruppe benannt wird (Satz 2). Die Leistungen des Sachverständigen auf dem Gebiet der Berufskunde entspricht keiner der in Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 S. 2 JVEG genannten Sachgebiete. Insofern ist eine Zuordnung nach billigem Ermessen erforderlich. Die Honorargruppen M1 bis M3 kommen nicht in Betracht, denn sie gelten nach der Begründung im Gesetzesentwurf zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (KostRMoG; BT-Drucksache 15/1971 S. 181) nur für Leistungen auf medizinischem und psychologischem Gebiet und scheiden für die Honorierung des berufskundlichen Gutachtens nach § 9 Abs. 1 S. 3 JVEG aus (vgl. Senatsbeschluss vom 8. September 2009 - Az.: L 6 SF 49/08; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. September 2005 - Az.: 2 Ws 85/05, nach juris).

Der Senat hat in einem früheren Verfahren des Beschwerdeführers (Az.: L 6 SF 49/08) zu üblichen außergerichtlichen und außerbehördlichen Stundensätzen der Berufssachverständigen ermittelt und wie folgt ausgeführt:

"Unerheblich für die Entscheidung sind die eingereichten Zusagen diverser Gerichte an den Erinnerungsführer, denn es handelt sich gerade nicht um außergerichtlich oder außerbehördlich vereinbarte Stundensätze. Relevant sind tatsächlich nur die Angaben der IHK Karlsruhe im Schreiben vom 20. Mai 2009 auf die Nachfrage des Senats.

Grundsätzlich kann die Zuordnung auf zwei Arten erfolgen, nach dem "sachgebietlichen" oder nach dem "preislichen" Kriterium (vgl. Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 871; Hartmann, Kostengesetze, 39. Auflage 2009, § 9 JVEG Rdnr. 14 ff.).

Bei dem "sachgebietlichen Kriterium" wird festgestellt, mit welchem Sachgebiet der Anlage 1 der konkrete Gegenstand des Gutachtens am ehesten vergleichbar ist. Diese Zuordnung scheidet im vorliegenden Fall mangels Vergleichbarkeit aus. Bei dem "preislichen Kriterium" wird festgestellt, zu welchem Stundenhonorar die Tätigkeit auf dem freien Markt geboten wird, welche der in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG genannten Tätigkeiten bei einem privaten gutachterlichen Einsatz einen entsprechenden Stundensatz erreicht und abschließend die so ermittelte Zuordnungszahl dem nicht genannten Sachgebiet zugewiesen. Hier hat allerdings nur die IHK Karlsruhe unter dem 20. Mai 2009 Angaben zu außergerichtlichen bzw. außerbehördlichen Aufträgen gemacht, wonach nach Angaben eines Gutachters der gängigen Stundensatz "80,00 bis 100,00 Euro" betrage. Nachdem dies die einzige Grundlage für eine Zuordnung ist, ordnet der Senat die Tätigkeit des berufskundlichen Gutachters der Honorargruppe 7 "Honorare (Architekten und Ingenieure)" mit 80,00 Euro und damit dem unteren Bereich dieser Stundensätze zu. Damit wird die Schwierigkeit der Tätigkeit des Erinnerungsführers ausreichend und fachlich auf hohem Niveau gewürdigt. Im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens sieht der Senat keine Veranlassung, einen höheren Stundensatz zu akzeptieren; hierfür sind die vorliegenden Unterlagen nicht ergiebig genug. Er nimmt im Übrigen in Kauf, dass medizinischen Sachverständigen diese Einstufung im Vergleich mit ihren Stundensätzen zu hoch erscheinen muss."

Hieran hält der Senat fest und weist ausdrücklich darauf hin, dass es auf zugebilligte Stundensätze anderer Gerichte nicht ankommt. Zudem dürfte es sich dabei um Entscheidungen von Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, nicht um richterliche Beschlüsse handeln.

Entsprechend dem Ansatz für Diktat und Korrektur sind die Schreib- und Kopierkosten zu kürzen. Da die Zahl der Anschläge nicht feststellbar ist, schätzt sie der Senat wie die Vorinstanz nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 JVEG auf 19.315 (24.323: 17 x 13,5). Zusätzlich zu erstatten sind die notwendigen besonderen Kosten nach § 12 Ab2. 1 S1 Nr. 1 JVEG.

Danach errechnet sich die Vergütung wie folgt: 13,5 Stunden zu 80,00 Euro 1.080,00 Euro Schreibauslagen 14,49 Euro Kopien 13,50 Euro Porto 9,25 Euro Umschlag 0,50 Euro Ösenhefter 0,75 Euro 1.118,49 Euro

Nachdem dem Beschwerdeführer bereits 1.405,74 Euro gezahlt wurden, hat er die zu viel erstattete Vergütung in Höhe von 287,25 Euro zurück zu erstatten. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist eine Änderung der Vergütung grundsätzlich möglich (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage 2011, Rdnr. 2.10). Die Einrede des Wegfalls der Bereicherung ist auf die zuviel gezahlte Vergütung weder direkt noch entsprechend anwendbar (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Dezember 2009 - Az.: L 6 SF 54/09 und 12. Juni 2007 - Az.: L 6 B 131/06 SF; Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage 2011, Rdnr. 2.10). Offensichtlich nicht zum Wegfall der Bereicherung führt eine Tätigkeit des Beschwerdeführers bei ehrenamtlichen Projekten. Zu Recht hat schon die Vorinstanz darauf hingewiesen, dass das VwVfG und das ThürVwVfG nicht einschlägig sind. Ein Vertrauensschutz auf einen Stundensatz vom 85,00 Euro aufgrund des Antrags vom 19. März 2008 kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer diesen Bescheid nicht abgewartet hat. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die sog. Vorabentscheidung über den Stundensatz nach § 9 Abs. 1 S. 5 JVEG unter dem Vorbehalt der späteren Überprüfung steht (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage 2011, Rdnr. 9.6).

Verstöße gegen die vom Beschwerdeführer genannten Vorschriften des GG vermag der Senat nicht zu erkennen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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