L 7 KA 91/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 83 KA 101/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 91/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Einer Klage im Hinblick auf die Höhe des Individualbudgets fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Honorarbescheide, auf die sich die Klärung der Vorfrage „Individualbudget“ auswirken könnte, ausnahmslos bestandskräftig sind (Hinweis auf BSG, Urteil vom 3. Februar 2010, B 6 KA 31/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12; Beschluss vom 17. August 2011, B 6 KA 30/11 B, unveröffentlicht).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Mai 2009 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen die Honorarbescheide wird abgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Neufestsetzung seines Individualbudgets mit Wirkung vom 1. Juli 2005.

Der Kläger ist Facharzt für Augenheilkunde. Seit dem 1. Februar 2005 ist er als Nachfolger der Augenärztin Dr. E zur vertragsärztlichen Versorgung in Berlin zugelassen.

Frau Dr. E war zuvor im Rahmen einer Praxisgemeinschaft am Hohenzollerndamm 81 mit der Augenärztin Dr. EH tätig. Letztere verstarb am 3. Februar 2004. Mit Bescheid vom 8. Juni 2004 setzte die Beklagte das Individualbudget für Frau Dr. E auf deren Antrag neu fest, um der Weiterversorgung der Patienten der Verstorbenen durch Frau Dr. E Rechnung zu tragen:

"Es erfolgt eine Neufestsetzung Ihres Individualbudgets unter Einbeziehung des Individualbudgets der verstorbenen Frau Dr. EH ab Febr. 2004 (= 2/3 Quartal II/2004) mit der Einschränkung, dass diese Erhöhung nur so lange gilt, bis ein Nachfolger für die Praxis von Frau Dr. EH gefunden worden ist.

Danach erfolgt wieder eine Kürzung – von Amts wegen – Ihres Individualbudgets."

Der Zulassungsausschuss ließ Frau Dr. M durch Beschluss vom 29. September 2004 zur Fortführung der Praxis mit dem Praxissitz Hohenzollerndamm 81 ab dem 1. Oktober 2004 zur vertragsärztlichen Versorgung zu. Den hiergegen u.a. vom Kläger erhobenen Widerspruch wies der Berufungsausschuss am 24. November 2004 zurück. Der Senat ordnete im Rahmen eines Eilverfahrens (L 7 B 22/05 KA ER) durch Beschluss vom 3. August 2005 die sofortige Vollziehung der Entscheidung des Berufungsausschusses zugunsten von Frau Dr. M an.

Zwischenzeitlich hatte Frau Dr. E die Praxisräume H 81 verlassen und war in die B Straße umgezogen. Mit Übernahme der Praxis zum 1. Februar 2005 erhielt der Kläger das Frau Dr. E zuvor zugewiesene Individualbudget in dem durch den Bescheid vom 8. Juni 2004 erhöhten Umfang.

Mit Bescheid vom 25. August 2005, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2006, setzte die Beklagte das Individualbudget des Klägers neu fest. Mit Wirkung vom 3. August 2005 sei die Praxis der verstorbenen Ärztin von einer Nachfolgerin übernommen worden, weshalb nunmehr das Individualbudget des Klägers ab dem Quartal III/05 wieder zu kürzen sei, nämlich auf die Werte des Fachgruppendurchschnitts in Höhe von 360.955 Punkten im Primär- und von 262.247 Punkten im Ersatzkassenbereich.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 13. Mai 2009 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Frau Dr. M habe die Praxis von Frau Dr. EH und damit auch deren Individualbudget – sofort vollziehbar ab dem 3. August 2005 – übernommen. Daher habe die Beklagte die durch Bescheid vom 8. Juni 2004 gewährte Erhöhung des Individualbudgets für Frau Dr. E bzw. deren Nachfolger, den Kläger, wieder rückgängig machen dürfen.

Gegen das ihm am 4. Juni 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Juni 2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung bringt er vor: Der HVV der Beklagten biete keine Rechtsgrundlage für die vorgenommene Neufestsetzung des Individualbudgets. Zudem habe sich der Widerrufsvorbehalt in dem Bescheid vom 8. Juni 2004 nicht realisiert, weil Frau Dr. M die Praxis von Frau Dr. EH gar nicht übernommen, sondern nur im Nachbesetzungsverfahren deren Vertragsarztsitz erhalten habe. Das Individualbudget des Klägers dürfe nicht in Folge der rechtsfehlerhaften Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes reduziert werden.

Sämtliche Honorarbescheide des Klägers für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2008 sind nach Mitteilung der Beklagten bestandskräftig.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Mai 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 25. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2006 aufzuheben sowie die Honorarbescheide für die Quartale III/05 bis IV/08 zu ändern und bei der Neubescheidung das ungekürzte Individualbudget zu berücksichtigen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Allerdings ist sie bereits unzulässig, denn es fehlt ihr an einem Rechtsschutzbedürfnis. Das begehrte Urteil kann die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern.

An der Klärung von Vorfragen zur Honorarverteilung – wie etwa der Höhe des zu beanspruchenden Individualbudgets -, die sich in keiner Weise auf den tatsächlichen Honoraranspruch des Vertragsarztes auswirken können, besteht kein Interesse. Daraus folgt unmittelbar, dass nach Eintritt der Bestandskraft der jeweiligen Honorarbescheide grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis für die Klärung von Vorfragen, die sich jeweils nur auf diese bestandskräftigen Honorarbescheide auswirken können, nicht mehr besteht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 3. Februar 2010, B 6 KA 31/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12; Beschluss vom 17. August 2011, B 6 KA 30/11 B, unveröffentlicht).

Da die Honorarbescheide ab dem Quartal III/05 durchweg bestandskräftig geworden sind, ist die Klage insoweit unzulässig und musste abgewiesen werden.

Unzulässig ist die Klage auch mit dem erst im Berufungsverfahren gestellten und erheblich streitwerterhöhend wirkenden Antrag auf Änderung der bestandskräftigen Honorarbescheide für den Zeitraum der Quartale III/05 bis IV/08. Einen solchen Antrag hätte der Kläger vorab bei der Beklagten stellen müssen; mangels Durchführung eines Vorverfahrens (§ 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGG) darf kein Sachurteil ergehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG); insbesondere hat der für das Vertragsarztrecht zuständige 6. Senat des Bundessozialgerichts zur Wechselwirkung zwischen (bestandskräftigem) Honorarbescheid und (unzulässiger) Klage gegen das Individualbudget in ständiger Rechtsprechung (s.o.) klare Aussagen getroffen, so dass der Senat mit seiner Entscheidung weder von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweicht noch etwa die Sache grundsätzliche Bedeutung hätte.
Rechtskraft
Aus
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