S 27 R 2543/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 27 R 2543/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind die Auszahlungsmodalitäten einer Rentennachzahlung streitig.

Die am 00.00.1918 geborene Klägerin war mit Herrn N X (im Folgenden: Versicherter) verheiratet, der am 17.09.1918 geboren wurde und am 06.01.2003 verstarb. Der Versicherte war Verfolgter des Nationalsozialismus hatte im Ghetto Krischopol von Ende 1941 bis Sommer 1943 gearbeitet. Am 21.03.2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente, was diese zunächst mit Bescheid vom 07.06.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2004 ablehnte. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Düsseldorf (Az.: S 15 R 268/09 WA) erkannte die Beklagte den Rentenanspruch unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeit vom 30.08.1941 bis 18.03.1944 sowie Ersatzzeiten vom 19.03.1944 bis 31.12.1949 an. Parallel erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten am 29.12.2009 den Zahlungsweg für die Überweisung der Rente. Sofern ihr die Zahlung einer Rente zuerkannt werde, beantrage sie, die Rentennachzahlung und die laufende Rentenzahlung auf ihr Konto bei der Bank I in Israel zu überweisen. Ferner gab sie an, die laufende Rentenzahlung solle an sie erfolgen, die Rentennachzahlung solle auf das Konto ihrer Bevollmächtigten erfolgen. Sie erklärte zudem, dass der Anspruch erfüllt ist, wenn die Leistung im Falle einer Zuerkennung in der vorstehend von ihr gewünschten Form angewiesen wird. Sofern der von ihr gewünschte Zahlungsweg nicht zulässig sei, sei sie damit einverstanden, dass die Beklagte die Leistung in einer anderen zulässigen Form auszahle. Diese Erklärung unterschrieb die Klägerin. Zudem erklärte die Bevollmächtigte am 26.01.2010 gegenüber der Beklagten, dass eine Rentennachzahlung auf ihr Konto (also auf das der Bevollmächtigten) bei der C W, J E 00000000000000000000 überwiesen werden solle. Mit Bescheid vom 11.06.2010 führte die Beklagte das Anerkenntnis aus und gewährte der Klägerin Witwenrente ab dem 06.01.2003. Ab dem 01.08.2010 würden laufend 263,64 EUR gezahlt, die Nachzahlung für die Zeit vom 06.01.2003 bis 31.07.2010 betrage 27.210,03 EUR. Diese Rentennachzahlung werde unmittelbar an die Klägerin auf das Konto überwiesen, auf das auch die monatliche Rente gezahlt werde. Das erfolgte dann auch.

Die Klägerin widersprach, ohne dies zu begründen. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2010 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 03.11.2010 Klage erhoben.

Sie ist der Auffassung, die Beklagte habe nicht rechtmäßig und schuldbefreiend die Rentennachzahlung überwiesen. Sie habe entgegen ihrer Anweisung die Nachzahlung direkt an sie statt an ihre Bevollmächtigte überwiesen. Der Zahlungserfolg könne nur eintreten, wenn die Anweisung in der Zahlungserklärung beachtet werde.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2010 zu verurteilen, an sie zu Händen ihres Bevollmächtigten gemäß Zahlungserklärung vom 26.01.2010 27.210,03 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Klage sei unzulässig. Bei der Auszahlung der Rente handele es sich um schlichtes Verwaltungshandeln und nicht um einen Verwaltungsakt.

Auf Nachfrage des Gerichts hat die Bevollmächtigte der Klägerin erklärt: "Über das Treuhandkonto bestimme allein die Klägerin ( ) Es sei allein Sache der Klägerin, darüber zu entscheiden, wie die Rentennachzahlung zu zahlen sei. Wird dem nicht gefolgt, liegt eine Rechtsverletzung vor, sodass das Rechtsschutzbedürfnis schlechterdings nicht infrage gestellt werden kann."

Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichts- und von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klage ist zunächst zulässig. Sie ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und nicht wie im Klageantrag formuliert als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG. Denn sie richtet sich nicht gegen einen Verwaltungsakt, insbesondere nicht gegen den Rentenbescheid vom 11.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2010. Diese Bescheide regeln nicht den Zahlungsweg. Ein Rentenbescheid regelt allein die Rentenart, die Rentenhöhe und die Rentendauer (u.a. Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 13 R 16/09 R, Rn. 30f. bei Juris; BSG, Urteil vom 22.09.1981 – 1 RA 109/76; Urteil vom 06.09.1989 – 5 RJ 33/88). Hierzu zählt nicht der Zahlungsweg. Ferner bedarf es im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG zur Auszahlung der bereits im Rentenbescheid geregelten Nachzahlung keiner weiteren Regelung durch Verwaltungsakt.

Für diese allgemeine Leistungsklage sind auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt. Die Klägerin ist zunächst entsprechend § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG klagebefugt. Danach ist klagebefugt, wer geltend macht, einen Anspruch auf die begehrte Leistung zu haben, und es muss zumindest möglich sein, dass er einen solchen Anspruch hat. Die Klagebefugnis fehlt, wenn dem Kläger der behauptete Anspruch unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt zustehen kann (Beck`scher-OK-Lowe, § 54 SGG Rn. 16; BSGE 105,10). Hier ist es zumindest möglich, dass der Klägerin der Zahlungsanspruch auf die Nachzahlungssumme noch zusteht. Sie macht geltend, die Beklagte habe nicht schuldbefreiend, da auf ein anderes Konto als in der Angabe zum Zahlungsweg erklärt überwiesen. Insoweit weist die Klägerin auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis auf, das nur fehlt, wenn unzweifelhaft ist, dass das begehrte Urteil die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern würde (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.04.2004 – 3 C 25/03 = NvwZ-RR 2004, 855; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, vor § 51 Rn. 16a). Ein solcher Fall ist hier unter Berücksichtigung des Vorgenannten nicht gegeben.

Die Klage ist indes nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung der Rentennachzahlung aus dem Rentenbescheid vom 11.06.2010 nicht zu. Der insoweit zunächst unstreitig aus dem Rentenbescheid entstandene Rentennachzahlungsanspruch ist durch Erfüllung entsprechend § 362 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 47 Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I) untergegangen. Nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt das Schulverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Soweit Geldschulden aus einem Sozialrechtsverhältnis bestehen, hat nach § 47 SGB I grundsätzlich eine Zahlung durch Banküberweisung auf ein Konto des Empfängers zu erfolgen; dann ist die Schuld (durch Herbeiführung des Leistungserfolges ) getilgt, wenn das Geld auf das vom Gläubiger benannte Konto gezahlt wird (Wenzel in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage, § 362 Rn. 21; BSG, Urteil 14.08.2003 – B 13 RJ 11/03 R; s.a. BGH, Urteil vom 25.03.1983 – V ZR168/81 zur Hinterlegung). Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hier der Leistungserfolgt eingetreten. Die Klägerin hat sich mit der "Angabe des Zahlungsweges für die Überweisung der Rente" vom 29.12.2009 mit der Überweisung der Rentennachzahlung auf ihr Konto in Israel einverstanden erklärt. Sie hat beantragt, die Rentennachzahlung und die laufende Rentenzahlung sei auf ihr Konto bei der Bank I in Israel zu überweisen. Nichts anderes folgt aus der weiteren Erklärung der Klägerin im vorgenannten Zahlungsweg-Formular, die laufende Rente solle auf ihr Konto und die Rentennachzahlung solle auf das Konto ihrer Bevollmächtigten erfolgen. Hierdurch wurde die Beklagte nicht zur ausschließlichen Überweisung der Rentennachzahlung auf das Konto der Bevollmächtigten der Klägerin verpflichtet. Denn bei dem Konto der Bevollmächtigten handelt es sich bereits nicht um ein eigenes Konto der allein rentenberechtigten Klägerin, was § 47 SGB I aber grundsätzlich voraussetzt. Danach kann nur ausnahmsweise auch das Konto eines Dritten benannt werden, wenn der Leistungsberechtigte die Überweisung auf dieses Konto wünscht, diese Leistung den Leistungsverpflichteten befreit und nichts dafür ersichtlich ist, dass der Berechtigte bei dieser Zahlungsweise die Mittel nicht erhält oder sie nicht dem Leistungszweck entsprechend verwenden kann (OVG Hamburg, Urteil vom 20.12.1985 – Bf I71/85 -, SGB 1986, 552; Kasseler Kommentar-Seewald, SGB I, § 47 Rn. 5a). Letzteres trifft hier angesichts der - von der Kläger-Bevollmächtigten erwähnten - Anweisung der Aufsichtsbehörde der Beklagten zur Auszahlung von Rentennachzahlungen direkt an die Berechtigten von Ghetto-Renten nach Israel statt an ihre Bevollmächtigten nicht zu. Selbst wenn man aber anderes annähme und das Konto der Bevollmächtigten als zulässiges Konto eines Dritten im Sinne von § 47 SGB I ausnahmsweise akzeptierte, so hat die Klägerin die Beklagte nicht zur ausschließlichen Überweisung der Rentennachzahlung auf das Konto ihrer Bevollmächtigten angewiesen. Ihre im Formular "Angabe des Zahlungsweges für die Überweisung der Rente" zunächst erfolgte Erklärung, (auch) die Rentennachzahlung habe auf ihr Konto in Israel zu erfolgen, wird durch die in diesem Formular enthaltene weitere Erklärung zur Rentennachzahlung auf das Konto ihrer Bevollmächtigten nicht aufgehoben, weil danach die Nachzahlung auf das Konto der Bevollmächtigten nur erfolgen soll, nicht aber muss. Gegen eine exklusive Benennung des Rechtsanwalts-Anderkontos spricht ferner das von der Klägerin erklärte Einverständnis mit einem anderen Zahlungsweg, wenn der von ihr gewünschte nicht zulässig ist.

Letztlich kann dies aber auch dahinstehen. Selbst wenn die Klägerin im Formular "Angabe des Zahlungsweges für die Überweisung der Rente" erklärt haben sollte, die Beklagte könne die Rentennachzahlung schuldbefreiend nur auf das Konto ihrer Bevollmächtigten zahlen, so stünde der Klägerin der jetzt geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu. Denn der Gläubiger akzeptiert eine an sich nicht schuldbefreiende Überweisung auf ein "falsches" Konto, wenn er sie unwidersprochen annimmt und nicht umgehend zurück überweist; dann liegt eine konkludente Genehmigung dieses Zahlungsweges vor (so OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.11.1995 – 4 U 49/95; s.a. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.02.2002 – 7 S 2287/00 -, Rn. 37 bei Juris). Ferner tritt Erfüllungswirkung auch bei Überweisung auf ein anderes Konto als das vom Gläubiger benannte ein, wenn der Zweck der Überweisung erreicht ist, was dann zutrifft, wenn der Gläubiger uneingeschränkt Verfügungsmacht über das geschuldete Geld erlangt hat (OLG Saarbrücken, Urteil vom 12.10.1987 – 5 W 157/87 -, OLGZ 1988, 45, Rn. 27 bei Juris m.w.N.); dann handelt zumindest derjenige treuwidrig, der trotz eingetretenen Zwecks der Überweisung diese (erneut) auf das "richtige" Konto verlangt (BGH, Urteil vom 08.10.1991 – XI ZR 207/90 -, Rn. 18 bei Juris m.w.N.). Beides trifft hier zu. Die Klägerin hat die Nachzahlung auf ihr Konto in Israel unwidersprochen angenommen und diese nicht umgehend zurück an die Beklagte überwiesen; sie hat sogar nach der Information über den Zahlungsweg im Rentenbescheid vom 11.06.2010 noch ein halbes Jahr verstreichen lassen, bis sie erstmals im Klageverfahren geltend gemacht hat, nicht mit der Zahlung direkt an sie einverstanden zu sein. Auch ist der Zweck der Überweisung eingetreten, die Klägerin hat die Nachzahlung erhalten und es ist nichts dafür ersichtlich und auch nicht substantiiert vorgetragen, dass es zu Auszahlungsschwierigkeiten gekommen ist, z.B. weil ihr Konto im Debet oder gepfändet war – es handelt sich schließlich um das Konto, auf das auch die laufende Rente gezahlt wird. Die Klägerin verhält sich nicht nur hierdurch treuwidrig, sondern auch unter dem Gesichtspunkt, dass sie von der Beklagten jetzt etwas verlangt, was sie sogleich wieder herausgeben müsste. Erfüllte man ihr Begehren auf Einhaltung des erklärten Zahlungsweges, dann würde zwar die Rentennachzahlung zunächst auf das Konto ihrer Bevollmächtigten gezahlt, die diese sodann auf das Konto der Klägerin weiterzuleiten hätte. Im Gegenzug müsste aber die Klägerin die bereits auf ihr Konto gezahlte Rentennachzahlung wieder an die Beklagte zurückzahlen. Ein irgendwie gearteter Gewinn für die Klägerin ist für die Kammer nicht zu erkennen. Die Rentennachzahlung ist dort, wo sie hingehört.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

&8195;
Rechtskraft
Aus
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