Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 521/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2011 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 1. Februar 2011 und über den 31. Juli 2011 hinaus Wohnungshilfe für die Wohnung in der Sch straße in B in Gestalt eines monatlichen Mietkostenzuschusses von 518,61 Euro zuzüglich der für eine Fläche von 54,59 m2 anteilig entstehenden Nebenkosten zu gewähren. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Wohnungshilfe.
Der Kläger erlitt am 31. Januar 2010 im Tschad einen schweren Verkehrsunfall. Der Unfall ereignete sich während eines Einsatzes des Deutschen Entwicklungsdienstes, der im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erfolgte. Nach einer Notversorgung vor Ort wurde der Kläger zur weiteren Behandlung nach B ausgeflogen, wo er zunächst stationär im Klinikum B. F und später im U krankenhaus behandelt wurde. Am 25. Mai 2011 wurde er aus dem U krankenhaus entlassen, wobei als bleibende Folge des Verkehrsunfalls unter anderem eine komplette spastische Tetraplegie unterhalb des Halswirbelkörpers C 4 infolge einer Luxationsfraktur der Halswirbel C 5 und C 6 verblieb, die den Kläger rollstuhlpflichtig macht.
Zur Planung der nachstationären Wohnsituation des Klägers beauftragte die Beklagte den Architekten M R , B. Gemeinsam mit der Ehefrau des Klägers wurde eine Vielzahl von Wohnungen besichtigt, um sie auf ihre Geeignetheit für die Erfüllung der besonderen gesundheitlichen Bedürfnisse des Klägers hin zu prüfen. Letztlich kam ein Mietverhältnis für eine 116 m2 große Wohnung in der Sch straße in B zustande. Die Wohnung besteht aus dem Pflegezimmer des Klägers, einem Zimmer, das als sein Arbeitszimmer und als Rollstuhlumsetzplatz genutzt wird, einem Pflegekräftezimmer, einem Wohnzimmer, einer Küche, einem Bad zur Versorgung des Klägers, einer Gästetoilette als Bad und Toilette für die Ehefrau und einem – für den Kläger nicht zugänglichen – Balkon, dessen Fläche laut § 1 Nr. 1 des Mietvertrages bei der Wohnfläche von 116m2 zur Hälfte angerechnet wurde. Die Miete ohne Betriebskosten beträgt gemäß § 5 Ziffer 1 des Mietvertrages monatlich 1.102,00 Euro. Auf Grund der Vereinbarung einer Staffelmiete erhöht sie sich ab 1. Februar 2013 auf 1.160,00 Euro und ab 1. Februar 2015 auf 1.218,00 Euro. Die Betriebskostenvorauszahlung beträgt gemäß § 5 Ziffer 2 des Mietvertrages derzeit monatlich 145,00 Euro.
Mit Bescheid vom 14. Februar 2011 gewährte die Beklagte dem Kläger aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 31. Januar 2011 für die Zeit vom 1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011 gemäß § 41 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) in Verbindung mit den für die gesetzlichen Unfallversicherungsträger geltenden Wohnungshilferichtlinien einen monatlichen Mietkostenzuschuss in Höhe von 436,72 Euro. Entsprechend der Wohnungshilferichtlinien sei ein Mietkostenzuschuss zu gewähren, wenn die Anmietung einer Wohnung nur zu einem Mietzins möglich sei, der für den Versicherten eine unzumutbare Belastung darstelle. In der Zeit vom 1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011 erhalte der Kläger Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von monatlich 1.847,63 Euro. Ab dem 1. Februar 2011 betrage die Miete der Wohnung in der Sch straße monatlich 1.102,00 Euro zuzüglich 280 Euro Betriebskosten. Nach Abzug der Miet- und Betriebskosten verbleibe ihm somit ein Betrag in Höhe von 465,63 Euro. Die Berechnung des Mietkostenzuschusses erfolge entsprechend der Wohnungshilferichtlinien nach den behinderungsbedingten Mehrflächen. Für die Ermittlung der behinderungsbedingt notwendigen Mehrflächen werde ein 2-Personen-Haushalt mit einem Raummehrbedarf für einen Therapieraum, einen Raum für die Pflegekräfte sowie einen Rollstuhlwechselplatz zugrunde gelegt. Somit ergebe sich ein Mehrbedarf von 54,59 m2. Obergrenze für die Berechnung des Mietkostenzuschusses sei der ortsübliche m2-Preis. Dieser betrage für B 8,00 Euro/m2. Somit ergebe sich bei einer Mehrfläche von 54,59 m2 ein monatlicher Zuschuss von 436,72 Euro.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 10. März 2011 Widerspruch ein. Bei der Bemessung des Mietkostenzuschusses sei nicht der ortsübliche m2-Preis, sondern der tatsächliche m2-Preis einschließlich der Betriebs-, Heiz- und Stromkosten zu berücksichtigen. Darüber hinaus sei es nicht zulässig, die Berechnung des Mietkostenzuschusses von der Höhe des Einkommens abhängig zu machen. § 41 SGB VII sehe keine einkommensabhängigen Leistungen vor.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2011 zurück. In Ziffer 13.1.2 der Wohnungshilferichtlinien sei geregelt, dass ein laufender Mietzuschuss gewährt werden könne, wenn die Anmietung einer anderen Wohnung nur zu einem Mietzins möglich sei, der unter Berücksichtigung der Zuwendungen nach dem Wohngeldgesetz für den Versicherten eine unzumutbare Belastung darstelle. Laufende Mietzuschüsse zur Verbesserung der finanziellen Situation des Versicherten, weil er zum Beispiel am neuen Wohnort eine höhere Miete zu zahlen habe, seien dagegen nicht möglich. Ein solcher Zuschuss widerspreche dem Gedanken des abstrakten Schadensausgleichs durch die Unfallrente. Soweit Wohnungshilfe zur behindertengerechten Anpassung vorhandenen oder zur Bereitstellung behindertengerechten Wohnraums bzw. zur Sicherung der beruflichen Eingliederung erbracht werde, sei dem Unfallversicherungsträger grundsätzlich kein Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum eröffnet. Über Art, Umfang und Durchführung der Rehabilitation und damit auch etwa über die Höhe der Wohnungshilfe als Leistung der sozialen und beruflichen Rehabilitation entscheide der Unfallversicherungsträger gemäß § 26 Absatz 5 SGB VII indessen nach pflichtgemäßem Ermessen. Bei der Ermessensentscheidung über die einzelne Wohnungshilfemaßnahme seien einerseits die persönlichen Verhältnisse des Versicherten und die örtlichen Gegebenheiten (vgl. § 9 Abs. 1 SGB IX, § 33 SGB I), andererseits das Erfordernis der wirksamen Leistungserbringung nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu berücksichtigen (vgl. entsprechend § 69 Abs. 2 SGB IV). Dabei meine Sparsamkeit eine möglichst geringe Mittelaufwendung und Wirtschaftlichkeit die Optimierung des Verhältnisses zwischen aufgewendeten Mitteln und erreichtem Zweck. Geeignet seien nur Mittel, die mit einem vertretbaren (finanziellen) Aufwand optimal das Ziel der Eingliederung in das Arbeitsleben oder das tägliche Leben im eigenen Haushalt und in der Gemeinschaft erreichten. Von daher sei es auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn als Grundlage für die Berechnung des Mietkostenzuschusses ein durchschnittlicher, ortsüblicher m2-Preis Berücksichtigung finde. Denn die Gewährung eines Mietkostenzuschusses solle nach den Regelungen der Wohnungshilferichtlinien lediglich dem Ausgleich einer unzumutbaren Belastung infolge eines erhöhten Mietzinses dienen. Dieser Ausgleich sei aber durch die Gewährung eines Mietkostenzuschusses in Höhe von monatlich 436,72 Euro erreicht. Schließlich belaufe sich das verbleibende monatliche Einkommen unter Berücksichtigung des Mietkostenzuschusses auf 892,35 Euro (Verletztengeld: 1.847,63 Euro abzüglich Mietkosten 1.392,00 Euro = 455,63 Euro zuzüglich Mietkostenzuschuss 436,72 Euro). Auch die Befristung bis zum 31. Juli 2011 sei nicht zu beanstanden; denn die voraussichtliche Rentengewährung ab 31. Juli 2011 in Höhe von voraussichtlich monatlich 2.350,62 Euro lasse die Annahme einer unzumutbaren Belastung nicht mehr zu (Anmerkung: eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 in Höhe von monatlich 2.373,89 Euro wurde mit Bescheid vom 21. Juli 2011 ab 31. Juli 2011 gewährt). Dem Einwand des Klägers, § 41 SGB VII sehe keine einkommensabhängigen Leistungen vor, sei entgegenzuhalten, dass im Rahmen der Ermessensausübung auch die persönlichen Verhältnisse des Versicherten Berücksichtigung finden müssten. Zur Feststellung, ob eine unzumutbare Belastung vorliege, sei es unabdingbar, auf die Einkommensverhältnisse des Klägers abzustellen.
Am 11. Juli 2011 erhob der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Der Mietkostenzuschuss sei dauerhaft und einkommensunabhängig zu gewähren. Er sei zudem nicht auf die ortsübliche Vergleichsmiete, die überdies oberhalb von 8 Euro/m2 liege, zu beschränken. Die Beklagte selbst habe die Suche einer geeigneten Wohnung weitgehend durch den von ihr beauftragten Architekten gesteuert. Auch eine Beschränkung des Mietkostenzuschusses auf die Nettokaltmiete ergebe sich weder aus dem Gesetz, noch aus den Wohnungshilferichtlinien.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2011 abzuändern,
die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Februar 2011 und über den 31. Juli 2011 hinaus Wohnungshilfe für die Wohnung in der Sch straße in B in Gestalt eines monatlichen Mietkostenzuschusses von 518,61 Euro zuzüglich der für eine Fläche von 54,59 m2 anteilig entstehenden Nebenkosten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben in der mündlichen Verhandlung vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidung. Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten sowie des übrigen Inhalts wird auf sie Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und auch begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2011 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, wie die Beklagte ihm ab dem 1. Februar 2011 eine Wohnungshilfe für seine Wohnung in der Sch straße in Gestalt eines Mietkostenzuschusses in Höhe von lediglich von 436,72 Euro und beschränkt bis 31. Juli 2011 gewährt und eine Übernahme der für eine Fläche von 54,59 m2 anteilig entstehenden Nebenkosten abgelehnt hat.
Der Kläger hat ab dem 1. Februar 2011 und – vorbehaltlich Änderungen in seiner Wohnsituation und/oder seines gesundheitlichen Status - zeitlich unbeschränkt Anspruch auf Wohnungshilfe in Gestalt eines monatlichen Mietkostenzuschusses von 518,61 Euro zuzüglich einer Übernahme der für eine Fläche von 54,59 m2 anteilig entstehenden Nebenkosten. Der Anspruch des Klägers findet seine Grundlage in § 41 SGB VII. Danach wird Wohnungshilfe erbracht, wenn infolge Art oder Schwere des Gesundheitsschadens nicht nur vorübergehend die behindertengerechte Anpassung vorhandenen oder die Bereitstellung behindertengerechten Wohnraums erforderlich ist (Abs. 1) oder (ferner) wenn sie zur Sicherung der beruflichen Eingliederung notwendig ist (Abs. 2).
Zweck dieser gesetzlichen Regelung ist vornehmlich die Sicherstellung der sozialen und medizinischen Rehabilitation des durch einen Versicherungsfall gesundheitlich geschädigten Versicherten auch für den Bereich des Wohnens. Neben der sozialen bzw. medizinischen Rehabilitation ist auch der spezielle Aspekt der beruflichen Rehabilitation geeignet, die Gewährung von Wohnungshilfe zu begründen; dies kommt durch die Gliederung des § 41 SGB VII in die Absätze 1 und 2 zum Ausdruck. Solange der anspruchsbegründende Umstand vorliegt, nämlich entweder ein versicherungsfallbedingtes Bedürfnis nach dauerhaftem behindertengerechtem Wohnraum (Abs. 1) gegeben ist oder - auch unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 - die Wohnungshilfe zur Sicherung der beruflichen Eingliederung erforderlich ist (Abs. 2), hat der Versicherte zunächst einmal dem Grunde nach einen unbedingten Anspruch auf die Gewährung von Wohnungshilfe. Aus der gesetzlichen Formulierung ("wird erbracht") folgt, dass die Verwaltung an dieser Stelle der Prüfung des Anspruchs nicht zu einer Ausübung von Ermessen im Sinne eines Entschließungsermessens befugt ist, wie dies etwa bei einer Formulierung mit den Worten "kann" oder "darf" der Fall wäre. Erst wenn die Prüfung ergeben hat, dass der Anspruch dem Grunde nach gegeben ist, steht dem Unfallversicherungsträger im Hinblick auf die im Einzelfall auszuführenden Maßnahmen ein Auswahlermessen zu (BSG, Urteil vom 6. Mai 2003, Az. B 2 U 22/02 R; Juris, m.w.N.). Das "Nähere" regeln die Verbände der Unfallversicherungsträger durch gemeinsame Richtlinien (§ 41 Abs. 4 SGB VII); eine solche Regelung ist durch die Wohnungshilfe-Richtlinien geschaffen worden. Durch die Bezeichnung der zu schaffenden Regelungen als "Richtlinien" und durch die Benennung der Verbände der Unfallversicherungsträger als Erlassberechtigte macht das Gesetz deutlich, dass § 41 Abs. 4 SGB VII keine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen, sondern lediglich von Verwaltungsvorschriften darstellt (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 25. November 1998 - L 2 U 232/98 = HVBG-Info 1999, 1670 zu den ab dem 1. Januar 1981 geltenden Richtlinien; BSG, Urteil vom 6. Mai 2003, a.a.O.). Dadurch, dass der Gesetzgeber den Verbänden der Unfallversicherungsträger das "Nähere" zur Regelung überlassen hat, hat er sie zu einer Konkretisierung des gesetzlichen Anspruchs für ihren Bereich beauftragt. Die Richtlinien haben daher den Zweck, für Entscheidungen über die Gewährung von Wohnungshilfe eine gleichmäßige Verwaltungspraxis und Ermessensausübung sicherzustellen. Nach den gesetzgeberischen Motiven zu § 41 Abs. 4 SGB VII (BT-Drucks 13/2204 S. 86) sollen sich die Richtlinien nur auf den Leistungsinhalt beziehen; daher und auch im Hinblick auf den Rang von Verwaltungsvorschriften in der allgemeinen Normenhierarchie wäre es unzulässig, etwa durch eine einschränkende Beschreibung der anspruchsbegründenden Voraussetzungen in den Richtlinien den Anspruch zu begrenzen. Bei der Auslegung und Anwendung der Regelungen des § 41 SGB VII binden die Richtlinien allein die Verwaltung, grundsätzlich - abgesehen von dem hier nicht relevanten Fall der Selbstbindung - aber nicht die Gerichte (vgl. BVerfGE 78, 214, 227; BSG, Urteil vom 6. Mai 2003, a.a.O., m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen ist der Anspruch des Klägers nach § 41 Abs. 1 SGB VII dem Grunde nach gegeben. Der Kläger ist – was auch von der Beklagten anerkannt wird - allein schon auf Grund der Art und Schwere der durch den Arbeitsunfall vom 31. Januar 2010 bedingten körperlichen Behinderung (spastische Tetraplegie) dauerhaft auf die Nutzung eines Rollstuhles sowie auf behindertengerecht ausgestalteten Wohnraum angewiesen. Dementsprechend hat die Beklagte dem Kläger bereits Wohnungshilfe erbracht.
Der Anspruch auf Wohnungshilfe nach § 41 SGB VII enthält jedoch weder einen im Einzelnen gekennzeichneten Leistungsrahmen, noch eine zeitliche oder zahlenmäßige Begrenzung (BSG, Urteil vom 6. Mai 2003, a.a.O., m.w.N.). Zur Vornahme einer solchen Begrenzung war die Beklagte auch weder im Rahmen eines ihr etwaig zustehenden Ermessens, noch auf der Grundlage der Wohnungshilfe-Richtlinien berechtigt. Zwar stand der Beklagten im Hinblick auf die im Einzelfall auszuführenden Maßnahmen ein Auswahlermessen zu (vgl. Urteil des BSG vom 6. Mai 2003 – B 2 U 22/02 R – a. a. O.), was nicht zu trennen ist von einem Ermessen hinsichtlich der Höhe der gewährten Wohnungshilfe. Von diesem Ermessen hat sie jedoch durch weitgehende Steuerung der Wohnungshilfe unter Einschaltung eines von ihr in das Verfahren eingebundenen Architekten (vgl. Nr. 3.2 Satz 3 der ab dem 01. Januar 1998 geltenden Wohnungshilfe-Richtlinien) bereits Gebrauch gemacht. Kein Ermessen stand der Beklagten im Hinblick auf die von ihr getroffenen Entscheidungen zu, die Wohnungshilfe in Form eines Mietzuschusses, gebunden an das Einkommen des Klägers bzw. seine wirtschaftliche Situation und/oder die örtliche Vergleichsmiete zu begrenzen. Entsprechende einkommensabhängige und/oder auf die örtliche Vergleichsmiete bezogene Begrenzungen ergeben sich bereits nicht ausdrücklich auf der Grundlage der Wohnungshilfe-Richtlinien. Sie ergeben sich auch nicht aus dem in Anwendung zu bringenden Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 69 Abs. 2 SGB IV; vgl. auch Nr. 3.2 Satz 1 der ab dem 01. Januar 1998 geltenden Wohnungshilfe-Richtlinien). Dies gilt zum einen für den Einwand der Beklagten, die persönlichen Verhältnisse des Versicherten seien (unter Anwendung des § 3 Nr. 3.2 Satz 1 der Wohnungshilfe-Richtlinien) dergestalt zu berücksichtigen, dass Wohnungshilfe nur dem finanziell bedürftigen Versicherten zugesprochen werden könne. Die gesetzliche Unfallversicherung finanziert sich durch Beiträge der Arbeitnehmer und ist keine aus Steuermitteln gewährte Sozialleistung. Es ist der gesetzlichen Unfallversicherung wesensfremd, dass einzelne Ansprüche nur dem finanziell weniger Bemittelten zustehen sollen. Vielmehr orientiert sich das Erfordernis einer Kompensation von Unfallfolgen nicht an der Frage, ob das Unfallopfer selbst in der Lage ist, seinen Schaden zum Teil aus eigenen finanziellen Mitteln auszugleichen. Die Beklagte hat kein schützenswertes Interesse daran, ihre eigene finanzielle Basis zu Lasten bemittelter Versicherter zu vergrößern. Finanziell besser gestellte Versicherte stehen in der gesetzlichen Unfallversicherung unter dem gleichen Schutz und genießen dem Grunde nach die gleichen Ansprüche wie finanziell stärker Bedürftige. Die in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit dürfen nicht zu Lasten derjenigen Versicherten zum Tragen kommen, die von ihrem Einkommen und/oder Vermögen her besser gestellt sind. Der Gedanke eines Sozialtransfers mag ein Grundsatz sein, der in steuerfinanzierten sozialen Sicherungssystemen zum Tragen kommt; es ist jedoch kein solcher, der in einer beitragsfinanzierten Versicherung – die zudem auch noch an die Lohnsummen anknüpft und Arbeitgebern, die Bezieher höherer Einkommen beschäftigen, größere Beiträge abverlangt - verankert wäre. Aus diesem Grund ist es nicht rechtmäßig, den Anspruch des Klägers auf einen Mietkostenzuschuss auf den Zeitraum bis 31. Juli 2011 mit der Begründung zu begrenzen, er beziehe ab diesem Zeitpunkt eine deutlich höhere Verletztenrente, die ihn in den Stand versetze, behinderungsbedingte Mietmehrkosten selbst zu tragen. Ebenso wenig ist es rechtmäßig, den Mietkostenzuschuss an die ortsübliche Vergleichsmiete zu koppeln, indem der behinderungsbedingte Mehrbedarf an Wohnfläche – der hier unstreitig bei 54,59 m2 liegt – mit dieser (pro m2) anstatt der tatsächlichen Miete pro m2 multipliziert wird. Abgesehen davon, dass sich eine entsprechende Begrenzung auch hier ausdrücklich weder aus § 41 SGB VII, noch – ohne dass es aus den oben genannten Gründen entscheidend darauf ankäme – aus den Wohnungshilfe-Richtlinien ergibt, lassen auch die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit keine entsprechende Beschränkung zu. Zum einen lassen sich Neuanmietungen in einem Markt, der – wie der Berliner Wohnungsmarkt in den innenstadtnahen Bezirken - einem gesteigerten Mietpreiswachstum unterliegt, in aller Regel nicht zu einer ortsüblichen Vergleichmiete realisieren, gehen in diese doch auch die – meist deutlich niedriger liegenden – Bestandsmieten ein. Zum anderen liegt im Allgemeinen gerade für behindertengerechte Wohnungen der Mietpreis deutlich oberhalb der Vergleichsmiete. Behindertengerechte Wohnungen unterliegen besonderen Ansprüchen, deren Umsetzung für den Vermieter mit höheren Kosten einhergeht – beispielsweise durch den Einbau eines Personenaufzugs – die sich dann wiederum auf den Mietpreis auswirken. Schließlich ist im vorliegenden Fall auch der Umstand zu würdigen, dass es gerade durch die Mitwirkung des von der Beklagten beauftragten Architekten zur Anmietung der Wohnung in der Sch straße gekommen ist. Die Beklagte hat also maßgeblich selbst dazu beigetragen, dass diese konkrete Wohnung angemietet wurde. Sie kann dem Kläger nunmehr nicht entgegenhalten, dass die Miete oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liege und daher nur – bezogen auf den behinderungsbedingten Flächenmehrbedarf – begrenzt übernommen werden könne. Legt man die Nettokaltmiete der Wohnung von 1.102,00 Euro zugrunde und teilt diese durch die Gesamt-Wohnfläche von 116 m2, ergibt sich ein durchschnittlicher m2-Preis von 9,50 Euro, der – multipliziert mit dem behinderungsbedingten Mehrbedarf an Fläche von 54,59 m2 - einen Betrag von (gerundet) 518,61 Euro ergibt. Die Beklagte ist schließlich auch verpflichtet, die Nebenkosten des Klägers anteilig für den behinderungsbedingten Mehrbedarf von 54,59 m2 zu übernehmen. Behinderungsbedingte Mehrkosten für das Wohnen entstehen nicht nur durch die Nettokaltmiete für die behinderungsbedingt zusätzlich angemietete Fläche, sondern auch für die auf diese Fläche anfallenden Nebenkosten. Auch hier gilt, dass sich entsprechende Einschränkungen weder der – allein maßgeblichen – Vorschrift des § 41 SGB VII entnehmen lassen, noch den Wohnungshilfe-Richtlinien. Im Übrigen ist keine sachliche Rechtfertigung dafür zu erkennen, behinderungsbedingte Mehrkosten für das Wohnen auf die Übernahme der Nettokaltmiete zu begrenzen, für Heizung, Strom, Wasser etc., deren Verbrauch mit der Anmietung größerer Flächen proportional steigen, jedoch nicht aufkommen zu wollen. Soweit die Wohnungshilfe-Richtlinien den Anwendungsbereich der gesetzlichen Anspruchsnorm des § 41 Abs. 1 SGB VII in ihrem § 13.1.2. einschränken, erfolgt dies in unzulässiger Weise. Nach dieser Vorschrift wird ein laufender Mietzuschuss nur gewährt, wenn die Anmietung einer anderen Wohnung nur zu einem Mietzins möglich ist, der unter Berücksichtigung der Zuwendungen nach dem Wohngeldgesetz für den Versicherten eine unzumutbare Belastung darstellt. Durch das Korrektiv einer "unzumutbaren Belastung" wird zusätzlich zu den gesetzlich normierten Voraussetzungen des dauerhaften unfallbedingten Angewiesenseins auf behindertengerechten Wohnraum bzw. des Sicherungsbedürfnisses für die berufliche Wiedereingliederung eine weitere Anforderung aufgestellt, für die sich im Gesetz keine Grundlage findet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Wohnungshilfe.
Der Kläger erlitt am 31. Januar 2010 im Tschad einen schweren Verkehrsunfall. Der Unfall ereignete sich während eines Einsatzes des Deutschen Entwicklungsdienstes, der im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erfolgte. Nach einer Notversorgung vor Ort wurde der Kläger zur weiteren Behandlung nach B ausgeflogen, wo er zunächst stationär im Klinikum B. F und später im U krankenhaus behandelt wurde. Am 25. Mai 2011 wurde er aus dem U krankenhaus entlassen, wobei als bleibende Folge des Verkehrsunfalls unter anderem eine komplette spastische Tetraplegie unterhalb des Halswirbelkörpers C 4 infolge einer Luxationsfraktur der Halswirbel C 5 und C 6 verblieb, die den Kläger rollstuhlpflichtig macht.
Zur Planung der nachstationären Wohnsituation des Klägers beauftragte die Beklagte den Architekten M R , B. Gemeinsam mit der Ehefrau des Klägers wurde eine Vielzahl von Wohnungen besichtigt, um sie auf ihre Geeignetheit für die Erfüllung der besonderen gesundheitlichen Bedürfnisse des Klägers hin zu prüfen. Letztlich kam ein Mietverhältnis für eine 116 m2 große Wohnung in der Sch straße in B zustande. Die Wohnung besteht aus dem Pflegezimmer des Klägers, einem Zimmer, das als sein Arbeitszimmer und als Rollstuhlumsetzplatz genutzt wird, einem Pflegekräftezimmer, einem Wohnzimmer, einer Küche, einem Bad zur Versorgung des Klägers, einer Gästetoilette als Bad und Toilette für die Ehefrau und einem – für den Kläger nicht zugänglichen – Balkon, dessen Fläche laut § 1 Nr. 1 des Mietvertrages bei der Wohnfläche von 116m2 zur Hälfte angerechnet wurde. Die Miete ohne Betriebskosten beträgt gemäß § 5 Ziffer 1 des Mietvertrages monatlich 1.102,00 Euro. Auf Grund der Vereinbarung einer Staffelmiete erhöht sie sich ab 1. Februar 2013 auf 1.160,00 Euro und ab 1. Februar 2015 auf 1.218,00 Euro. Die Betriebskostenvorauszahlung beträgt gemäß § 5 Ziffer 2 des Mietvertrages derzeit monatlich 145,00 Euro.
Mit Bescheid vom 14. Februar 2011 gewährte die Beklagte dem Kläger aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 31. Januar 2011 für die Zeit vom 1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011 gemäß § 41 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) in Verbindung mit den für die gesetzlichen Unfallversicherungsträger geltenden Wohnungshilferichtlinien einen monatlichen Mietkostenzuschuss in Höhe von 436,72 Euro. Entsprechend der Wohnungshilferichtlinien sei ein Mietkostenzuschuss zu gewähren, wenn die Anmietung einer Wohnung nur zu einem Mietzins möglich sei, der für den Versicherten eine unzumutbare Belastung darstelle. In der Zeit vom 1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011 erhalte der Kläger Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von monatlich 1.847,63 Euro. Ab dem 1. Februar 2011 betrage die Miete der Wohnung in der Sch straße monatlich 1.102,00 Euro zuzüglich 280 Euro Betriebskosten. Nach Abzug der Miet- und Betriebskosten verbleibe ihm somit ein Betrag in Höhe von 465,63 Euro. Die Berechnung des Mietkostenzuschusses erfolge entsprechend der Wohnungshilferichtlinien nach den behinderungsbedingten Mehrflächen. Für die Ermittlung der behinderungsbedingt notwendigen Mehrflächen werde ein 2-Personen-Haushalt mit einem Raummehrbedarf für einen Therapieraum, einen Raum für die Pflegekräfte sowie einen Rollstuhlwechselplatz zugrunde gelegt. Somit ergebe sich ein Mehrbedarf von 54,59 m2. Obergrenze für die Berechnung des Mietkostenzuschusses sei der ortsübliche m2-Preis. Dieser betrage für B 8,00 Euro/m2. Somit ergebe sich bei einer Mehrfläche von 54,59 m2 ein monatlicher Zuschuss von 436,72 Euro.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 10. März 2011 Widerspruch ein. Bei der Bemessung des Mietkostenzuschusses sei nicht der ortsübliche m2-Preis, sondern der tatsächliche m2-Preis einschließlich der Betriebs-, Heiz- und Stromkosten zu berücksichtigen. Darüber hinaus sei es nicht zulässig, die Berechnung des Mietkostenzuschusses von der Höhe des Einkommens abhängig zu machen. § 41 SGB VII sehe keine einkommensabhängigen Leistungen vor.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2011 zurück. In Ziffer 13.1.2 der Wohnungshilferichtlinien sei geregelt, dass ein laufender Mietzuschuss gewährt werden könne, wenn die Anmietung einer anderen Wohnung nur zu einem Mietzins möglich sei, der unter Berücksichtigung der Zuwendungen nach dem Wohngeldgesetz für den Versicherten eine unzumutbare Belastung darstelle. Laufende Mietzuschüsse zur Verbesserung der finanziellen Situation des Versicherten, weil er zum Beispiel am neuen Wohnort eine höhere Miete zu zahlen habe, seien dagegen nicht möglich. Ein solcher Zuschuss widerspreche dem Gedanken des abstrakten Schadensausgleichs durch die Unfallrente. Soweit Wohnungshilfe zur behindertengerechten Anpassung vorhandenen oder zur Bereitstellung behindertengerechten Wohnraums bzw. zur Sicherung der beruflichen Eingliederung erbracht werde, sei dem Unfallversicherungsträger grundsätzlich kein Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum eröffnet. Über Art, Umfang und Durchführung der Rehabilitation und damit auch etwa über die Höhe der Wohnungshilfe als Leistung der sozialen und beruflichen Rehabilitation entscheide der Unfallversicherungsträger gemäß § 26 Absatz 5 SGB VII indessen nach pflichtgemäßem Ermessen. Bei der Ermessensentscheidung über die einzelne Wohnungshilfemaßnahme seien einerseits die persönlichen Verhältnisse des Versicherten und die örtlichen Gegebenheiten (vgl. § 9 Abs. 1 SGB IX, § 33 SGB I), andererseits das Erfordernis der wirksamen Leistungserbringung nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu berücksichtigen (vgl. entsprechend § 69 Abs. 2 SGB IV). Dabei meine Sparsamkeit eine möglichst geringe Mittelaufwendung und Wirtschaftlichkeit die Optimierung des Verhältnisses zwischen aufgewendeten Mitteln und erreichtem Zweck. Geeignet seien nur Mittel, die mit einem vertretbaren (finanziellen) Aufwand optimal das Ziel der Eingliederung in das Arbeitsleben oder das tägliche Leben im eigenen Haushalt und in der Gemeinschaft erreichten. Von daher sei es auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn als Grundlage für die Berechnung des Mietkostenzuschusses ein durchschnittlicher, ortsüblicher m2-Preis Berücksichtigung finde. Denn die Gewährung eines Mietkostenzuschusses solle nach den Regelungen der Wohnungshilferichtlinien lediglich dem Ausgleich einer unzumutbaren Belastung infolge eines erhöhten Mietzinses dienen. Dieser Ausgleich sei aber durch die Gewährung eines Mietkostenzuschusses in Höhe von monatlich 436,72 Euro erreicht. Schließlich belaufe sich das verbleibende monatliche Einkommen unter Berücksichtigung des Mietkostenzuschusses auf 892,35 Euro (Verletztengeld: 1.847,63 Euro abzüglich Mietkosten 1.392,00 Euro = 455,63 Euro zuzüglich Mietkostenzuschuss 436,72 Euro). Auch die Befristung bis zum 31. Juli 2011 sei nicht zu beanstanden; denn die voraussichtliche Rentengewährung ab 31. Juli 2011 in Höhe von voraussichtlich monatlich 2.350,62 Euro lasse die Annahme einer unzumutbaren Belastung nicht mehr zu (Anmerkung: eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 in Höhe von monatlich 2.373,89 Euro wurde mit Bescheid vom 21. Juli 2011 ab 31. Juli 2011 gewährt). Dem Einwand des Klägers, § 41 SGB VII sehe keine einkommensabhängigen Leistungen vor, sei entgegenzuhalten, dass im Rahmen der Ermessensausübung auch die persönlichen Verhältnisse des Versicherten Berücksichtigung finden müssten. Zur Feststellung, ob eine unzumutbare Belastung vorliege, sei es unabdingbar, auf die Einkommensverhältnisse des Klägers abzustellen.
Am 11. Juli 2011 erhob der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Der Mietkostenzuschuss sei dauerhaft und einkommensunabhängig zu gewähren. Er sei zudem nicht auf die ortsübliche Vergleichsmiete, die überdies oberhalb von 8 Euro/m2 liege, zu beschränken. Die Beklagte selbst habe die Suche einer geeigneten Wohnung weitgehend durch den von ihr beauftragten Architekten gesteuert. Auch eine Beschränkung des Mietkostenzuschusses auf die Nettokaltmiete ergebe sich weder aus dem Gesetz, noch aus den Wohnungshilferichtlinien.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2011 abzuändern,
die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Februar 2011 und über den 31. Juli 2011 hinaus Wohnungshilfe für die Wohnung in der Sch straße in B in Gestalt eines monatlichen Mietkostenzuschusses von 518,61 Euro zuzüglich der für eine Fläche von 54,59 m2 anteilig entstehenden Nebenkosten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben in der mündlichen Verhandlung vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidung. Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten sowie des übrigen Inhalts wird auf sie Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und auch begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2011 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, wie die Beklagte ihm ab dem 1. Februar 2011 eine Wohnungshilfe für seine Wohnung in der Sch straße in Gestalt eines Mietkostenzuschusses in Höhe von lediglich von 436,72 Euro und beschränkt bis 31. Juli 2011 gewährt und eine Übernahme der für eine Fläche von 54,59 m2 anteilig entstehenden Nebenkosten abgelehnt hat.
Der Kläger hat ab dem 1. Februar 2011 und – vorbehaltlich Änderungen in seiner Wohnsituation und/oder seines gesundheitlichen Status - zeitlich unbeschränkt Anspruch auf Wohnungshilfe in Gestalt eines monatlichen Mietkostenzuschusses von 518,61 Euro zuzüglich einer Übernahme der für eine Fläche von 54,59 m2 anteilig entstehenden Nebenkosten. Der Anspruch des Klägers findet seine Grundlage in § 41 SGB VII. Danach wird Wohnungshilfe erbracht, wenn infolge Art oder Schwere des Gesundheitsschadens nicht nur vorübergehend die behindertengerechte Anpassung vorhandenen oder die Bereitstellung behindertengerechten Wohnraums erforderlich ist (Abs. 1) oder (ferner) wenn sie zur Sicherung der beruflichen Eingliederung notwendig ist (Abs. 2).
Zweck dieser gesetzlichen Regelung ist vornehmlich die Sicherstellung der sozialen und medizinischen Rehabilitation des durch einen Versicherungsfall gesundheitlich geschädigten Versicherten auch für den Bereich des Wohnens. Neben der sozialen bzw. medizinischen Rehabilitation ist auch der spezielle Aspekt der beruflichen Rehabilitation geeignet, die Gewährung von Wohnungshilfe zu begründen; dies kommt durch die Gliederung des § 41 SGB VII in die Absätze 1 und 2 zum Ausdruck. Solange der anspruchsbegründende Umstand vorliegt, nämlich entweder ein versicherungsfallbedingtes Bedürfnis nach dauerhaftem behindertengerechtem Wohnraum (Abs. 1) gegeben ist oder - auch unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 - die Wohnungshilfe zur Sicherung der beruflichen Eingliederung erforderlich ist (Abs. 2), hat der Versicherte zunächst einmal dem Grunde nach einen unbedingten Anspruch auf die Gewährung von Wohnungshilfe. Aus der gesetzlichen Formulierung ("wird erbracht") folgt, dass die Verwaltung an dieser Stelle der Prüfung des Anspruchs nicht zu einer Ausübung von Ermessen im Sinne eines Entschließungsermessens befugt ist, wie dies etwa bei einer Formulierung mit den Worten "kann" oder "darf" der Fall wäre. Erst wenn die Prüfung ergeben hat, dass der Anspruch dem Grunde nach gegeben ist, steht dem Unfallversicherungsträger im Hinblick auf die im Einzelfall auszuführenden Maßnahmen ein Auswahlermessen zu (BSG, Urteil vom 6. Mai 2003, Az. B 2 U 22/02 R; Juris, m.w.N.). Das "Nähere" regeln die Verbände der Unfallversicherungsträger durch gemeinsame Richtlinien (§ 41 Abs. 4 SGB VII); eine solche Regelung ist durch die Wohnungshilfe-Richtlinien geschaffen worden. Durch die Bezeichnung der zu schaffenden Regelungen als "Richtlinien" und durch die Benennung der Verbände der Unfallversicherungsträger als Erlassberechtigte macht das Gesetz deutlich, dass § 41 Abs. 4 SGB VII keine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen, sondern lediglich von Verwaltungsvorschriften darstellt (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 25. November 1998 - L 2 U 232/98 = HVBG-Info 1999, 1670 zu den ab dem 1. Januar 1981 geltenden Richtlinien; BSG, Urteil vom 6. Mai 2003, a.a.O.). Dadurch, dass der Gesetzgeber den Verbänden der Unfallversicherungsträger das "Nähere" zur Regelung überlassen hat, hat er sie zu einer Konkretisierung des gesetzlichen Anspruchs für ihren Bereich beauftragt. Die Richtlinien haben daher den Zweck, für Entscheidungen über die Gewährung von Wohnungshilfe eine gleichmäßige Verwaltungspraxis und Ermessensausübung sicherzustellen. Nach den gesetzgeberischen Motiven zu § 41 Abs. 4 SGB VII (BT-Drucks 13/2204 S. 86) sollen sich die Richtlinien nur auf den Leistungsinhalt beziehen; daher und auch im Hinblick auf den Rang von Verwaltungsvorschriften in der allgemeinen Normenhierarchie wäre es unzulässig, etwa durch eine einschränkende Beschreibung der anspruchsbegründenden Voraussetzungen in den Richtlinien den Anspruch zu begrenzen. Bei der Auslegung und Anwendung der Regelungen des § 41 SGB VII binden die Richtlinien allein die Verwaltung, grundsätzlich - abgesehen von dem hier nicht relevanten Fall der Selbstbindung - aber nicht die Gerichte (vgl. BVerfGE 78, 214, 227; BSG, Urteil vom 6. Mai 2003, a.a.O., m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen ist der Anspruch des Klägers nach § 41 Abs. 1 SGB VII dem Grunde nach gegeben. Der Kläger ist – was auch von der Beklagten anerkannt wird - allein schon auf Grund der Art und Schwere der durch den Arbeitsunfall vom 31. Januar 2010 bedingten körperlichen Behinderung (spastische Tetraplegie) dauerhaft auf die Nutzung eines Rollstuhles sowie auf behindertengerecht ausgestalteten Wohnraum angewiesen. Dementsprechend hat die Beklagte dem Kläger bereits Wohnungshilfe erbracht.
Der Anspruch auf Wohnungshilfe nach § 41 SGB VII enthält jedoch weder einen im Einzelnen gekennzeichneten Leistungsrahmen, noch eine zeitliche oder zahlenmäßige Begrenzung (BSG, Urteil vom 6. Mai 2003, a.a.O., m.w.N.). Zur Vornahme einer solchen Begrenzung war die Beklagte auch weder im Rahmen eines ihr etwaig zustehenden Ermessens, noch auf der Grundlage der Wohnungshilfe-Richtlinien berechtigt. Zwar stand der Beklagten im Hinblick auf die im Einzelfall auszuführenden Maßnahmen ein Auswahlermessen zu (vgl. Urteil des BSG vom 6. Mai 2003 – B 2 U 22/02 R – a. a. O.), was nicht zu trennen ist von einem Ermessen hinsichtlich der Höhe der gewährten Wohnungshilfe. Von diesem Ermessen hat sie jedoch durch weitgehende Steuerung der Wohnungshilfe unter Einschaltung eines von ihr in das Verfahren eingebundenen Architekten (vgl. Nr. 3.2 Satz 3 der ab dem 01. Januar 1998 geltenden Wohnungshilfe-Richtlinien) bereits Gebrauch gemacht. Kein Ermessen stand der Beklagten im Hinblick auf die von ihr getroffenen Entscheidungen zu, die Wohnungshilfe in Form eines Mietzuschusses, gebunden an das Einkommen des Klägers bzw. seine wirtschaftliche Situation und/oder die örtliche Vergleichsmiete zu begrenzen. Entsprechende einkommensabhängige und/oder auf die örtliche Vergleichsmiete bezogene Begrenzungen ergeben sich bereits nicht ausdrücklich auf der Grundlage der Wohnungshilfe-Richtlinien. Sie ergeben sich auch nicht aus dem in Anwendung zu bringenden Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 69 Abs. 2 SGB IV; vgl. auch Nr. 3.2 Satz 1 der ab dem 01. Januar 1998 geltenden Wohnungshilfe-Richtlinien). Dies gilt zum einen für den Einwand der Beklagten, die persönlichen Verhältnisse des Versicherten seien (unter Anwendung des § 3 Nr. 3.2 Satz 1 der Wohnungshilfe-Richtlinien) dergestalt zu berücksichtigen, dass Wohnungshilfe nur dem finanziell bedürftigen Versicherten zugesprochen werden könne. Die gesetzliche Unfallversicherung finanziert sich durch Beiträge der Arbeitnehmer und ist keine aus Steuermitteln gewährte Sozialleistung. Es ist der gesetzlichen Unfallversicherung wesensfremd, dass einzelne Ansprüche nur dem finanziell weniger Bemittelten zustehen sollen. Vielmehr orientiert sich das Erfordernis einer Kompensation von Unfallfolgen nicht an der Frage, ob das Unfallopfer selbst in der Lage ist, seinen Schaden zum Teil aus eigenen finanziellen Mitteln auszugleichen. Die Beklagte hat kein schützenswertes Interesse daran, ihre eigene finanzielle Basis zu Lasten bemittelter Versicherter zu vergrößern. Finanziell besser gestellte Versicherte stehen in der gesetzlichen Unfallversicherung unter dem gleichen Schutz und genießen dem Grunde nach die gleichen Ansprüche wie finanziell stärker Bedürftige. Die in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit dürfen nicht zu Lasten derjenigen Versicherten zum Tragen kommen, die von ihrem Einkommen und/oder Vermögen her besser gestellt sind. Der Gedanke eines Sozialtransfers mag ein Grundsatz sein, der in steuerfinanzierten sozialen Sicherungssystemen zum Tragen kommt; es ist jedoch kein solcher, der in einer beitragsfinanzierten Versicherung – die zudem auch noch an die Lohnsummen anknüpft und Arbeitgebern, die Bezieher höherer Einkommen beschäftigen, größere Beiträge abverlangt - verankert wäre. Aus diesem Grund ist es nicht rechtmäßig, den Anspruch des Klägers auf einen Mietkostenzuschuss auf den Zeitraum bis 31. Juli 2011 mit der Begründung zu begrenzen, er beziehe ab diesem Zeitpunkt eine deutlich höhere Verletztenrente, die ihn in den Stand versetze, behinderungsbedingte Mietmehrkosten selbst zu tragen. Ebenso wenig ist es rechtmäßig, den Mietkostenzuschuss an die ortsübliche Vergleichsmiete zu koppeln, indem der behinderungsbedingte Mehrbedarf an Wohnfläche – der hier unstreitig bei 54,59 m2 liegt – mit dieser (pro m2) anstatt der tatsächlichen Miete pro m2 multipliziert wird. Abgesehen davon, dass sich eine entsprechende Begrenzung auch hier ausdrücklich weder aus § 41 SGB VII, noch – ohne dass es aus den oben genannten Gründen entscheidend darauf ankäme – aus den Wohnungshilfe-Richtlinien ergibt, lassen auch die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit keine entsprechende Beschränkung zu. Zum einen lassen sich Neuanmietungen in einem Markt, der – wie der Berliner Wohnungsmarkt in den innenstadtnahen Bezirken - einem gesteigerten Mietpreiswachstum unterliegt, in aller Regel nicht zu einer ortsüblichen Vergleichmiete realisieren, gehen in diese doch auch die – meist deutlich niedriger liegenden – Bestandsmieten ein. Zum anderen liegt im Allgemeinen gerade für behindertengerechte Wohnungen der Mietpreis deutlich oberhalb der Vergleichsmiete. Behindertengerechte Wohnungen unterliegen besonderen Ansprüchen, deren Umsetzung für den Vermieter mit höheren Kosten einhergeht – beispielsweise durch den Einbau eines Personenaufzugs – die sich dann wiederum auf den Mietpreis auswirken. Schließlich ist im vorliegenden Fall auch der Umstand zu würdigen, dass es gerade durch die Mitwirkung des von der Beklagten beauftragten Architekten zur Anmietung der Wohnung in der Sch straße gekommen ist. Die Beklagte hat also maßgeblich selbst dazu beigetragen, dass diese konkrete Wohnung angemietet wurde. Sie kann dem Kläger nunmehr nicht entgegenhalten, dass die Miete oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liege und daher nur – bezogen auf den behinderungsbedingten Flächenmehrbedarf – begrenzt übernommen werden könne. Legt man die Nettokaltmiete der Wohnung von 1.102,00 Euro zugrunde und teilt diese durch die Gesamt-Wohnfläche von 116 m2, ergibt sich ein durchschnittlicher m2-Preis von 9,50 Euro, der – multipliziert mit dem behinderungsbedingten Mehrbedarf an Fläche von 54,59 m2 - einen Betrag von (gerundet) 518,61 Euro ergibt. Die Beklagte ist schließlich auch verpflichtet, die Nebenkosten des Klägers anteilig für den behinderungsbedingten Mehrbedarf von 54,59 m2 zu übernehmen. Behinderungsbedingte Mehrkosten für das Wohnen entstehen nicht nur durch die Nettokaltmiete für die behinderungsbedingt zusätzlich angemietete Fläche, sondern auch für die auf diese Fläche anfallenden Nebenkosten. Auch hier gilt, dass sich entsprechende Einschränkungen weder der – allein maßgeblichen – Vorschrift des § 41 SGB VII entnehmen lassen, noch den Wohnungshilfe-Richtlinien. Im Übrigen ist keine sachliche Rechtfertigung dafür zu erkennen, behinderungsbedingte Mehrkosten für das Wohnen auf die Übernahme der Nettokaltmiete zu begrenzen, für Heizung, Strom, Wasser etc., deren Verbrauch mit der Anmietung größerer Flächen proportional steigen, jedoch nicht aufkommen zu wollen. Soweit die Wohnungshilfe-Richtlinien den Anwendungsbereich der gesetzlichen Anspruchsnorm des § 41 Abs. 1 SGB VII in ihrem § 13.1.2. einschränken, erfolgt dies in unzulässiger Weise. Nach dieser Vorschrift wird ein laufender Mietzuschuss nur gewährt, wenn die Anmietung einer anderen Wohnung nur zu einem Mietzins möglich ist, der unter Berücksichtigung der Zuwendungen nach dem Wohngeldgesetz für den Versicherten eine unzumutbare Belastung darstellt. Durch das Korrektiv einer "unzumutbaren Belastung" wird zusätzlich zu den gesetzlich normierten Voraussetzungen des dauerhaften unfallbedingten Angewiesenseins auf behindertengerechten Wohnraum bzw. des Sicherungsbedürfnisses für die berufliche Wiedereingliederung eine weitere Anforderung aufgestellt, für die sich im Gesetz keine Grundlage findet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
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