L 7 AS 723/11 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AS 858/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 723/11 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Aufrechnung stellt nach der Rechtsprechung des BSG einen Verwaltungsakt dar.
2. Hat das erstinstanzliche Gericht sich offenbar mit der Frage der Aufrechnung überhaupt nicht auseinander gesetzt, kann es sich bei seiner Entscheidung auch nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG gesetzt haben und ein Zulassungsgrund wegen Divergenz ist nicht gegeben.
3. Eine möglicherweise inhaltliche falsche Entscheidung eines erstinstanzlichen Gerichts gibt für sich alleine noch keinen Zulassungsgrund.
4. Ein Vergleich ist sofort vollstreckbar.
5. Beschränkt sich der Rechtsstreit in der Folge nur noch auf die Kosten des Widerspruchsverfahrens, ist der Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG hieraus zu bestimmen und nicht mehr aus der ursprünglichen Hauptforderung.
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 19. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.

Streitig sind die außergerichtlichen Kosten für das Widerspruchsverfahren zwischen dem Kläger und Beschwerdeführer (Bf.) und dem Beklagten und Beschwerdegegner (Bg.) zum Widerspruch des Bf vom 28.06.2010.

Mit Vergleich vom 10.06.2010 verpflichtete sich der Bg., dem Bf. einen Betrag in Höhe von 1.016,34 EUR auszubezahlen.

Nach einem Datenabgleich stellte der Bg. Einkünfte des Bf. fest, zu denen der Bg. vom Bf. mit Schreiben vom 16.06.2010 Nachweise verlangte. Gleichzeitig teilte der Bg. dem Bf. im Schreiben vom 16.06.2010 mit, dass "der Vollzug des Vergleichs des Sozialgerichts Regensburg vorerst zurückgestellt wird, bis die Leistungsangelegenheit endgültig geklärt ist".

Hiergegen legte der Bf. mit Schreiben vom 28.06.2010 "Widerspruch" ein. Der Betrag aus dem Vergleich sei sofort auszubezahlen.

Nachdem der Bf. dem Bg. Nachweise vorgelegt hatte, zahlte der Bg. mit Anordnung vom 22.07.2010 den Betrag von 1.016,34 EUR an den Bf. aus, zugeflossen auf dem Konto des Bf am 27.07.2010.

Den "Widerspruch" des Bf. verwarf der Bg. mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2010, eingegangen beim Bf. am 18.08.2010, als unzulässig. Beim Schreiben vom 16.06.2010 habe es sich um keinen Verwaltungsakt gehandelt, so dass ein Widerspruch gegen dieses Schreiben nicht zulässig gewesen sei.

Die hiergegen erhobene Klage, die der Bf. mit Schreiben vom 28.02.2011 ausdrücklich auf die außergerichtlichen Kosten für das Widerspruchsverfahren zum "Widerspruch" vom 28.06.2010 beschränkt hatte, wies das Sozialgericht mit Urteil vom 19.07.2011 als unbegründet ab.
Bei dem Schreiben des Bg. vom 16.06.2010 habe es sich um keinen Verwaltungsakt gehandelt, so dass der Widerspruch unzulässig gewesen sei und der Bg. den Widerspruch zu Recht verworfen habe. Die Berufung wurde im Urteil nicht zugelassen.

Hiergegen hat der Bf. Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Der Bg. habe durch sein Schreiben vom 16.06.2010 aufgerechnet. Bei der Aufrechnung handele es sich um einen Verwaltungsakt, wie das BSG mit Beschluss vom 25.02.2010 Az.: B 13 R 76/09 R entschieden habe. Hiervon weiche die Entscheidung des SG ab. Divergenz läge daher vor.
Zudem habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, mit Beschluss vom 05.02.2009 habe der 13. Senat des BSG beim 4. Senat des BSG angefragt, ob eine Verrechnung durch Verwaltungsakt zu erklären sei; diese Rechtsfrage sei noch zu klären.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, §§ 143, 144, 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Insbesondere ist die Beschwerde statthaft, nachdem die Berufung gegen das Urteil ausgeschlossen ist. Zwar war ursprünglich der Streitgegenstand die Auszahlung von 1.016,34 EUR und damit die Beschwerdesumme von 750,00 EUR, vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, überschritten. Nach der Auszahlung dieser Summe durch den Bg. reduzierte sich jedoch das finanzielle Interesse auf die Kosten des Widerspruchverfahrens, die unter dem Schwellenwert von 750,00 EUR liegen. Der Bevollmächtigte des Bf. hat im Übrigen selbst den Streitgegenstand auf die Kosten des Widerspruchverfahrens beschränkt.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Grundsätzliche Bedeutung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG ist nicht gegeben. Soweit der Bf. meint, grundsätzliche Bedeutung ließe sich aus der Frage ableiten, ob es sich bei der Aufrechnung um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht, geht dies schon deshalb ins Leere, weil inzwischen geklärt ist, dass es sich bei der Aufrechnung um einen Verwaltungsakt handelt, vgl. BSG, Beschluss des Großen Senats vom 31.08.2011 Az.: GS 2/10, insbesondere Rz.16 zur Verrechnung als besonderer Form der Aufrechnung.
In der Folge kommt es bzgl. des Vorliegens grundsätzlicher Bedeutung gar nicht mehr darauf an, dass die aufgeworfene Rechtsfrage auch deshalb nicht klärungsbedürftig ist, weil das SG sich ersichtlich bei seiner Entscheidung nicht mit dieser Rechtsfrage auseinandergesetzt hat - die Richtigkeit der Entscheidung des SG hat insoweit im Zulassungsverfahren nach § 144 Abs, 2 SGG außer Betracht zu bleiben -, und weil die aufgeworfenen Rechtsfrage erkennbar keine Rolle im Hinblick auf einen möglichen Erfolg der Klage des Bf. spielt.

Denn die Rechtsansicht des Bf., wonach es sich beim Schreiben vom 16.06.2010 um eine Aufrechnung gehandelt haben soll, ist offensichtlich nicht haltbar. Aus dem Schreiben ist schon nicht zu entnehmen, welche gegenseitigen Forderungen miteinander aufgerechnet werden sollen, geschweige denn, dass ein solcher Rechtsakt der Aufrechnung vorgenommen werden soll. Vielmehr hat der Bg. lediglich mitgeteilt, den Vergleich vorläufig nicht vollziehen zu wollen.
Hier hätte der Bf. ungeachtet des Schreibens des Bg. vom 16.06.2010 aus dem Vergleich (als vollstreckbaren Titel nach § 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG) sofort vollstrecken können, ohne dass dem Schreiben des Bg. vom 16.06.2010 insoweit Bedeutung zugekommen wäre. Der Widerspruch des Bf. war überflüssig und ohne jegliche rechtliche Bedeutung im Hinblick auf den vollstreckbaren Titel.

Auch ein Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt nicht vor. Eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG, ist nicht gegeben. Das SG hat das Schreiben des Bg. vom 16.06.2010 erkennbar nicht als Aufrechnung diskutiert und konnte sich demgemäß auch nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG zur Aufrechnung setzen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob das Sozialgericht bei seiner Wertung des Schreibens vom 16.06.2010 richtig lag oder nicht. Denn bei der Zulassungsbeschwerde geht es nicht darum, ob das Sozialgericht zutreffend oder falsch entschieden hat, sondern darum, ob es sich bewusst zu einem abstrakten Rechtssatz eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte gesetzt hat. Dies hat das SG offensichtlich nicht getan.

Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Im Ergebnis ist die Beschwerde des Bf. zurückzuweisen mit der Folge, dass das Urteil des Sozialgerichts gemäß § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG rechtskräftig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, das der Bf. mit seinem Begehren erfolglos blieb.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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