S 20 AS 684/08 -

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 20 AS 684/08 -
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 7 B 274/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 10. November 2008 aufgehoben und dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren ohne Ratenzahlung bewilligt.

Gründe:

I.

Der am 12. September 1983 geborene Kläger wendet sich gegen die Absenkung des Arbeitslosengeldes II in der Zeit vom 1. November 2007 bis zum 31. Januar 2008.

Er übte seit dem 1. August 2007 eine Nebentätigkeit aus und erhielt hierfür ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe von monatlich 100,00 EUR (vgl. Blatt 139 der Verwaltungsakte).

Darüber informierte er die Beklagte mit dort am 6. August 2007 eingegangenem Schreiben (vgl. Blatt 137 der Verwaltungsakte).

Ausweislich des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 22. Januar 2008 (vgl. Blatt 264 der Verwaltungsakte) schlug sie dem Kläger mit Schreiben vom 6. August 2007 eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei der Firma O. in G. (im folgenden Firma genannt) für die Zeit vom 1. September 2007 bis zum 29. Januar 2008 vor (die Beklagte schlug dem Kläger mit weiterem Schreiben vom 28. September 2007 im Rahmen einer öffentlich geförderten Beschäftigung eine zusätzliche und im öffentlichen Interesse liegende Arbeit bei der Firma in der Zeit vom 8. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2007 vor und fügte dem Angebot eine Rechtsfolgenbelehrung bei (vgl. Blatt 22 bis 24 der Gerichtsakte)).

Zugleich teilte sie der Firma unter dem 6. August 2007 mit, dass der Kläger für eine zusätzliche und im öffentlichen Interesse liegende Arbeit vorgeschlagen werde. Handschriftlich ist auf dem Anschreiben vermerkt: Termin 21.08.07, 14:30 Uhr (vgl. Blatt 161 der Verwaltungsakte).

Unter dem 21. August 2007 setzte die Firma die Beklagte darüber in Kenntnis, dass sich der Kläger nicht gemeldet beziehungsweise vorgestellt habe (vgl. Blatt 163 der Verwaltungsakte).

Die Beklagte hörte den Kläger hierzu mit Schreiben vom 13. September 2007 an (vgl. Blatt 158 der Verwaltungsakte).

Der Kläger teilte unter dem 27. September 2007 mit, er habe den Termin vom 21. August 2007 nicht wahrgenommen, weil er zu diesem Zeitpunkt einer geringfügigen Arbeit nachgegangen sei und dadurch den Termin vergessen habe. Diese Arbeit sei der Agentur bekannt (vgl. Blatt 155 der Verwaltungsakte).

Die Beklagte senkte daraufhin für die Zeit vom 1. November 2000 bis zum 31. Januar 2008 das Arbeitslosengeld II vermindert um die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (161,05 EUR) ab und hob die Bewilligung der Leistung insoweit nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) auf (Bescheid vom 18. Oktober 2007, vgl. Blatt 170 der Verwaltungsakte).

Sie wies den hiergegen gerichteten Widerspruch als unbegründet zurück, weil sich der Kläger weigere, die zumutbare Arbeitsgelegenheit aufzunehmen, obwohl eine Belehrung über die Rechtsfolgen erteilt worden sei (Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2008, vgl. Blatt 264 der Verwaltungsakte).

Der Kläger hat hiergegen am 25. Februar 2008 Klage erhoben. Auf die Verfügung des Sozialgerichts, mit der er gebeten wurde, die zugegangene Zuweisung zur Arbeitsgelegenheit zu übersenden, hat der Kläger neben einer Eingliederungsvereinbarung vom 10. April 2008 ein Schreiben der Beklagten vom 28. September 2007 bezüglich der oben genannten Tätigkeit bei der Firma in der Zeit vom 8. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2007 nebst Rechtsfolgenbelehrung vorgelegt (Blatt 22 bis 24 der Gerichtsakte).

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., ..., ..., abgelehnt. Die Bescheide seien nicht zu beanstanden. Der Kläger habe sich geweigert, die angebotene Arbeitsgelegenheit anzunehmen. Er habe zuvor eine zutreffende und auf den konkreten Einzelfall bezogene Rechtsfolgenbelehrung erhalten (Beschluss vom 10. November 2008, dem Kläger am 17. November 2008 zugestellt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hiergegen am 17. Dezember 2008 Beschwerde eingelegt und dem Gericht mit Schriftsatz vom 29. Mai 2009 angezeigt, dass er das Mandat niedergelegt habe (vgl. Blatt in 10 der Beschwerdeakte).

II.

Die Beschwerde ist begründet.

Nach § 73 a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der - wie hier - nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Beklagte war nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung insbesondere des Akteninhalts nicht berechtigt, den streitigen Absenkungsbescheid zu erlassen sowie das bewilligte Arbeitslosengeld II aufzuheben. Denn es ist derzeit nicht erkennbar, dass eine - den gesetzlichen Anforderungen genügende - Rechtsfolgenbelehrung erteilt wurde.

Das Arbeitslosengeld II wird nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 lit. d des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Wegfall des Zuschlages nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 vH der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, zumutbare Arbeit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II auszuführen. Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, wird das Arbeitslosengeld II unter den in den Absätzen 1 und 4 genannten Voraussetzungen nach näherer Maßgabe der Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II auf die Leistungen nach § 22 SGB II beschränkt. Ob dem Kläger im Zusammenhang mit der Unterbreitung des Zusatzjobs eine Rechtsfolgenbelehrung erteilt wurde, die den gesetzlichen Anforderungen genügt, ist nach dem derzeitigen Verfahrensstand jedenfalls ungewiss und muss im Rahmen des Klageverfahrens erst festgestellt werden. Soweit das Sozialgericht offenbar mit Blick auf Blatt 24 der Gerichtsakte vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ausgeht, ist die dort vorliegende Rechtsfolgenbelehrung erst im Zusammenhang mit der Unterbreitung des Zusatzjobs vom 28. September 2007 ergangen. Im Übrigen dürfte auch diese Rechtsfolgenbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.

Die in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II genannten Sanktionstatbestände setzen sämtlich voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt worden ist. Die Rechtsfolgenbelehrung muss konkret, verständlich, richtig und vollständig sein (BSG vom 18. Februar 2010 - B 14 AS 53/08 R mit weiteren Nachweisen auf Rechtsprechung und Literatur). Nach der Rechtsprechung ist zu fordern insbesondere eine konkrete Umsetzung auf den Einzelfall, sodass die Aushändigung eines Merkblatts mit abstrakt generellem Inhalt nicht ausreicht (BSG, a.a.O.). Die Rechtsfolgenbelehrung hat die Funktion, dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in § 31 Abs. 1 SGB II genannten Pflichtverletzungen haben werden (BSG, a.a.O.). Eine solche Belehrung muss im Übrigen im Zusammenhang mit einem Angebot, also zeitnah erfolgen und individualisiert abgefasst sein (vgl. BSG, a.a.O.).

Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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