L 7 B 191/08 AS NZB

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 23 AS 2190/07
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 7 B 191/08 AS NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
A. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 23. Juli 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. B. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

(A.) I. Die Kläger wenden sich mit der Klage gegen die Aufhebung und Erstattung von Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) für den Monat Mai 2006. Diese Leistungen wurden um einen Betrag in Höhe von insgesamt 240,21 Euro aus dem Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2005 gemindert.

Der Kläger zu 1.), der mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert ist und dem das Merkzeichen G zuerkannt wurde, und die Klägerin zu 2.) wohnen mit ihrer 1982 geborenen Tochter gemeinsam in einer 70,42 Quadratmeter großen 2-Raum-Wohnung, für die eine Kaltmiete von 302,81 Euro, Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 76,05 Euro und 35,91 Euro Heizkosten einschließlich Warmwasserkosten anfielen (insgesamt 414,77 EUR).

Die seinerzeit zuständig gewesene Arbeitsgemeinschaft A. Land (ARGE) bewilligte den Klägern für Mai 2006 Grundsicherungsleistungen in Höhe von 870,54 Euro einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 274,54 Euro (Bescheid vom 5. Dezember 2005).

Das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung vom 22. März 2006 für das Jahr 2005 teilten die Kläger auf Anforderung der damals zuständigen Arbeitsgemeinschaft Altenburger Land (ARGE ) im Dezember 2006 mit.

Die ARGE hob die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Miete für den Monat Mai 2006 teilweise auf und forderte die Erstattung eines Betrages in Höhe von 251,89 EUR (Bescheid vom 05. April 2007).

Hiergegen erhoben die Kläger Widerspruch.

Die Beklagte reduzierte den Aufhebungs- und Erstattungsbetrag auf 240,41 EUR. Der Kläger habe einen Betrag in Höhe von 120,20 Euro und die Klägerin einen solchen in Höhe von 120,21 Euro zu erstatten. Für den Monat Mai 2006 seien nur Unterkunftskosten in Höhe von 33,97 EUR angefallen. Denn das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung vom März 2006 (249,09 Euro aus Betriebskostenvorauszahlung und 136,00 Euro Heizkostenvorauszahlung) sei mit der Miete im Monat Mai 2006 verrechnet worden. Die Heizkostenvorauszahlungshöhe von 136,00 Euro sei um den Warmwasserabschlag von 18 Prozent zu bereinigen, sodass nur ein Guthaben von 360,61 Euro für die drei Haushaltsgemeinschaftsmitglieder anzurechnen sei. Für die Kläger ergebe sich somit der festgesetzte Betrag (Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2007).

Das Sozialgericht hat die Klage mit dem Antrag, den Bescheid vom 5. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2007 aufzuheben, abgewiesen. Anders als die Beklagte meine, sei das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2005 als Einkommen zu behandeln und nicht nach der am 1. August 2006 in Kraft getretenen Regelung des §§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II anzurechnen. Dies ändere aber nichts an dem festgesetzten Rückforderungsbetrag. Die Betriebskostenerstattung sei als Einkommen und nicht als Vermögen zu werten. Das Einkommen belaufe sich auf 385,09 Euro, das den Mietern der Wohnung, den Klägern zu 1) und 2) zugestanden habe, also pro Person 192,54 Euro. Der Betrag in Höhe von 136,00 Euro aus der Heizkostenvorauszahlung sei nicht um den Abzug von 18 Prozent zu bereinigen, weil es bei der Anrechnung von Einkommen darauf nicht ankomme. Wenn man die von dem Kläger bezogene Rente in Höhe von 45,57 Euro um die Versicherungspauschale und die KFZ-Haftpflichtversicherung bereinige, verbleibe noch ein vom Betriebskostenguthaben abzusetzender Betrag von 5,01 Euro. Mithin sei das Einkommen in Höhe von 192,54 Euro aus der Betriebskostenabrechnung nur noch um 5,01 Euro zu bereinigen. Es errechne sich somit ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 187,53 EUR gegen den Kläger zu 1) und ein solcher in Höhe von 162,54 Euro gegen die Klägerin zu 2). Dies verletze die Kläger nicht ihren Rechten, weil ein höherer Erstattungsbetrag nicht festgesetzt worden sei (Urteil vom 33. Juli 2008, den Klägern am 29. Juli 2008 zugestellt).

Die Kläger haben hiergegen am 25. August 2008 Beschwerde eingelegt und Folgendes geltendgemacht: a) Der Rechtssache sei grundsätzliche Bedeutung beizumessen. Ein grundsätzliches Merkmal von Einkommen sei die Einkommensteuer und Sozialabgabenpflicht an das Finanzamt bzw. die Sozialkassen. Die Einkommensteuer- und Sozialabgabenpflicht liege bei dem BK-Guthaben nicht vor. Folglich sei das BK-Guthaben wie Vermögen nach §§ 12 SGB II und nicht nach § 11 SGB II zu bewerten. b) In der Rechtssache würden Verfahrensmängel bei der Beachtung und Bewertung von Tatsachen/Fakten vorliegen. Die tatsächlich zu zahlende Gesamtmiete sei unstrittig. Eine Angemessenheitsbeachtung und -überprüfung nach dem § 22 SGB II sei aber vom Beklagten und vom Sozialgericht unterlassen worden. Sie würden bereits 20 bis 30 Prozent unter den Höchstvorgaben liegen. c) Der Berufungswert liege über 750 EUR. Das Sozialgericht gehe davon aus, dass das BK-Guthaben in Höhe von 385,09 Euro (192,54 Euro/Person) im benannten Jahr abstrakt der Berufungswert sei, was sich jeglicher Richtigkeit entziehe. Damit stelle das Sozialgericht die gesamte BK-Vereinbarung laut Mietvertrag in Höhe von 1377,84 Euro (Berufungswert) für das Jahr 2005 (114,83 EUR/Monat) in Frage. d) Allgemeines. Die Regelungen der §§ 20, 22 SGB II seien nicht praktikabel. Die Haushaltsenergiekosten einschließlich der Energiezählermiete und der Erfassungskosten seien von der Gesetzgebung den Regelsätzen zugeordnet. Diese Zuordnung sei unrichtig und eine Richtigstellung von grundsätzlicher Bedeutung. Die Kosten müssten dem §§ 22 SGB II zugeordnet werden. Auch weise er darauf hin, dass er Inhaber eines Schwerbehindertenausweises sei.

In dem Erörterungstermin vom 29. Juni 2011 hat der Kläger das Ruhen bzw. das Aussetzen des Verfahrens beantragt, weil er beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (auch) im Zusammenhang mit seinem Status als Behinderter eine Verfassungsbeschwerde anhängig gemacht habe. Weiter hat der Kläger erklärt, es gehe hier deshalb um mehr als 240,41 Euro, weil das Problem möglicherweise in den Folgejahren wieder auftauchen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 23. Juli 2008 zuzulassen und das Urteil des Sozialgerichts sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2007 aufzuheben aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde, hilfsweise die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung der Gründe zu I. wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Der Senat war hier nicht gehindert, über die Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden. Der Kläger hat zwar mit Blick auf ein anhängiges Verfahren beim Bundesverfassungsgericht das Ruhen bzw. eine Aussetzung des Verfahrens beantragt, weil es insgesamt um seinen Status als Behinderter gehe. Ein Ruhen kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte keinen entsprechenden Antrag gestellt hat (vgl. § 202 bis Sozialgerichtsgesetzes, SGG, i. V. m. § 251 der Zivilprozessordnung, ZPO). Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 114 SGG war nicht vorzunehmen, weil die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht vom Behindertenstatus des Klägers abhängt.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft. Die Berufung ist nämlich nur statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder ein hierauf gerichteten Verwaltungsakte trifft, 750,00 Euro nicht übersteigt (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

So ist es hier aber nicht. Denn maßgeblich ist die Leistung, die im Streit steht. Im Streit steht hier nur die Anrechnung des Betriebskostenguthabens aus dem Jahre 2005 für den Monat Mai 2006. Rechtliche und wirtschaftliche Folgewirkungen bleiben bei der Berechnung außer Ansatz (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 144 Rdnr. 15 m. w. N.). Infolgedessen kann nicht berücksichtigt werden, dass der Kläger davon ausgeht, dass die Beklagte in den Folgejahren so oder ähnlich verfahren wird.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

Denn die Berufung ist nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG ), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (vgl. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG).

Dass das angegriffene Urteil des Sozialgerichts auf einer Abweichung im Sinne der Vorschrift des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG beruht, ist nicht erkennbar und wird auch vom Kläger nicht geltend gemacht.

Ebenso wenig hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Erforderlich ist vielmehr, dass es in dem Rechtsstreit um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage geht, deren Entscheidung über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Es muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung – gegebenenfalls sogar des Schrifttums – formuliert werden (können), welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Berufungsverfahren bzw. Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (vgl. BSG vom 23. Juni 2009 - B 7 AL 23/09 B mwN; BSG vom 17. Juli 2009 - B 11 AL 168/08 B; Thüringer Landessozialgericht vom 24. August 1998 - L 3 AL 293/98 NZB mwN). Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung aber nur dann zu, wenn die Entscheidung für die Zukunft richtungsweisend sein kann. Betrifft die aufgeworfene Rechtsfrage ausgelaufenes oder auslaufendes Recht, besteht in aller Regel kein Bedürfnis mehr, diese Frage (höchstrichterlich) zu klären (vgl. Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl. 2009, Seite 120 m. w. N.). Nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen ist hier, dass die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage ausnahmsweise deshalb gegeben ist, weil noch immer eine Vielzahl gleichartiger Streitigkeiten zu entscheiden ist oder die Rechtsfrage weiterhin von allgemeiner Bedeutung ist. Die vom Sozialgericht entschiedene Frage hat bereits seit dem 1. August 2006 durch die Neuregelung des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II keine Bedeutung mehr. Diese Neuregelung sieht im Übrigen auch vor, dass Rückzahlungen, die sich auf die Kosten der Haushaltsenergie beziehen, bei einer Anrechnung außer Betracht bleiben. Damit ist zugleich geklärt, dass die Sache auch nicht deshalb grundsätzliche Bedeutung hat, weil das Sozialgericht das Betriebskostenguthaben als Einkommen qualifiziert hat.

Soweit die Kläger der Auffassung sind, dass Haushaltsenergiekosten den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen seien, hat auch dies keine grundsätzliche Bedeutung. Denn der Gesetzgeber ist grundsätzlich frei darin, wie er die Deckung der Bedarfe regelt.

Es fehlt hier also bezüglich der aufgeworfenen Fragen bereits an der erforderlichen Klärungsbedürftigkeit.

Schließlich liegt auch ein Verfahrensfehler im Sinne der Regelung des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht deshalb vor, weil das Sozialgericht nicht beachtet habe, dass die Kläger hinsichtlich ihrer Kosten für Unterkunft und Heizung die Angemessenheitsgrenze deutlich unterschritten hätten. Denn eine solche Berücksichtigung sieht das Gesetz nicht vor.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch nicht deshalb begründet, weil dem Sozialgericht möglicherweise andere Rechtsfehler dadurch unterlaufen sind, dass bei der Berechnung des Aufhebungs- und Erstattungsbetrages offenbar der Nebenkostenanteil aus der Betriebskostenerstattung, der auf die Tochter der Kläger entfällt, berücksichtigt wurde. Denn die Korrektur einfacher Rechtsfehler kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht (erfolgreich) verfolgt werden.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde beruht auf der entsprechenden Anwendung der Vorschrift des § 193 Abs. 1 SGG.

Der Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde ist unanfechtbar, denn mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht wird das Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig (vgl. 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Gründe (B.)

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet. Denn der Rechtsverfolgung fehlt die erforderliche Erfolgsaussicht.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Zur Begründung wird Bezug genommen auf die obigen Ausführungen zu A).

Der Beschluss über die Versagung des Prozesskostenhilfe ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved