L 6 KR 692/05

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 6 KR 1312/03
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 692/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 23. Mai 2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin in der Zeit vom 1. Dezember 2002 bis zum 31. Oktober 2003 bei der Beklagten pflichtversichert war.

Die Klägerin war als angestellte Versicherungsvertreterin bei der A. V.-AG bereits bis zum 28. Februar 1995 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Ihren Antrag vom 28. November 2002 auf Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung zum 1. Dezember 2002, einem Sonntag, ging bei der Beklagten am 29. November 2002 ein. Dem Antrag war der Arbeitsvertrag vom selben Tage beigefügt, wonach die Klägerin ab 1. Dezember 2002 als Bürokraft bei ihrem Ehemann mit einem wöchentlichen Arbeitsumfang von 16 Stunden und einem monatlichen Entgelt von 400, - EUR beschäftigt sei. Dieser war seit 1995 als selbstständiger Handelsvertreter für die A. V.-AG tätig, hatte jedoch zuvor zu keinem Zeitpunkt Angestellte beschäftigt.

Am 10. Dezember 2002 wurde die Klägerin aufgrund starker Unterbauchschmerzen durch den Notarzt in das E. Klinikum gGmbh/Haus St. V. in H. eingeliefert. Zwei Tage später wurde sie in das S.-Krankenhaus in N. verlegt. Diagnostiziert wurde dabei eine akute Bauchfellentzündung, die in der Folge mehrere Operationen und Aufenthalte auf der Intensivstation erforderlich machte. Die Krankenhausentlassung erfolgte am 9. Januar 2003. Noch am selben Tag suchte sie den Gynäkologen Dr. J. G. K. auf, der ihr, zuletzt am 4. März 2003, durchgängig Arbeitsunfähigkeit bis zum 14. März 2003 bescheinigte. Vom 17. bis 30. Juli 2003 erfolgte bei der Klägerin im S. K. in Nordhausen die stationäre Rückverlegung des anus praeter. Die Krankenhaus- und Arztkosten trug teilweise das Sozialamt Heiligenstadt; die noch offenen Forderungen belaufen sich nach Angeben der Klägerin auf 22.978,53 Euro.

Bereits zuvor, nämlich mit Bescheid vom 13. Dezember 2002, lehnte die Beklagte den Antrag auf versicherungspflichtige Mitgliedschaft zum 1. Dezember 2002 nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) ab und schloss die Möglichkeit einer freiwilligen Krankenversicherung nach § 9 SGB V mangels Vorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen aus.

Den am 23. Dezember 2002 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2003 zurück.

Am 28. Mai 2003 kündigte die A. V.-AG den mit dem Ehegatten der Klägerin bestehenden Vertretungsvertrag zum 31. Dezember 2003 unter Freistellung von den Vertreteraufgaben zum 1. Juni 2003 und Gewährung einer Ausgleichszahlung. Der Kündigung des Vertrages waren mehrere mündliche Ermahnungen in den Jahren 1997, 1999, 2002 sowie eine schriftlichen Ermahnung vom 28. Februar 2003 wegen unzureichender Interessenwahrnehmung für die A. V.-AG und Verfehlung der angestrebten Geschäftsergebnisse vorausgegangen. Zum 31. Dezember 2003 erfolgte die Gewerbeabmeldung.

Ab dem 1. November 2003 war die Klägerin über ihren Ehemann bei der damaligen A. Thüringen familienversichert.

Bereits am 4. September 2003 hat die Klägerin beim Sozialgericht Nordhausen (SG) Klage erhoben und beantragt, die Versicherungspflicht für den Zeitraum vom 1. Dezember 2002 bis zum 31. Oktober 2003 festzustellen. Nach dem 28. Februar 1995 habe sie keine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit mehr ausgeübt; um ihren Krankenversicherungsschutz habe sie sich ebenfalls nicht gekümmert. Sie habe von März 1995 bis 2002 an schweren Depressionen gelitten und versucht, ihre Probleme mit Alkohol zu lösen, so dass sie nicht in der Lage gewesen sei, sich um eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu kümmern. Medizinische Behandlungen habe sie in diesem Zeitraum nicht in Anspruch genommen. Sie hat die Gewinnermittlungen des Versicherungsbüros ihres Ehemannes für die Jahre 1996, 1997, 2000, 2001 und 2002 vorgelegt.

Das SG hat einen Befundbericht des behandelnden Frauenarztes Dr. J. G. K. vom 27. Oktober 2003, den Entlassungsbericht sowie die Entlassungsanzeige des S. K. Nordhausen gGmbH vom 14. Januar 2003 bzw. 5. November 2003 sowie einen Befundbericht der E.K. gGmbh vom 21. November 2003 und dessen Epikrise vom 12. Dezember 2002 beigezogen. Außerdem hat es eine Stellungnahme des Chefarztes des E.K.s gGmbh/Haus St. V. vom 13. April 2004 eingeholt.

Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2005 einen handschriftlichen Vermerk ihrer Außendienstmitarbeiterin B. betreffend einen Besuch im Versicherungsbüro des Ehemannes der Klägerin am 11. Dezember 2002 und einen Hausbesuch bei der Klägerin am selben Tag vorgelegt.

Das SG hat sodann mit Urteil vom 23. Mai 2005 die Pflichtversicherung der Klägerin bei der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Dezember 2002 bis zum 31. Oktober 2003 festgestellt. Das in der Gerichtsakte befindliche Urteil enthält weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe. Das Urteil wurde den Beteiligten vom SG mit folgendem Anschreiben übersandt: " in vorbezeichneter Angelegenheit wird anliegend das am 23.05.2005 verkündete Urteil zugestellt. Aufgrund unvorhersehbaren vorzeitigen Eintritts des Mutterschutzes konnte die Vorsitzende das Urteil weder mit Tatbestand und Entscheidungsgründen absetzen noch unterschreiben."

Die Beklagte hat gegen das ihr am 13. September 2005 zugestellte Urteil am 22. September 2005 Berufung eingelegt und im Wesentlichen vorgetragen, dass das erstinstanzliche Urteil mangels Urteilsgründe nicht nachvollziehbar sei. Laut ihren Unterlagen sei die Klägerin im Zeitraum vom 1. Oktober 1993 bis zum 28. Februar 1995 wegen ihrer Beschäftigung als Außendienstmitarbeiterin bei der DVAG A. auch dort krankenversichert gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 23. Mai 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat sie ergänzend vorgetragen, dass sie vom 1. März 1995 bis 30. November 2002 weder privat noch gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Da sie in dieser Zeit nicht krank gewesen sei, habe es auch keiner ärztlichen Behandlung bedurft. Ein Krankenversicherungsschutz habe erst wieder ab 1. Dezember 2002 mit der Aufnahme bei der Beklagten bestanden. Zu diesem Termin habe sie ihr Ehemann als Mitarbeiterin in seinem Büro eingestellt, damit sie "den Verkehr im Büro absichern" sollte, während er sich auf die Tätigkeit im Außendienst habe konzentrieren wollen, um seine "Fallzahlen zu steigern". Ab dem Beginn ihrer Erkrankung im Dezember 2002 habe sie noch für sechs Wochen Lohnfortzahlung erhalten. Außerdem hat sie das Schreiben der A. vom 28. Mai 2003, betreffend die Kündigung des Vertretervertrages mit ihrem Ehemann, sowie ihren Kontoauszug vom 20. Februar 2003, die Abrechnungen "der Brutto-Netto-Bezüge" vom Dezember 2002 und vom Januar 2003 und ihre Kündigung vom 10. Dezember 2003 vorgelegt.

Der Senat hat im Laufe des Berufungsverfahrens einen Befundbericht des behandelnden Hausarztes Dr. J. K. vom 19. Juli 2003 (wohl: 2010) sowie Stellungnahmen des Chefarztes Dr. K. der E.K. gGmbH vom 22. Januar 2007, der A. Beratungs- und Vertriebs-AG vom 16. Mai 2007 und der Betriebskrankenkasse der A. Gesellschaften vom 5. und 8. Juni sowie vom 16. August 2007 eingeholt. Am 11. Februar 2008 hat der Berichterstatter des Senats einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der in der Gerichtsakte befindlichen Niederschrift Bezug genommen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2011 hat der Senat die Klägerin informatorisch sowie ihren Ehemann J. P. als Zeugen zu den Einzelheiten der Beschäftigung befragt. Auch insoweit wird hinsichtlich der Einzelheiten auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)); sie ist jedoch nicht begrün¬det.

Die Berufung ist nicht bereits deshalb begründet, weil das angefochtene Urteil nicht wie in § 136 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 i.V.m. § 128 Abs.1 Satz 2 SGG gefordert mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehen ist. Zwar stellt dieses Fehlen einen absoluten Revisionsgrund nach § 202 SGG i.V.m. § 547 Nr. 6 der Zivilprozessordnung (ZPO) dar. Eine Pflicht zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung besteht jedoch - anders als für das Revisionsgericht - für das Berufungsgericht nicht, denn entsprechende Mängel des erstinstanzlichen Urteils können durch das berufungsgerichtliche Urteil geheilt werden (vgl. Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl. 2008, § 136 Rdnr. 7h). Deshalb räumt § 159 SGG dem Landessozialgericht auch ein Zurückverweisungsermessen ein. Der Senat hat im vorliegenden Fall sein Ermessen im Sinne einer Nichtzurückverweisung ausgeübt.

Die Berufung ist unbegründet, weil die zulässige Klage begründet ist. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Feststellung, dass sie in der Zeit vom 1. Dezember 2002 bis zum 31. Oktober 2003 bei der Beklagten pflichtversichert war.

Voraussetzung für diese Feststellung ist, dass sie in diesem Zeitraum in einem die Krankenversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden hat (§ 5 Abs. 1 Nr.1 SGB V) und nicht versicherungsfrei i.S.d. §§ 6 und 7 SGB V war.

In der Krankenversicherung versicherungspflichtig sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Arbeitnehmer, die gegen Arbeitsentgelt nicht nur geringfügig beschäftigt sind. Dabei entsteht die Versicherungspflicht nicht schon mit der Eingehung des Arbeitsverhältnisses. Nach § 186 Abs. 1 SGB V ist vielmehr erforderlich, dass der Arbeitnehmer in die Beschäftigung eingetreten ist. Die Mitgliedschaft bei der Krankenkasse beginnt somit erst mit dem Tag des Eintritts in die Beschäftigung, d.h. im Regelfall mit der Aufnahme der Arbeit.

Dem ersten Anschein nach sind die genannten Voraussetzungen, nämlich eine nicht lediglich geringfügige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt und der tatsächliche Eintritt in die Beschäftigung, in der Person der Klägerin erfüllt, nachdem diese am 28. November 2002 mit ihrem Ehemann einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hatte, wonach sie ab 1. Dezember 2002 in dessen Versicherungsbüro als Bürokraft in einem Umfang von 16 Stunden wöchentlich zu einem Monatsverdienst in Höhe von 400 Euro tätig sein soll. Damit lag ausweislich § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der bis zum 31. März 2003 geltenden Fassung keine geringfügige, sondern eine (ausweislich des § 7 Abs. 2 SGB V über den 31. März 2003 hinaus reichende) versicherungspflichtige Beschäftigung nach § 5 Abs.1 Nr. 1 SGB V vor. Die Klägerin hat die Tätigkeit im Versicherungsbüro ihres Ehemannes auch aufgenommen, wie sich aus den insoweit übereinstimmenden Angaben der Klägerin und des Zeugen P. ergibt.

Aufgrund der von der Beklagten vorgetragenen Umstände war zu prüfen, ob durch den Arbeitsvertrag mit dem Ehemann der Klägerin tatsächlich ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V begründet wurde.

Ob ein solches Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt vorliegt, bestimmt sich nach den Vorschriften der §§ 7 Abs. 1, 14 Abs. 1 SGB IV. Danach ist unter Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, zu verstehen, aus der laufende oder einmalige Einnahmen erzielt werden, wobei als Anhaltspunkte das Vorliegen einer Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers gelten.

Das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses als Grundlage des Eintritts der Versicherungspflicht i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V kann zwar unter der Geltung des § 31 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht mehr mit der Begründung verneint werden, bei der Tätigkeit der Klägerin habe es sich um einen missglückten Arbeitsversuch gehandelt (vgl. Bundessozialgericht &61500;BSG&61502;, Urteil vom 29. September 1998 - Az.: B 1 KR 10/96 R, nach juris).

Trotzdem bestimmt sich das Bestehen oder Nichtbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses deshalb nicht allein nach den Angaben oder Erklärungen der Betroffenen, sondern vielmehr danach, ob die tatsächlichen Verhältnisse insgesamt den Schluss auf die ernstliche Absicht rechtfertigen, die mit einer Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis verbundenen gegenseitigen rechtlichen Verpflichtungen einzugehen. Hierzu hat die Rechtsprechung des BSG folgende weiteren Kriterien aufgestellt: Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit erfordert Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Ehegatten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit auf Grund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist nur unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen. Dabei kommt der Höhe des Entgelts lediglich Indizwirkung zu. Für die Feststellung, ob die einem mitarbeitenden Verwandten gewährte Leistung Entgelt für die geleistete Arbeit darstellt, sind insbesondere die Höhe der gewährten Leistung sowie ihr Verhältnis zu Umfang und Art der im Betrieb verrichteten Tätigkeit von Bedeutung. Wird dem im Haushalt des Betriebsinhabers lebenden und im Betrieb tätigen Verwandten nur freier Unterhalt einschließlich eines geringfügigen Taschengeldes gewährt und stellten diese Bezüge keinen Gegenwert für die Arbeit dar, so wird man das Vorliegen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses verneinen können. Dagegen ist die Zahlung nicht geringfügiger, laufender Bezüge, insbesondere in Höhe des ortsüblichen oder des tariflichen Lohnes, ein wesentliches Merkmal für das Bestehen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses.

Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ist abgesehen von den Fällen einer rechtlich unverbindlichen familienhaften Mithilfe, einer selbständigen Tätigkeit oder einer geringfügigen Beschäftigung insbesondere dann zu verneinen, wenn ein Scheingeschäft vorliegt, mit dem ein Beschäftigungsverhältnis lediglich vorgetäuscht werden soll, um Leistungen der Krankenversicherung zu erlangen. Versicherungspflicht tritt ferner nicht ein, wenn ein Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis von vornherein mit der Absicht eingeht, die Tätigkeit unter Berufung auf die ihm bekannte Arbeitsunfähigkeit nicht anzutreten oder alsbald wieder aufzugeben. Legen die Umstände des Falles ein missbräuchliches Verhalten oder eine Manipulation zu Lasten der Krankenkasse nahe, so bedarf es einer sorgfältigen Aufklärung dieser Umstände und der von den Arbeitsvertragsparteien wirklich verfolgten Absichten. Beispielsweise können zusätzliche Ermittlungen erforderlich sein, wenn bereits bei der Arbeitsaufnahme Arbeitsunfähigkeit besteht, dieses bekannt ist und die Arbeit alsbald aufgegeben wird. Kommen weitere Umstände, etwa eine familiäre oder verwandtschaftliche Beziehung zwischen den Arbeitsvertragsparteien, das Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrags, eine offensichtlich vom üblichen Rahmen abweichende Lohnhöhe, der Verlust eines anderweitigen Versicherungsschutzes oder eine rückwirkende Anmeldung bei der Krankenkasse nach zwischenzeitlichem Auftreten einer kostenaufwendigen Erkrankung hinzu, kann von einer Versicherungspflicht nur ausgegangen werden, wenn weitere Tatsachen diese Verdachtsmomente entkräften. Soweit sich die Tatsachengrundlage objektiv nicht aufklären lässt, trägt derjenige den rechtlichen Nachteil, der sich auf sie beruft (vgl. BSG, Urteile vom 29. September 1998 - Az.: B 1 KR 10/96 R sowie vom 17. Dezember 2002 – Az: B 7 AL 34/02 R. m.w.N., nach juris).

Im Falle der Klägerin konnte sich der Senat u.a. durch die zeugenschaftliche Einvernahme ihres Ehemannes die erforderliche Überzeugung vom Bestehen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V verschaffen, denn die tatsächlichen Verhältnisse rechtfertigen insgesamt den Schluss auf die ernstliche Absicht der Klägerin, die mit einer Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis verbundenen gegenseitigen rechtlichen Verpflichtungen einzugehen.

Durch den Arbeitsvertrag ist auch ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 5 Abs 1 Nr. 1 SGB V begründet worden. Dafür genügt es allerdings nicht, dass die Beschäftigung ernstlich vereinbart und angemessen entlohnt worden ist. Die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses unter Ehegatten darf zusätzlich davon abhängig gemacht werden, dass die Beschäftigung auch tatsächlich im vereinbarten Umfang ausgeübt (erfüllt) worden ist (vgl Bundesverfassungsgericht &61500;BVerfG&61502;, Kammerbeschluss vom 7. November 1995 - Az.: 2 BvR 802/90, NJW 1996, S. 833).

Dies ist zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Der Senat ist nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerin ab dem 1. Dezember 2002 zumindest eine Woche lang mehr als nur geringfügig gearbeitet hat und aus gesundheitlichen Gründen auch arbeiten konnte. So hat die Klägerin einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit ihrem Ehemann vorgelegt, der formell nicht zu beanstanden ist. Auch der dort vereinbarte Arbeitslohn (400,- Euro bei einer 16-Stunden-Woche; entspricht einem Stundenlohn von ca. 6 Euro) erscheint für die Tätigkeit noch ange¬messen, wenn man berücksichtigt, dass es sich dabei um Bürotätigkeiten im Versicherungs¬büro ihres Ehemannes handelt, die in Heiligenstadt und damit in einer strukturschwachen Ge¬gend Thüringens ausgeübt werden sollten. Zudem spricht die wirtschaftlich schwierige Situation des Ver¬sicherungsbüros nicht zwingend gegen eine Anstellung der Klägerin; vielmehr erscheint es plausibel, dass der Ehemann der Klägerin sich hierdurch mehr Spielraum für die Kundenakquise versprochen hatte, um die von der A. bemängelten "Fallzahlen" und damit seinen Umsatz zu steigern. Aber selbst wenn dies aus wirtschaftlicher Sicht zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt "1. Dezember 2002" nicht mehr sinnvoll gewesen sein sollte, so ist im vorliegenden Fall doch der Umstand zu beachten, dass hier letztlich auch familiäre Gründe für die Anstellung maßgeblich und damit rein wirtschaftliche Erwägungen - für den Senat nachvollziehbar - nicht allein ausschlaggebend waren. Des Weiteren ist dem vorgelegten Kontoauszug der Klägerin zu entnehmen, dass der ausweislich der "Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge" für die Monate Dezember 2002 und Januar 2003 geschuldete Arbeitslohn Mitte Februar 2003 tatsächlich überwiesen und damit ausgezahlt wurde. Warum die Lohnzahlung erst so spät erfolgte, hat der Zeuge plausibel damit erklärt, dass er sich aufgrund der Erkrankung der Klägerin zunächst nicht um die Lohnzahlung an seine Ehefrau gekümmert habe. Schließlich erfolgte die Aufnahme der Klägerin ins Krankenhaus nicht bereits vor oder mit dem Antritt ihrer Tätigkeit, sondern erst 10 Tage später im Wege der Notfalleinweisung. Laut der Stellungnahme des Chefarztes des E.K.s Dr. K. vom 13. April 2004 seien die intermittierenden Unterbauchbeschwerden der Klägerin, unter denen diese ausweislich der Aufnahmeanamnese bereits seit Wochen gelitten habe, "kein zwingender Hinweis auf das Auftreten des bei der Aufnahme erhobenen schwerwiegenden akuten Befundes". Die Krankenhauseinweisung war deshalb auch nicht vorhersehbar.

Nach den insoweit übereinstimmenden Angaben der Klägerin und des Zeugen, trat die Klägerin am ersten Dienstag im Dezember 2002 ihre Bürotätigkeit im Versicherungsbüro des Zeugen auch tatsächlich an und arbeitete dort in der ersten Dezemberwoche an den arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitstagen Dienstag, Donnerstag und halbtags am Freitag.

Dies war ihr auch gesundheitlich möglich. Insoweit gaben die Klägerin und der Zeuge wiederum übereinstimmend an, dass die akuten Unterbauchbeschwerden erst am Ende der ersten Dezemberwoche aufgetreten sind. Dies wird gestützt durch den Umstand, dass die Klägerin vor der Konsultation des Notarztes am 10. Dezember 2002 keine anderen Ärzte aufgesucht hatte, sowie durch die bereits erwähnte Stellungnahme des Dr. K. vom 13. April 2004, wonach es sich um einen schwerwiegenden akuten Befund gehandelt habe, mit dem vorher nicht gerechnet werden musste. Für unerheblich hält der Senat in diesem Zusammenhang die intermittierenden Unterbauchbeschwerden der Klägerin, unter denen diese ausweislich der Aufnahmeanamnese bereits seit Wochen gelitten habe. Diese waren offenbar nicht von einem solchen Ausmaß, dass hierdurch Arbeitsunfähigkeit bestanden hätte. Vielmehr deutete die Klägerin nach ihren unwiderlegbaren Angaben, die durch Aussage des Zeugen gestützt werden, ihre früheren Beschwerden als Menstruationsschmerzen und hat, wie schon erwähnt, deswegen tatsächlich auch keine ärztliche Behandlung in Anspruch genommen. Auch die psychischen sowie die Alkoholprobleme, unter denen die Klägerin davor jahrelang gelitten hatte, haben es ihr nicht aus gesundheitlichen Gründen unmöglich gemacht, ihre Tätigkeit im Versicherungsbüro anzutreten und zunächst auch auszuüben. Auch diesbezüglich hat der Senat keinen Anhalt, den Angaben der Klägerin, die Probleme in den Griff bekommen zu haben, nicht zu glauben. Jedenfalls sind die gegebenenfalls noch vorhandenen Probleme nicht so gravierend gewesen, dass sie einer Beschäftigungsaufnahme im Dezember 2002 im Wege gestanden hätten. Hierzu hat der Zeuge außerdem angegeben, dass die Tätigkeit auch dazu beitragen sollte, die psychischen und die Alkoholprobleme zu überwinden.

Die darüber hinaus bestehenden Ungereimtheiten, Ungenauigkeiten und Widersprüche in den Angaben der Klägerin und des Zeugen erachtet der Senat auch angesichts der langen Zeitspanne für nicht erheblich. Dies betrifft zum einen das Datum der notfallmäßigen Klinikaufnahme der Klägerin, die nicht, wie von der Klägerin und dem Zeugen geschildert, am Montag, den 9. Dezember 2002, sondern tatsächlich am darauf folgenden Tag, nämlich am Dienstag, den 10. Dezember 2002 erfolgte. Zum anderen betrifft dies die Frage der Einarbeitung der Klägerin im Monat Dezember 2002. Im letzteren Falle hält der Senat es für plausibel, dass im Hinblick auf die Vorbildung der Klägerin, die ebenfalls über einen Abschluss als Versicherungskauffrau verfügt, keine grundsätzliche Einarbeitung, jedoch eine Einweisung in den konkreten Betrieb des Zeugen, insbesondere den Computer betreffend, erforderlich war. Auch der Umstand, dass die Klägerin über einen so langen Zeitraum nicht krankenversichert war und sich auch der als Versicherungsmakler tätige Zeuge nicht um Krankenversicherungsschutz für seine Frau kümmerte, hält der Senat in diesem Zusammenhang für unerheblich. So wenig nachvollziehbar diese Verhaltensweisen sein mögen, so sprechen sie jedenfalls nicht zwingend gegen die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit im Dezember 2002. Schließlich hält der Senat auch den Vermerk der Außendienstmitarbeiterin B. betreffend eines Besuchs im Versicherungsbüro des Ehemannes der Klägerin am 11. Dezember 2002 sowie eines Hausbesuchs bei der Klägerin am selben Tag, für nicht erheblich. Dass das Versicherungsbüro des Zeugen wegen Krankheit geschlossen war, ist nachvollziehbar, denn die Klägerin, deren Aufgabe es war, die Büroöffnungszeiten abzudecken, war tatsächlich krank. Dass der Zeuge der Außendienstmitarbeiterin gegenüber in diesem Zusammenhang tatsächlich angegeben haben soll, seine Frau sei während seiner Krankheit im Außendienst unterwegs, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Diesbezüglich geht der Senat deshalb davon aus, dass der entsprechende Vermerk auf einem Missverständnis beruht. Der Zeuge, der sich während des Krankenhausaufenthaltes der Klägerin gleichzeitig um den damals vierzehnjährigen Sohn kümmern musste, hat nachvollziehbar angegeben, zu dem Zeitpunkt des Hausbesuchs der Außendienstmitarbeiterin angespannt gewesen zu sein, da er sich Sorgen um seine Frau gemacht habe.

Die versicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin bestand trotz fehlender Arbeitsleistung nach der Genesung der Klägerin auch formal über den 31. Oktober 2003 hinaus fort. Dies ergibt sich unwiderleglich aus der vorgelegten schriftlichen Kündigung vom 10. Dezember 2003.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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