Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SO 3623/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 456/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Januar 2012 (Versagung der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes) wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die gemäß §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners bestehen für den Senat insbesondere keine Zweifel daran, dass der Antragsteller prozessfähig im Sinne des § 71 Abs. 1 SGG ist. Danach ist ein Beteiligter prozessfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann. Da diese Möglichkeit, sich durch Verträge wirksam zu verpflichten, Geschäftsfähigkeit voraussetzt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 71 Rdnr. 4), fehlt bei Geschäftsunfähigen im Sinne des § 104 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Prozessfähigkeit. Hierbei handelt es sich um Personen, die sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Bei seiner Ansicht, aus der beim Antragsteller in einem Strafverfahren festgestellten Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 des Strafgesetzbuches (StGB) folge die Geschäfts- und damit Prozessunfähigkeit, verkennt der Antragsgegner, dass schon allein nach dem unterschiedlichen Wortlaut der §§ 104 Nr. 2 BGB und 20 StGB die Feststellung von Geschäfts- und Schuldunfähigkeit auf verschiedenen Voraussetzungen beruht. Im Unterschied zur Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB liegt Schuldunfähigkeit bei demjenigen vor, der bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Während die Schuldunfähigkeit stets tatbezogen zu beurteilen ist, setzt die Geschäftsunfähigkeit nach dem eindeutigen Wortlaut des § 104 Nr. 2 BGB - anders als die Schuldunfähigkeit - gerade einen nicht vorübergehenden Zustand voraus. Somit kann Schuldunfähigkeit nicht mit Geschäftsunfähigkeit gleichgesetzt werden. Aus der in einem Strafverfahren festgestellten Schuldunfähigkeit des Antragstellers folgt somit nicht zwangsnotwendig auch seine Geschäftsunfähigkeit (vgl. hierzu Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 17. März 1993 - 6 W 5/93 - ( juris )). Der Senat ist daher an die im Strafverfahren festgestellte Schuldunfähigkeit des Antragstellers nicht gebunden. Vielmehr hat der Senat die Prozessfähigkeit von Amts wegen zu berücksichtigen, zu prüfen und bei Zweifeln alle in Betracht kommenden Beweise zu erheben (Leitherer, a.a.O., Rdnrn. 8 und 8a, jeweils m.w.N.). Vorliegend ergeben sich aus dem Verhalten des Antragstellers weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren Anhaltspunkte dafür, dass er nicht prozessfähig ist. Der Antragsteller hat sowohl im Verwaltungs- als auch im Gerichtsverfahren sein Begehren klar zum Ausdruck gebracht. In seinen Schreiben hat er sich verständlich ausgedrückt, sodass sowohl für den Antragsgegner als auch für die Gerichte erster und zweiter Instanz sein Vorbringen ohne weiteres ersichtlich war. Auf sämtliche Anschreiben des Antragsgegners hat der Antragsteller zeitnah reagiert und ist auf die darin angesprochenen Punkte konkret eingegangen. Bei diesem Verhalten des Antragstellers bestehen für den Senat keine Zweifel an seiner Prozessfähigkeit.
Die somit zulässige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Reutlingen (SG) hat im angefochtenen Beschluss zu Recht die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.
Hierbei ging das SG zutreffend davon aus, dass im vorliegenden Fall der Leistungsversagung der Rechtsbehelf nach § 86b Abs. 2 SGG (Erlass einer einstweiligen Anordnung) statthaft ist.
Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1 a.a.O., für Vornahmesachen in Abs. 2 a.a.O ... Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, sofern nicht ein Fall des Absatzes 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG).
Zeitgleich mit seiner am 20. Dezember 2011 beim SG eingegangenen Antragsschrift vom 15. Dezember 2011, mit der der Antragsteller "eine sofortige Anordnung/Verfügung zur Zahlung der Grundsicherung im Alter" beantragt hat, hat er beim SG zum dortigen Az. S 6 SO 3626/11 Klage gegen den Versagungsbescheid vom 8. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2011 erhoben. Mit dem auf § 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) gestützten Bescheid vom 8. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 6. Dezember 2011 hat der Antragsgegner die Bewilligung der vom Antragsteller am 27. Juli 2011 beantragten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) versagt. Hiergegen wendet sich der Antragsteller im Klageverfahren (S 6 SO 3626/11) grundsätzlich zulässigerweise allein mit der isolierten Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGG (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 1200 § 66 Nr. 13; SozR 4-1200 § 66 Nr. 1; BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R - (juris)). Diese Klage hat nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung; keiner der Ausnahmefälle des § 86a Abs. 2 SGG ist gegeben. Aufgrund dieser kraft Gesetzes eintretenden aufschiebenden Wirkung bedürfte es somit keines Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, um die Vollziehung des Bescheids vom 8. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2011 zu verhindern. Ob vorliegend ausnahmsweise eine deklaratorische Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 SGG in Betracht kommt (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 8. April 2010 - L 7 AS 304/10 ER-B - (juris)), kann vorliegend dahinstehen. Eine entsprechend § 86b Abs. 1 SGG zu treffende, die aufschiebende Wirkung der Klage feststellende Entscheidung würde dem Antragsteller hier allein nicht weiter helfen, weil damit noch nichts über eine einstweilige Leistungsgewährung durch den Antragsgegner gesagt ist und jener somit - bei fehlender anderweitiger Bedarfsdeckung - gleichsam schutzlos wäre (vgl. Senatsbeschlüssse vom 12. Januar 2006 - L 7 AS 5532/05 ER-B - (juris) und vom 8. April 2010, a.a.O.). Um entsprechend Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) effektiven Rechtsschutz gewährleisten zu können, ist in derartigen Fällen der Leistungsversagung daher ausnahmsweise auch die Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs der einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG zu bejahen (Senatsbeschluss vom 8. April 2010, a.a.O., m.w.N.).
Das SG hat diesen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG zu Recht zurückgewiesen. Hinsichtlich des Begehrens des Antragstellers auf sofortige Anordnung/Verfügung zur Zahlung der Grundsicherung im Alter kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung hängt auf der Begründetheitsebene von Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen ab, nämlich dem Anordnungsanspruch und dem Anordnungsgrund, die glaubhaft zu machen sind (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann grundsätzlich nur summarisch erfolgen, es sei denn, das sich aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebende Gebot der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie der grundrechtlich geschützte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erforderten eine abschließende Überprüfung. Ist in diesen Fällen im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris), jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG); z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927; Kammerbeschluss vom 29. November 2007 - 1 BvR 2496/07 - NZS 2008, 365). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. z. B. Senatsbeschlüsse vom 4. April 2008 - L 7 AS 5626/07 ER-B - und vom 11. Juni 2008 - L 7 AS 2309/08 ER-B - (beide juris)).
Vorliegend scheidet der Erlass einer einstweiligen Anordnung aus, da weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund bestehen.
Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen oder Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII bestreiten können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten. Der am 13. Juli 1944 geborene Antragsteller hat zwar die in § 41 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB XII hierfür erforderliche Altersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres) bei der Antragstellung am 27. Juli 2011 bereits erreicht. Ob er jedoch seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus seinem Einkommen und Vermögen, bestreiten kann, wie dies für die Gewährung der beantragten Grundsicherungsleistungen vorausgesetzt wird, steht nicht fest und ist auch im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht feststellbar. Zuletzt mit Schreiben vom 5. Oktober 2011 hat der Antragsgegner den Antragsteller aufgefordert, den Kontoauszug Nr. 20/2011, Nachweise über die Höhe seines Erbes und den Zeitpunkt des Erhalts, seine Heiratsurkunde sowie seinen vollständigen Rentenversicherungsverlauf und den ersten vollständigen Rentenbescheid über die Altersrente vorzulegen. Trotz Fristsetzung bis zum 21. Oktober 2011 wurden vom Antragsteller lediglich der Kontoauszug Nr. 20/2011, jedoch keine weiteren Unterlagen vorgelegt. Ohne diese weiteren Unterlagen ist jedoch weder für den Antragsgegner noch für den Senat feststellbar, ob der Antragsteller über weitere Einkünfte etwa aus der Erbschaft, aus einer Hinterbliebenenrente oder aus einer weiteren eigenen Rente verfügt, die einem Anspruch auf die beantragten einkommensabhängigen Grundsicherungsleistungen möglicherweise entgegenstehen. Selbst wenn der Vortrag des Antragstellers, er habe die angeforderten Unterlagen nicht, zutreffend sein sollte, wäre es ihm auch aus Sicht des Senats möglich und zumutbar, sich die angeforderten Unterlagen zu beschaffen oder dem Antragsgegner die zur Beschaffung erforderlichen Informationen, beispielsweise zu Datum und Ort seiner Heirat, zu geben. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug. Da die Unterlagen und Informationen über seine Ehe, seine Erbschaft sowie über seinen Rentenversicherungsverlauf und -bescheid nur vom Antragsteller vorgelegt bzw. gegeben werden können, ist ohne seine Mitwirkung eine Feststellung seines Anspruchs auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII weder für den Antragsgegner noch für den Senat möglich.
Seinem Begehren, ihm im Wege der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu gewähren, steht überdies entgegen, dass der Antragsteller einen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung stets erforderlichen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat. Weder im erstinstanzlichen noch im Beschwerdeverfahren hat er vorgetragen, dass er auf die umgehende Gewährung der beantragten Leistungen angewiesen ist. Er hat weder vorgetragen noch geschweige denn glaubhaft gemacht, welche Nachteile ihm drohen, falls eine sofortige Leistungsgewährung nicht erfolgt. Wie oben dargelegt steht die fehlende Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes jedoch entgegen.
Die Beschwerde konnte somit keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).
Aus den genannten Gründen hat auch der Antrag des Antragstellers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, keinen Erfolg (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO). Auf die weiteren Bewilligungsvoraussetzungen kommt es daher nicht mehr an.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die gemäß §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners bestehen für den Senat insbesondere keine Zweifel daran, dass der Antragsteller prozessfähig im Sinne des § 71 Abs. 1 SGG ist. Danach ist ein Beteiligter prozessfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann. Da diese Möglichkeit, sich durch Verträge wirksam zu verpflichten, Geschäftsfähigkeit voraussetzt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 71 Rdnr. 4), fehlt bei Geschäftsunfähigen im Sinne des § 104 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Prozessfähigkeit. Hierbei handelt es sich um Personen, die sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Bei seiner Ansicht, aus der beim Antragsteller in einem Strafverfahren festgestellten Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 des Strafgesetzbuches (StGB) folge die Geschäfts- und damit Prozessunfähigkeit, verkennt der Antragsgegner, dass schon allein nach dem unterschiedlichen Wortlaut der §§ 104 Nr. 2 BGB und 20 StGB die Feststellung von Geschäfts- und Schuldunfähigkeit auf verschiedenen Voraussetzungen beruht. Im Unterschied zur Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB liegt Schuldunfähigkeit bei demjenigen vor, der bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Während die Schuldunfähigkeit stets tatbezogen zu beurteilen ist, setzt die Geschäftsunfähigkeit nach dem eindeutigen Wortlaut des § 104 Nr. 2 BGB - anders als die Schuldunfähigkeit - gerade einen nicht vorübergehenden Zustand voraus. Somit kann Schuldunfähigkeit nicht mit Geschäftsunfähigkeit gleichgesetzt werden. Aus der in einem Strafverfahren festgestellten Schuldunfähigkeit des Antragstellers folgt somit nicht zwangsnotwendig auch seine Geschäftsunfähigkeit (vgl. hierzu Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 17. März 1993 - 6 W 5/93 - ( juris )). Der Senat ist daher an die im Strafverfahren festgestellte Schuldunfähigkeit des Antragstellers nicht gebunden. Vielmehr hat der Senat die Prozessfähigkeit von Amts wegen zu berücksichtigen, zu prüfen und bei Zweifeln alle in Betracht kommenden Beweise zu erheben (Leitherer, a.a.O., Rdnrn. 8 und 8a, jeweils m.w.N.). Vorliegend ergeben sich aus dem Verhalten des Antragstellers weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren Anhaltspunkte dafür, dass er nicht prozessfähig ist. Der Antragsteller hat sowohl im Verwaltungs- als auch im Gerichtsverfahren sein Begehren klar zum Ausdruck gebracht. In seinen Schreiben hat er sich verständlich ausgedrückt, sodass sowohl für den Antragsgegner als auch für die Gerichte erster und zweiter Instanz sein Vorbringen ohne weiteres ersichtlich war. Auf sämtliche Anschreiben des Antragsgegners hat der Antragsteller zeitnah reagiert und ist auf die darin angesprochenen Punkte konkret eingegangen. Bei diesem Verhalten des Antragstellers bestehen für den Senat keine Zweifel an seiner Prozessfähigkeit.
Die somit zulässige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Reutlingen (SG) hat im angefochtenen Beschluss zu Recht die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.
Hierbei ging das SG zutreffend davon aus, dass im vorliegenden Fall der Leistungsversagung der Rechtsbehelf nach § 86b Abs. 2 SGG (Erlass einer einstweiligen Anordnung) statthaft ist.
Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1 a.a.O., für Vornahmesachen in Abs. 2 a.a.O ... Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, sofern nicht ein Fall des Absatzes 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG).
Zeitgleich mit seiner am 20. Dezember 2011 beim SG eingegangenen Antragsschrift vom 15. Dezember 2011, mit der der Antragsteller "eine sofortige Anordnung/Verfügung zur Zahlung der Grundsicherung im Alter" beantragt hat, hat er beim SG zum dortigen Az. S 6 SO 3626/11 Klage gegen den Versagungsbescheid vom 8. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2011 erhoben. Mit dem auf § 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) gestützten Bescheid vom 8. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 6. Dezember 2011 hat der Antragsgegner die Bewilligung der vom Antragsteller am 27. Juli 2011 beantragten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) versagt. Hiergegen wendet sich der Antragsteller im Klageverfahren (S 6 SO 3626/11) grundsätzlich zulässigerweise allein mit der isolierten Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGG (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 1200 § 66 Nr. 13; SozR 4-1200 § 66 Nr. 1; BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R - (juris)). Diese Klage hat nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung; keiner der Ausnahmefälle des § 86a Abs. 2 SGG ist gegeben. Aufgrund dieser kraft Gesetzes eintretenden aufschiebenden Wirkung bedürfte es somit keines Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, um die Vollziehung des Bescheids vom 8. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2011 zu verhindern. Ob vorliegend ausnahmsweise eine deklaratorische Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 SGG in Betracht kommt (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 8. April 2010 - L 7 AS 304/10 ER-B - (juris)), kann vorliegend dahinstehen. Eine entsprechend § 86b Abs. 1 SGG zu treffende, die aufschiebende Wirkung der Klage feststellende Entscheidung würde dem Antragsteller hier allein nicht weiter helfen, weil damit noch nichts über eine einstweilige Leistungsgewährung durch den Antragsgegner gesagt ist und jener somit - bei fehlender anderweitiger Bedarfsdeckung - gleichsam schutzlos wäre (vgl. Senatsbeschlüssse vom 12. Januar 2006 - L 7 AS 5532/05 ER-B - (juris) und vom 8. April 2010, a.a.O.). Um entsprechend Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) effektiven Rechtsschutz gewährleisten zu können, ist in derartigen Fällen der Leistungsversagung daher ausnahmsweise auch die Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs der einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG zu bejahen (Senatsbeschluss vom 8. April 2010, a.a.O., m.w.N.).
Das SG hat diesen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG zu Recht zurückgewiesen. Hinsichtlich des Begehrens des Antragstellers auf sofortige Anordnung/Verfügung zur Zahlung der Grundsicherung im Alter kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung hängt auf der Begründetheitsebene von Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen ab, nämlich dem Anordnungsanspruch und dem Anordnungsgrund, die glaubhaft zu machen sind (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann grundsätzlich nur summarisch erfolgen, es sei denn, das sich aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebende Gebot der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie der grundrechtlich geschützte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erforderten eine abschließende Überprüfung. Ist in diesen Fällen im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris), jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG); z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927; Kammerbeschluss vom 29. November 2007 - 1 BvR 2496/07 - NZS 2008, 365). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. z. B. Senatsbeschlüsse vom 4. April 2008 - L 7 AS 5626/07 ER-B - und vom 11. Juni 2008 - L 7 AS 2309/08 ER-B - (beide juris)).
Vorliegend scheidet der Erlass einer einstweiligen Anordnung aus, da weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund bestehen.
Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen oder Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII bestreiten können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten. Der am 13. Juli 1944 geborene Antragsteller hat zwar die in § 41 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB XII hierfür erforderliche Altersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres) bei der Antragstellung am 27. Juli 2011 bereits erreicht. Ob er jedoch seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus seinem Einkommen und Vermögen, bestreiten kann, wie dies für die Gewährung der beantragten Grundsicherungsleistungen vorausgesetzt wird, steht nicht fest und ist auch im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht feststellbar. Zuletzt mit Schreiben vom 5. Oktober 2011 hat der Antragsgegner den Antragsteller aufgefordert, den Kontoauszug Nr. 20/2011, Nachweise über die Höhe seines Erbes und den Zeitpunkt des Erhalts, seine Heiratsurkunde sowie seinen vollständigen Rentenversicherungsverlauf und den ersten vollständigen Rentenbescheid über die Altersrente vorzulegen. Trotz Fristsetzung bis zum 21. Oktober 2011 wurden vom Antragsteller lediglich der Kontoauszug Nr. 20/2011, jedoch keine weiteren Unterlagen vorgelegt. Ohne diese weiteren Unterlagen ist jedoch weder für den Antragsgegner noch für den Senat feststellbar, ob der Antragsteller über weitere Einkünfte etwa aus der Erbschaft, aus einer Hinterbliebenenrente oder aus einer weiteren eigenen Rente verfügt, die einem Anspruch auf die beantragten einkommensabhängigen Grundsicherungsleistungen möglicherweise entgegenstehen. Selbst wenn der Vortrag des Antragstellers, er habe die angeforderten Unterlagen nicht, zutreffend sein sollte, wäre es ihm auch aus Sicht des Senats möglich und zumutbar, sich die angeforderten Unterlagen zu beschaffen oder dem Antragsgegner die zur Beschaffung erforderlichen Informationen, beispielsweise zu Datum und Ort seiner Heirat, zu geben. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug. Da die Unterlagen und Informationen über seine Ehe, seine Erbschaft sowie über seinen Rentenversicherungsverlauf und -bescheid nur vom Antragsteller vorgelegt bzw. gegeben werden können, ist ohne seine Mitwirkung eine Feststellung seines Anspruchs auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII weder für den Antragsgegner noch für den Senat möglich.
Seinem Begehren, ihm im Wege der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu gewähren, steht überdies entgegen, dass der Antragsteller einen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung stets erforderlichen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat. Weder im erstinstanzlichen noch im Beschwerdeverfahren hat er vorgetragen, dass er auf die umgehende Gewährung der beantragten Leistungen angewiesen ist. Er hat weder vorgetragen noch geschweige denn glaubhaft gemacht, welche Nachteile ihm drohen, falls eine sofortige Leistungsgewährung nicht erfolgt. Wie oben dargelegt steht die fehlende Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes jedoch entgegen.
Die Beschwerde konnte somit keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).
Aus den genannten Gründen hat auch der Antrag des Antragstellers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, keinen Erfolg (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO). Auf die weiteren Bewilligungsvoraussetzungen kommt es daher nicht mehr an.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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