L 7 AS 2482/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 313/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 2482/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Mai 2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für Februar 2009 in Höhe von insgesamt EUR 651.-.

Per E-Mails vom 21. und 22. Januar 2009 beantragte der Kläger beim Beklagten sowie der Bundesagentur für Arbeit (BA), die in geteilter Trägerschaft mit dem für die Kosten der Unterkunft und Heizung zuständigen beklagten Landkreis für die Gewährung der übrigen Leistungen nach dem SGB II zuständig war, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für Februar 2009. Neben der Regelleistung in Höhe von EUR 351.- beantrage er einen Zuschlag nach § 24 SGB II i.H.v. EUR 160.-; abzüglich anrechenbarer Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch ergebe sich ein Leistungsanspruch in Höhe von EUR 386,23. Weiter seien die Miete in Höhe von EUR 120.- und ein Nebenkostenvorschuss i.H.v. EUR 20.- zu gewähren. Mit Schreiben vom 22. Januar 2009 forderte die BA den Kläger auf, das bereits übersandte Antragsformular mit den notwendigen Unterlagen bis zum 6. Februar 2009 zurückzureichen. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die BA mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2009 nach dem Verfügungssatz als unbegründet zurück; in der Begründung wurde jedoch ausgeführt, der Widerspruch sei mangels Statthaftigkeit unzulässig, da er sich nicht gegen einen Verwaltungsakt richte.

Am 27. Januar 2009 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, mit der er die Verurteilung zur Zahlung von Leistungen nach dem SGB II für Februar 2009 hinsichtlich der BA i.H.v. EUR 511.- sowie des Beklagten i.H.v. EUR 140.- begehrt hat. Mit Urteil vom 12. Mai 2011 hat das SG die Klage abgewiesen, ohne die Berufung zuzulassen; hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt, die am 3. Juni 2011 beim SG eingegangen ist. Zu deren Begründung hat er über sein bisheriges Vorbringen hinaus ausgeführt, das SG habe zu Unrecht selbst über seine gegen den Vorsitzenden gerichteten Befangenheitsanträge entschieden. Des Weiteren sei Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt, da das SG ihm die beantragten Aktenkopien vor der Entscheidung nicht zur Verfügung gestellt und seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung durch Verweigerung einer Fahrkarte vereitelt habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Mai 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Schreibens vom 22. Januar 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2009 zu verurteilen, ihm für Februar 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i.H.v. insgesamt EUR 651.- zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 3. August 2011 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass das Rechtsmittel der Berufung nicht statthaft sei und der Senat beabsichtige, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu verwerfen. Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

Nachdem der Kläger eine Kopie der Gerichts- und Verwaltungsakte begehrt hatte, war er darauf hingewiesen worden, dass das Recht auf Kopien der Akte lediglich im Rahmen des Rechts auf Akteneinsicht bestehe und diese angeboten werde. Es verbleibe bei dem im Schreiben vom 3. August 2011 beabsichtigten Vorgehen. Da dieses Schreiben wegen der zwischenzeitlich erfolgten Inhaftierung des Klägers zunächst nicht zugegangen war, ist es ihm in der Justizvollzugsanstalt zugestellt worden. Dort hat der Kläger am 5. März 2012 Einsicht in die übersandten Akten des Senats, des SG, des Beklagten und der BA genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten und der Verfahrensakten des Senats und des SG Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zwar gem. § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden, sie ist jedoch nicht statthaft und damit nicht zulässig. Der Senat konnte daher nach § 158 Satz 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Die Beteiligten sind zu diesem Vorgehen gehört worden. Eines neuerlichen Hinweises nach Gewährung von Akteneinsicht bedurfte es nicht, da allein hierdurch keine neue prozessuale Lage eingetreten und neuer Vortrag auch nicht erfolgt ist.

Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger, wie von ihm zwischenzeitlich beantragt, eine Kopie der Verfahrens- und Verwaltungsakte zu fertigen und zu übersenden. Gem. § 120 Abs. 2 Satz 1 SGG besteht für die Beteiligten zwar das Recht, sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen zu lassen. Der Anspruch setzt jedoch voraus, dass die abzulichtenden Aktenteile durch den Verfahrensbeteiligten eindeutig bezeichnet werden (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 30. November 1994 - 11 RAr 89/94 - (juris)). Diesen Anforderungen genügte der Antrag des Klägers nicht. Denn mit diesem wurde ausdrücklich eine Kopie der gesamten Akte ohne Begrenzung auf konkrete Aktenteile begehrt. Die beanspruchte Anfertigung von Ablichtungen der gesamten Prozess- und Beiakten ohne jede Konkretisierung und ohne vorherige Prüfung auf Relevanz ist rechtsmissbräuchlich (vgl. BSG, a.a.O., Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. November 1987 - 9 C 235/86 - und Oberverwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 25. September 1995 - Bf IV 8/94 - (beide juris); LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Juni 2011 - L 3 AL 1928/11 B -). Schließlich hat der Kläger nach durchgeführter Akteneinsicht ein Begehren auf Anfertigungen von Kopien auch nicht mehr geäußert.

Der Beklagte als zugelassener kommunaler Träger (Jobcenter; vgl. §§ 6a, 6d SGB II) ist im Laufe des gerichtlichen Verfahrens als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher unter Ziffer 1 beklagten BA getreten (vgl. § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 3. August 2010, BGBl. I, Seite 1112). Dieser kraft Gesetzes eingetretene Beteiligtenwechsel stellt keine im Berufungsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen (vgl. dazu insgesamt BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr. 5).

Gegenstand des Verfahrens ist allein ein Anspruch des Klägers auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II für den Monat Februar 2009 i.H.v. insgesamt EUR 651.-. Dies ergibt sich aus den in der Klageschrift ausdrücklich gestellten Anträgen. Allein hierzu hat das SG im angefochtenen Urteil entschieden.

Die Berufung ist danach nicht statthaft. Denn nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Diese Voraussetzungen sind angesichts des genannten Verfahrensgegenstandes nicht erfüllt.

Die Berufung wäre somit nur statthaft, wenn das SG sie ausdrücklich zugelassen hätte. Eine solche Zulassung ist weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils erfolgt. Statthaft ist daher allein die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 145 SGG. Eine Umdeutung der ausdrücklich als solche erhobenen Berufung in eine - statthafte - Nichtzulassungsbeschwerde ist allerdings nicht möglich, auch nicht wenn der Rechtsmittelführer nicht rechtskundig vertreten ist (BSG SozR 4-1500 § 158 Nr. 1).

Die Berufung war daher als unzulässig zu verwerfen. Auf die vom Kläger erhobenen Einwände hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens kommt es somit ebenso wenig an wie auf die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved