L 6 R 415/09

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 19 R 175/06
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 415/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 27. März 2009 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die bereits erlassenen Feststellungsbescheide hinsichtlich der von ihr festgestellten Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zurücknehmen durfte.

Der 1944 geborene Kläger erwarb mit dem erfolgreichen Besuch der Ingenieurschule in D. das Recht, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen (Urkunde vom 2. Juli 1971). Anschließend war er vom 1. September 1971 bis zum 31. Oktober 1972 beim VEB Kombinat N. im Betrieb Maschinen- und Dampfkesselbau G. und danach (nach dem Arbeitsvertrag und den Eintragungen in seinem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung) vom 6. November 1971 bis 28. Februar 1982 im VEB Werkzeugmaschinenfabrik "U." G. als Kundendienstingenieur tätig. Nach einer Tätigkeit im VEB BMK E. Kombinat Stahl- und Ratiomittelbau G. arbeitete er ab dem 16. Januar 1984 bis über den 30. Juni 1990 hinaus im VEB Elektronik G ...

Der VEB Elektronik G. wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 12. Juni 1990 in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Electronicon -GmbH) umgewandelt, die am 27. Juni 1990 in das Handelsregister eingetragen wurde.

Eine Versorgungszusage erhielt der Kläger vor Schließung der Versorgungssysteme nicht.

Nach den Unterlagen der Beklagten beantragte der Kläger am 12. Februar 2002 die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem nach dem AAÜG. Ein Formular der Beklagten enthält unter dem 15. März 2004 folgenden Vermerk. "Privatisierung lt. HRB 0110 erfolgte am 27.6.1990". Der Kläger bestreitet, den von der Beklagten behaupteten Ablehnungsbescheid vom 15. März 2004 erhalten zu haben. Ein Nachweis findet sich in der Akte nicht.

Am 11. Januar 2005 erinnerte der Kläger an die "Bescheidung der Zusatzrente"; er gehe davon aus, dass dies innerhalb von drei Jahren möglich sein dürfte. Die Beklagte stellte nach Beiziehung diverser Unterlagen mit Bescheiden vom 31. August und 27. September 2005 fest, dass die Voraussetzungen der Anerkennung im Zeitraum 22. April 1980 bis 30. Juni 1990 (mit kleinen Unterbrechungen) vorliegen, verneinte dies allerdings für die Zeit vom 6. September 1971 bis 21. April 1980. Den gegen die Ablehnung eingelegten Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2005 zurück.

Im Verlauf des Klageverfahrens hat die Beklagte am 16. Februar 2006 einen weiteren Bescheid erlassen, der das Vorliegen der Voraussetzungen des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) im Zeitraum 22. April 1980 bis 30. Juni 1990 mit kleinen Unterbrechungen feststellte. Nachdem das Sozialgericht unter dem 15. November 2006 angefragt hatte, warum das AAÜG anwendbar sei, hat die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Aufhebung des Feststellungsbescheides vom 31. August 2005 in den Fassungen vom 27. September 2005 und vom 16. Februar 2006 nach § 45 SGB X angehört und diesen mit Bescheid vom 16. Februar 2007 für die Zukunft mit Wirkung vom 1. März 2007 nach § 45 Abs. 1 SGB X zurückgenommen. Gesichtspunkte, die eine Schutzwürdigkeit des Vertrauens in den Bestand des Verwaltungsakts begründen könnten, seien nicht ersichtlich. Ein Verbrauch einer Leistung sei nicht möglich, weil es sich um einen Nichtleistungsbescheid gehandelt habe. Im Rahmen der Ermessensausübung überwiege das Interesse der Versichertengemeinschaft an einer rechtmäßigen Bescheiderteilung und das Gebot der Gleichbehandlung das Individualinteresse am Fortbestand des Feststellungsbescheids.

Seit dem 1. September 2008 erhält der Kläger Altersrente unter Berücksichtigung festgestellter Entgeltpunkte nach dem AAÜG (Bescheid vom 25. Juni 2008) in Höhe (damals) von 1.137,47 Euro.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, er habe jahrzehntelang als Ingenieur gearbeitet, so dass das Abstellen für die Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem allein auf den 30. Juni 1990 nicht nachvollziehbar sei. Sein Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes sei schutzbedürftig, er lebe in angespannten finanziellen Verhältnissen.

Mit Urteil vom 27. März 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung nach dem AAÜG gehabt. Die erlassenen Feststellungsbescheide seien rechtswidrig und aufzuheben. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers liege nicht vor. Die Beklagte habe das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

Mit seiner Berufung vertritt der Kläger die Ansicht, die Aufhebung der Feststellungsbescheide sei rechtswidrig; die bereits festgestellten Zeiten vom 22. April 1980 bis 30. Juni 1990 seien als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem anzuerkennen. Er habe auf die Richtigkeit der mehrfach festgestellten Anerkennungen vertraut. Nicht mehr geltend gemacht werde die Anerkennung der Zeit vom 6. September 1971 bis 21. April 1980.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 27. März 2009 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die Entscheidungsgründe des Urteils des Sozialgerichtes Altenburg.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat sie zulässig auf das Begehren beschränkt, den Feststellungsbescheid vom 31. August 2005 wieder aufleben zu lassen. Sein ursprüngliches Klageinteresse - die Anerkennung weiterer Zeiten nach dem AAÜG - verfolgt er nicht weiter.

Den Feststellungsbescheid vom 31. August 2005 in der Fassung vom 27. September 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2005 und in der Fassung vom 16. Februar 2006 hat die Beklagten rechtmäßig nach § 45 Abs. 1 SGB X aufgehoben. Nach dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat und der rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 - 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Der Feststellungsbescheid, der für den Kläger einen rechtlich erheblichen Vorteil begründete, war von Anfang an rechtswidrig. Es ist zwischen den Beteiligten nicht mehr umstritten, dass er nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) keinen Anspruch darauf hatte, dass die Beklagte für ihn Beschäftigungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einschließlich der in diesem Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte feststellt und das AAÜG auf ihn nicht anwendbar ist.

Vom persönlichen Anwendungsbereich nach der maßgeblichen Norm des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG werden die Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften) erfasst, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deshalb eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten.

Der Kläger erfüllt jedoch nach dem Wortlaut der Vorschrift beide Voraussetzungen nicht. Er war bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden war, liegt nicht vor. Er hatte weder früher eine Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrags (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakts erhalten noch war er auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden. Ebenso ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG nicht erfüllt. Der Fall einer gesetzlich fingierten Anwartschaft ist nicht schon dann gegeben, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund einer Beschäftigung in der DDR zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatte; vielmehr muss der Betroffene nach den Regeln des Versorgungssystems tatsächlich einbezogen worden und nach erfolgter Einbeziehung später ausgeschieden sein (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 – Az.: B 4 RA 12/04 R, nach juris). Nach § 3 Abs. 5 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (nachfolgend: 2. DB z. ZAVO-techInt, GBl. der DDR Nr. 62 (S. 487)) erfolgte die Erteilung einer Versorgungszusage ausschließlich durch Aushändigung eines "Dokuments über die zusätzliche Altersversorgung". Ein solches Dokument (Versicherungsurkunde) ist dem Kläger nicht ausgehändigt worden. Mangels Einbeziehung konnte er nicht aus einem Versorgungssystem in diesem Sinne ausscheiden.

Der Kläger war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungs¬anwartschaft, wie sie sich aus der vom 4. Senat des Bundessozialgerichts vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG herleitet. Danach ist bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht in ein Versorgungssystem einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht aufgrund originären Bundesrechts (z. B. Art. 17 EV) einbezogen wurden, zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (vgl. BSG, Urteile vom 9. April 2002 – Az.: B 4 RA 31/01 R, Az.: B 4 RA 41/01 R, Az.: B 4 RA 3/02 R, BSG, Urteil vom 10. April 2002 - Az.: B 4 RA 34/01 R - Az.: B 4 RA 10/02 R, nach juris).

Der Kläger erfüllte am 1. August 1991 nicht die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (nachfolgend ZAVO-techInt, GBl. der DDR Nr. 93 (S. 844)). Dies ist nur dann der Fall, wenn nach § 1 ZAVO-techInt i. V. m. § 1 Abs. 1 der 2. DB z. ZAVO-techInt drei Voraussetzungen erfüllt sind: Der "Versorgungsberechtigte" muss am 30. Juni 1990 eine bestimmte Berufsbezeichnung geführt (persönlichen Voraussetzung) und eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und die Tätigkeit oder Beschäftigung muss am 30. Juni 1990 bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens verrichtet worden sein (betriebliche Voraussetzung – BSG, Urteile vom 29. Juli 2004 – Az.: B 4 RA 4/04 R, 18. Juni 2003 – Az.: B 4 RA 1/03 R; ebenso z. B.: BSG, Urteil vom 9. April 2002 – Az.: B 4 RA 32/01 R und vom 10. April 2002 – Az.: B 4 RA 10/02 R, alle nach juris).

Mit Erwerb des Ingenieurtitels am 2. Juli 1971 erfüllt der Kläger allerdings die persönliche Voraussetzung. Ob er mit seiner Tätigkeit als Kundendienstingenieur die sachliche Voraussetzung erfüllt, kann dahingestellt bleiben, weil jedenfalls die betriebliche Voraussetzung nicht gegeben ist. Er war am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt bei der Electronicon-GmbH beschäftigt, die am 27. Juni 1990 aus dem VEB Elektronik G. durch Umwandlung hervor ging. Der VEB Elektronik G. ist am 27. Juni 1990 nach § 7 der UmwandlungsVO erloschen. Nach dieser Vorschrift wird die Umwandlung - des VEB - mit der Eintragung der GmbH in das Register wirksam (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Oktober 2009; - Az.: L 3 R 272/09 WA-, nach juris). Der vor der Umwandlung bestehende Betrieb ist erloschen; dieses Erlöschen ist von Amts wegen in das Register der volkseigenen Wirtschaft einzutragen. Auf die Bekanntmachung der Eintragung kommt es in diesen Fällen nicht an, so dass die Unkenntnis des Klägers über diese Vorgänge unbeachtlich bleibt. Ohne Bedeutung ist auch, dass der VEB Elektronik G. in zwei Nachfolgebetriebe (-gesellschaften) umgewandelt wurde, da der Betrieb, in dem er beschäftigt war, vor dem 1. Juli 1990 endgültig umgewandelt wurde. Das Schicksal des anderen Nachfolgebetriebes ist nicht relevant.

Der Kläger hat ab dem 27. Juni 1990 auch nicht in einem nach § 1 Abs. 2 der 2. DB ZAVO-techInt einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichgestellten Betrieb gearbeitet, so dass auch aus diesem Grund die Annahme einer fiktiven Versorgungsanwartschaft entfällt.

Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht liegt hinsichtlich der Stichtagsregelung nicht vor (vgl. BSG, Urteile vom 29. Juli 2004; - Az.: B 4 RA 4/04 R- und vom 16.- März 2006; -Az.: B 4 RA 30/05 R -; BVerfG, Beschluss vom 4. August 2004; - Az.: 1 BvR 1557/01 -, nach juris).

Die Beklagte hat den rechtswidrigen Feststellungsbescheid rechtlich zutreffend am 16. Februar 2007 mit Wirkung für die Zukunft zum 1. März 2007 aufgehoben.

Bei der Vertrauensschutzprüfung nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X sind die Belange des von dem rechtswidrigen Verwaltungsakt Begünstigten mit dem öffentlichen Interesse der Allgemeinheit an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände abzuwägen (vgl BSG, Urteil vom 21 Juni 2001 - Az.: B 7 AL 6/00 R m.w.N., nach juris). Dem Kläger ist angesichts der Sachlage zuzugestehen, dass er auf den Fortbestand der positiven Bescheide vertraute. Die Feststellung der Zusatzversorgungszeiten beruht auf seinen wahrheitsgemäßen Angaben. Es gibt objektiv keine Anhalte, dass er positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Bescheide hatte oder die Nichtkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhte. Insbesondere gibt es keinen Nachweis, dass er den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 15. März 2004 tatsächlich erhielt. Diese konnte nicht einmal nachweisen, dass er tatsächlich ergangen ist.

Die Regelfälle der Schutzwürdigkeit seines Vertrauens nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X liegen nicht vor. Ein Verbrauch von Leistungen kam nicht in Betracht, weil mit den Feststellungsbescheiden keine Rentenleistung zuerkannt wurde. Auch die Bindung des Rentenversicherungsträgers an die Bescheide der Beklagten (§ 8 Abs. 5 Satz 2 AAÜG) führt nicht zu einem anderen Ergebnis, weil dem Kläger diese Leistungen erst nach der Rücknahme mit Bescheid vom 25. Juni 2008 zuerkannt wurden. Ein Verbrauch scheidet damit aus. Konkrete Vermögensdispositionen, die der Kläger in Anbetracht des fehlerhaften Feststellungsbescheides tätigte, hat er nicht nachgewiesen. Insofern reicht der allgemeine Vortrag nicht aus, er müsse mit seiner Ehefrau einen Hauskredit abzahlen und habe die "bewilligte Zusatzrente" in seine Planungen einbezogen.

Nachdem die Bindung des Rentenversicherungsträgers im vorliegenden Fall automatisch zu höheren Dauerleistungen führt, ist wie bei deren Gewährung (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005, § 45 Rdnr. 17) grundsätzlich das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes in der Regel höher einzuschätzen als bei der Gewährung einmaliger Leistungen, weil eine Dauerleistung die Allgemeinheit in der Regel stärker belastet als eine einmalige Leistung (vgl. BSGE 60, 147, 152).

Das Vertrauen des Klägers war auch nicht deshalb schützenswert, weil die Rechtswidrigkeit der Feststellungsbescheide allein in den Verantwortungsbereich der Beklagten fiel (vgl. BSG, Urteil vom 21 Juni 2001 - Az.: B 7 AL 6/00 R., nach juris). Der Anwendungsbereich des § 45 SGB X würde zu stark eingeengt, wenn der Umstand der alleinigen Verantwortlichkeit für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ausreichend wäre, das öffentliche Interesse an der Rücknahme als weniger gewichtig zu bewerten. Mit Ausnahme des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X fällt die Ursache für den Erlass eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig in den Verantwortungsbereich der Verwaltung (vgl BSG in SozR 3-3100 § 85 Nr 1 S 3). Würde jeder Fehler der Verwaltung zu einem schutzwürdigen Vertrauen des Begünstigten führen, bedürfte es der Norm des § 45 SGB X nicht. Dies liefe der Zielsetzung des § 45 SGB X zuwider, einen rechtswidrigen Zustand wieder beseitigen zu können.

Die Beklagte hat bei der Rücknahme das ihr nach § 45 Abs. 1 SGB X zustehende Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Aufgrund des nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfungsrechtes von Ermessensentscheidungen hat der Senat nur zu prüfen, ob das Ermessen ausgeübt wurde, die Grenzen des Ermessens von der Beklagten eingehalten worden sind und Ermessensfehler vorliegen. Ihr steht es in diesen Grenzen grundsätzlich frei, zu entscheiden, auf welche Umstände sie die zu treffende Ermessensentscheidung stützt (vgl. BSG in SozR 3-1300 § 45 Nr 2; Nr 5 S 22). Anhaltspunkte für Ermessensfehler oder eine Ermessensreduzierung auf Null liegen nicht vor, die Beklagte hat daher zutreffend Erwägungen hinsichtlich der gegenüberstehenden privaten und der öffentlichen Interessen angestellt und hieraus eine Entscheidung gebildet. Sie hat sich mit dem Vortrag des Klägers auseinandergesetzt und demgegenüber die Interessen der Versichertengemeinschaft an der rechtmäßigen Bescheiderteilung und der Vermeidung einer entstehenden Mehrbelastung abgewogen. Das Ermessen ist gerichtlich nur dahingehend zu überprüfen, ob die Verwaltung bei ihrer Entscheidung alle wesentlichen Umstände beachtet hat. Sie hat keine willkürlichen Erwägungen angestellt. Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch im Sinne eines Nichtgebrauchs oder einer Ermessensunter- oder überschreitung liegen nicht vor.

Der rechtswidrige Feststellungsbescheid konnte auch zeitlich nach § 45 Abs. 3 SGB X zurück genommen werden, weil die die Zwei-Jahresfrist (31. August 2005 bis 16. Februar 2007) eingehalten wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved