L 6 KR 778/05

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 4 KR 532/04
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 778/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 18. Mai 2005 insoweit aufgehoben, als dort die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 26. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2004 verurteilt wurde, an den Kläger 1.621,80 Euro zurück zu erstatten. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger ein Zehntel seiner außergerichtlichen Kosten für das erstinstanzliche Verfahren zu erstatten. Für das Berufungsverfahren haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch streitig, ob die Beklagte dem Kläger von diesem für den Zeitraum vom 1. August 2001 bis 28 Februar 2002 gezahlte Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 1.621,80 Euro zurück erstatten muss.

Der als Arbeitnehmer beschäftigte Kläger war aufgrund des Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze ab dem 1. Januar 2001 freiwillig bei der Beklagten krankenversichert. Er vereinbarte mit seinem Arbeitgeber, dass dieser für ihn die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung an die Beklagte abführt. Der Arbeitgeber beschäftigte zum damaligen Zeitpunkt insgesamt 128 Arbeitnehmer. Aufgrund einer Umstellung der Software im Unternehmen des Arbeitgebers unterblieb ab August 2001 die Abführung von Krankenkassenbeiträgen für alle Arbeitnehmer, die bei der Beklagten versichert waren.

Der Arbeitgeber meldete im Januar 2002 Insolvenz an. Zu diesem Zeitpunkt standen Beiträge (u.a.) für die Monate ab August 2001 für alle bei der Beklagten versicherten Arbeitnehmer aus. Der Insolvenzverwalter führte im Mai 2002 den Beitrag des Klägers für den laufenden Monat an die Beklagte ab. Dieser erhielt Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 1. März bis 31. Mai 2002.

Erstmals mit Schreiben vom 26. März 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Beiträge vom 1. August 2001 bis 31. Mai 2002 in Höhe von 4.721,98 Euro durch den Arbeitgeber nicht geleistet worden seien und forderte ihn auf, den Beitragsrückstand zu begleichen. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 31. März 2003 Widerspruch ein, mit dem er geltend machte, sein Arbeitgeber habe die Beiträge "nachweislich" von seinem Gehalt abgezogen. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit seiner am 14. April 2004 vor dem Sozialgericht Meiningen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, nach den vorliegenden Lohnbescheinigungen seien die Beiträge monatlich vom Gehalt abgezogen worden. Hätte die Beklagte ihn rechtzeitig über eine ausgebliebene Beitragszahlung informiert, hätte er zumindest die Möglichkeit gehabt, die Beiträge beim Arbeitgeber oder zum Zeitpunkt der Insolvenz beim Insolvenzverwalter geltend zu machen. Andere Arbeitnehmer hätten nur in Höhe des Insolvenzgeldes Beiträge zu leisten gehabt und auch nur für den Zeitraum, für den Insolvenzgeld geleistet worden sei. Deshalb müsse er im Wege der Gleichbehandlung so behandelt werden, dass auch er nur für diesen Zeitraum Beiträge zahlen müsse. Aufgrund der Beauftragung eines Gerichtsvollziehers mit der Einziehung der Forderung durch die Beklagte habe er den geforderten Betrag in Höhe von 4.721,98 Euro inzwischen gezahlt.

Das SG hat die im maßgeblichen Zeitraum geltenden Satzungsbestimmungen der Beklagten beigezogen sowie die Beklagte mit Urteil vom 18. Mai 2005 verurteilt, dem Kläger 2.114,56 Euro zurück zu erstatten und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger die Beiträge für die Monate März und April 2002 in voller Höhe an die Beklagte zahlen müsse, da er insoweit mit dem Insolvenzgeld auch den vollen Arbeitgeberanteil zum Krankenversicherungsbeitrag erhalten habe. Der von ihm gezahlte Beitrag für den Monat Mai 2002 sei von der Beklagten zurückzuerstatten, da der Insolvenzverwalter seines Arbeitgebers diesen Beitrag bereits an die Beklagte abgeführt habe. Für die noch offenen Beiträge von August 2001 bis einschließlich Februar 2002 bestehe eine Zahlungspflicht des Klägers lediglich in Höhe der Hälfte der rückständigen Beiträge, da sich die Beklagte ein Mitverschulden zurechnen lassen müsse. Sie habe sich entgegen §§ 28h i.V.m. 23 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) zu viel Zeit gelassen, den Kläger zur Zahlung der Beiträge aufzufordern, so dass dieser nunmehr keine Möglichkeit mehr habe, die Beiträge von seinem Arbeitgeber zurück zu erlangen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 6. Oktober 2005 zugestellte Urteil am 4. November 2005 Berufung eingelegt und im Wesentlichen damit begründet, dass ihr kein Mitverschulden zur Last gelegt werden könne. § 28h SGB IV habe nur den Zweck, die tatsächliche Erfüllung der Beitragsansprüche zu gewährleisten, und gelte auch nur für pflichtversicherte Arbeitnehmer. Die zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber getroffene Vereinbarung könne nicht dazu führen, dass ihr eine zusätzliche Pflicht gegenüber dem Kläger auferlegt werde, die bei anderen freiwillig versicherten Mitgliedern, die Selbstzahler seien, nicht bestehe. Da sie den doppelt bezahlten Versicherungsbeitrag für den Monat Mai 2002 bereits an den Kläger zurückerstattet habe, stehe nur noch ein Betrag in Höhe von 1.621,80 Euro in Streit.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 18. Mai 2005 aufzuheben, soweit sie dort unter Abänderung ihres Bescheids vom 26. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2004 verurteilt wurde, an den Kläger 1.621,80 Euro zurückzuerstatten, und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wiederholt er sein erstinstanzliches Vorbringen und stützt sich im Übrigen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Mit Schreiben vom 13. Juni 2006 hat die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen über die Beklagte mitgeteilt, dass der Kläger im dritten und vierten Quartal 2001 und im ersten und zweiten Quartal 2002 ärztlich behandelt wurde.

Der Berichterstatter des Senats hat am 10. Juli 2006 einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet haben. Insoweit wird auf den Inhalt der Niederschrift Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der geheimen Beratung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Urteil entscheidet, ist zulässig (§ 151 SGG).

Die Berufung ist auch begründet, denn die Klage ist in dem zuletzt mit der Berufung noch angefochtenen Umfang ebenfalls unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm die Beklagte 1.621,80 Euro zurückerstattet, denn der Bescheid der Beklagten vom 26. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2004 ist auch diesbezüglich rechtmäßig. Die Klage ist auch insoweit abzuweisen.

Der bei der Beklagten freiwillig versicherte Kläger war hinsichtlich der allein noch streitgegenständlichen Krankenversicherungsbeiträge für die Monate August 2001 bis einschließlich Februar 2002 Schuldner und Zahlungspflichtiger gemäß §§ 250 Abs. 2, 252 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. §§ 7, 8 und 9 der Satzung der Beklagten in den jeweils geltenden Fassungen. Der Kläger war damit verpflichtet, die noch streitgegenständlichen Beiträge an die Beklagte (nach) zu entrichten. Der Senat verweist diesbezüglich zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG.

Der Senat teilt jedoch nicht die Auffassung des SG, dass die Beklagte infolge eines Mitverschuldens nur Anspruch auf die hälftigen Beiträge hat. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte den Kläger erst mit etwa einjähriger Verspätung auf die Nichtabführung seiner Beiträge durch seinen Arbeitgeber hingewiesen hat. Zu Recht weist die Beklagte diesbezüglich aber darauf hin, dass sie dadurch keine ihr dem Kläger gegenüber obliegende Pflicht verletzt hat. Sofern überhaupt im Verhältnis zu dem freiwillig versicherten Kläger nach § 28h SGB IV eine Pflicht der Beklagten bestünde, möglichst frühzeitig auf das Ausbleiben der geschuldeten Beiträge hinzuweisen, diente diese Pflicht allein den Interessen der Versichertengemeinschaft an einer rechtzeitigen und vollständigen Beitragsentrichtung bzw. bei Gesamtsozialversicherungsbeiträgen der übrigen Sozialversicherungsträger an einer zeitnahen Abführung der auf sie entfallenden Beiträge. Ein Schutz der Vermögensinteressen des Klägers im Verhältnis zu dessen mit der Beitragsabführung beauftragten Arbeitgeber wird dadurch erkennbar nicht bezweckt, zumal eine solche Pflicht, wie die Beklagte zutreffend einwendet, gegenüber selbstzahlenden freiwilligen Mitgliedern nicht bestünde. Es ist vielmehr allein Sache des Klägers, die rechtzeitige Bezahlung der Beiträge durch den von ihm beauftragten Arbeitgeber sicher zu stellen und notfalls zu überwachen. Unterlässt er dies, aus welchen Gründen auch immer, so gehen die daraus erwachsenden Nachteile zu seinen Lasten. So ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, dass der Arbeitgeber des Klägers die Beiträge ausweislich der Verdienstabrechnungen regelmäßig vom Gehalt abgezogen hat und es deshalb nicht ohne weiteres erkennbar war, dass die Beiträge tatsächlich nicht abgeführt wurden. Denn spätestens mit der Insolvenz des Arbeitgebers hätte der Kläger, wie das SG zu Recht anmerkt, Anlass gehabt, die Abführung seiner Sozialversicherungsbeiträge zu kontrollieren.

Die vom Kläger bereits gezahlten Beiträge wurden somit entgegen der Auffassung des SG und des Klägers nicht zu Unrecht entrichtet, sodass folglich auch keine Erstattung unter den in § 26 SGB IV genannten Voraussetzungen erfolgen kann.

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine Erstattung zudem bereits gemäß § 26 Abs. 2 SGB IV ausscheidet. Danach sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat.

Da die Beklagte aufgrund der vom Kläger im zweiten Halbjahr 2001 und im ersten Halbjahr 2002 durchgeführten Arztbesuche Leistungen erbracht hat oder erbringen muss, würde schon daran eine Erstattung der für den Zeitraum August 2001 bis einschließlich Februar 2002 gezahlten Beiträge scheitern, ohne dass es noch darauf ankäme, ob diese tatsächlich zu Unrecht vom Kläger an die Beklagte entrichtet wurden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Danach war die erstinstanzliche Kostenerstattungspflicht der Beklagten auf den Anteil zu ermäßigen, der dem Verhältnis des zurückerstatteten Beitrags für den Monat Mai 2002 zum eingeklagten Betrag, mithin einem Zehntel, entspricht.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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