L 1 R 49/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 R 543/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 49/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 10. November 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin in ihrer selbständigen Tätigkeit der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.

Die am ... 1966 geborene Klägerin war seit dem 01. November 1986 als Stationshilfe/Pflegerische Hilfskraft/Pflegehelferin im Feierabend- und Pflegeheim Bad D. (später: Pflegeheim des A.-S.-B. Bad D.) beschäftigt. In der Zeit vom 1990 bis zum 1990 bezog sie Mutterunterstützung nach der Geburt eines Kindes. Zum 01. Januar 1991 nahm sie ihre Tätigkeit in dem Pflegeheim wieder auf, die mit Ablauf des 18. November 1991 endete. In diesem Zeitraum wurden Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet, danach nicht mehr.

Nach der Gewerbeanmeldung vom 10. Dezember 1991 eröffnete die Klägerin am 03. Mai 1991 eine Videothek, die sie in den folgenden Jahren um weitere Bereiche erweiterte. Aus dieser Tätigkeit erzielte sie nach dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1991 Einkünfte in Höhe von 4.156 DM. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden für das Jahr 1991 mit 14.861 DM berücksichtigt.

Am 27. Mai 2002 stellte die Klägerin einen Antrag auf Kontenklärung und gab dazu an, seit Mai 1991 selbständig tätig zu sein. Mit Schreiben vom 13. Februar 2004 teilte die Beklagte ihr mit, dass sie in ihrer selbständigen Tätigkeit als Einzelhändlerin seit dem 01. Januar 1992 nach § 229a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) versicherungspflichtig sei. Die Beitragsforderung bis zum 30. November 1999 sei verjährt. Zur Ermittlung der Beitragshöhe würden noch weitere Unterlagen benötigt. Mit Bescheid vom 29. Juni 2004 teilte die Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Januar 1992 bis zum 30. November 1999 mit, dass diese seit dem 01. Januar 1992 zwar versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen sei, da sie am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet der Versicherungspflicht unterlegen habe. Die Beiträge seien jedoch verjährt und könnten auch nicht mehr wirksam gezahlt werden. Mit weiterem Bescheid vom 29. Juni 2004 regelte die Beklagte den Zeitraum seit dem 01. Dezember 1999 und forderte die Klägerin für die Zeit bis zum 30. Juni 2004 zur Zahlung von Beiträgen in Höhe von 20.645,63 Euro auf. Den dagegen am 02. August 2004 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2005 zurück. Die Versicherungspflicht der Klägerin ergebe sich aus § 229a SGB VI, weil sie nach § 10 des Sozialversicherungsgesetzes (SVG) am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet als selbständig Tätige der Versicherungspflicht unterlegen habe. Sie habe ihre selbständige Tätigkeit am 03. Mai 1991 aufgenommen. Die Tätigkeit sei auch mehr als geringfügig ausgeübt worden. Der Widerspruchsbescheid wurde den Bevollmächtigten der Klägerin am 09. Mai 2005 zugestellt.

Daraufhin hat die Klägerin am 09. Juni 2005 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Auf Nachfrage des SG hat der Arbeiter-Samariter-Bund die im Jahre 1991 von der Klägerin monatlich verrichteten Arbeitsstunden und die in den Monaten Juli bis November 1991 erzielten Arbeitsentgelte mitgeteilt. In der mündliche Verhandlung hat das SG die Klägerin zu den näheren Umständen ihrer Tätigkeiten im Jahre 1991 angehört und der Klage mit Urteil vom 10. November 2008 stattgegeben und unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festgestellt, dass diese in ihrer selbständigen Tätigkeit am 01. Januar 1992 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen habe. Nach § 229a Abs. 1 SGB VI komme es darauf an, ob die betreffende Person am 31. Dezember 1991 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen habe. Gemäß § 10 Abs. 1 SVG wären Personen, die Arbeitseinkommen erzielt hätten, das der Beitragspflicht unterlag, pflichtversichert gewesen, wenn sie nicht im Sinne von § 19 Abs. 1 SVG geringfügig selbständig beschäftigt gewesen wären. Eine geringfügige selbständige Tätigkeit habe nach § 5 SVG vorgelegen, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt worden sei und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 200 DM (1/7 der Bezugsgröße in Höhe von 1.400 DM - § 6 SVG) nicht überstiegen habe. § 10 SVG sei durch Artikel 35 Rentenüberleitungsgesetz mit Wirkung vom 01. August 1991 teilweise aufgehoben worden. Dadurch sei ab diesem Datum eine Versicherungspflicht Selbständiger nur in den in den §§ 2, 229a Abs. 2 SGB VI genannten Fällen gegeben. Darunter falle die Tätigkeit der Klägerin als Betreiberin einer Videothek aber nicht. Hinsichtlich der Beurteilung von deren Versicherungspflicht sei deshalb nicht auf die Verhältnisse am 31. Dezember 1991, sondern auf diejenigen am 31. Juli 1991 abzustellen. Wenn die Klägerin am 31. Juli 1991 nicht der Versicherungspflicht unterlegen habe, so habe sie das am 31. Dezember 1991 auch nicht. Es spreche aber alles dafür, dass die Klägerin am 31. Juli 1991 nur geringfügig selbständig tätig gewesen sei. Hinsichtlich der zeitlichen Grenze von 15 Stunden wöchentlich würden schon erhebliche Zweifel bestehen, da die Klägerin bis Ende August 1991 als vollbeschäftigte Angestellte im Dreischichtsystem einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sei. Auch ein Überschreiten der Entgeltgrenze sei bis zum 31. Juli 1991 nicht feststellbar. Es erscheine plausibel, dass der überwiegende Anteil der im Jahr 1991 erzielten Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb von 4.156 DM in dem Zeitraum ab August 1991 angefallen sei. Das Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze nach dem 31. Juli 1991 hätte wegen der teilweisen Aufhebung von § 10 SVG nicht mehr zu einer Versicherungspflicht in der selbständigen Tätigkeit führen können, so dass auch am 31. Dezember 1991 keine Versicherungspflicht vorgelegen habe.

Gegen das am 16. Januar 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12. Februar 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie hält den Wortlaut des § 229a Abs. 1 SGB VI für eindeutig. Danach sei allein darauf abzustellen, dass am 31. Dezember 1991 eine versicherungspflichtige Tätigkeit vorgelegen habe. Der Stichtag 01. August 1991 sei allein für die Anwendung des § 10 SVG in der jeweils geltenden Fassung bedeutsam. Ab dem 19. November 1991 – und damit auch am 31. Dezember 1991 – habe für die Klägerin Versicherungspflicht in der Rentenversicherung bestanden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 10. November 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom

10. November 2008 zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

Mit Erklärungen vom 15. Juni 2011 haben sich beide Beteiligte mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige – insbesondere form- und fristgerecht erhobene – Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin in ihrer selbständigen Tätigkeit als Betreiberin einer Videothek ab dem 01. Januar 1992 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag und unterliegt.

1.

Entgegen der Auffassung der Beklagten unterfällt die Klägerin nicht dem Anwendungsbereich des § 229a Abs. 1 SGB VI. Nach dieser Vorschrift bleiben Personen unter folgenden Voraussetzungen in ihrer jeweiligen Tätigkeit versicherungspflichtig:

sie müssen im Beitrittsgebiet am 31. Dezember 1991 versicherungspflichtig gewesen sein,

sie dürfen nicht ab dem 01. Januar 1992 nach den §§ 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig geworden sein,

und sie dürfen nicht bis zum 31. Dezember 1994 einen Befreiungsantrag gestellt haben.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im Falle der Klägerin nicht vor, weil sie am 31. Dezember 1991 in ihrer selbständigen Tätigkeit als Betreiberin einer Videothek nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.

a)

Dabei geht der Senat mit dem SG jedenfalls für die Zeit bis zum 31. Juli 1991 davon aus, dass die Klägerin eine geringfügige selbständige Tätigkeit im Sinne des § 5 SVG ausgeübt hat. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG (Seite 6 zweiter Absatz des Urteilsabdrucks) und macht sich diese gemäß § 153 Abs. 2 SGG zu eigen.

b)

Auf dieser Grundlage stellt sich die Rechtslage aber wie folgt dar: Als Person, die geringfügig selbständig tätig war, war die Klägerin gemäß § 19 Abs. 1 SVG versicherungsfrei in der Rentenversicherung. Dies galt auch noch am 31. Juli 1991. Ab dem 01. August 1991 konnte die Klägerin in ihrer selbständigen Tätigkeit aber nicht mehr versicherungspflichtig werden. Denn durch Artikel 35 Abs. 3 des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl. I Nr. 46 – ausgegeben am 31. Juli 1991 – Seite 1606) wurde § 10 SVG dahingehend geändert, das andere als die in den §§ 2, 229a Abs. 2 SGB VI genannten selbständig Tätigen durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in der Rentenversicherung nicht versicherungspflichtig werden. Unter Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ist nach Auffassung des Senats nur die Aufnahme einer versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit zu verstehen. Denn ansonsten würde man eine tatsächlich nicht versicherungspflichtige Person wie eine Versicherungspflichtige behandeln und diese dazu zwingen, sich entsprechend zu verhalten. Dies widerspräche dem Schutzgedanken des § 229a SGB VI, wonach nur am 31. Dezember 1991 versicherungspflichtige Selbständige versichert sein sollen. Die geänderte Vorschrift war gemäß Artikel 42 Abs. 8 RÜG ab dem 01. August 1991, dem Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt, anzuwenden. Zu dem Personenkreis der §§ 2, 229a Abs. 2 SGB VI zählte die Klägerin nicht, so dass sie auch nach Fortfall ihrer Versicherungsfreiheit wegen einer geringfügigen selbständigen Tätigkeit zu irgendeinem Zeitpunkt nach dem 01. August 1991 nicht versicherungspflichtig werden konnte und deshalb am 31. Dezember 1991 als selbständig Tätige auch nicht versicherungspflichtig war.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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