S 4 SF 51/11 E

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 SF 51/11 E
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Im Falle der Vergütung eines Rechtsanwalts aus der Staatskasse infolge der Bewilligung von Prozesskostenhilfe dürfen Tätigkeiten, die vor PKH-Antragstellung erfolgt sind, bei der Beurteilung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit gem. § 14 Abs. 1 RVG nicht berücksichtigt werden; ob und unter welchen Umständen Tätigkeiten, die außerhalb des Beiordnungszeitraums, aber während des PKH-Bewilligungsverfahrens erbracht werden, de lege lata berücksichtigungsfähig sind, bleibt offen (Aufgabe von SG Fulda, Beschluss vom 25. Juli 2012 – S 3 SF 27/10 E).
Die Erinnerung wird zurückgewiesen. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen des vor dem SG Fulda geführten Verfahrens S 6 SB 17/10 aus der Staatskasse zu gewährenden Gebühren und Auslagen.

Dem Erinnerungsverfahren liegt das Klageverfahren S 6 SB 17/10 zugrunde. In diesem Verfahren fand am 9. Mai 2011 ein Erörterungstermin statt, der ausweislich des Sitzungsprotokolls von 8.30 bis 9.00 Uhr dauerte. Nachdem der Erinnerungsführer im Termin ein ärztliches Attest zur Akte gereicht hatte, wurde der Sachverhalt durch die Vorsitzende mit den Anwesenden erörtert. Anschließend beantragte er, dem Kläger des Ausgangsverfahrens unter Beiordnung seiner Person Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren, und legte hierzu dem Gericht den aktuellen Leistungsbescheid für den Kläger nach dem SGB XII vor.

Daraufhin erließ die Vorsitzende einen Beschluss mit folgendem Wortlaut:

"Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. ab dem 09.05.2011 bewilligt."

Anschließend erklärte der Erinnerungsführer namens des Klägers die Klagerücknahme.

In der Folge beantragte der Erinnerungsführer, seine Vergütung wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG 170,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Dokumentenpauschale, Nr. 7000 VV RVG 8,50 EUR
Zwischensumme 398,50 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 75,72 EUR
474,22 EUR

Demgegenüber setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. November 2011 die Vergütung wie folgt fest:

Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG 85,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 100,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 205,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 38,95 EUR
243,95 EUR.

Zur Begründung verwies der Urkundsbeamte darauf, dass der Prozesskostenhilfenantrag erst am Ende der mündlichen Verhandlung gestellt worden sei. Daher erscheine die hälftige Mittelgebühr als angemessen, die beantragte Vergütung sei somit unbillig. Gleiches gelte für die beantragte Terminsgebühr. Die Dokumentenpauschale könne ebenfalls nicht geltend gemacht werden, da die Kopien vor dem Beiordnungszeitraum gefertigt worden seien.

Hiergegen hat der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 22. November 2011, bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen am 24. November 2011, Erinnerung eingelegt und verweist zur Begründung auf den Beschluss des SG Fulda vom 25. Juli 2011 (S 3 F 27/10 E).

Die Vertreterin der Staatskasse hat in ihrer Stellungnahme vom 2 Januar 2012 die Festsetzung der Verfahrensgebühr durch den Urkundsbeamten verteidigt, ebenso die Ablehnung der Festsetzung der Dokumentenpauschale, dies allerdings mit der Begründung, dass die Notwendigkeit der Kopieanfertigung nicht dargetan worden sei.

Hinsichtlich der Terminsgebühr hält die Vertreterin der Staatskasse hingegen aufgrund der Gesamtdauer des Erörterungstermins von 30 Minuten den Gebührenansatz von 200 EUR nach Nr. 3106 VV RVG für nicht unbillig. Daher befürwortet sie eine Vergütungsfestsetzung in Höhe von insgesamt 362,95 EUR.

In seiner abschließenden Stellungnahme vom 13. März 2012 beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung gemäß der Auffassung der Vertreterin der Staatskasse.

II.

Die zulässige Erinnerung ist nicht begründet. Die Vergütungsfestsetzung des Urkundsbeamten ist nicht zu beanstanden. Dies gilt entgegen der Auffassung der Vertreterin der Staatskasse auch für die Terminsgebühr.

Gem. § 3 Abs. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das GKG nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des SGG genannten Personen gehört. Da der Kläger des Ausgangsverfahrens zu dem Kreis der Personen nach § 183 SGG zählt und das GKG somit nicht anwendbar ist, entstehen vorliegend Betragsrahmengebühren.

Gem. § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt seine gesetzliche Vergütung, die er sonst von seinem Mandanten verlangen könnte, aus der Staatskasse, soweit im 8. Abschnitt des RVG (§§ 44 bis 59) nichts anderes bestimmt ist. Er kann dabei nach § 48 Abs. 1 RVG sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab dem Wirksamwerden seiner Beiordnung ergeben. Die von ihm danach aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung und der Vorschuss darauf wird auf Antrag des Rechtsanwalts grundsätzlich (vgl. aber § 55 Abs. 2 RVG) vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges festgesetzt, § 55 Abs. 1 S. 1 RVG.

Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet. Dabei ist für jede Rahmengebühr eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich.

1. Die Frage des berücksichtigungsfähigen Zeitraums bei der Bestimmung des vergütungsrelevanten Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit herrscht in der obergerichtlichen Rechtsprechung Uneinigkeit. So wollen etwa das BayLSG (Beschl. v. 22.7.2010 – L 15 SF 303/09 B E – juris), das LSG NW (Beschl. v. 24.9.2008 – L 19 B 21/08 AS –, juris) sowie das ThürLSG (Beschl. v. 18.3.2011 – L 6 SF 1418/10 B – juris) einen weiten Berücksichtigungszeitraum zugrunde legen. Hiernach soll der für die Bestimmung der Höhe einer Betragsrahmengebühr berücksichtigungsfähige Arbeits- und Zeitaufwand nicht auf den Zeitraum nach dem Wirksamwerden der Beiordnung beschränkt sein, sondern auch die Tätigkeit eines Rechtsanwalts umfassen, die dieser vor dem Beiordnungszeitraum geleistet hat; dem hat sich die zentrale Kostenkammer des SG Fulda in ihrem grundlegenden Beschluss vom 25. Juli 2011 – S 3 SF 27/10 E – (ASR 2011, S. 213 ff.; hier zitiert nach juris) angeschlossen.

Demgegenüber soll nach der Rechtsprechung des LSG Schleswig-Holstein (Beschl. v. 17.07.2008 – L 1 B 127/08 SK – juris) und jüngst auch des HessLSG (Beschl. v. 13.12.2011 - L 2 AS 363/11 B – juris) nur der konkrete Beiordnungszeitraum zur Bestimmung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit herangezogen werden.

2. Die Argumentation der Vertreter eines weiten Berücksichtigungszeitraums rechtfertigt das gefundene Ergebnis jedoch nicht; vielmehr dürfte für die Bemessung der Rahmengebühr nicht das gesamte Verfahren, sondern lediglich der konkrete Beiordnungszeitraum heranzuziehen sein. In jedem Fall scheidet aber die Berücksichtigung von Tätigkeiten vor der Anbringung des Prozesskostenhilfeantrags aus. Hierfür sind folgende Umstände maßgeblich:

a) Da im vorliegenden Fall der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Streit steht, muss die rechtliche Betrachtung ihren Ausgang im Prozesskostenhilferecht nehmen und kann erst in einem zweiten Schritt auf die Grundsätze des Gebührenrechts (des RVG) Bezug nehmen. Denn fehlt es schon am "ob" der Prozesskostenhilfe und dem durch sie ausgelösten Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse, weil sie gar nicht (wirksam) bewilligt, jedenfalls aber nicht beantragt worden ist, kann es auf das "wie (hoch)" nicht ankommen.

Das Recht der Prozesskostenhilfe wird zuerst vom Antragsgrundsatz beherrscht mit der Folge, dass Prozesskostenhilfe zwar rückwirkend, aber nicht über den Zeitpunkt der Antragstellung hinaus bewilligt werden kann. So hat der BGH (NJW 1982, S. 446 [446]) ausgeführt: "Die Rückwirkung kann zwar nicht weiter als bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der Ast. durch einen formgerechten Antrag unter Beifügung der etwa erforderlichen Unterlagen von seiner Seite aus die Voraussetzungen für die Bewilligung des Armenrechts geschaffen hat. Eine weitergehende Ausdehnung der Rückwirkung würde dem Antragsprinzip widersprechen, das dem Armenrechtsverfahren zugrunde liegt. Andererseits ist es nicht geboten, im Falle eines für die Bewilligung des Armenrechts ausreichenden Antrags die Rückwirkung der Bewilligung dahin einzuschränken, daß noch ein Zeitraum ausgespart wird, der für das Verfahren bis zur Bewilligungsentscheidung erforderlich gewesen wäre" (anschaulich auch Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 119 Rn. 38: "Für die Zeit vor Antragstellung gibt es keine PKH [ ]"). Daraus folgt zunächst, dass der Bewilligungszeitraum überhaupt nur den Zeitraum ab Stellung des Prozesskostenhilfeantrags umfassen kann. Konsequenz daraus ist aber auch, dass Tätigkeiten eines Anwalts, die vor dem Zeitraum der PKH-Antragstellung liegen, nicht durch Leistungen der Prozesskostenhilfe vergütet werden dürfen.

Diesem Grundsatz folgend, kann in Fällen wie dem vorliegenden, in dem Prozesskostenhilfe erst im Laufe des Verfahrens beantragt wird, bei der Bestimmung des nach § 14 Abs. 1 RVG berücksichtigungsfähigen Arbeits- und Zeitaufwands keine Tätigkeit berücksichtigt werden, die vor Antragstellung liegt. Dies würde dem zuvor beschriebenen Grundprinzip der Prozesskostenhilfe widersprechen und wird untermauert durch einen Umkehrschluss aus § 48 Abs. 5 RVG, durch den die Vergütung aus Mitteln der Prozesskostenhilfe ausdrücklich für Tätigkeiten vor Beiordnung bzw. Bestellung angeordnet wird. Aus dieser speziellen Regelung lässt sich schlussfolgern, dass in den übrigen Fällen gerade keine Vergütung für Tätigkeiten vor dem Beiordnungszeitraum erfolgen soll.

Dies wird prinzipiell auch von den Auffassungen, die für eine weitergehende Berücksichtigung der Tätigkeit eines Rechtsanwalts auch vor dem Beiordnungszeitpunkt plädieren, nicht in Abrede gestellt; denn auch hiernach soll der Anspruch auf die jeweilige Gebühr nur dann entstehen, wenn eine sie auslösende Tätigkeit des Rechtsanwalts (auch) im Beiordnungszeitraum vorliegt (SG Fulda, Beschl. v. 25. Juli 2011 – S 3 SF 27/10 E – juris Rn. 56; BayLSG, Beschl. v. 22.7.2010 – L 15 SF 303/09 B E – juris Rn. 19; LSG NW, Beschl. v. 24.9.2008 – L 19 B 21/08 AS –, juris Rn. 25). Berücksichtigt man, dass – wie dargelegt – der Bewilligungszeitraum nicht über den Zeitraum seit Antragstellung hinausgehen kann, bedarf es also auch nach diesen Auffassungen einer die Gebühr auslösenden Tätigkeit des Rechtsanwalts nach Antragstellung. Gebühren, die durch anwaltliche Tätigkeiten ausgelöst werden, die nur vor Antragstellung und (damit) Beiordnung liegen, können keine Ansprüche auf Prozesskostenhilfe begründen. Dies gilt für Betragsrahmengebühren wie für Wertgebühren gleichermaßen.

Für Letztere ist dies aber faktisch ohne Bedeutung, weil deren Höhe von dem Arbeits- und Zeitaufwand des Rechtsanwalts völlig unabhängig bestimmt wird. Im Falle von Betragsrahmengebühren hingegen wird (auch) der tatsächliche Aufwand (pauschaliert) zum Kriterium der Gebührenhöhe. Indem sie bei der Bestimmung des nach § 14 RVG relevanten Arbeits- und Zeitaufwands auch solche Tätigkeiten berücksichtigen wollen, die vor dem Beiordnungszeitraum liegen, weichen die Befürworter eines weiten Berücksichtigungszeitraums von diesem Grundsatz ab. Sie sind (wohl) sogar bereit, Tätigkeiten vor PKH-Antragstellung mit zur Bestimmung der Gebührenhöhe heranzuziehen. Damit soll Prozesskostenhilfe für Tätigkeiten gewährt werden, für die es schon vom Grundsatz des Prozesskostenhilferechts her keine Prozesskostenhilfe und damit auch keine Leistungen aus der Staatskasse geben kann.

b) Diese Abweichung vom Prozesskostenhilferecht der Zivilprozessordnung, auf das in § 73a Abs. 1 SGG verwiesen wird, ist nicht per se ausgeschlossen, sondern wäre rechtlich zulässig, sofern sich hierfür aus ranghöherem oder ranggleichem Recht, etwa qua Vorrang einer lex specialis oder posterior, eine Rechtfertigung ergäbe. Dies ist jedoch nicht der Fall.

aa) Soweit gegen eine Beschränkung des berücksichtigungsfähigen Aufwands eines Rechtsanwalts auf die Zeit der Beiordnung angeführt wird, dies widerspräche der Systematik der Pauschgebühren des RVG, greift dies nicht durch. Hierzu beruft sich etwa das BayLSG (Beschl. v. 22.7.2010 – L 15 SF 303/09 B E –, juris Rn. 22) auf den zutreffenden Umstand, dass die Gebühren gem. § 15 Abs. 1 RVG die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit abgelten. Der Rechtsanwalt werde daher nicht für einzelne Tätigkeiten vergütet, sondern erhalte Pauschgebühren. Die Gebühren entstünden durch jede weitere Erfüllung des Gebührentatbestands erneut, wobei der Anwalt die Gebühren im gerichtlichen Verfahren in jedem Rechtszug nur einmal fordern könne. Für eine Splittung einer einzelnen Gebühr enthalte das Gesetz mithin keine Grundlage.

Diese Umstände sind zwar für sich genommen zutreffend, belegen aber das zu begründende Ergebnis nicht, sondern enthalten eine petitio principii. Denn die Beschränkung der berücksichtigungsfähigen Zeiten auf die Zeit der Beiordnung belässt es bei der Einheitlichkeit der Gebühr. Eine Splittung der Gebühr oder die Folge, dass der Rechtsanwalt die Gebühr entgegen § 15 Abs. 2 RVG mehrfach fordern dürfte, ist damit nicht verbunden. Aus den gleichen Gründen liegt auch keine "Quotelung" der Gebühren vor, wie das BayLSG in seinem Beschluss vom 22.7.2010 (L 15 SF 303/09 B E, juris Rn. 21) meint. Vielmehr deckt auch in diesem Fall die von der Staatskasse zu zahlende Gebühr die "gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit" (§ 15 Abs. 1 RVG) ab; der Rechtsanwalt erhält im Ergebnis lediglich eine geringere Gebühr, als er bei Zugrundelegung eines weiteren Berücksichtigungszeitraums erhalten würde. Das Verbot der Beschränkung des berücksichtigungsfähigen Aufwands wird also mit einem Umstand begründet, der gar nicht gegeben ist, sondern ohne nähere Begründung nur axiomatisch unterstellt wird.

Somit ergibt sich aus der RVG-Systematik der pauschalierten Gebühren keine Rechtfertigung für die Abweichung von dem prozesskostenrechtlichen Grundsatz, dass Tätigkeiten eines Rechtsanwalts vor Beiordnung, jedenfalls aber Antragstellung nicht vergütet werden können.

Im Übrigen geht der Hinweis auf den Pauschalcharakter der Rechtsanwaltsgebühren (etwa im bereits zitierten Beschluss des BayLSG vom 22.7.2010 – L 15 SF 303/09 B E –, juris Rn. 22) auch deshalb fehl, weil er den Begriff der Pauschalierung für den Anwendungsfall von Betragsrahmengebühren zu eng interpretiert. Denn die Pauschalierung in ihrer "konsequenten" Form gilt nach der gesetzgeberischen Entscheidung nur für streitwertabhängige Gebühren, bei denen jeglicher Zusammenhang mit dem tatsächlichen Aufwand fehlt. Bei Betragsrahmengebühren hat der Gesetzgeber diesen Konnex jedoch in § 14 RVG als vergütungsrelevant hergestellt. Insofern bleibt es natürlich bei dem Charakter der Pauschalierung insoweit, dass nicht jede einzelne Tätigkeit des Rechtsanwalts als solche vergütet wird. Völlig unabhängig vom Tätigkeitsumfang ist die Vergütungshöhe in diesen Fällen aber gerade nicht. Daher wird auch bei der hier vertretenen Beschränkung auf den Zeitraum der Beiordnung die Pauschalierung als solche, wie sie durch den Gesetzgeber ausgestaltet ist, beibehalten – wenn auch nicht alle Tätigkeiten von Beginn der Beauftragung an zur Bestimmung der Höhe der Vergütung herangezogen werden.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass zur Begründung eines weiten Berücksichtigungszeitraums die oft zitierte Entscheidung des OLG Oldenburg vom 12.2.2007 (NJW-RR 2007, S. 792) nicht aussagekräftig ist, da sie sich auf eine "Prozessgebühr" als Wertgebühr (eines amtsgerichtlichen Zivilprozesses) bezieht. Wird diese nach Beiordnung durch eine Tätigkeit ausgelöst, soll es nach der OLG-Entscheidung – zutreffend – irrelevant sein, ob sie auch zuvor schon einmal entstanden war; denn mit diesem Argument der bereits entstandenen Gebühr vor Beiordnung hatte die Kostenbeamtin des Amtsgerichts die Vergütung aus der Staatskasse auch für die nach Beiordnung erneut ausgelöste Gebühr abgelehnt, war aber in allen Rechtsmittelinstanzen nicht bestätigt worden. Daher sind die Ausführungen des OLG Oldenburg, dass auch der Zeitraum vor Beiordnung für die Gebührenbestimmung erfasst werde, vor dem Hintergrund des Wertgebührensystems zu interpretieren. Für Beitragsrahmengebühren und § 14 RVG ergeben sich daraus keine durchgreifenden Schlussfolgerungen.

bb) Sedes materiae der rechtlichen Problematik der auf den Zeitraum der Beiordnung, jedenfalls aber ab Antragstellung beschränkten Berücksichtigung der rechtsanwaltlichen Tätigkeit ist somit nicht das System der RVG-Gebühren, sondern der damit durch einen Rechtsanwalt hinzunehmende etwaige Gebührenverlust. Dieser entsteht infolge der hier vertretenen Ansicht dann, wenn eine vor der Beiordnung liegende Tätigkeit zu einer höheren Festsetzung der Gebühr führen würde. Aber auch dies ist kein Problem der pauschalierten Vergütung, sondern bewusst durch den Gesetzgeber herbeigeführte Folge der Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Nach Gewährung der Prozesskostenhilfe kann der beigeordnete Rechtsanwalt Vergütungsansprüche gegen seinen Auftraggeber nicht mehr geltend machen; dies gilt für alle nach der Beiordnung verwirklichten Gebührentatbestände, auch wenn diese bereits vor der Beiordnung ausgelöst worden waren (BGH, FamRZ 2008, S. 982; hierauf nehmen zutreffend das BayLSG [Beschl. v. 22.7.2010 – L 15 SF 303/09 B E –, juris Rn. 23] wie auch das SG Fulda [Beschl. v. 25. Juli 2011 – S 3 SF 27/10 E – juris Rn. 58] Bezug). Auch die Differenz zur vollen Gebühr, die sich aus der Deckelung der PKH-Vergütung gem. § 49 RVG im Falle der Wertgebühren ergibt, darf der Rechtsanwalt von dem Auftraggeber nicht fordern (s. Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 122 Rn. 11 m.w.Nw.; zur grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit der Gebührenreduzierung und deren Grenzen s. BVerfG [3. Kammer des Ersten Senats], NJW 2008, S. 1063 f.). Übertragen auf Betragsrahmengebühren bedeutet dies, dass auch der Differenzbetrag, der sich gegebenenfalls zwischen der Gebühr nur für die Tätigkeit seit Beiordnung und derjenigen bei Berücksichtigung der Vortätigkeit ergibt, von dem Auftraggeber nicht verlangt werden kann (so auch LSG NW, Beschl. v. 24.9.2008 – L 19 B 21/08 AS –, juris Rn. 30).

Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen des LSG NW in dem vorstehend zitierten Beschluss nicht nachvollziehbar, dass "für einen unbemittelten Verfahrensbeteiligten in einem Verfahren nach § 183 SGG, in dem Betragsrahmengebühren nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG anfallen, ein erhöhtes Risiko" bestehe, "dass er trotz Erfolgsausicht seines Begehrens einen Teil der Kosten tragen muss, wenn er einen Rechtsanwalt vor dem Wirksamwerden einer Beiordnung in Anspruch nimmt". Dies ist aufgrund der Forderungssperre nur dann der Fall, wenn die jeweilige Gebühr im Bewilligungszeitraum nicht ebenfalls (erneut) ausgelöst wird; für diesen Fall wollen aber auch die Vertreter eines weiten Berücksichtigungszeitraums keinen Vergütungsanspruch aus der Staatskasse zusprechen. Daher wird entgegen der gleichsinnigen Ausführungen des ThürLSG (Beschl. v. 18.3.2011 – L 6 SF 1418/10 B – juris Rn. 24) das Ergebnis eines Vergütungsanspruchs gegen einen Auftraggeber sehr wohl verhindert. Es könnte lediglich die Frage aufgeworfen werden, ob dies im Hinblick auf den betroffenen Rechtsanwalt verfassungswidrig wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall [s. sogleich (1) (bb)].

(1) Entgegen der Auffassung des BayLSG (Beschl. v. 22.7.2010 – L 15 SF 303/09 B E –, juris Rn. 23) stellt dieser Gebührenausfall weder eine "nicht akzeptable Folge" dar, noch ist dieser Vergütungsverlust seinerseits nicht gerechtfertigt. Daher kann die Forderungssperre auch nicht als durchgreifende Begründung dafür herangezogen werden, den PKH-Grundsatz zu durchbrechen, dass Tätigkeiten vor Beiordnung, jedenfalls aber vor Antragstellung, nicht durch die Staatskasse zu vergüten sind.

(aa) Dies folgt zunächst daraus, dass dieser Gebührenausfall Folge einer ausdrücklichen gesetzgeberischen Entscheidung darstellt. Indem der Gesetzgeber die Vergütung aus der Staatskasse von der antragsabhängigen Bewilligung der Prozesskostenhilfe sowie der Beiordnung des Rechtsanwalts und gleichzeitig die Gebührenhöhe im Falle von Betragsrahmengebühren (auch) vom Umfang der Tätigkeit eines Rechtsanwalts abhängig gemacht, verbunden mit der Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, führt dies systembedingt potentiell zu einem Gebührenausfall.

Diese legislative Konzeption ist als solche hinzunehmen, da ein Verstoß gegen Verfassungsrecht nicht ersichtlich ist, der eine verfassungskonforme Auslegung zugunsten eines Rechtsanwalts im Sinne eines weiten Berücksichtigungszeitraums vor Antragstellung verlangte. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG vor; auch die diesbezüglichen, eher pauschalen Ausführungen des LSG NW in seinem Beschluss vom 24.9.2008 (L 19 B 21/08 AS, juris Rn. 30) überzeugen nicht. Zwar ist es im Grundsatz zutreffend, dass der Verlust des Vergütungsanspruchs gegenüber dem Auftraggeber infolge der Forderungssperre nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO grundsätzlich dadurch kompensiert und somit gerechtfertig wird, dass an seine Stelle der Anspruch gegen die Staatskasse tritt. Und diese rechtfertigende Kompensation entfällt bei der hier vertretenen Ansicht partiell. Dies ist aber grundsätzlich nicht zu beanstanden, wie der Vergleich mit § 49 RVG zeigt. Eine niedrigere Gebühr im Falle der Vergütung aus der Staatskasse ist folglich nicht per se verfassungswidrig (BVerfG [3. Kammer des Ersten Senats], NJW 2008, S. 1063 f.). Die Argumentation des LSG NW (ebd.), dass bei fehlender Berücksichtigung der Tätigkeit vor Beiordnung ein "Teil der Tätigkeit nicht vergütet" werde, greift zudem nicht durch, weil dies nun tatsächlich den Charakter der Pauschalvergütung missachtet. Denn auch die Betragsrahmengebühren und die Kriterien in § 14 RVG führen nicht zu einer Vergütung der einzelnen Tätigkeit. Es bleibt vielmehr bei der pauschalierten Vergütung.

(bb) Vor allem stellt sich dieser Gebührenausfall (nur) als Berufsausübungsregel dar, die durch jede vernünftige Erwägung des Allgemeinwohls zu legitimieren ist (st. Rspr. des BVerfG seit BVerfGE 7, 377 [405 f.]). Dass Prozesskostenhilfeleistungen erst ab Bewilligung und Beiordnung gewährt werden und diese eine ausdrückliche richterliche Entscheidung und insbesondere einen Antrag voraussetzen, ist per se durch das staatliche Interesse an einer klaren Regelung zur Herstellung von Rechtssicherheit über die Frage der Vergütungspflicht der Staatskasse wie auch deren Kehrseite in Form des Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts und zur Begrenzung der staatlichen Ausgaben gerechtfertigt. An der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Begrenzung zumindest auf den Antragstellungspunkt bestehen keine Zweifel.

Die hier vertretene Rechtsfolge ist dabei auch verhältnismäßig im engeren Sinne, selbst unter Berücksichtigung des seitens des LSG NW (Beschl. v. 24.9.2008 – L 19 B 21/08 AS –, juris Rn. 30 m.w.Nw.) zutreffend beschriebenen "finanziellen Opfers" eines Rechtsanwalts zum Wohle der Allgemeinheit durch die Beschränkung auf Betragsrahmengebühren. Denn es steht einem Rechtsanwalt frei, sofort nach Auftragsübernahme einen Antrag auf Prozesskostenhilfe zu stellen und so einen frühestmöglichen Zeitpunkt als Beiordnungsbeginn herbeizuführen. Dies gilt insbesondere im sozialgerichtlichen Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs des § 197a SGG, in dem Gerichtskostenfreiheit besteht und die (beklagten) Sozialleistungsträger keinen Erstattungsanspruch erwerben (vgl. § 193 Abs. 4 SGG). Hier kann der Rechtsanwalt ohne Kostenrisiko für den Auftraggeber Klage erheben (etwa zunächst zur Wahrung der Klagefrist) und gleichzeitig einen Prozesskostenhilfeantrag stellen und die zur Begründung notwendigen eigenen Ermittlungen danach einleiten und die Klage auch später begründen. Insofern ist nicht zu besorgen, dass ein Rechtsanwalt bei der Festsetzung der Gebührenhöhe wesentlichen Arbeitsaufwand nicht geltend machen kann. Wenn es aber in einem Fall wie dem vorliegenden ein Rechtsanwalt bis kurz vor Ende der mündlichen Verhandlung versäumt, einen Prozesskostenhilfeantrag zu stellen, ist dies allein Folge seiner nachlässigen Verfahrensführung. Ein dadurch verursachter Gebührenausfall ist dann nicht das Ergebnis des gesetzlichen Systems.

Letztlich darf im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit auch nicht unbeachtet bleiben, dass der Rechtsanwalt durch die Beiordnung einen insolvenzfreien Vergütungsschuldner in Form der Staatskasse erhält. Insofern ist ein höherer Gebührenanspruch gegen einen Auftraggeber im Vergleich mit einem niedrigeren Anspruch gegen die Staatskasse keinesfalls zwingend von tatsächlich wirtschaftlich höherem Wert, gerade auch in den Fällen, in denen die Voraussetzungen der Gewährung von Prozesskostenhilfe vorliegen.

Erwogen werden könnte lediglich, dass unter bestimmten Umständen auch Tätigkeiten zwischen PKH-Antragstellung und bewilligung vergütungsmitbestimmend zu berücksichtigen sind. Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn der verzögerte Eintritt der Bewilligungsreife und damit der gegenüber der Antragstellung spätere Beginn des Beiordnungszeitraums von einem Anwalt nicht zu vertreten ist. Dann könnte die Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO im Einzelfall zu einer unverhältnismäßigen Gebührenreduzierung führen. Entsprechend sieht auch der Referentenentwurf für ein Zweites Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts in § 48 Abs. 4 RVG-E (Stand: 13.12.2011) vor, dass sich die "Beiordnung in Angelegenheiten, in denen nach § 3 Absatz 1 Betragsrahmengebühren entstehen, ( ) sich auf das vorangegangene Verfahren über die Prozesskostenhilfe" erstrecken soll (hierauf weist Schafhausen, ASR 2012, S. 43 [43]) zutreffend hin; dies bestätigt aber nur teilweise die hier abgelehnte Auffassung eines weiten Berücksichtigungszeitraums; Tätigkeit vor Antragstellung sind danach ebenfalls nicht erfasst). Darauf kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an.

(2) Wenn das LSG NW, ebd., weiter ausführt, wesentliche Vortätigkeiten vor Klageerhebung könnten dann regelmäßig nicht zur Vergütungsbestimmung herangezogen werden, so verkennt dies die Praxis der Kostenfestsetzung. Weist eine Klagebegründung, auch wenn sie mit der Klageschrift und gleichzeitigem Prozesskostenhilfeantrag eingereicht wird, einen Inhalt auf, der eine umfangreiche Tätigkeit im Vorfeld zur Formulierung der Begründung belegt, wird diese regelmäßig als vergütungsmitbestimmend berücksichtigt, nicht aber mit dem Argument unbeachtet gelassen, dass die hierzu erforderliche Tätigkeit notwendigerweise zeitlich vor Abfassung und Einreichung der Klageschrift und damit vor Antragstellung erfolgt sei. Vielmehr "verkörpert" die Klageschrift, die zeitgleich mit dem Prozesskostenhilfeantrag und bei entsprechender Bewilligung im Beiordnungszeitraum bei Gericht eingeht, den Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts, der zur Berücksichtigung bei der Gebührenfestsetzung herangezogen wird.

Daher ergibt sich auch für den Fall des sozialgerichtlichen Eilverfahrens keine andere Einschätzung, bei dem es aufgrund der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens regelmäßig ausscheidet, zunächst begründungslos eine Antragsschrift ein- und die Begründung später, ggf. erst nach Beiordnung, nachzureichen. Vielmehr muss hier sofort bei Antragstellung möglichst umfassend vorgetragen werden. Aber auch in diesem Fall ist nicht ausgeschlossen, die in der Antragsschrift verkörperte Tätigkeit des Rechtsanwalts bei der Vergütung zu berücksichtigen.

c) Die Kammer ist sich natürlich der potentiellen mittelbaren Folgen der hier vertretenen Auffassung bewusst, denn letztlich kann der Konnex zwischen der rechtlichen und tatsächlichen gebührenrechtlichen Position des Rechtsanwalts und der effektiven Vertretung eines Rechtsschutzsuchenden vor Gericht nicht geleugnet werden. Muss ein Anwalt im Falle der Übernahme eines Mandats einer PKH-bedürftigen Person regelmäßig damit rechnen, dass Teile seiner Tätigkeit bei der Festsetzung der Vergütung unberücksichtigt bleiben, wird er sich gezwungen sehen, solche Mandate abzulehnen. Grundlegend bedingt durch den Umstand, dass der juristische Ausbildungskanon des "Einheitsjuristen" das Sozialrecht jenseits exotischer Wahlfachgruppen bisher nicht zur Kenntnis genommen hat, existiert ohnehin nur eine kleine Gruppe sozialrechtsspezialisierter und kompetenter Rechtsanwälte, die eine effektive Rechtsdurchsetzung und eine Kompensation des durch die Arbeitsüberlastung der Sozialgerichte erster Instanz zu beobachtenden Amts¬ermittlungsdefizite sorgen können. Deren Zahl dürfte umso niedriger bleiben, je weniger das sozialrechtliche Mandat auch vergütungsrechtlich unter dem Ökonomiediktat des 21. Jahrhunderts sinnvoll ist. Diese rechtspolitische Erwägung kann jedoch den Grundsatz der Antragsabhängigkeit der PKH-Gewährung nicht in Frage stellen, sondern muss durch den Gesetzgeber gelöst werden; hierzu ist erneut auf § 48 Abs. 4 RVG-E in der Fassung des Referentenentwurfs zum Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts zu verweisen.

d) Somit liegen keine Gründe vor, die eine Abweichung vom Grundsatz des Prozesskostenhilferechts rechtfertigen könnten, keine Leistungen aus der Staatskasse aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für solche Tätigkeiten eines Rechtsanwalts zu gewähren, die dieser vor Beginn des Beiordnungszeitraums, jedenfalls aber vor PKH-Antragstellung erbracht hat. Daher können solche Tätigkeiten auch nicht bei der Bestimmung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 RVG berücksichtigt werden. Vielmehr ist die Betrachtung auf den konkreten Bewilligungszeitraum, in jedem Fall aber auf den Zeitraum nach PKH-Antragstellung zu beschränken.

III.

Für das vorliegende Erinnerungsverfahren bedeutet dies Folgendes:

Zur Bestimmung der Vergütungshöhe sind hier allein die Tätigkeiten des Erinnerungsführers zu berücksichtigen, die er nach Stellung des Prozesskostenhilfeantrags am Ende des Termins vom 9. Mai 2011 vorgenommen hat. Diesbezüglich hat er, wie der Urkundsbeamte zutreffend angenommen hat, durch die Erklärung der Klagerücknahme die Entstehung der Verfahrensgebühr ausgelöst. Da sich die Tätigkeit aber auf diese bloße Erklärung der Rücknahme beschränkt hat, wäre durchaus zu erwägen gewesen, die Gebühr nach Nr. 3103 VV RVG auf die Mindestgebühr zu beschränken. Daher ist gegen die Festsetzung von 85 EUR nichts zu erinnern; eine Herabsetzung scheidet wegen des Verbots der reformatio in peius jedoch aus.

Gleiches gilt auch für die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG; insofern schließt sich die Kammer auch nicht der Einschätzung der Vertreterin der Staatskasse an, die hier eine Terminsgebühr von 200 EUR für angemessen erachtet hat. Denn sie berücksichtigt hier offenbar den gesamten Erörterungstermin vom 9. Mai 2011, obwohl der Prozesskostenhilfeantrag erst gegen Ende der mündlichen Verhandlung gestellt worden ist. Entsprechend den vorstehenden Ausführungen kann aber nur der Umfang der Teilnahme an dem Erörterungstermin vom 9. Mai 2011 ab Antragstellung kurz vor Schluss des Termins berücksichtigt werden. Zwar enthält der Bewilligungsbeschluss des Gerichts keine solche Begrenzung auf eine Uhrzeit oder einen bestimmten Terminabschnitt; wie aber das LAG Hessen (NZA-RR 2001, 437 [438]) zutreffend ausgeführt hat, ist aus Rechtsgründen als Grenze der rückwirkenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe der Antrag des Beteiligten und der Zeitpunkt, in dem er dem Gericht vorlag, anzunehmen, ohne dass dies in dem Beschluss ausdrücklich ausgesprochen werden müsste; ein PKH-Bewilligungsbeschluss ist daher in diesem Sinne auszulegen. Folglich kann auch hier eine über 100 EUR hinausgehende Terminsgebühr nicht zuerkannt werden, da der Erinnerungsführer ausweislich des Sitzungsprotokolls nach Antragstellung nur noch einen SBG XII-Leistungsbescheid zur Akte reichte und die Klagerücknahme erklärte.

Auch die Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG kann nicht gewährt werden, weil deren Anfall ebenfalls vor Antragstellung lag.

Nach alledem war die Erinnerung zurückzuweisen. Gerichtskosten werden gem. § 56 Abs. 2 S. 2 RVG im Verfahren über die Erinnerung nicht erhoben, Kosten gem. § 56 Abs. 2 S. 3 RVG nicht erstattet.
Rechtskraft
Aus
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