L 6 U 809/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 3582/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 809/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. November 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Rotatorenmanschettenläsion Folge eines Arbeitsunfalls gewesen ist und dem Kläger deshalb Verletztengeld zusteht.

Der 1957 geborene Kläger ist als selbständiger Unternehmer und Gartenarchitekt (Dipl.-Ing.) bei der Beklagten versichert. Krankenversichert ohne Anspruch auf Krankengeld ist er bei der BKK B.-St ... Am 29.07.2005 erlitt er nach eigenen Angaben gegen 13.00 Uhr eine Verletzung an der linken Schulter, als er beim Material-Transport mit einem Muldenkipper mit dem Gerät durch eine Senke fahren wollte und hierbei die Maschine ruckartig nach vorne kippte. Beim Versuch, die Maschine halten zu wollen, seien seine Arme nach vorne gerissen worden. Trotz sofort aufgetretener Schmerzen in der linken Schulter habe er bis zum Feierabend (18.00 Uhr) weitergearbeitet (Bl. 37 Verw.-Akte).

Am Unfalltag und am 22.08.2005 war der Kläger wegen einer Desensibilisierungsbehandlung gegen eine Wespengiftallergie bei dem Internisten und Hausarzt Dr. Sch., dem gegenüber er von einer Schulterzerrung anlässlich eines Arbeitsunfalles berichtete. Bei beiden Vorstellungen fand diesbezüglich keine Untersuchung statt, vielmehr wurde dem Kläger geraten, sich bei einem D-Arzt vorzustellen. Auch in der Folgezeit wurde der Kläger bei Dr. Sch. nicht wegen des Arbeitsunfalls untersucht und behandelt (Zeugenaussage Dr. Sch. vom 06.03.2007, SG-Akte Bl. 31). Gleichwohl erhielt er am 29.07. und 22.08.2005 dort eine Elektrotherapie (Nemectrodyn) der linken Schulter (Zeugenaussage Dr. Sch. vom 16.03.2007, SG-Akte Bl. 41)

Wegen des Unfallereignisses vom 29.07.2005 stellte sich der Kläger erstmals am 12.10.2005 bei dem Orthopäden und H-Arzt Dr. St. vor, der eine Supraspinatuszerrung links diagnostizierte sowie den Verdacht auf Fraktur des Collum chirurgicum des Humerus links äußerte. Die klinische Untersuchung ergab eine freie Beweglichkeit der Schulter bei positivem Impingementzeichen und einer ab 40 Grad schmerzhaften Außenrotation. Die Funktionsgriffe waren allesamt schmerzfrei möglich (H-Arzt Bericht vom 12.10.2005). Der Röntgenbefund zeigte eine Sklerosierung im Bereich des Tuberkulum majus, ein verbreitertes laterales Claviculaende mit feiner osteophytärer Ausziehung und vermehrter Sklerosierung (vgl. Auswertung der Papierbilder im Gutachten Prof. Dr. W.). Die am 17.10.2005 veranlasste magnetresonanztomographische (= kernspintomographische) Untersuchung der linken Schulter ergab einen vollständigen Abriss der Supraspinatussehne mit Retraktion der Sehne um 2 bis 3 cm, ohne wertbare Atrophie des Musculus supraspinatus sowie einen Gelenkerguss mit freiem Übergang in die Bursen (Befundbericht Dr. H. vom 18.10.2005). Anlässlich der Kontrolluntersuchung am 21.10.2005 bestand eine deutliche Beschwerdebesserung. Die Abduktion war bis 180 Grad möglich, eine wesentliche Kraftminderung gegen Widerstand bestand nicht mehr (Zwischenbericht Dr. St. vom 18.11.2005, V-Akte Bl. 40).

In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 12.12.2005 empfahl Dr. K. ein Zusammenhangsgutachten einzuholen, da die Informationsbasis in der vorgelegten Akte für eine Kausalitätsbeurteilung, insbesondere unter Berücksichtigung des Konsenspapiers von Hansis und Mehrhoff, nicht möglich sei.

Am 08.12.2005 stellte sich der Kläger bei Prof. Dr. B., Sportklinik St., vor. Im am 14.12.2005 bei der Beklagten eingegangen Befundbericht wurde eine Supraspinatussehnenruptur der linken Schulter bei guter muskulärer Ausprägung des Schultergürtels, freier Beweglichkeit in allen Ebenen, Null Grad Abduktionstest seitengleich sowie negativem Impingment-Zeichen, negativem Lift off-Test und negativem Press belly-Zeichen diagnostiziert. Aufgrund der am 13.01.2006 im Rahmen einer Arthroskopie festgestellten schmalen Ruptur ventralseitig im Bereich der Supraspinatussehne wurde eine Rotatorenmanschettenrekonstruktion sowie subacromiale Dekompression und Einkerbung des Ligamentum coracoacromiale vorgenommen (Operationsbericht Sportklinik St. vom 16.01.2006, V-Akte Bl. 103). Als Hauptdiagnose wurde eine nichttraumatische Läsion der Rotatorenmanschette (M75.1) sowie als Nebendiagnose eine Bursitis im Schulterbereich (M75.5) gestellt (Entlassungsanzeige, V-Akte Bl. 86). Der stationären Behandlung vom 12. bis 17.01.2006 schloss sich eine bis 13.04.2006 dauernde ambulante Behandlung an. Insgesamt war der Kläger bis 24.04.2006 arbeitsunfähig.

Zur Klärung des Unfallzusammenhangs ließ die Beklagte den Kläger durch Prof. Dr. W., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T., untersuchen, der unter dem 14.06.2006 reizlose Narbenverhältnisse am linken Schultergelenk nach stattgehabter arthroskopischer Rotatorenmanschettenrefixation, konzentrische Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Schultergelenkes für die Vorwärts-, Seitwärts- und Rotationsbewegung, klinisch unauffällige Rotatorenmanschetten-Zeichen, radiologisch vermehrte Sklerosierung im Bereich des Tuberkulum majus links ausgeprägter als rechts, diskrete AC-Gelenksarthrose beidseits sowie sonographisch intakte Rotatorenmanschetten beidseits mit Höhenminderung im Bereich der Supraspinatussehne beidseits befundete. Unter Berücksichtigung des Untersuchungsalgorithmus von Hansis kam er zu dem Ergebnis, dass das Unfallereignis vom 29.07.2005 zu einer Distorsion des linken Schultergelenkes geführt habe. Für die Zusammenhangstrennung der Supraspinatussehne sei das Unfallereignis jedoch als unwesentliche Teilursache anzusehen, da es bei einer frischen kompletten Zusammenhangstrennung der Rotatorenmanschette zu klinischen Veränderungen komme, wie starke Schmerzen und Aufhebung der Beweglichkeit im Schultergelenk, die zu einer sofortigen ärztlichen Versorgung führten.

Mit Bescheid vom 30.06.2006 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 29.07.2005 ab, da der Unfall lediglich zu einer Distorsion der linken Schulter geführt habe, die weder behandlungsbedürftig gewesen sei noch zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Die Zusammenhangstrennung der Supraspinatussehne sowie die Veränderungen im Bereich des Schultereckgelenks und des Tuberkulum majus seien nicht ursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen, sondern unfallunabhängige Schadensanlagen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2006 unter Hinweis darauf zurück, dass es den isolierten traumatischen Rotatorenmanschettenriss nicht gebe. Veränderungen an der Rotatorenmanschette bis hin zu großen Defektbildungen entwickelten sich klinisch stumm und blieben häufig selbst bei eindrucksvollen bildgebenden Befunden klinisch stumm. Zusammenhangstrennungen der Rotatorenmanschette durch äußere Gewalteinwirkung entstünden grundsätzlich und ausschließlich bei der Schulterverrenkung, ggfs. noch bei der Teilverrenkung, da eine Überdehnung der Rotatorenmanschette letztendlich nur vorstellbar sei, wenn die physiologische Dehnungsfähigkeit überschritten werde. Dies gehe jedoch grundsätzlich mit Begleitverletzungen, also Kapselrissen, Pfannenrandeinrissen, Pfannenrandabbrüchen, Einblutungen etc. einher.

Am 28.09.2006 hat der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Das SG hat Dr. Sch. unter dem 06.03.2007 und Dr. St. unter dem 08.03.2007 als sachverständige Zeugen gehört. Dr. Sch. hat angegeben, der Kläger habe anlässlich der Desensibilisierungsbehandlung am 29.07. und 22.08.2005 über bewegungsabhängige Schmerzen in der linken Schulter geklagt. Da es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe, habe er den Kläger nicht untersucht, die Vorgeschichte nicht genau und objektive Befunde nicht erhoben und den Kläger auch in der Folgezeit deshalb nicht behandelt. Da die Beschwerden sich nicht gebessert, sondern eher zugenommen hätten, habe er ihm die Untersuchung bei einem D-Arzt empfohlen. Dr. St. hat berichtet, er habe den Kläger am 11.10.2005 untersucht und eine Supraspinatuszerrung links diagnostiziert sowie den Verdacht auf Infraktion geäußert bei positivem Impingementzeichen, schmerzhafter Abduktion ab 40 Grad sowie Druckschmerz über Sulcus bicipitalis. Bei der letzten Kontrolle am 13.04.2006 habe die Abduktion der Schulter 110 Grad und die Innen-/Außenrotation 70/0/80 Grad betragen. Nach der operativen Versorgung der Rotatorenmanschette am 13.01.2006 habe sich insgesamt eine befriedigende Besserung der Symptomatik eingestellt.

Sodann hat das SG Prof. Dr. W. mit der Erstattung des fachorthopädischen Sachverständigengutachtens vom 20.06.2007 beauftragt. Dieser ist nach einmaliger klinischer und sonographischer Untersuchung des Klägers am 06.06.2007 zu dem Ergebnis gekommen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass sich der Kläger bei dem Ereignis vom 29.07.2005 lediglich eine Zerrung zugezogen und eine Schädigung der Rotatorenmanschette zum Zeitpunkt des Ereignisses bereits vorgelegen habe. Es sei zwar durchaus vorstellbar, dass es im Rahmen des versicherten Ereignisses zu einer Kontinuitätsunterbrechung der Sehne gekommen sei. Das Verhalten des Klägers und die in den Akten vorhandenen medizinischen Informationen über den Erstbefund ließen diese Annahme aber nicht wahrscheinlich machen. Er stimme mit der Einschätzung von Prof. Dr. W. in dessen Gutachten im Tenor uneingeschränkt überein.

Dem ist der Kläger mit Schriftsatz vom 27.07.2007 entgegen getreten. Er habe am Unfalltag seine Arbeit nicht fortsetzen können und sei mit einer Hand mit dem Lastwagen zurück in den Betrieb gefahren. In den folgenden Tagen sei der Arm nicht zu gebrauchen gewesen. Er habe alle Arbeiten mit dem rechten Arm erledigt. Seine Angestellten, die beim Unfall zugegen gewesen seien, seien in den Folgetagen in seinem Aufgabenbereich tätig gewesen, da er einarmig die meisten Arbeiten nicht habe erledigen können. Die am 17.10.2005 festgestellte Ruptur der Rotatorenmanschette sei im engen zeitlichen Zusammenhang zum Unfallereignis diagnostiziert worden. Außerdem stehe unzweifelhaft fest, dass die Ruptur frisch gewesen sei. Zudem habe Dr. H. am 17.10.2005 einen Gelenkerguss diagnostiziert. Ein solcher Erguss sei als frische Einblutung ein typischer Hinweis auf eine durch die Ruptur verursachte traumatische Unfallverursachung.

Auf den Antrag des Klägers, den Bescheid vom 30.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2006 aufzuheben und dem Kläger unter Feststellung der Rotatorenmanschettenruptur links als Folge des Arbeitsunfalls vom 29.07.2005 Verletztengeld zu gewähren, hat das SG mit Urteil vom 24.11.2008 die genannten Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, unter Feststellung der Rotatorenmanschettenruptur links als Unfallfolge Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Verletztengeld und Behandlungskosten) zu gewähren. Zur Begründung wird ausgeführt, für den Ursachenzusammenhang zwischen Unfallereignis und Läsion der Rotatorenmanschette spreche die Beschwerdefreiheit bis zum Zeitpunkt des Ereignisses, die Geeignetheit des Unfallherganges, der unmittelbar nach dem Unfallereignis aufgetretene stechende Schmerz in der linken Schulter, die bei Dr. Sch. geklagten Beschwerden am Unfalltag sowie das Ausbleiben der muskulären Rückbildung der Rotatorenmanschette zum Zeitpunkt der Kernspintomographie drei Monate nach dem Ereignis. Das Verhalten des Klägers spräche nicht gegen einen Kausalzusammenhang. Denn ein Fortsetzen der Arbeit nach dem Unfallereignis schließe eine traumatische Schädigung der Rotatorenmanschette nicht in jedem Fall aus. Leichte körperliche Arbeiten und Bürotätigkeiten, wie sie der Kläger ausgeführt habe, könnten nach eingetretener Verletzung durchaus ausgeführt werden. Dass die diagnostizierte Enthesiopathie die allein rechtlich wesentliche Ursache für die Ruptur gewesen sein könnte, sei nicht ersichtlich. Allein aus dem Umstand, dass ein Primärbefund fehle, könne nicht der Schluss gezogen werden, dass es einen solchen nicht gegeben habe. Insgesamt spreche daher mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang. Dem Kläger stehe deshalb ein Anspruch auf Heilbehandlung sowie auf Verletztengeld zu. Einen Anspruch auf Verletztenrente, die der Kläger allerdings nicht begehre, habe er nicht.

Gegen das ihr am 06.02.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.02.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung wird im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass eine fachärztliche Untersuchung in den ersten Wochen nach dem Unfallereignis nicht stattgefunden und der Kläger sich entgegen der Empfehlung seines Hausarztes nicht bei einem D-Arzt vorgestellt habe. In der Unfallanzeige vom 30.10.2005 habe der Kläger angegeben, die Arbeit nicht eingestellt, sondern sofort wieder aufgenommen zu haben. Dies werde durch die Angaben im Unfallfragebogen vom 20.11.2005 bestätigt. Der stechende Schmerz in der Schulter lasse sich zwanglos mit einer Zerrung in Einklang bringen. Die vor dem Unfallereignis geschilderte Beschwerdefreiheit könne einen Ursachenzusammenhang nicht begründen, da es für Veränderungen der Rotatorenmanschette typisch sei, dass sich diese zunächst klinisch stumm entwickelten. Entsprechend sei auch eine sekundäre Rückbildung des Muskelbauches erst als Spätschaden zu erwarten. Grundsätzlich sei das Ereignis vom 29.07.2005 als entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall anzuerkennen. Als Unfallfolge könne jedoch nur von einer Zerrung der linken Schulter ausgegangen werden, die innerhalb von maximal 6 Wochen regelhaft folgenlos zur Ausheilung komme. Ein entsprechender Entschädigungsanspruch lasse sich mangels weitergehender Behandlungsbedürftigkeit und mangels festgestellter Arbeitsunfähigkeit nicht herleiten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. November 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat zur Begründung nochmals darauf hingewiesen, dass er vor dem 29.07.2005 nie wegen Beschwerden an der linken Schulter in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Er sei noch am Unfalltag mit einer Elektrotherapie von Dr. Sch. behandelt worden. Dr. Sch. habe ihn angewiesen, während des Urlaubes mit dem linken Arm gymnastische Übungen unter größtmöglicher Schonung des linken Armes und der linken Schulter zu machen. Er sei Rechtshänder. Wenn es, wie aus den gutachterlichen Erwägungen zu entnehmen, eine berufsbedingte Vorschädigung gegeben hätte, hätte dies auch die rechte Schulter betroffen. Dies sei hingegen nicht der Fall. Er habe in der rechten Schulter bis heute keine Beschwerden. Auch vor der durchgeführten Operation habe er nicht den in der Literatur im Zusammenhang mit einer Rotatorenmanschettenruptur beschriebenen drop arm gehabt. Nach dem Unfall am 29.07.2005 sei es zu keinem weiteren Unfall vor der Kernspintomographie am 17.10.2005 gekommen, anlässlich der die Läsion festgestellt worden sei.

Der Senat hat den Gutachter Prof. Dr. W. um die ergänzende Stellungnahme vom 31.07.2009 gebeten. Hierin wird hervorgehoben, dass die erste detaillierte Dokumentation des Unfallereignisses am 12.10.2005 durch Dr. St. erfolgt sei. Zu diesem Zeitpunkt sei eine freie Beweglichkeit der Schulter bei örtlichem Druckschmerz und positivem Impingementzeichen feststellbar gewesen. Bei einem traumatischen Abriss der Rotatorenmanschette wäre zu diesem Zeitpunkt ein noch wesentlich ausgeprägteres Funktionsdefizit zu erwarten gewesen. Die Röntgenaufnahmen vom 12.10.2005 und die Kernspintomographie vom 17.10.2005 wiesen eindeutig auf eine Schadensanlage hin. Es spreche mehr für als gegen die Annahme, dass die Läsion der Rotatorenmanschette bereits zum Zeitpunkt der Gewalteinwirkung vorhanden gewesen sei. Diese Annahme würde einen protrahierten Beschwerdeverlauf nach der versicherten Tätigkeit zwanglos erklären.

Außerdem hat der Senat das Vorerkrankungsverzeichnis bei der BKK B.-St. angefordert, die jedoch mitgeteilt hat, dass Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht erfasst und gespeichert würden, da der Kläger ohne Anspruch auf Krankengeld versichert sei.

Schließlich hat der Senat nochmals Dr. St. unter dem 10.11.2009 (die Behandlungen vor dem 29.07.2005 betrafen nicht die linke Schulter) und Dr. Sch. unter dem 04.12.2009 (fortlaufende Behandlung seit 16.12.1997, vor dem 29.07.2005 war die linke Schulter nie Gegenstand einer ärztlichen Behandlung oder Klage) schriftlich als Zeugen vernommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Schädigung der Rotatorenmanschette links Folge des Unfallereignisses vom 29.07.2005 ist.

Das Urteil des SG erweist sich bereits aus formalen Gründen als teilweise rechtswidrig. Denn das SG ist mit der Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Entschädigungsleistungen in Form der Übernahme von Behandlungskosten über den Klageantrag des Klägers hinausgegangen. Einer Prozesspartei mehr zuzusprechen, als sie beantragt hat, ist dem Gericht jedoch verwehrt (vgl. § 123 SGG "ne ultra petita"; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 37; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 123 Rdnr. 4), sodass das Urteil bereits aus prozessualen Gründen teilweise aufzuheben ist.

Dagegen ist die Klage auf Gewährung von Verletztengeld zulässig, insbesondere fehlt es nicht an einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung der Beklagten (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 21.09.2010 - B 2 U 25/09 R - zit. n. juris). Denn die Beklagte hat mit Bescheid vom 30.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2006 zwar eine Distorsion der linken Schulter als Folge des Unfalles vom 29.07.2005 - wenn auch nicht im Verfügungstenor - anerkannt, einen Entschädigungsanspruch gleichwohl abgelehnt, weil die Distorsion weder behandlungsbedürftig gewesen sei noch Arbeitsunfähigkeit begründet habe. Damit hat sie ersichtlich die Voraussetzungen für einen Verletztengeldanspruch nach §§ 45, 46 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) geprüft und negativ beschieden.

Der Anspruch auf Verletztengeld setzt, soweit es wie hier nicht um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 45 Abs. 2 SGB VII geht, nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII voraus, dass der Versicherte infolge des Versicherungsfalles arbeitsunfähig gewesen ist. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Letztere stehen vorliegend nicht im Streit. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

Aus diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R; BSG, Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R; jeweils zit. n. juris) die folgenden Grundsätze entwickelt:

Für die Feststellung eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Erforderlich ist für die Feststellung von Unfallfolgen, dass längerandauernde Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens entstanden sind (haftungsausfüllende Kausalität).

Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses, der Gesundheitserstschaden und die hierdurch verursachten länger andauernden Unfallfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Lässt sich ein Nachweis nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten.

Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger W. die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes.

Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte.

Bei dieser Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, ferner das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein.

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls in einem oder mehreren Schritten zu prüfende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache das angeschuldigte Ereignis eine Ursache ist oder die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellte versicherte Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vermochte sich der Senat vom Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht zu überzeugen. Dabei ist unstreitig, dass vorliegend die Ausübung einer bei der Beklagten versicherten Tätigkeit zu dem schädigenden, von außen auf den Körper des Klägers einwirkenden Unfallereignis geführt hat. Dass der Kläger hierbei eine Zerrung der linken Schulter erlitten hat, wird von der Beklagten ebenfalls nicht bestritten. Ob diese Zerrung Gegenstand ärztlicher Behandlung gewesen ist, was im Hinblick auf die schriftliche Zeugenaussage des Dr. Sch., den Kläger wegen der Unfallfolgen nicht untersucht und behandelt zu haben, trotz der am 29.07. und 22.08.2005 durchgeführten Elektrotherapie nicht angenommen werden kann, ist letztlich nicht entscheidungserheblich.

Denn ebenfalls unstreitig ist, dass der Kläger wegen der Zerrung nicht arbeitsunfähig gewesen ist. Ein Anspruch auf Verletztengeld kann deshalb hierdurch nicht begründet werden. Arbeitsunfähig war der Kläger vielmehr ab 12.01.2006 wegen der am 13.01.2006 operativ versorgten Supraspinatussehnenruptur. Diese erstmals am 17.10.2005 magnetresonanztomographisch gesicherte Gesundheitsstörung in der linken Schulter kann jedoch nicht ursächlich auf das Ereignis vom 29.07.2005 zurückgeführt werden. Insoweit fehlt es an einem haftungsbegründenden Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitserstschaden. Hierbei stützt sich der Senat auf das überzeugende Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. W. sowie auf dessen ergänzende Stellungnahme im Berufungsverfahren und auf das von der Beklagten bei Prof. Dr. W. eingeholte, urkundlich zu verwertende Gutachten.

Beide Gutachter haben übereinstimmend festgestellt, dass das Unfallereignis nicht als wesentliche Ursache für den Gesundheitsschaden wahrscheinlich gemacht werden kann.

Abweichend hiervon und im Widerspruch hierzu hat das SG angenommen, es spreche mehr dafür als dagegen, dass die Rotatorenmanschettenläsion auf den Unfall vom 29.07.2005 zurückzuführen ist. Die vom SG dafür angeführten Erwägungen halten einer Überprüfung nicht stand, wie sich auch aus der im Berufungsverfahren eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Prof. Dr. W. ergibt. Dieser hat nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass mehr für als gegen die Annahme spricht, dass die Läsion der Rotatorenmanschette bereits zum Zeitpunkt der Gewalteinwirkung vorhanden war. Aufgrund dieser eindeutigen medizinischen Beurteilungen der Zusammenhangsfrage fehlt es auch aus Sicht des Senats vorliegend schon an der Wahrscheinlichkeit des naturwissenschaftlich-philosophischen Zusammenhangs.

Entscheidend für den Senat ist dabei, dass beide Gutachter zwar in dem Unfallgeschehen grundsätzlich einen geeigneten Verletzungsmechanismus sehen bzw. einen solchen nicht ausschließen können. Auch weitere Faktoren liegen vor, die für einen Kausalzusammenhang sprechen. Die gegen einen Kausalzusammenhang sprechenden Indizien sind aber dennoch höher zu bewerten als die hierfür sprechenden Umstände. Aufgrund der gut nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass beide Gutachter zu Recht einen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der zur Arbeitsunfähigkeit führenden Läsion der Rotatorenmanschette abgelehnt haben.

Grundlegend für diese Annahme ist die Unterscheidung zwischen einer traumatischen und einer degenerativen Läsion der Rotatorenmanschette. Die Sehnen der Rotatorenmanschette, insbesondere in ihrem oberen Anteil (sog. Supraspinatussehne), sind durch ihre exponierte Lage sowie durch Besonderheiten ihrer Durchblutung und ihrer Kinematik besonders anfällig für frühzeitige degenerative Veränderungen. Der sehnige Anteil des oberen Schulterblattgrätemuskels liegt in einem relativ engen knöchernen Kanal, der durch die Ausbildung von Knochenzacken mit zunehmendem Lebensalter den Sehnenansatz weiter mechanisch belastet. Es resultiert daraus häufig ein sogenanntes Engpassproblem (Impingement), das zunächst zu einer Durchblutungsminderung der Sehne, später zu Entzündungen, zu einer Ausdünnung und schließlich zu einer strukturellen Läsion im Ansatzbereich der Sehne führen kann. Die ersten Verschleißerscheinungen der Rotatorenmanschette entwickeln sich häufig, ohne wesentliche Beschwerden zu verursachen. Ist jedoch ein durchgehender Defekt in der Rotatorenmanschette entstanden, so treten im Verlauf in den meisten Fällen ohne zusätzliche äußere Ursachen Symptome in Form von Ruhe- und Belastungsschmerzen sowie Bewegungsstörungen auf. Von dieser degenerativen Schädigung der Rotatorenmanschette zu unterscheiden ist deren ebenfalls mögliche traumatische Schädigung, bei der es durch erhebliche äußere Gewalteinwirkung zur Zerreißung von einzelnen Sehnen der Rotatorenmanschette kommt, ohne dass fortgeschrittene strukturelle Schädigungen vorbestehen. Ausschließlich verletzungsbedingte Risse sind sehr selten, weit häufiger trifft die Gewalteinwirkung auf eine alterungs- und verschleißbedingt vorgeschädigte Rotatorenmanschette. Auch ist es möglich, dass die Gewalteinwirkung zu einer Vergrößerung vorbestehender kleinerer Sehnendefekte oder zum Abriss einer zuvor nur angerissenen Sehne führt. Ob in diesen Fällen dem Verletzungsereignis die Bedeutung einer wesentlichen (Teil-)Ursache für das Zustandekommen des resultierenden Körperschadens zukommt, muss unter Berücksichtigung aller wesentlichen Gesichtspunkte im Einzelfall festgestellt werden. Der Senat entnimmt das dem Gutachten von Prof. Dr. W.

Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach den Einwirkungen, Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie die gesamte Krankengeschichte. Zu beachten ist, dass der Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung positiv festgestellt werden muss und hierfür hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, nicht jedoch die bloße Möglichkeit. (BSG SozR 4-2700 § 9 Nr. 9).

Hiermit übereinstimmend hat Prof. Dr. W. anhand der Vorgeschichte, des Ereignisablaufes, des Primärbefundes und des Heilverlaufes nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand den Ursachenzusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden (Läsion der Rotatorenmanschette) beurteilt (vgl. hierzu auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 409 ff.).

Dass danach mehr gegen als für einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Läsion der Rotatorenmanschette spricht, ergibt sich im Wesentlichen aus folgenden Umständen:

Allein die Beschwerdefreiheit bis zum Unfallereignis und die Geeignetheit des Unfallhergangs begründen bloß eine Möglichkeit, dass die Gesundheitsstörung Unfallfolge ist. Es ist aber zur Überzeugung des Senats sogar überwiegend wahrscheinlich, dass sich der Kläger bei dem Unfallereignis nur eine Zerrung der Schulter zugezogen hat. Der Senat stützt sich insoweit auf die Gutachten von Prof. Dr. W. und Prof. Dr. W ...

Zunächst hat der Kläger bereits einen typischen Primärbefund nicht geschildert. Er hat anlässlich der zeitnahen Untersuchung bei Dr. Sch. lediglich über Schmerzen geklagt, die er auf eine bloße Zerrung der Schulter zurückführte. Auch im weiteren Verlauf der Behandlung waren äußere Verletzungszeichen nicht sichtbar. Diese bestehen nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. W. in Schwellungen und Blutergüssen im Bereich der Schulterweichteile und Oberarme mit Druckschmerzen. Dass der Kläger nicht in der Lage war, den Arm aktiv nach vorn oder seitlich abzuspreizen, hat er ebenfalls nicht angegeben. Des Weiteren hat der Kläger zum Unfallzeitpunkt bereits an einer Vorschädigung an der linken Schulter gelitten. Dies ergibt sich aus den anlässlich der Erstuntersuchung bei Dr. St. am 12.10.2005 gefertigten Röntgenaufnahmen, die eine Sklerosierung im Bereich des Tuberkulum majus und eine diskrete Schultereckgelenksarthrose mit entsprechenden radiologischen Veränderungen zeigten. Hieraus hat Prof. Dr. W. in seinem urkundlich zu verwertenden Gutachten zutreffend abgeleitet, dass eine länger bestehende Schadensanlage vorhanden ist. Denn die radiologischen Veränderungen im Bereich des Schultereckgelenkes und im Bereich des Tuberkulum majus können nicht im Zeitraum von drei Monaten auftreten, d. h. nicht erst nach dem Unfallereignis entstanden sein. Vielmehr ist in der Regel ein länger bestehender Reizzustand Ursache für derartige Veränderungen Dies hält der Senat für überzeugend. Auch der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. W. hat in den Röntgenaufnahmen vom 12.10.2005 als einen Hinweis auf eine vorbestehende Sehnenansatzreizung (Enthesiopathie) eine Verdichtung und rundliche Aufhellung des Knochens im Ansatzbereich der Obergrätensehne am großen Oberamhöcker gesehen. Soweit der Kläger dem entgegen gehalten hat, er sei vor dem Unfallereignis wegen der linken Schulter nicht in ärztlicher Behandlung gewesen, spricht dies nicht gegen eine degenerative Vorschädigung mit dadurch bedingter Läsion der Rotatorenmanschette. Denn selbst angesichts der am 17.10.2005 kernspintomographisch nachgewiesenen Läsion war bei der fünf Tage zuvor erfolgten klinischen Untersuchung durch Dr. St. die linke Schulter frei beweglich und der Kläger in der Lage, die Funktionsgriffe schmerzfrei auszuüben. Auch anlässlich der Kontrolluntersuchung am 21.10.2005 äußerte der Kläger eine deutliche Beschwerdebesserung, eine wesentliche Kraftminderung gegen Widerstand bei freier Beweglichkeit der Schulter bestand nicht mehr. Die Untersuchung durch Prof. Dr. B., Sportklinik St., am 08.12.2005 ergab ebenfalls eine freie Beweglichkeit der linken Schulter in allen Ebenen, Null Grad Abduktionstest seitengleich sowie negatives Impingment-Zeichen, negativer Lift off-Test und negatives Press belly-Zeichen. Das spricht im Übrigen eher für eine den Kläger erheblich weniger beeinträchtigende chronische Rotatorenmanschettenläsion als für ein traumatisches Verletzungserlebnis.

Dass kernspintomographisch auch ein Erguss in dem das Gelenk umgebenden Schleimbeutel festgestellt worden ist, zwingt ebenfalls nicht zur Annahme einer traumatischen Verletzung der Rotatorenmanschette. Denn ein fast drei Monate nach dem fraglichen Unfallereignis noch bestehender Erguss ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. W. nicht als Bluterguss, sondern als Reizerguss zu werten, der auch bei einer chronischen Rotatorenmanschettenläsion häufig feststellbar ist. Damit einhergehend ist der Umstand zu bewerten, dass sich der die Rotatorenmanschette umgebende Muskel noch nicht gravierend zurückgebildet hatte. Das belegt somit lediglich, dass der Schaden der dazugehörigen Sehne noch nicht seit Jahren bestand, worauf der Sachverständige Prof. Dr. W. in diesem Zusammenhang zu Recht hingewiesen hat.

Ganz erhebliche Bedeutung kommt aus Sicht des Senats dem Umstand zu, dass sich der Kläger erstmals am 12.10.2005, d. h. zehneinhalb Wochen nach dem Unfallereignis, bei dem Orthopäden Dr. St. wegen seiner Beschwerden an der linken Schulter vorgestellt hat. Entgegen der ausdrücklichen Empfehlung seines Hausarztes Dr. Sch. hat sich der Kläger somit nicht zeitnah zum Unfallereignis bei einem D-Arzt in Behandlung begeben. Der Senat folgt den Schlussfolgerungen der Sachverständigen, wonach das Unfallgeschehen deshalb keine schwerwiegenden gesundheitlichen Auswirkungen haben konnte. Das entsprach auch der eigenen Einschätzung des Klägers, der wie Dr. Sch. am 06.03.2007 berichtete, zunächst selbst nur von einer Zerrung ausging.

Eine gewalthafte Zerreißung einer Sehne stellt dagegen ein erhebliches Verletzungsereignis dar, dessen Wirkung in der Regel äußerliche Verletzungszeichen in Form von Schwellungen und Blutergüssen im Bereich der Schulterweichteile und der Oberarme mit erheblichen Druckschmerzen hinterlässt. Der Verletzte ist über Tage nicht in der Lage, den Arm aktiv nach vorn oder seitlich abzuspreizen (drop-arm-Zeichen).

Entsprechende Gesundheitsstörungen hat der Kläger zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Ob Dr. Sch. solche Symptome nicht festgestellt hat, weil sie nicht vorhanden waren oder weil er den Kläger nicht untersucht hat, ist dabei unerheblich. Eine ausgeprägte Funktionseinschränkung wie nach einer traumatischen Läsion zu erwarten, ist auch im Befundbericht des Dr. St. vom 12.10.2005 nicht dokumentiert (Gutachten und ergänzende Stellungnahme Prof. Dr. W.). Der Senat hält es auch nicht für wahrscheinlich, dass der Kläger selbst Symptome und Funktionseinschränkungen der beschriebenen Art wahrgenommen hat. Der Senat schließt sich auch insoweit der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. W. an, wonach es auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers, als selbständiger Unternehmer körperlich belastende Tätigkeiten auf seine Mitarbeiter delegiert zu haben, nur schwer vorstellbar ist, dass dieser bei dem erheblichen Verletzungsbild, das einer traumatischen Rotatorenmanschettenläsion folgt, nicht einmal Anlass gesehen hat, einen Durchgangsarzt aufzusuchen. Dass der Kläger über einen so langen Zeitraum hinweg keine fachärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat, spricht in hohem Maße dafür, dass das Verletzungsbild gering ausgeprägt war und der Kläger von einer Zerrung ausgehen konnte, die im zeitlichen Verlauf abheilen würde. Der Einwand des Klägers, er habe hiervon aus betrieblichen Gründen abgesehen, habe den linken Arm geschont und Aufgaben an Mitarbeiter delegiert, lässt sich mit den durch eine Schulterzerrung verursachten Beschwerden durchaus, nicht aber mit den durch einen gewalthaften Sehnenriss verbundenen Symptomen in Einklang bringen.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 27.07.2007 hat vortragen lassen, er habe am Unfalltag seine Arbeit nicht fortsetzen können und sei mit einer Hand mit dem Lkw zurück in den Betrieb gefahren, steht dies im Übrigen in Widerspruch zu seinen Angaben im Formularbogen vom 20.11.2005 und ist daher nicht glaubhaft. Danach hat der Kläger nämlich nach Abklingen des ersten Schmerzes weiter gearbeitet, nach dem Unfall die geplante Arbeit fortgesetzt und diese erst am Feierabend eingestellt. Auch in den folgenden Wochen hat der Kläger unstreitig seine Tätigkeit im eigenen Betrieb fortgesetzt, ohne, dem Rat seines Hausarztes folgend, einen Facharzt aufzusuchen. Wenn im genannten Schriftsatz vom 27.07.2007 vorgetragen wird, der Kläger habe zwar erhebliche Schmerzen gehabt, habe aber aufgrund seiner robusten Natur in der Annahme, es würde sich wieder bessern, seine Arbeit fortgesetzt, wird hierdurch gerade bestätigt, dass weder Schmerzen noch Bewegungseinschränkungen in einer Intensität bestanden, die eine fachärztliche Behandlung erforderlich gemacht hätten.

Bei Würdigung aller Umstände spricht in der Gesamtschau mehr gegen eine traumatische Läsion der Rotatorenmanschette als dafür, sodass eine haftungsbegründende Kausalität mit dem Unfallereignis vom 29.07.2005 nicht wahrscheinlich ist. Die Beklagte hat daher im Ergebnis zu Recht den Antrag des Klägers auf Entschädigung aufgrund des Arbeitsunfalls abgelehnt.

Auf die Berufung der Beklagten ist daher das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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