Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 2941/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 884/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage einer Alltagsbelastung bei Prüfung einer Gelegenheitsursache, hier: Das berufsbedingte Anheben einer (anteiligen) Last von 30 kg ist nicht wesentlich kausal für den Riss der distalen Bizepssehne an einem Arm.
(Ob bei dem physiologisch ungestört ablaufenden Hebevorgang vorliegend bereits ein von außen einwirkendes Unfallereignis verneint werden kann, bleibt dahingestellt)
(Ob bei dem physiologisch ungestört ablaufenden Hebevorgang vorliegend bereits ein von außen einwirkendes Unfallereignis verneint werden kann, bleibt dahingestellt)
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1966 geborene Kläger ist als Glaser beschäftigt. Am 18.01.2010 zog er sich eine Bizepssehnenruptur am linken Oberarm zu, als eine 120 kg schwere Sicherheitsglas-Scheibe auf das Dach einer Pergola montiert wurde.
In der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 25.01.2010 wurde angegeben, beim Anheben einer Glasscheibe sei die Sehne gerissen. Der am Unfalltag aufgesuchte Orthopäde B. diagnostizierte eine distale Bizepssehnenruptur links (H-Arzt-Bericht von Orthopäde B. vom 18.01.2010). Der arbeitsunfähige Kläger wurde stationär vom 26.01.2010 bis 03.02.2010 in der B. Unfallklinik L. (BG-Klinik) behandelt, wo am 27.01.2010 eine offene Refixation der Bizepssehne vorgenommen wurde (Berichte der BG-Klinik vom 25.01.2010 und 02.02.2010). Die bei der Operation entnommene Gewebeprobe wurde untersucht (Bericht des Instituts für Pathologie Klinikum L. vom 01.02.2010). Die BG-Klinik teilte in ihren Arztberichten mit, die Behandlung werde zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt, denn ein Sturzereignis oder ein sonstiger geeigneter Unfallmechanismus sei verneint worden. Aus ärztlicher Sicht habe es sich bei dem Anheben der 120 kg schweren Glasscheibe ohne vorgespannte Bizepssehne um eine Gelegenheitsursache gehandelt.
Mit Bescheid vom 31.03.2010 verneinte die Beklagte Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Ereignisses vom 18.01.2010 und lehnte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab. Der geschilderte Geschehensablauf sei nach medizinischen Erfahrungswerten nicht geeignet gewesen, eine Ruptur der Bizepssehne herbeizuführen.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Das Anheben einer 120 kg schweren Glasplatte stelle für sich betrachtet kein Ereignis dar, das das Maß alltäglicher Belastungen nicht überschreite. In dem hier interessierenden Bereich bestünden keinerlei gesundheitliche Vorschäden. Bei der Verrichtung von im Alltag üblichen Arbeiten komme es regelmäßig auch zum Anheben von Lasten im üblichen Umfang, wobei es in der Vergangenheit gerade nicht zu einer Bizepssehnenruptur gekommen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Beschwerden seien nach einer rein gewillkürten körpereigenen Bewegung aufgetreten, ohne dass ein plötzliches äußeres Ereignis mitgewirkt habe. Trete dennoch bei einem an sich ungeeigneten Hergang eine Schädigung an der Bizepssehne zutage, müsse deren Belastbarkeit infolge degenerativer Veränderungen deutlich herabgesetzt gewesen sein. Es habe bereits eine Krankheitsanlage vorgelegen, die auch ohne die berufliche Tätigkeit in naher Zukunft zu denselben Beschwerden geführt hätte.
Am 16.08.2010 erhob der Kläger vor dem Sozialgericht Mannheim Klage. Er begehrte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall, denn es sei zu bestreiten, dass es sich bei dem Anheben einer 120 kg schweren Glasplatte um einen das Maß alltäglicher Belastungen nicht überschreitenden Vorgang handele. Bis zu dem Vorfall seien keinerlei Beschwerden in diesem Bereich aufgetreten, er habe sich weder in ärztlicher Behandlung befunden noch gebe es sonstige Hinweise auf eine wie auch immer geartete Vorschädigung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei auch bei gewillkürten Handlungen die versicherte Tätigkeit wesentliche Mitursache neben konkurrierenden Ursachen, wie z.B. eine Krankheitsanlage, wenn die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung sei. Auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - ("Grabsteinurteil") werde verwiesen. Weitere Ermittlungen seien veranlasst.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Für die Zusammenhangsbeurteilung sei das Gewicht der Last nicht entscheidend, maßgebend sei die Kraft, die aufgrund der Muskelkontraktion auf die Sehne einwirke. Die Zug- und Hebefestigkeit einer Sehne liege über der Kraftbildungsfähigkeit eines Muskels. Sei die Last für den Muskel zu schwer, versage dieser. Eine Überlastung der Sehne könne nicht eintreten.
Mit Gerichtsbescheid vom 27.01.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Kläger habe willentlich und kontrolliert eine Last angehoben. Anhaltspunkte für eine äußere plötzlich auftretende Einwirkung seien nicht vorgetragen und ersichtlich. Ein plötzlicher Schmerz beim Anheben eines Gegenstandes ohne äußere Einwirkung sei nicht geeignet, einen unfallversicherungsrechtlich relevanten Unfallmechanismus darzustellen.
Gegen den dem Klägerbevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 02.02.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 02.03.2011 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er verweist erneut auf das "Grabsteinurteil" des Bundessozialgerichts, bei dem in Wahrheit gerade auch kein von außen einwirkendes Ereignis vorgelegen habe, sondern der Kläger im dortigen Verfahren habe versucht, einen festgefrorenen Grabstein anzuheben, was bei zutreffender Betrachtung keine Einwirkung im Sinne einer Handlung, sondern einen passiver Zustand einer Sache darstelle. Maßgebend sei, dass der Versicherte in Ausübung seiner Tätigkeit eine außergewöhnliche Kraftanstrengung unternehme und dabei einen Gesundheitsschaden erleide.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Januar 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Ereignis vom 18. Januar 2010 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihre angefochtenen Bescheide und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Der Senat hat den Operationsbericht der BG-Klinik vom 27.01.2010 sowie deren bildgebenden Diagnosemittel (auf CD-Datenträger gespeichert) beigezogen, Dr. Z. als Praxisnachfolger des den Kläger früher behandelnden Dr. K. zu der im Leistungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers angegebenen Arbeitsunfähigkeit im Juli 1987 unter der Diagnose "Tendopathie, Tendovaginitis" als Zeuge schriftlich gehört (Aussage vom 15.08.2011: keine Patientenunterlagen mehr vorhanden) und dem Kläger die Auflage erteilt (richterliche Verfügung vom 28.06.2011), die konkreten Umstände des streitigen Hebevorgangs vorzutragen.
Der Kläger hat sich über seinen Bevollmächtigten zur richterlichen Auflage schriftlich geäußert (Schriftsatz vom 09.08.2011). Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 12.09.2011 hat der Kläger ergänzend angegeben, die 4 m x 90 cm große, 120 kg schwere Sicherheitsglasscheibe sei zu viert von einem mit Holzböcken gebauten Gerüst aus auf das Dach der Pergola angehoben worden. Er habe ganz außen gestanden und mit dem linken Arm die Hochkant gestellte Scheibe unten gefasst. Das Anheben der Scheibe sei zunächst gut gegangen, solange der Arm noch nicht angewinkelt gewesen sei. Als dann der Arm gebeugt worden sei, um die Scheibe auf das Dach aufzulegen, habe er bemerkt, dass etwas passiert sei.
Der Senat hat von Amts wegen das Gutachten nach Aktenlage von Dr. L. vom 12.12.2011 eingeholt. Der Sachverständige hat darin ausgeführt, die Bizepssehne des Klägers sei bereits zum Zeitpunkt des Ereignisses am 18.01.2010 vorgeschädigt gewesen. Dies zeige die histologische Aufarbeitung der während der Operation entnommenen Probeexzision (pathologisch-histologischer Befundbericht vom 01.02.2010) mit Aufbraucherscheinungen, die über das altersentsprechende Maß deutlich hinausreichten. Die sonstigen aktenkundigen medizinischen Befunde, insbesondere die bildgebende Diagnostik der BG-Klinik beweise eine Rissbereitschaft der strukturveränderten distalen Bizepssehne nicht. Nach dem geschilderten Bewegungsablauf seien während des Hebevorgangs aber keine außergewöhnliche Bewegungseinflüsse oder Artefakte aufgetreten. Aus unfallchirurgischer und orthopädischer Sicht habe ein koordinierter, maximal konzentrierter und willentlich gesteuerter Bewegungsablauf vorgelegen. Grob mathematisch berechnet sei auf jeden Arbeiter eine Gewichtsbelastung von 30 kg entfallen. Gehe man davon aus, dass der Kläger einhändig gewichtsbelastend mit dem linken Arm tätig gewesen sei, entfalle eine maximale Belastung auf den linken Arm von 30 kg. Bei dem analysierten Bewegungsablauf habe die distale Bizepssehne beim Beugevorgang maximal 10 kg Belastung gehabt, da die distale Bizepssehne bei der Beugung des Ellbogengelenks mit maximal 30 % beteiligt sei. Die Belastung von 10 kg auf eine Sehne stelle keine als wesentlich zu beurteilende Ursache für eine Kontinuitätstrennung dar.
Zum dem Gutachten hat der Kläger eingewandt, der Sachverständige gehe von vorbestehenden Strukturveränderungen der Bizepssehne aus, die zu einer Minderung der Zugfestigkeit der Sehne führten. Es stelle sich die Frage, weshalb in dem Gutachten mehrfach von einer maximal vorgespannten distalen Bizepssehne ausgegangen werde; dies lasse sich nicht mit einer Vorschädigung in Einklang bringen. Im übrigen werde im Entlassungsbericht der BG-Klinik von einem Vorgang ohne vorgespannte Bizepssehne ausgegangen. Außerdem werde die Beweisfrage in der Beweisanordnung des Senats, ob die Vorschädigung so weit fortgeschritten war, dass sie auch ohne das Unfallereignis bei jedem alltäglich vorkommenden Ereignis eingetreten wäre, nicht eindeutig beantwortet. Zudem basierten die Ausführungen auf der rechnerisch gleichmäßigen Belastung. Eine Veränderung der Krafteinwirkung könne sich aber auch daraus ergeben, dass bei den vier tätig gewordenen Personen unterschiedliche Körpergrößen zu Unterschieden im Neigungswinkel der Glasplatte und damit zu einer höheren Kraftanstrengung geführt haben könnte. Die These einer Gelegenheitsursache sei durch die Ausführungen des Sachverständigen nicht verlässlich zu stützen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Der Senat hat die Verwaltungsakten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG auf Aufhebung der Bescheide und Verpflichtung der Beklagten, das Ereignis vom 18.01.20010 als Arbeitsunfall anzuerkennen (BSG, Urteile vom 18.01.2011. B 2 U 15/10 R , Breith 2011, 1008, juris und vom 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R -, juris) zulässig.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis dem Unfallereignis geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 B 2 U 1/05 R, SozR 4 2700 § 8 Nr, 17; B 2 U 40/05 R , UV Recht Aktuell 2006, 419; B 2 U 26/04 R , UV Recht Aktuell 2006, 497; alle auch veröffentlicht in Juris).
Der Senat trifft anhand der Angaben des Klägers im Erörterungstermin am 12.09.2011 die Feststellung, dass der Kläger mit 3 Helfern die 4 m x 90 cm umfassende, 120 kg schwere Glasscheibe in gebückter Haltung angehoben und anschließend aufrecht stehend die Scheibe gedreht hat, um sie auf das Dach der Pergola aufzubringen. Hierbei hatte er die zunächst aufgestellte Scheibe mit beiden Händen gehalten, mit der rechten Hand war die obere Kante und mit der linken Hand die untere Kante der Scheibe umfasst. Er stand außen an einer der Seiten. Das Anheben der Scheibe bis zur Höhe des Pergoladaches war dem Kläger ohne Probleme möglich. Beim Anwinkeln des linken Arms, um die Scheibe auf das Dach aufzulegen, verspürte der Kläger eine Funktionsminderung am linken Arm.
Ob bei diesem Sachverhalt nach der oben angeführten Legaldefinition des Unfalls ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis angenommen werden kann, lässt der Senat dahinstehen. Zwar hat der Senat bereits entschieden, dass die normale Fortbewegung zu Fuß ohne Hinzutreten sonstiger äußerer Einflüsse nicht das Merkmal eines von außen einwirkenden Ereignisses erfüllt, wenn es aufgrund einer anlagebedingten Gelenkinstabilität zum Umknicken im Sprunggelenk beim betrieblich bedingten Gehen kommt (Urteil vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 - , Juris, www.Sozialgerichtsbarkeit.de). Es spricht einiges dafür, dass hiervon auch dann auszugehen ist, wenn eine sonstige willentlich ausgeführte, betriebsbedingte Handhabung vorgenommen wird, die keine - gewollte oder durch die Umstände aufgezwungene - besondere Kraftentfaltung (was der Entscheidung des Bundessozialgerichts beim "Grabsteinurteil" aber zu Grunde lag) erfordert (vgl. hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - , Juris). Ob die Handhabung einer anteiligen Last von 30 kg (bei einem Gesamtgewicht von 120 kg) bereits eine besondere Kraftentfaltung in diesem Sinne darstellt und dadurch das vom Bundessozialgericht in teleologisch ausweitender Subsumtion der Legaldefinition umschriebene äußere Ereignis begründet, mag offen bleiben. Zu Gunsten des Klägers wird unterstellt, dass das auf die Armmuskulatur einwirkende Eigengewicht der Glasplatte das Tatbestandsmerkmal des von außen einwirkenden Ereignisses erfüllt.
Zur Überzeugung des Senats ist aber die haftungsbegründende Kausalität nicht gegeben, denn das unterstellte Unfallereignis war nicht wesentlich kausal für die eingetretene Bizepssehnenruptur.
Für beide Bereiche der Kausalität (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, SozR 4 2700 § 8 Nr. 12).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache erforderlich (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3 2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG SozR 4 2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.; SozR 2200 § 589 Nr. 96).
Gibt es neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war (BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO, SozR Nr. 69 zu § 542 RVO a.F.). Eine Krankheitsanlage war von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte (BSGE 62, 220 , 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10 S 30). War die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache (BSG Urteil vom 12.04.2005 B 2 U 27/04 R , SozR 4 2700 § 8 Nr. 15).
Ferner ist zu beachten, dass für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität die Wahrscheinlichkeit genügt, dass aber das Unfallereignis, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden müssen (BSG SozR 35670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN).
Nach diesen Grundsätzen ist zur vollen Überzeugung des Senats beim Kläger eine vorgeschädigte distale Bizepssehne am linken Arm nachgewiesen. Der Sachverständige Dr. L. hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass die aus dem pathologisch-histologischen Befund vom 01.02.2010 ersichtlichen Aufbraucherscheinungen auf degenerative Veränderungen der Bizepssehne schließen lassen, die nicht erst durch das unterstellte Unfallereignis am 18.01.2010 eingetreten sein können. Die vorbestehenden degenerativen Strukturveränderungen lassen nach den plausiblen Darlegungen des Sachverständigen auf eine Minderung der Zugfestigkeit und eine gewisse Rissbereitschaft der distalen Bizepssehne schließen. Entgegen der Auffassung des Klägers steht diese Schlussfolgerung nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen, dass bei der berücksichtigten Beugung des linken Ellbogengelenkes die distale Bizepssehne maximal gespannt war. Schließlich kam es bei dem angeschuldigten Ereignis ohne die aus unfallmedizinisch-traumatologischer Sicht übliche unerwartete Einwirkung auf einen physiologischen Bewegungsablauf zu dem Einriss, was die Elastizitätsminderung der Sehne belegt. Dass die Bizepssehne bei früheren vergleichbaren Hebevorgängen nicht gerissen ist, wie der Kläger geltend macht, widerlegt eine Vorschädigung nicht.
Die Vorschädigung und die - unterstellte - Unfalleinwirkung waren (Mit-)Ursachen der Bizeps-sehnenruptur im Sinne einer conditio sine qua non. Der Einwand der Beklagten, da die Zug- und Hebefestigkeit einer Sehne über der Kraftbildungsfähigkeit eines Muskels liege, könne eine Überlastung der Sehne nicht auftreten, trägt die Verneinung eines kausalen Zusammenhangs nicht. Dass der Hebevorgang einen Riss an einer gesunden Sehne nicht hätte hervorrufen können, ist nicht entscheidend.
Der Senat geht jedoch aufgrund des überzeugenden Gutachtens von Dr. L. in wertender Betrachtung davon aus, dass die Vorschädigung der linken distalen Bizepssehne des Klägers allein wesentliche Ursache für die Bizepssehnenruptur war, weil sie ein solches Ausmaß erreicht hatte, dass die Ruptur auch jederzeit bei einer Alltagsbelastung zu annähernd dem gleichen Zeitpunkt hätte auftreten können.
Zwar sind die dem Senat zugänglich gewesenen ärztlichen Befunde, insbesondere die beigezogenen bildgebenden Diagnosemittel, und die Hinweise aus dem Vorerkrankungsverzeichnis nicht so hinreichend spezifisch, dass sie dem Sachverständigen Dr. L. eine sichere Beurteilung des Ausmaßes der - nachgewiesenen - degenerativen Aufbraucherscheinungen der Bizepssehne erlaubt haben. Aber Art und Intensität der unfallbedingten Einwirkung lässt im Einzelfall nach dem medizinischen Erfahrungswissen eine hinreichende Umschreibung des Ausmaßes des zu beurteilenden Vorschadens zu. War die Unfalleinwirkung selbst ihrer Ausprägung und Art nach nicht besonders und unersetzlich, sondern erreichte nur die Intensität eines alltäglich vorkommenden Ereignisses, ist mit gutem Recht anzunehmen, dass die degenerative Vorschädigung in ihrer Ausprägung bereits so leicht ansprechbar war, dass eine rechtlich erhebliche unfallvorbestehende Sehnendegeneration im Sinne einer Gelegenheitsursache vorlag (vgl. zu dieser Voraussetzung Urteile des Senats vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11 - und vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 -, beide veröff. in sozialgerichtsbarkeit.de und Juris).
Maßgebend zur Bewertung einer Alltagsbelastung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht das Unfallereignis als solches (z. B. die Tatsache eines Sturzes etc.) bzw. der generell zum Tragen gekommene Kraftaufwand, sondern die Intensität der Einwirkungen auf das verletzte Organ (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. stellvertretend Urteil des Senats vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11 - , a.a.O.; so auch der 1. Senat des LSG Baden-Württemberg, vgl. Urteil vom 10.03.2008 - L 1 U 2511/07 -, veröffentlicht in Juris). Eine Alltagsbelastung ist nicht nach der individuellen Lebensführung des Versicherten zu beurteilen, sondern abstrakt danach, welche Verhaltensweisen in der Lebensführung in der Bevölkerung verbreitet vorzufinden sind und nach allgemeiner Anschauung als alltägliche, nur mäßiggradig belastende Verrichtungen gelten.
Dass das Unfallereignis in seiner Intensität der Einwirkung auf die Sehne nur das Ausmaß einer Alltagsbelastung erreichte, ergibt sich aus den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. L ... Der Sachverständige hat seiner Beurteilung den vom Senat festgestellten Sachverhalt zugrundegelegt. Danach ist von der Ruptur der distalen Bizepssehne in dem Moment auszugehen, in dem das linke Ellbogengelenk gebeugt wurde, um die Scheibe in die waagerechte Position zu drehen für die Auflage auf das Dach. Nachvollziehbar hat Dr. L. dargelegt, dass anatomisch die distale Bizepssehne in diesem Moment maximale Spannung aufwies. Weshalb die diagnostizierte Minderung der Zugfestigkeit dieser anatomisch-physiologischen Beschreibung entgegen stehen soll, ist nicht ersichtlich. Ein Widerspruch zu den Ausführungen im Arztbrief der BG-Klinik vom 02.02.2010, in dem auf einen Hergang ohne vorgespannte Sehne abgestellt wird, ist nicht zwingend abzuleiten, denn in den aktenkundigen Berichten der BG-Klinik ist nicht dargelegt, von welchem Bewegungsablauf zum Zeitpunkt der Sehnenruptur hierbei ausgegangen wurde. Es ist sogar nicht ausgeschlossen, dass der Kläger während der Behandlung in der BG-Klinik den Hergang mit einem anderen Verlauf geschildert hat. Immerhin hat der Kläger erst im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vor dem Senat offengelegt, dass er die Scheibe nicht allein angehoben hat. In der schriftlichen Antwort zur richterlichen Auflage vom 28.06.2011 ist er der Frage auf Beteiligung anderer ausgewichen. Letztlich ist auch nicht ersichtlich, worin der Kläger in dieser gutachtlichen Ausgangsbeschreibung einer gespannten Sehne eine ihn benachteiligende Fehlbewertung sieht, da Dr. L. damit die in der vorliegenden Fallkonstellation (ohne überraschende Einwirkung) für eine traumatisch bedingte Ruptur erforderliche Ausgangsposition beschreibt.
Überdies hat Dr. L. überzeugend dargelegt, dass der betriebsbedingte Vorgang der Scheibenmontage trotz dieser Ausgangsposition nicht wesentlich kausal für die Ruptur war. Der Kläger hat keine -nachvollziehbare- ungleiche Lastenverteilung geschildert, denn beim gleichzeitigen Anheben der Scheibe ist es belanglos, dass er nach seiner Behauptung im Erörterungstermin an der Seite mit dem weitesten Überstand der Scheibe auf den Unterleghölzern stand. Auch sonst war eine plötzliche, unerwartete zusätzliche Belastung der Sehne bei dem Arbeitsvorgang nicht aufgetreten. Die Scheibe drohte nicht zu kippen, weder durch Schwäche oder Unaufmerksamkeit der Helfer, noch ergaben sich andere unvorhergesehene Sehnenbelastungen durch zusätzliche Lasteinwirkungen auf die Arme, insbesondere sind unterschiedliche Körpergrößen nicht angegeben worden und spielen darüber hinaus auch keine Rolle. Zugunsten des Klägers hat Dr. L. den im Verhältnis zum Gesamtgewicht von 120 kg auf jeden Helfer entfallenden rechnerischen Anteil von 30 kg allein auf den linken Arm des Klägers bezogen, obwohl der Kläger die Scheibe beidhändig gedreht und das Lastgewicht sich auf beide Arme - möglicherweise nicht gleichmäßig - verteilt hat. Dr. L. führt aufgrund seiner Sachkunde aus, dass die distale Bizepssehne beim Beugen des Ellbogens nur mit 30% an der hierzu aufzuwendenden Muskelkraft beteiligt ist. Damit ist für den Senat überzeugend dargelegt, dass die linke distale Bizepssehne günstigenfalls mit ca. 10 kg bei der Armbeugung belastet war. Dies ist eine Belastung, die bei anderen Bewegungsabläufen mit Beteiligung der distalen Bizepssehne im Alltag auch vorkommt, denn Lastgewichte (z.B. Einkäufe, Getränkekiste etc.) oder sonstige Zugbelastungen (z.B. Bewegen eines Einkaufswagens) in dieser Größenordnung treten bei vielfältigen Gelegenheiten im Alltag auf.
Zu weiteren Ermittlungen sah sich der Senat nicht veranlasst, da Dr. L. den Sachverhalt erschöpfend erörtert und seine gutachtlichen Schlussfolgerungen nachvollziehbar begründet hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1966 geborene Kläger ist als Glaser beschäftigt. Am 18.01.2010 zog er sich eine Bizepssehnenruptur am linken Oberarm zu, als eine 120 kg schwere Sicherheitsglas-Scheibe auf das Dach einer Pergola montiert wurde.
In der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 25.01.2010 wurde angegeben, beim Anheben einer Glasscheibe sei die Sehne gerissen. Der am Unfalltag aufgesuchte Orthopäde B. diagnostizierte eine distale Bizepssehnenruptur links (H-Arzt-Bericht von Orthopäde B. vom 18.01.2010). Der arbeitsunfähige Kläger wurde stationär vom 26.01.2010 bis 03.02.2010 in der B. Unfallklinik L. (BG-Klinik) behandelt, wo am 27.01.2010 eine offene Refixation der Bizepssehne vorgenommen wurde (Berichte der BG-Klinik vom 25.01.2010 und 02.02.2010). Die bei der Operation entnommene Gewebeprobe wurde untersucht (Bericht des Instituts für Pathologie Klinikum L. vom 01.02.2010). Die BG-Klinik teilte in ihren Arztberichten mit, die Behandlung werde zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt, denn ein Sturzereignis oder ein sonstiger geeigneter Unfallmechanismus sei verneint worden. Aus ärztlicher Sicht habe es sich bei dem Anheben der 120 kg schweren Glasscheibe ohne vorgespannte Bizepssehne um eine Gelegenheitsursache gehandelt.
Mit Bescheid vom 31.03.2010 verneinte die Beklagte Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Ereignisses vom 18.01.2010 und lehnte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab. Der geschilderte Geschehensablauf sei nach medizinischen Erfahrungswerten nicht geeignet gewesen, eine Ruptur der Bizepssehne herbeizuführen.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Das Anheben einer 120 kg schweren Glasplatte stelle für sich betrachtet kein Ereignis dar, das das Maß alltäglicher Belastungen nicht überschreite. In dem hier interessierenden Bereich bestünden keinerlei gesundheitliche Vorschäden. Bei der Verrichtung von im Alltag üblichen Arbeiten komme es regelmäßig auch zum Anheben von Lasten im üblichen Umfang, wobei es in der Vergangenheit gerade nicht zu einer Bizepssehnenruptur gekommen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Beschwerden seien nach einer rein gewillkürten körpereigenen Bewegung aufgetreten, ohne dass ein plötzliches äußeres Ereignis mitgewirkt habe. Trete dennoch bei einem an sich ungeeigneten Hergang eine Schädigung an der Bizepssehne zutage, müsse deren Belastbarkeit infolge degenerativer Veränderungen deutlich herabgesetzt gewesen sein. Es habe bereits eine Krankheitsanlage vorgelegen, die auch ohne die berufliche Tätigkeit in naher Zukunft zu denselben Beschwerden geführt hätte.
Am 16.08.2010 erhob der Kläger vor dem Sozialgericht Mannheim Klage. Er begehrte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall, denn es sei zu bestreiten, dass es sich bei dem Anheben einer 120 kg schweren Glasplatte um einen das Maß alltäglicher Belastungen nicht überschreitenden Vorgang handele. Bis zu dem Vorfall seien keinerlei Beschwerden in diesem Bereich aufgetreten, er habe sich weder in ärztlicher Behandlung befunden noch gebe es sonstige Hinweise auf eine wie auch immer geartete Vorschädigung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei auch bei gewillkürten Handlungen die versicherte Tätigkeit wesentliche Mitursache neben konkurrierenden Ursachen, wie z.B. eine Krankheitsanlage, wenn die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung sei. Auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - ("Grabsteinurteil") werde verwiesen. Weitere Ermittlungen seien veranlasst.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Für die Zusammenhangsbeurteilung sei das Gewicht der Last nicht entscheidend, maßgebend sei die Kraft, die aufgrund der Muskelkontraktion auf die Sehne einwirke. Die Zug- und Hebefestigkeit einer Sehne liege über der Kraftbildungsfähigkeit eines Muskels. Sei die Last für den Muskel zu schwer, versage dieser. Eine Überlastung der Sehne könne nicht eintreten.
Mit Gerichtsbescheid vom 27.01.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Kläger habe willentlich und kontrolliert eine Last angehoben. Anhaltspunkte für eine äußere plötzlich auftretende Einwirkung seien nicht vorgetragen und ersichtlich. Ein plötzlicher Schmerz beim Anheben eines Gegenstandes ohne äußere Einwirkung sei nicht geeignet, einen unfallversicherungsrechtlich relevanten Unfallmechanismus darzustellen.
Gegen den dem Klägerbevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 02.02.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 02.03.2011 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er verweist erneut auf das "Grabsteinurteil" des Bundessozialgerichts, bei dem in Wahrheit gerade auch kein von außen einwirkendes Ereignis vorgelegen habe, sondern der Kläger im dortigen Verfahren habe versucht, einen festgefrorenen Grabstein anzuheben, was bei zutreffender Betrachtung keine Einwirkung im Sinne einer Handlung, sondern einen passiver Zustand einer Sache darstelle. Maßgebend sei, dass der Versicherte in Ausübung seiner Tätigkeit eine außergewöhnliche Kraftanstrengung unternehme und dabei einen Gesundheitsschaden erleide.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Januar 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Ereignis vom 18. Januar 2010 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihre angefochtenen Bescheide und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Der Senat hat den Operationsbericht der BG-Klinik vom 27.01.2010 sowie deren bildgebenden Diagnosemittel (auf CD-Datenträger gespeichert) beigezogen, Dr. Z. als Praxisnachfolger des den Kläger früher behandelnden Dr. K. zu der im Leistungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers angegebenen Arbeitsunfähigkeit im Juli 1987 unter der Diagnose "Tendopathie, Tendovaginitis" als Zeuge schriftlich gehört (Aussage vom 15.08.2011: keine Patientenunterlagen mehr vorhanden) und dem Kläger die Auflage erteilt (richterliche Verfügung vom 28.06.2011), die konkreten Umstände des streitigen Hebevorgangs vorzutragen.
Der Kläger hat sich über seinen Bevollmächtigten zur richterlichen Auflage schriftlich geäußert (Schriftsatz vom 09.08.2011). Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 12.09.2011 hat der Kläger ergänzend angegeben, die 4 m x 90 cm große, 120 kg schwere Sicherheitsglasscheibe sei zu viert von einem mit Holzböcken gebauten Gerüst aus auf das Dach der Pergola angehoben worden. Er habe ganz außen gestanden und mit dem linken Arm die Hochkant gestellte Scheibe unten gefasst. Das Anheben der Scheibe sei zunächst gut gegangen, solange der Arm noch nicht angewinkelt gewesen sei. Als dann der Arm gebeugt worden sei, um die Scheibe auf das Dach aufzulegen, habe er bemerkt, dass etwas passiert sei.
Der Senat hat von Amts wegen das Gutachten nach Aktenlage von Dr. L. vom 12.12.2011 eingeholt. Der Sachverständige hat darin ausgeführt, die Bizepssehne des Klägers sei bereits zum Zeitpunkt des Ereignisses am 18.01.2010 vorgeschädigt gewesen. Dies zeige die histologische Aufarbeitung der während der Operation entnommenen Probeexzision (pathologisch-histologischer Befundbericht vom 01.02.2010) mit Aufbraucherscheinungen, die über das altersentsprechende Maß deutlich hinausreichten. Die sonstigen aktenkundigen medizinischen Befunde, insbesondere die bildgebende Diagnostik der BG-Klinik beweise eine Rissbereitschaft der strukturveränderten distalen Bizepssehne nicht. Nach dem geschilderten Bewegungsablauf seien während des Hebevorgangs aber keine außergewöhnliche Bewegungseinflüsse oder Artefakte aufgetreten. Aus unfallchirurgischer und orthopädischer Sicht habe ein koordinierter, maximal konzentrierter und willentlich gesteuerter Bewegungsablauf vorgelegen. Grob mathematisch berechnet sei auf jeden Arbeiter eine Gewichtsbelastung von 30 kg entfallen. Gehe man davon aus, dass der Kläger einhändig gewichtsbelastend mit dem linken Arm tätig gewesen sei, entfalle eine maximale Belastung auf den linken Arm von 30 kg. Bei dem analysierten Bewegungsablauf habe die distale Bizepssehne beim Beugevorgang maximal 10 kg Belastung gehabt, da die distale Bizepssehne bei der Beugung des Ellbogengelenks mit maximal 30 % beteiligt sei. Die Belastung von 10 kg auf eine Sehne stelle keine als wesentlich zu beurteilende Ursache für eine Kontinuitätstrennung dar.
Zum dem Gutachten hat der Kläger eingewandt, der Sachverständige gehe von vorbestehenden Strukturveränderungen der Bizepssehne aus, die zu einer Minderung der Zugfestigkeit der Sehne führten. Es stelle sich die Frage, weshalb in dem Gutachten mehrfach von einer maximal vorgespannten distalen Bizepssehne ausgegangen werde; dies lasse sich nicht mit einer Vorschädigung in Einklang bringen. Im übrigen werde im Entlassungsbericht der BG-Klinik von einem Vorgang ohne vorgespannte Bizepssehne ausgegangen. Außerdem werde die Beweisfrage in der Beweisanordnung des Senats, ob die Vorschädigung so weit fortgeschritten war, dass sie auch ohne das Unfallereignis bei jedem alltäglich vorkommenden Ereignis eingetreten wäre, nicht eindeutig beantwortet. Zudem basierten die Ausführungen auf der rechnerisch gleichmäßigen Belastung. Eine Veränderung der Krafteinwirkung könne sich aber auch daraus ergeben, dass bei den vier tätig gewordenen Personen unterschiedliche Körpergrößen zu Unterschieden im Neigungswinkel der Glasplatte und damit zu einer höheren Kraftanstrengung geführt haben könnte. Die These einer Gelegenheitsursache sei durch die Ausführungen des Sachverständigen nicht verlässlich zu stützen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Der Senat hat die Verwaltungsakten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG auf Aufhebung der Bescheide und Verpflichtung der Beklagten, das Ereignis vom 18.01.20010 als Arbeitsunfall anzuerkennen (BSG, Urteile vom 18.01.2011. B 2 U 15/10 R , Breith 2011, 1008, juris und vom 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R -, juris) zulässig.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis dem Unfallereignis geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 B 2 U 1/05 R, SozR 4 2700 § 8 Nr, 17; B 2 U 40/05 R , UV Recht Aktuell 2006, 419; B 2 U 26/04 R , UV Recht Aktuell 2006, 497; alle auch veröffentlicht in Juris).
Der Senat trifft anhand der Angaben des Klägers im Erörterungstermin am 12.09.2011 die Feststellung, dass der Kläger mit 3 Helfern die 4 m x 90 cm umfassende, 120 kg schwere Glasscheibe in gebückter Haltung angehoben und anschließend aufrecht stehend die Scheibe gedreht hat, um sie auf das Dach der Pergola aufzubringen. Hierbei hatte er die zunächst aufgestellte Scheibe mit beiden Händen gehalten, mit der rechten Hand war die obere Kante und mit der linken Hand die untere Kante der Scheibe umfasst. Er stand außen an einer der Seiten. Das Anheben der Scheibe bis zur Höhe des Pergoladaches war dem Kläger ohne Probleme möglich. Beim Anwinkeln des linken Arms, um die Scheibe auf das Dach aufzulegen, verspürte der Kläger eine Funktionsminderung am linken Arm.
Ob bei diesem Sachverhalt nach der oben angeführten Legaldefinition des Unfalls ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis angenommen werden kann, lässt der Senat dahinstehen. Zwar hat der Senat bereits entschieden, dass die normale Fortbewegung zu Fuß ohne Hinzutreten sonstiger äußerer Einflüsse nicht das Merkmal eines von außen einwirkenden Ereignisses erfüllt, wenn es aufgrund einer anlagebedingten Gelenkinstabilität zum Umknicken im Sprunggelenk beim betrieblich bedingten Gehen kommt (Urteil vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 - , Juris, www.Sozialgerichtsbarkeit.de). Es spricht einiges dafür, dass hiervon auch dann auszugehen ist, wenn eine sonstige willentlich ausgeführte, betriebsbedingte Handhabung vorgenommen wird, die keine - gewollte oder durch die Umstände aufgezwungene - besondere Kraftentfaltung (was der Entscheidung des Bundessozialgerichts beim "Grabsteinurteil" aber zu Grunde lag) erfordert (vgl. hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - , Juris). Ob die Handhabung einer anteiligen Last von 30 kg (bei einem Gesamtgewicht von 120 kg) bereits eine besondere Kraftentfaltung in diesem Sinne darstellt und dadurch das vom Bundessozialgericht in teleologisch ausweitender Subsumtion der Legaldefinition umschriebene äußere Ereignis begründet, mag offen bleiben. Zu Gunsten des Klägers wird unterstellt, dass das auf die Armmuskulatur einwirkende Eigengewicht der Glasplatte das Tatbestandsmerkmal des von außen einwirkenden Ereignisses erfüllt.
Zur Überzeugung des Senats ist aber die haftungsbegründende Kausalität nicht gegeben, denn das unterstellte Unfallereignis war nicht wesentlich kausal für die eingetretene Bizepssehnenruptur.
Für beide Bereiche der Kausalität (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, SozR 4 2700 § 8 Nr. 12).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache erforderlich (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3 2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG SozR 4 2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.; SozR 2200 § 589 Nr. 96).
Gibt es neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war (BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO, SozR Nr. 69 zu § 542 RVO a.F.). Eine Krankheitsanlage war von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte (BSGE 62, 220 , 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10 S 30). War die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache (BSG Urteil vom 12.04.2005 B 2 U 27/04 R , SozR 4 2700 § 8 Nr. 15).
Ferner ist zu beachten, dass für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität die Wahrscheinlichkeit genügt, dass aber das Unfallereignis, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden müssen (BSG SozR 35670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN).
Nach diesen Grundsätzen ist zur vollen Überzeugung des Senats beim Kläger eine vorgeschädigte distale Bizepssehne am linken Arm nachgewiesen. Der Sachverständige Dr. L. hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass die aus dem pathologisch-histologischen Befund vom 01.02.2010 ersichtlichen Aufbraucherscheinungen auf degenerative Veränderungen der Bizepssehne schließen lassen, die nicht erst durch das unterstellte Unfallereignis am 18.01.2010 eingetreten sein können. Die vorbestehenden degenerativen Strukturveränderungen lassen nach den plausiblen Darlegungen des Sachverständigen auf eine Minderung der Zugfestigkeit und eine gewisse Rissbereitschaft der distalen Bizepssehne schließen. Entgegen der Auffassung des Klägers steht diese Schlussfolgerung nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen, dass bei der berücksichtigten Beugung des linken Ellbogengelenkes die distale Bizepssehne maximal gespannt war. Schließlich kam es bei dem angeschuldigten Ereignis ohne die aus unfallmedizinisch-traumatologischer Sicht übliche unerwartete Einwirkung auf einen physiologischen Bewegungsablauf zu dem Einriss, was die Elastizitätsminderung der Sehne belegt. Dass die Bizepssehne bei früheren vergleichbaren Hebevorgängen nicht gerissen ist, wie der Kläger geltend macht, widerlegt eine Vorschädigung nicht.
Die Vorschädigung und die - unterstellte - Unfalleinwirkung waren (Mit-)Ursachen der Bizeps-sehnenruptur im Sinne einer conditio sine qua non. Der Einwand der Beklagten, da die Zug- und Hebefestigkeit einer Sehne über der Kraftbildungsfähigkeit eines Muskels liege, könne eine Überlastung der Sehne nicht auftreten, trägt die Verneinung eines kausalen Zusammenhangs nicht. Dass der Hebevorgang einen Riss an einer gesunden Sehne nicht hätte hervorrufen können, ist nicht entscheidend.
Der Senat geht jedoch aufgrund des überzeugenden Gutachtens von Dr. L. in wertender Betrachtung davon aus, dass die Vorschädigung der linken distalen Bizepssehne des Klägers allein wesentliche Ursache für die Bizepssehnenruptur war, weil sie ein solches Ausmaß erreicht hatte, dass die Ruptur auch jederzeit bei einer Alltagsbelastung zu annähernd dem gleichen Zeitpunkt hätte auftreten können.
Zwar sind die dem Senat zugänglich gewesenen ärztlichen Befunde, insbesondere die beigezogenen bildgebenden Diagnosemittel, und die Hinweise aus dem Vorerkrankungsverzeichnis nicht so hinreichend spezifisch, dass sie dem Sachverständigen Dr. L. eine sichere Beurteilung des Ausmaßes der - nachgewiesenen - degenerativen Aufbraucherscheinungen der Bizepssehne erlaubt haben. Aber Art und Intensität der unfallbedingten Einwirkung lässt im Einzelfall nach dem medizinischen Erfahrungswissen eine hinreichende Umschreibung des Ausmaßes des zu beurteilenden Vorschadens zu. War die Unfalleinwirkung selbst ihrer Ausprägung und Art nach nicht besonders und unersetzlich, sondern erreichte nur die Intensität eines alltäglich vorkommenden Ereignisses, ist mit gutem Recht anzunehmen, dass die degenerative Vorschädigung in ihrer Ausprägung bereits so leicht ansprechbar war, dass eine rechtlich erhebliche unfallvorbestehende Sehnendegeneration im Sinne einer Gelegenheitsursache vorlag (vgl. zu dieser Voraussetzung Urteile des Senats vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11 - und vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 -, beide veröff. in sozialgerichtsbarkeit.de und Juris).
Maßgebend zur Bewertung einer Alltagsbelastung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht das Unfallereignis als solches (z. B. die Tatsache eines Sturzes etc.) bzw. der generell zum Tragen gekommene Kraftaufwand, sondern die Intensität der Einwirkungen auf das verletzte Organ (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. stellvertretend Urteil des Senats vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11 - , a.a.O.; so auch der 1. Senat des LSG Baden-Württemberg, vgl. Urteil vom 10.03.2008 - L 1 U 2511/07 -, veröffentlicht in Juris). Eine Alltagsbelastung ist nicht nach der individuellen Lebensführung des Versicherten zu beurteilen, sondern abstrakt danach, welche Verhaltensweisen in der Lebensführung in der Bevölkerung verbreitet vorzufinden sind und nach allgemeiner Anschauung als alltägliche, nur mäßiggradig belastende Verrichtungen gelten.
Dass das Unfallereignis in seiner Intensität der Einwirkung auf die Sehne nur das Ausmaß einer Alltagsbelastung erreichte, ergibt sich aus den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. L ... Der Sachverständige hat seiner Beurteilung den vom Senat festgestellten Sachverhalt zugrundegelegt. Danach ist von der Ruptur der distalen Bizepssehne in dem Moment auszugehen, in dem das linke Ellbogengelenk gebeugt wurde, um die Scheibe in die waagerechte Position zu drehen für die Auflage auf das Dach. Nachvollziehbar hat Dr. L. dargelegt, dass anatomisch die distale Bizepssehne in diesem Moment maximale Spannung aufwies. Weshalb die diagnostizierte Minderung der Zugfestigkeit dieser anatomisch-physiologischen Beschreibung entgegen stehen soll, ist nicht ersichtlich. Ein Widerspruch zu den Ausführungen im Arztbrief der BG-Klinik vom 02.02.2010, in dem auf einen Hergang ohne vorgespannte Sehne abgestellt wird, ist nicht zwingend abzuleiten, denn in den aktenkundigen Berichten der BG-Klinik ist nicht dargelegt, von welchem Bewegungsablauf zum Zeitpunkt der Sehnenruptur hierbei ausgegangen wurde. Es ist sogar nicht ausgeschlossen, dass der Kläger während der Behandlung in der BG-Klinik den Hergang mit einem anderen Verlauf geschildert hat. Immerhin hat der Kläger erst im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vor dem Senat offengelegt, dass er die Scheibe nicht allein angehoben hat. In der schriftlichen Antwort zur richterlichen Auflage vom 28.06.2011 ist er der Frage auf Beteiligung anderer ausgewichen. Letztlich ist auch nicht ersichtlich, worin der Kläger in dieser gutachtlichen Ausgangsbeschreibung einer gespannten Sehne eine ihn benachteiligende Fehlbewertung sieht, da Dr. L. damit die in der vorliegenden Fallkonstellation (ohne überraschende Einwirkung) für eine traumatisch bedingte Ruptur erforderliche Ausgangsposition beschreibt.
Überdies hat Dr. L. überzeugend dargelegt, dass der betriebsbedingte Vorgang der Scheibenmontage trotz dieser Ausgangsposition nicht wesentlich kausal für die Ruptur war. Der Kläger hat keine -nachvollziehbare- ungleiche Lastenverteilung geschildert, denn beim gleichzeitigen Anheben der Scheibe ist es belanglos, dass er nach seiner Behauptung im Erörterungstermin an der Seite mit dem weitesten Überstand der Scheibe auf den Unterleghölzern stand. Auch sonst war eine plötzliche, unerwartete zusätzliche Belastung der Sehne bei dem Arbeitsvorgang nicht aufgetreten. Die Scheibe drohte nicht zu kippen, weder durch Schwäche oder Unaufmerksamkeit der Helfer, noch ergaben sich andere unvorhergesehene Sehnenbelastungen durch zusätzliche Lasteinwirkungen auf die Arme, insbesondere sind unterschiedliche Körpergrößen nicht angegeben worden und spielen darüber hinaus auch keine Rolle. Zugunsten des Klägers hat Dr. L. den im Verhältnis zum Gesamtgewicht von 120 kg auf jeden Helfer entfallenden rechnerischen Anteil von 30 kg allein auf den linken Arm des Klägers bezogen, obwohl der Kläger die Scheibe beidhändig gedreht und das Lastgewicht sich auf beide Arme - möglicherweise nicht gleichmäßig - verteilt hat. Dr. L. führt aufgrund seiner Sachkunde aus, dass die distale Bizepssehne beim Beugen des Ellbogens nur mit 30% an der hierzu aufzuwendenden Muskelkraft beteiligt ist. Damit ist für den Senat überzeugend dargelegt, dass die linke distale Bizepssehne günstigenfalls mit ca. 10 kg bei der Armbeugung belastet war. Dies ist eine Belastung, die bei anderen Bewegungsabläufen mit Beteiligung der distalen Bizepssehne im Alltag auch vorkommt, denn Lastgewichte (z.B. Einkäufe, Getränkekiste etc.) oder sonstige Zugbelastungen (z.B. Bewegen eines Einkaufswagens) in dieser Größenordnung treten bei vielfältigen Gelegenheiten im Alltag auf.
Zu weiteren Ermittlungen sah sich der Senat nicht veranlasst, da Dr. L. den Sachverhalt erschöpfend erörtert und seine gutachtlichen Schlussfolgerungen nachvollziehbar begründet hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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