L 6 U 3472/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 137/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3472/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).

Der 1950 geborene Kläger verunfallte am 13.03.2006 während seiner beruflichen Tätigkeit als Maurermeister, indem er ca. 4,50 m tief von einer Leiter auf eine Kante stürzte. Dabei zog er sich u. a. eine Beckenlängsfraktur rechts und knöcherne Absprengungen an der rechten Schultergräte zu. Anschließend wurde der Kläger bis zum 20.03.2006 in der Unfall-Wiederherstellungs-Chirurgie des Klinikums L.-E., bis zum 21.04.2006 im Department Orthopädie und Traumatologie des Universitätsklinikums F., bis zum 23.05.2006 in der Orthopädischen Abteilung der B.-Klinik Ü. am B., im Mai/Juni 2006 in der Universitätsklinik F. und vom 13.07.2006 bis zum 10.08.2006 erneut in der B.-Klinik Ü. stationär behandelt. Im Rahmen dieser Behandlungen erfolgten am 27.03.2006 eine offene Reposition über Kocher-Langenbeck-Zugang und Stabilisierung mittels Platten- und Schraubenostesynthese in der rechten Hüfte, am 07.04.2006 eine chirurgische Wundtoilette und Hämatomausräumung am Gesäß, am 24.05.2006 eine offene chirurgische Refixation und Plastik am Kapselbandapparat des rechten Schultergelenks, eine Rekonstruktion der Rotatorenmanschette durch Naht (Reinsertion Subscapularissehne) und Sehnenverlagerung (Reinsertion der Supra- und Infraspinatussehne) sowie am 02.06.2006 eine athroskopische Spülung der rechten Schulter. Die ambulante Weiterbehandlung fand ab 11.08.2006 in der Universitätsklink F. statt.

Die Beklagte ließ den Kläger untersuchen und begutachten. Der Orthopäde Dr. H. führte in seinem Gutachten vom 24.07.2007 aus, als wesentliche Unfallfolgen lägen ein Zustand nach Beckenlängsfraktur rechts mit Osteosynthese und beginnender sekundärer Coxarthrose, eine Kontusionsverletzung der rechten Schulter, eine Kontinuitätsunterbrechung der Supraspinatus-, Infraspinatus- und Subscapularissehne sowie eine Luxation der langen Bizepssehne rechts mit Pulleyläsion mit operativer Versorgung, Ausräumung eines Wundinfekts und einem anhaltenden Funktionsdefizit der rechten Schulter sowie eine Bein-Längen-Differenz vor. Der Gutachter schätzte die MdE mit 30 vom Hundert (v. H.) ein.

Mit Bescheid vom 29.08.2007 stellte die Beklagte als Unfallfolgen eine Bewegungseinschränkung der rechten Schulter mit Ruhe- und Belastungsbeschwerden nach komplettem Abriss aller Sehnen der Rotatorenmanschette mit Luxation der langen Bizepssehne sowie knöcherner Absprengung am äußeren Ende der Schultergräte, eine Bewegungseinschränkung der rechten Hüfte mit Gangstörung, belastungsabhängigen Beschwerden, einer Beinverkürzung nach knöchern verheiltem Bruch des hinteren Beckenrings, einem Querbruch der Hüftgelenkspfanne und einem Abrissbruch des äußeren Rollhügels des Oberschenkelknochens mit noch einliegendem Metall sowie Empfindungsstörungen im Versorgungsgebiet des Nervus ulnaris nach Druckschädigung im Bereich des Ellenbogens fest und bewilligte eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 30 v. H. ab 12.04.2007.

Hiergegen legte der Kläger am 12.09.2007 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 14.01.2008 Klage beim Sozialgericht Konstanz erhoben.

Das Sozialgericht hat die im Rahmen der Heilbehandlung des Klägers angefallenen ärztlichen Unterlagen beigezogen. Sodann hat das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Chirurgen Prof. Dr. Sp., Chirurgische Universitätsklinik U., vom 21.08.2008 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, der Kläger habe sich unfallbedingt einen Beckenlängsbruch rechts mit Beteiligung des rechten Hüftgelenks zugezogen. Infolge dessen zeige sich nun eine Verschiebung der rechten Beckenhälfte nach oben, eine mäßige Bewegungseinschränkung im rechten Hüftgelenk sowie eine Gang- und Standbehinderung rechts, welche auf die in Fehlstellung verheilte Beckenfraktur rechts zurückzuführen sei. Die Bewegungseinschränkung im rechten Hüftgelenk sei nur verhältnismäßig gering. Die MdE wegen der Beckenfraktur bei bestehendem Vorschaden aus dem Jahr 1988 (weitgehende Versteifung der Schambeinfuge und Beinschwellung links) sei mit 20 v. H. einzuschätzen. Unfallunabhängig liege eine knöcherne Versteifung der Schambeinfuge vor, was sich aber auf das Gangbild und auf die Schmerzen im rechten Beckenbereich nur verhältnismäßig gering auswirke. Ferner habe sich der Kläger unfallbedingt an der rechten Schulter eine Verletzung des Kapselbandapparates zugezogen. Infolge dessen bestehe nun eine erhebliche Bewegungseinschränkung der rechten Schulter für alle Bewegungsqualitäten. Der Arm könne nicht bis zum rechten Winkel oder darüber hinaus gehoben werden. Nacken- und Kreuzgriff seien eingeschränkt. Die MdE wegen des Schulterschadens rechts sei auf 20 v. H. einzuschätzen. Die Gesamt-MdE betrage 35 v. H., wobei auf die ungünstige Wechselwirkung des Schulterschadens rechts und des Beinschadens rechts Rücksicht genommen werde.

Hierzu hat die Chirurgin Dr. K. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30.11.2008 ausgeführt, die von Prof. Dr. Sp. eingeschätzte MdE um 20 v. H. für das rechte Bein sei nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige habe eine verschobene Beckenfraktur angegeben, ohne dargelegt zu haben, um wie viele Zentimeter die rechte Beckenhälfte höher liege. Im Röntgenbefund des Radiologen werde demgegenüber von einem weitgehend symmetrischen Beckenring berichtet, was sich widerspreche. Zwecks Objektivierung sei eine Einsichtnahme in die Röntgenaufnahme erforderlich, da schon eine ältere unfallunabhängige Verletzung des rechten Beckens vorgelegen habe. Der Gesundheitsschaden der rechten Hüfte sei angesichts der nur minimalen endgradigen Einschränkung mit einer MdE von unter 10 v. H. zu bewerten. Eine Wechselwirkung zwischen den Beeinträchtigungen der rechten Schulter und des rechten Beines gebe es kaum. Das wäre nur denkbar, wenn der Kläger dauerhaft an Gehstöcken gehen müsse, dies auf Grund der Schulterverletzung nicht könne und deshalb rollstuhlpflichtig würde. Auffällig sei auch, dass sich die Schulterbeweglichkeit beidseits gegenüber der Vorbegutachtung erheblich verschlechtert habe.

Nach Vorlage der Röntgenaufnahmen hat Dr. K. in ihrer ergänzenden beratungsärztlichen Stellungnahme vom 03.02.2009 ausgeführt, in den Unfallaufnahmen sei keine große Verschiebung des Beckens erkennbar. In den aktuellen Aufnahmen des Beckens zeige sich eine leichte Verschiebung der rechten Beckenhälfte nach cranial. Dies wirke sich unter anderem in der relativen Beinverkürzung aus und sei bei der MdE-Einschätzung von 30 v. H. bereits berücksichtigt. Nach den Röntgenaufnahmen beider Schultern lägen eine mäßige Acromioclavicular-Arthrose beidseits und eine beginnende Omarthrose beidseits bei unruhiger Kontur des Pfannenrandes und leicht vermehrter subchondraler Sklerosierung vor. Ein wesentlicher Seitenunterschied sei daher nicht erkennbar. Eine Gesamt-MdE um 30 v. H. sei daher gerechtfertigt.

Mit Bescheid vom 17.02.2009 hat die Beklagte als Unfallfolgen eine Bewegungseinschränkung der rechten Schulter mit Belastungsbeschwerden, eine endgradige Bewegungseinschränkung der rechten Hüfte mit Gangstörung, belastungsabhängigen Beschwerden und einer Beinverkürzung bei leichter Verschiebung der rechten Beckenhälfte mit noch einliegendem Material sowie Empfindungsstörungen im Versorgungsgebiet des Ellennervs festgestellt. Sie bewilligte eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 30 v. H.

Prof. Dr. Sp. hat in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 17.03.2009 dargelegt, er habe die MdE mit 35 v. H. eingeschätzt, da Funktionsausfälle an beiden Gelenken den Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt stärker behinderten, als wenn nur eines der beiden Gelenke verletzt worden wäre. Eine gewisse Wechselwirkung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zwischen den Schäden an der rechten Schulter und an der rechten Hüfte sei nicht von der Hand zu weisen. Nach erneuter Durchsicht der Röntgenaufnahmen vom 21.08.2008 sei er zu der Überzeugung gelangt, dass der klinisch und auch radiologisch festgestellte Hochstand sowie die Asymmetrie des rechten Beckeneingangs mit hoher Wahrscheinlichkeit unfallbedingt seien. Der Hochstand der rechten Beckenhälfte gegenüber links betrage etwa 1 cm und habe eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der rechten Hüfte zur Folge, welche zu einer Verschmächtigung am rechten Oberschenkel von 4 cm und an der rechten Wade von 3 cm geführt habe. Möglicherweise sei dies dadurch erklärbar, dass die Umfangsdifferenz auf einer Venenerkrankung des linken Beines beruhe. Diese sei jedoch nicht aktenkundig. Die Gang- und Standbeschwerden in der rechten Hüfte und die Beinverkürzung rechts um 2 cm seien unfallbedingt. Es verbleibe daher bei seiner Einschätzung, dass die Gesamt-MdE 30 v. H. betrage. Er sehe jedoch eine Wechselwirkung zwischen rechtem Schultergelenk und rechtem Bein auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Es sei dem Sozialgericht überlassen, ob die MdE mit 35 v. H. zutreffend bewertet sei. Bei Übersendung der Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 1988 und vom Unfalltag werde es ihm möglich sein, festzustellen, ob die von Dr. K. erhobenen Einwände zuträfen.

Hierauf ließ der Kläger mitteilen, dass im Städtischen Krankenhaus Ü. keine Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 1988 mehr vorhanden seien.

In seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 30.11.2009 hat Prof. Dr. Sp. ausgeführt, nachdem ihm die Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 1988 und vom Unfalltag nicht übersandt worden seien, verbleibe er dabei, die MdE wegen der Unfallfolgen mit 30 v. H. einzuschätzen.

Mit Urteil vom 16.06.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, angesichts der von Prof. Dr. Sp. dargelegten Bewegungsmaße sei es angemessen, die MdE für die rechte Schulter und für die rechte Hüfte mit jeweils 20 v. H. einzuschätzen. Hieraus ergebe sich eine Gesamt-MdE um 30 v. H. ab 12.04.2007. Die ursprünglich von Prof. Dr. Sp. vorgeschlagene Gesamt-MdE um 35 v. H. sei nicht zutreffend, da eine wesentliche negative wechselseitige Beeinflussung der Unfallfolgen an der Schulter und am Becken nicht erkennbar sei. Die Einschränkungen an der Hüfte seien nicht so stark ausgeprägt, dass bei der Fortbewegung eine Unterstützung durch die Arme erforderlich werde.

Gegen das Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 23.07.2010 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, das Zusammenwirken beider Beeinträchtigungen führe dazu, dass er die von Prof. Dr. Sp. festgestellte Gang- und Standbehinderung auf der rechten Seite nicht in ausreichendem Maße durch die erforderliche Zuhilfenahme eines Gehstocks kompensieren könne. Das Gangbild sei gestört und stark verlangsamt, so dass nach wie vor ein Gehstock benötigt werde.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16. Juni 2010 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 29. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 vom Hundert ab 12. April 2007 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Orthopäden Dr. R. vom 05.08.2011 eingeholt. Der Sachverständige hat als Unfallfolgen eine Schulterarthrose und Schultereckgelenksarthrose rechts mit Riss beziehungsweise Verletzung vermutlich aller vier Sehnen der Rotatorenmanschette und der langen Bizepssehne und dadurch bedingter, massiver Funktionseinschränkung der rechten Schulter bei Zustand nach einer Operation und Revision wegen Infekts, eine Schädigung des Ellennervs rechts, einen Zustand nach Bruch der Hüftgelenkspfanne und der Oberschenkelregion rechts bei Zustand nach einer Osteosynthese, einer Revision und dadurch bedingter Hüftarthrose rechts sowie eine Muskelminderung des gesamten rechten Beines mit dadurch bedingter Schwäche im rechten Bein beschrieben. Der Sachverständige hat ferner ausgeführt, die deutliche Stand- und Gangunsicherheit durch die Schädigung der unteren Extremität rechts könne nicht ausreichend durch eine einwandfreie Benutzung von Gehhilfen auf der gleichen Seite kompensiert werden. Eine funktionsanalytische Betrachtungsweise sei daher nicht ausreichend. Ferner sei es seit der Begutachtung durch Prof. Dr. Sp. zu einer Verschlechterung der Hüftbeweglichkeit gekommen. Ein weiterer wesentlicher Aspekt liege darin, dass der Kläger zwar eine nur mäßige Einschränkung der Hüftgelenksbeweglichkeit im Liegen habe, jedoch eine massive Gangstörung und Gangunsicherheit auf Grund der Hüftschädigung und Muskelminderung rechts aufweise. Ohne eine Gehhilfe könne er nicht sicher gehen beziehungsweise stehen. Die Muskelminderung sei mit einem Differenzwert von bis zu 4,5 cm sehr stark ausgeprägt. Hinsichtlich des Schadens im rechten Becken hat der Sachverständige dargelegt, röntgenologisch zeigten sich eine massive Verschmälerung des Gelenkspaltes und starke Verkalkungen der gelenkumfassenden Muskulatur. Wegen der deutlichen Seitendifferenz des Beckens beziehungsweise der Beine sowie der deutlichen Gang- und Standunsicherheit sei die MdE für das rechte Bein mit 30 v. H. zu bewerten. Die MdE für die rechte Schulter betrage 20 v. H.

Die Beklagte hat eingewandt, die von Dr. R. beschriebene Gangunsicherheit und Gangstörung sei angesichts der vorliegenden objektivierbaren Befunden, nach denen im rechten Hüftgelenk lediglich eine geringfügige Bewegungseinschränkung vorliege, nicht nachzuvollziehen. Das stünde im Gegensatz zu den Feststellungen der Vorgutachter, nach denen die Einschränkungen im Bereich der Hüfte nicht so stark gewesen seien, dass bei der Fortbewegung eine Unterstützung durch die Arme in Form von Gehhilfen erforderlich sei. Ferner setze nach der Gutachtensliteratur eine MdE um 30 v. H. Bewegungseinschränkungen um die Hälfte sowie eine Verkürzung des Beines um 1 bis 1,5 cm voraus. Beim Kläger liege aber eine geringfügige Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten Hüftgelenks und keine Beinverkürzung vor. Auch die Verschlechterung der Beweglichkeit sei nicht nachvollziehbar.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist unbegründet.

Neben dem angegriffenen Bescheid vom 29.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2007 ist gemäß § 96 SGG auch der Bescheid vom 17.02.2009 Streitgegenstand des Verfahrens.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente nach einer höheren MdE als 30 v. H.

Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 7, 8 und 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach sind Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), das heißt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 2 Satz 2 SGB VII).

Zunächst bedingt die als Unfallfolge festgestellte Bewegungseinschränkung der rechten Schulter mit Belastungsbeschwerden unstreitig eine Einzel-MdE um 20 v. H.

Nach der unfallmedizinischen Fachliteratur hängt bei Schulterverletzungen die MdE vom Grad der Funktionseinschränkung ab. Bei freier Rotation beträgt bei einer Bewegungseinschränkung vorwärts/seitwärts bis 120 Grad die MdE 10 v. H. und bei einer Bewegungseinschränkung vorwärts/seitwärts bis 90 Grad die MdE 20 v. H. Eine MdE um mindestens 30 v. H. setzt eine Schultergelenksversteifung oder eine Muskellähmung voraus (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Nr. 8.4.7 [S. 523]). Hierzu hat Prof. Dr. Sp. eine Hebung der rechten Schulter nach vorn um 90 Grad aktiv und 110 Grad passiv erhoben. Er hat daher auch für den Senat überzeugend die Einzel-MdE hierfür mit 20 v. H. eingeschätzt. Dies korrespondiert auch in etwa mit dem von Dr. R. in seinem Gutachten angegebenen Bewegungsmaß von 70-0-20 Grad bei der Vor-/Rückneigung des rechten Schultergelenks, der ebenfalls eine MdE von 20 v. H. für ausreichend erachtet hat.

Die im Vordergrund des klägerischen Begehrens stehende, als Unfallfolge festgestellte Bewegungseinschränkung der rechten Hüfte mit Gangstörung, belastungsabhängigen Beschwerden und einer Beinverkürzung bei Verschiebung der rechten Beckenhälfte mit noch einliegendem Material bedingt zur Überzeugung des Senats ebenfalls eine Einzel-MdE um 20 v. H.

Nach der unfallmedizinischen Fachliteratur hängt bei Spätfolgen von Brüchen im Bereich des Beckens, Hüftgelenks und Oberschenkelhalses die MdE vom Grad der Funktionseinschränkung ab. Bei leichten Auswirkungen, mit geringer Verschmälerung des Gelenkspaltes und subchondraler Sklerosierung des Pfannendaches ohne Bewegungseinschränkung und ohne Muskelminderung des Beines beträgt die MdE 0 v. H. Bei deutlichen Auswirkungen, mit Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk von 30 bis 50 Grad, Muskelminderung von mehr als 2 cm, leichter Gangbehinderung, beträgt die MdE 20 v. H. Nur bei einer deutlichen Verschmälerung des Gelenkspaltes, Randwulstbildungen am Oberschenkelkopf, Bewegungseinschränkungen um die Hälfte, Muskelminderung des Beines von mehr als 3 cm, Gangbehinderung und Verkürzung des Beines um 1 bis 1,5 cm ist mit einer MdE 30 v. H. Rechnung zu tragen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Nr. 8.8.5.3.4 [S. 584]).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erreichen die in beiden Gutachten dargelegten Befunde die Gesundheitsstörungen und Funktionseinschränkungen im Bereich der rechten unteren Extremität kein Ausmaß, das eine Einzel-MdE um 30 v. H. rechtfertigen würde. Selbst bei Unterstellung, dass eine deutliche Verschmälerung des Gelenkspaltes sowie Randwulstbildungen am Oberschenkelkopf vorliegen, und unter Berücksichtigung der von Prof. Dr. Sp. und Dr. R. gemessenen Muskelminderung des Beines von mehr als 3 cm sowie der ebenfalls von beiden Sachverständigen beschriebenen Gangbehinderung fehlt es an der für die Annahme einer MdE um 30 v. H. erforderlichen Bewegungseinschränkung um die Hälfte. Prof. Dr. Sp. hat nämlich Bewegungsmaße im Bereich der rechten Hüfte bei der Streckung/Beugung von 0-0-120 Grad rechts gegenüber 0-0-130 Grad links, bei der Drehung von 20-0-40 Grad rechts gegenüber 30-0-45 Grad links und eine Abspreizung von bis zu 30 Grad beidseits angegeben. Mithin handelt es sich vorliegend um eine Bewegungseinschränkung im Bereich der rechten Hüfte von 10 Grad und damit nicht um die von der Gutachtensliteratur geforderte Bewegungseinschränkung um die Hälfte.

Aus den von Dr. R. in seinem Gutachten dargelegten Bewegungsmaßen ergibt sich nichts wesentlich anderes. So hat er im Bereich der rechten Hüfte Bewegungsmaße bei der Streckung/Beugung von 0-0-100 Grad rechts gegenüber 0-0-110 Grad links, bei der Drehung von 30-0-35 Grad rechts gegenüber 35-0-45 Grad links und eine Abspreizung zwischen 20 und 40 beidseits und mithin eine Bewegungseinschränkung von ebenfalls 10 Grad angegeben. Das spricht auch aus Sicht des Senats gegen die vom Sachverständigen angenommene richtungsweisende Verschlimmerung der Unfallfolgen.

Nach der Überzeugung des Senats handelt es sich bei der in der Gutachtensliteratur angegebenen Bewegungseinschränkung um die Hälfte aber um eine zwingend zu erfüllende Voraussetzung für eine MdE um mindestens 30 v. H. Dies folgt aus dem Umstand, dass es bei der Feststellung der Auswirkungen von unfallbedingten Gesundheitsstörungen auf die Erwerbsfähigkeit maßgeblich auf die hieraus resultierenden Funktionseinschränkungen ankommt. Dies zu objektivieren, gelingt durch die Messung der Beweglichkeit der Gliedmaßen und hat daher für den Senat entscheidende Bedeutung. Da mithin eines der nach der Gutachtensliteratur geforderten, eine MdE um 30 v. H. rechtfertigenden, kumulativ zu erfüllenden Merkmale beim Kläger nicht gegeben ist, kann es dahingestellt bleiben, ob auch die in der Gutachtensliteratur geforderte, hier von Prof. Dr. Sp. wohl mit einer Verschiebung der Beckenhälfte nach oben umschriebene, aber von Dr. R. nicht angegebene und von Dr. K. bezweifelte Verkürzung des Beines um 1 bis 1,5 cm vorliegt.

Die als Unfallfolge festgestellten Empfindungsstörungen im Versorgungsgebiet des Ellennervs rechtfertigt keine eigenständige MdE. Hieraus resultierende Funktionseinschränkungen sind nicht aktenkundig.

Aus den beiden Einzel-MdE-Werten von jeweils 20 resultiert eine Gesamt-MdE um 30 v. H. Denn die einzelnen MdE-Werte sind grundsätzlich nicht schematisch zusammenzurechnen. Vielmehr ist eine integrierende Gesamtschau der Gesamteinwirkungen aller Funktionseinschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit entscheidend (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Nr. 3.6.3 [S. 103]). Die von Prof. Dr. Sp. vorgeschlagene Gesamt-MdE von 35 v. H. oder die gar von Dr. R. angenommene Gesamt-MdE von 40 v. H. lässt sich daher nicht rechtfertigen. Die von Prof. Dr. Sp. ins Feld geführte ungünstige Wechselwirkung des Schulterschadens und des Beinschadens sieht der Senat nicht. Während der Sachverständige die von ihm angenommene Wechselwirkung weder in seinem Gutachten noch in seiner gutachtlichen Stellungnahme argumentativ begründet hat, hat Dr. K. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme zutreffend dargelegt, dass eine solche Wechselwirkung denkbar wäre, wenn ein unfallbedingt erforderliches Benutzen von Gehstöcken unfallbedingt nicht möglich wäre und daher zur Rollstuhlpflicht führen würde. Dies oder eine sonstige Gesamt-MdE-relevante Wechselwirkung ist aber vorliegend nicht gegeben. So hat der Kläger beispielsweise gegenüber Prof. Dr. Sp. angegeben, dass er für kurze Wegstrecken keinen Handstock benutze und er unter Zuhilfenahme eines Handstocks den ganzen Tag gehen könne.

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf eine höhere Verletztenrente.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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