Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 1035/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4323/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18.08.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Erkrankung des Klägers an der Lunge als Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) festzustellen ist und ihm deswegen Entschädigungsleistungen, insbesondere Verletztenrente, zustehen.
Der 1927 geborene Kläger war eigenen Angaben zufolge von Februar 1961 bis Juli 1963 bei der früheren Firma M. K., jetzt p. k. GmbH und Co. KG, als Arbeiter beschäftigt, wo er nach seinen Angaben asbesthaltige Pulver, Faserstoffe verarbeitete und Materialbrocken und Materialplatten zertrümmerte. Der Kläger wurde vom 04.11. bis 28.11.2008 in der Klinik L. stationär behandelt, wo unter anderem eine asbestassoziierte Pleuritis mit pulmonaler Fibrose rechts diagnostiziert wurde (Entlassungsbericht der Klinik L. vom 27.11.2008). Der Kläger wurde erneut vom 07.12. bis 16.12.2008 im Klinikum S. G. stationär behandelt wegen Beschwerden am ehesten aufgrund einer Kombination aus einem initialen Pleuraerguss bei asbestassoziierter Pleuritis, Ulkus duodeni und Hyperthyreose (Entlassungsbericht des Klinikums S. G. vom 12.12.2008).
Am 02.12.2008 zeigte die Klinik L. bei der Berufsgenossenschaft Elektro Textil und Feinmechanik, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden nur noch Beklagte), den Verdacht auf eine Berufskrankheit an. Die Beklagte veranlasste die Angaben des Klägers vom 10.01.2009 in dem ihm übersandten Fragebogenvordruck und holte die Auskunft der Firma p. k. vom 26.02.2009 ein, in der der Geschäftsführer O. mitteilte, eine genaue Beschäftigungszeit des Klägers könne nicht mehr festgestellt werden. Asbest sei in der Produktion zu keinem Zeitpunkt bearbeitet oder recycelt worden. Der Technische Aufsichtsdienst der im Wege der Amtshilfe eingeschalteten Berufsgenossenschaft Chemie befragte den Betriebsleiter O. am 28.08.2009 noch einmal mündlich. Danach sei niemals sowohl bei der Firma M. K. noch in der Nachfolgefirma p. k. mit Asbest gearbeitet worden (Stellungnahme des Technischen Aufsichtsbeamten Dipl.-Laborchemiker K. vom 31.08.2009). Bei einem Hausbesuch durch einen Mitarbeiter der Beklagten am 12.11.2009 gab der Kläger an, er wisse nicht definitiv, dass Asbest im Betrieb M. K. verarbeitet worden sei. Das PVC sei aus Italien angeliefert worden. Ihm sei Weichmacher und Farbe beigemischt gewesen. Mehr könne er dazu nicht sagen (Bericht der Beklagten vom 16.11.2009). Der vom Kläger genannte, zu seiner Beschäftigungszeit tätig gewesene Geschäftsführer V. wurde mit Schreiben der Beklagten vom 23.12.2009 gebeten, den Inhalt des heute geführten Gesprächs, dass bei der Firma M. K. keine Asbesteinwirkung bestanden habe, zu bestätigen. Mit Schreiben vom 20.01.2010 bat der Befragte um Nachsicht wegen seines hohen Alters. Er könne sich an ein Gespräch nicht mehr erinnern, auch sei ihm der angegebene Grund völlig fremd.
Der staatliche Gewerbearzt Dr. H., der unter Vorlage der Akten gehört wurde, teilte mit, eine Berufskrankheit nach Nr. 4103 (Asbeststaublungenerkrankung - Asbestose -) werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen. Mit Bescheid vom 23.02.2010 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage 1 zur BKV ab, denn eine berufliche Einwirkung von Asbest sei nach dem Ermittlungen nicht nachgewiesen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.06.2010 zurückgewiesen. Der Kläger erhob Klage zum Sozialgericht Ulm (S 9 U 2322/10).
Im Rahmen des Klageverfahrens machte der Kläger geltend, so wie sich die Erkrankung darstelle, könne es sich auch sehr gut um eine Berufskrankheit nach Nr. 4105 (durch Asbest bedingte Pleuramesotheliom - Tumorerkrankung des Brustfells) handeln.
Mit Bescheid vom 05.10.2010 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Berufskrankheitenliste ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Voraussetzung für eine beruflich bedingte Tumorerkrankung des Brustfells sei ein beruflicher Umgang mit Asbest. Eine solche Asbesteinwirkung sei nicht nachweisbar.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Die verarbeiteten Thermoplasten seien seinerzeit mit Talkum und Asbest verstärkt gewesen. Auch Talkum sei asbesthaltig gewesen. Medizinisch gehe es um einen Pleuraerguss über 2 l Flüssigkeit. Der Verdacht auf eine Berufskrankheit nach Nr. 4105 bestehe bei jedem Pleuramesotheliom. Immerhin habe der Rentenausschuss der Beklagten zweimal die von der Verwaltung bestrittene Asbestbelastung nicht glauben wollen. Die Beklagte holte die ergänzende Stellungnahme des Technischen Aufsichtsbeamten K. vom 20.01.2011 ein. Er habe den mittlerweile aus Altersgründen ausgeschiedenen Betriebsleiter O. mehrmals befragt, wobei jedes Mal bestätigt worden sei, dass kein Asbest verwendet wurde. Zur Verwendung von Talkum habe er diesen nicht befragt. Beim Extrudieren werde dies aber seiner Erfahrung nach nicht eingesetzt. Ob Asbest in Talkum vorkomme, hänge von der Lagerstätte ab. Ob zu Lagerstätten mit Asbest in China oder der damaligen UdSSR Handelsbeziehungen bestanden, könne nicht beurteilt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Asbestkontakt sei durch die Präventionsabteilung der Berufsgenossenschaft Chemie nicht festzustellen gewesen.
Der Kläger erhob am 23.03.2011 Klage vor dem Sozialgericht Ulm.
Das Sozialgericht hörte die den Kläger behandelnde Ärztin Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugin. In ihrer Aussage vom 08.06.2011 gab sie an, den Kläger zuletzt am 22.11.2010 untersucht zu haben. Beim Kläger bestünde der unveränderte Befund einer asbestassoziierten Pleuritis mit pulmonaler Fibrose rechts. Ein Mesotheliom sei nicht diagnostiziert worden.
Mit Urteil vom 18.08.2011 wurde die Klage abgewiesen.
Gegen das dem Kläger am 05.09.2011 zugestellte Urteil hat er am 05.10.2011 Berufung eingelegt und wiederholt sein bisheriges Vorbringen, bei der Produktion von Thermoplasten sei Asbest und Talkum, welches seinerzeit ebenfalls asbesthaltig gewesen sei, eingesetzt worden. Ein Mesotheliomverdacht sei nicht von der Hand zu weisen, denn es werde von einem großen Pleuraerguss gesprochen. Angezeigt sei die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Vorliegens eines Mesothelioms. Der Kläger hat am 20.03.2012 per Fax beantragt, nach § 109 SGG Prof. Dr. W. zum Sachverständigen zu ernennen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18.08.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.02.2011 aufzuheben und festzustellen, dass eine Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur BKV vorliegt und die Beklagte zu verurteilen, Entschädigungsleistungen, insbesondere Verletztenrente, zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen, hilfsweise ein arbeitstechnisches Sachverständigengutachten und ein arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, ihre umfangreichen Ermittlungen zur Arbeitsvorgeschichte hätten keine Einwirkungen durch Asbest während der beruflichen Tätigkeit ergeben. Darüber hinaus liege das Krankheitsbild der Berufskrankheit Nr. 4105 nicht vor.
Mit richterlicher Verfügung vom 27.02.2012 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
II
Gem. § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen mit richterlicher Verfügung vom 27.02.2012 hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Die form und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und insgesamt zulässig.
Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Es hat zutreffend ausgeführt, dass die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig ist, jedoch soweit mit der Leistungsklage Entschädigungsleistungen begehrt werden, die Klage unzulässig ist. Der Bescheid der Beklagten vom 05.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2011 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung der Berufskrankheit Nr. 4105 (durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Pericards).
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die für die Entscheidung des Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Es hat ausführlich und zutreffend begründet, dass die Klage teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet ist, weil ein Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Perikards nicht vorliegt. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Zum wiederholenden Berufungsvorbringen ist auszuführen, dass aus den aktenkundigen Entlassungsberichten der Klinik L. vom 27.11.2008 und des Klinikums S. G. vom 12.12.2008 keine Diagnose über das Vorliegen eines Mesotheliom (vom Mesothel ausgehender maligner Tumor der serösen Haut, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch online Stichwort: Mesotheliom) an Pleura, Peritoneum oder Perikard hervorgeht. Eine solche Diagnose wurde während den teils mehrwöchigen stationären Behandlungen nicht gestellt. Die sachverständige Zeugin Dr. B. verneinte in ihrer Aussage vom 08.06.2011 ebenfalls das Vorliegen eines Mesothelioms. Das Tatbestandsmerkmal der Berufskrankheit Nr. 4105, nämlich die Erkrankung an einem Mesotheliom, ist somit nicht erfüllt. Hinweise dafür, dass die bisherige übereinstimmende Diagnosestellung durch verschiedene Ärzte fehlerhaft ist, finden sich nach Aktenlage nicht. Hierzu ist auch nicht qualifiziert vorgetragen worden, vielmehr ergibt sich aus der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. B., dass ergänzende Untersuchungen nicht erfolgt sind. Eine Indikation für eine weitere medizinische Aufklärung ist von keinem der behandelnden Ärzte gesehen worden. Bei dieser Ausgangslage sah sich der Senat ebenso wie das Sozialgericht nicht gedrängt, ein medizinisches oder arbeitsmedizinisches Gutachten einzuholen, denn der medizinische Sachverhalt ist zur sicheren Überzeugung des Senats aufgeklärt.
Dem am 20.03.2012 eingegangenen Antrag des Klägers, nach § 109 SGG Prof. Dr. W. zum Sachverständigen zu ernennen, war nicht stattzugeben. Prof. Dr. W. erstattet als Emeritus keine Gutachten mehr auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung, was sein Sekretariat auf telefonische Nachfrage bestätigt hat. Ein etwa in Betracht kommendes Gutachten nach Aktenlage ist nach dem dargelegten gegenwärtigen Aktenstand kein geeignetes Beweismittel, da die entscheidungserhebliche Diagnose nur auf der Grundlage weiterer Untersuchungen gestellt werden kann. Da auch nach richterlichem Hinweis (Fax vom 22.03.2012) innerhalb der den Beteiligten gewährten Äußerungsfrist kein sachdienlicher Antrag nach § 109 SGG eingegangen ist, hat der Senat aufgrund der Entscheidungsreife auch keine Veranlassung gesehen, eine weitere Äußerungsfrist einzuräumen.
Unabhängig davon ist der Senat auch überzeugt, dass der Kläger eine gesundheitsgefährdende Einwirkung von Asbest während seiner knapp eineinhalbjährigen beruflichen Tätigkeit nicht nachgewiesen hat. Der befragte Betriebsleiter der Nachfolgefirma verneinte den Einsatz asbesthaltiger Arbeitsstoffe sowohl während seiner Tätigkeit als auch für die Produktion in der Vorgängerfirma. Den auf diesem Stand der Ermittlungen beruhenden Bedenken des Rentenausschusses im Oktober 2009 wurde mit weiteren Ermittlungen Rechnung getragen. Bei seiner persönlichen Befragung am 12.11.2009 hat der Kläger zur Asbesteinwirkung jedoch keine konkreten Angaben machen können. Der seinerzeit tätig gewesene Geschäftsführer V. hat altersbedingt keine Angaben machen können. Der Technische Aufsichtsbeamte der für die Entschädigung nicht zuständigen Berufsgenossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie (Rechtsnachfolgerin der Berufsgenossenschaft Chemie), Dipl.-Laborchemiker K., hat seiner Erfahrung entsprechend einerseits eine Verwendung von Talkum während des Extrudierens verneint. Ob andererseits Talkum verwendet worden sein könnte, das in Abhängigkeit von der Lagerstätte Asbest hätte enthalten können, ist nach dem Zeitablauf und den nicht rekonstruierbaren Verhältnissen nicht zu beurteilen (Stellungnahme vom 20.01.2011). Bei dieser Ausgangslage ist die Einholung eines "arbeitstechnischen" Gutachtens nicht geboten. Der Kläger hat auch keine Anknüpfungspunkte genannt, auf die eine hinreichende Beurteilung der Exposition gegenüber Asbest gestützt werden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Erkrankung des Klägers an der Lunge als Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) festzustellen ist und ihm deswegen Entschädigungsleistungen, insbesondere Verletztenrente, zustehen.
Der 1927 geborene Kläger war eigenen Angaben zufolge von Februar 1961 bis Juli 1963 bei der früheren Firma M. K., jetzt p. k. GmbH und Co. KG, als Arbeiter beschäftigt, wo er nach seinen Angaben asbesthaltige Pulver, Faserstoffe verarbeitete und Materialbrocken und Materialplatten zertrümmerte. Der Kläger wurde vom 04.11. bis 28.11.2008 in der Klinik L. stationär behandelt, wo unter anderem eine asbestassoziierte Pleuritis mit pulmonaler Fibrose rechts diagnostiziert wurde (Entlassungsbericht der Klinik L. vom 27.11.2008). Der Kläger wurde erneut vom 07.12. bis 16.12.2008 im Klinikum S. G. stationär behandelt wegen Beschwerden am ehesten aufgrund einer Kombination aus einem initialen Pleuraerguss bei asbestassoziierter Pleuritis, Ulkus duodeni und Hyperthyreose (Entlassungsbericht des Klinikums S. G. vom 12.12.2008).
Am 02.12.2008 zeigte die Klinik L. bei der Berufsgenossenschaft Elektro Textil und Feinmechanik, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden nur noch Beklagte), den Verdacht auf eine Berufskrankheit an. Die Beklagte veranlasste die Angaben des Klägers vom 10.01.2009 in dem ihm übersandten Fragebogenvordruck und holte die Auskunft der Firma p. k. vom 26.02.2009 ein, in der der Geschäftsführer O. mitteilte, eine genaue Beschäftigungszeit des Klägers könne nicht mehr festgestellt werden. Asbest sei in der Produktion zu keinem Zeitpunkt bearbeitet oder recycelt worden. Der Technische Aufsichtsdienst der im Wege der Amtshilfe eingeschalteten Berufsgenossenschaft Chemie befragte den Betriebsleiter O. am 28.08.2009 noch einmal mündlich. Danach sei niemals sowohl bei der Firma M. K. noch in der Nachfolgefirma p. k. mit Asbest gearbeitet worden (Stellungnahme des Technischen Aufsichtsbeamten Dipl.-Laborchemiker K. vom 31.08.2009). Bei einem Hausbesuch durch einen Mitarbeiter der Beklagten am 12.11.2009 gab der Kläger an, er wisse nicht definitiv, dass Asbest im Betrieb M. K. verarbeitet worden sei. Das PVC sei aus Italien angeliefert worden. Ihm sei Weichmacher und Farbe beigemischt gewesen. Mehr könne er dazu nicht sagen (Bericht der Beklagten vom 16.11.2009). Der vom Kläger genannte, zu seiner Beschäftigungszeit tätig gewesene Geschäftsführer V. wurde mit Schreiben der Beklagten vom 23.12.2009 gebeten, den Inhalt des heute geführten Gesprächs, dass bei der Firma M. K. keine Asbesteinwirkung bestanden habe, zu bestätigen. Mit Schreiben vom 20.01.2010 bat der Befragte um Nachsicht wegen seines hohen Alters. Er könne sich an ein Gespräch nicht mehr erinnern, auch sei ihm der angegebene Grund völlig fremd.
Der staatliche Gewerbearzt Dr. H., der unter Vorlage der Akten gehört wurde, teilte mit, eine Berufskrankheit nach Nr. 4103 (Asbeststaublungenerkrankung - Asbestose -) werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen. Mit Bescheid vom 23.02.2010 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage 1 zur BKV ab, denn eine berufliche Einwirkung von Asbest sei nach dem Ermittlungen nicht nachgewiesen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.06.2010 zurückgewiesen. Der Kläger erhob Klage zum Sozialgericht Ulm (S 9 U 2322/10).
Im Rahmen des Klageverfahrens machte der Kläger geltend, so wie sich die Erkrankung darstelle, könne es sich auch sehr gut um eine Berufskrankheit nach Nr. 4105 (durch Asbest bedingte Pleuramesotheliom - Tumorerkrankung des Brustfells) handeln.
Mit Bescheid vom 05.10.2010 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Berufskrankheitenliste ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Voraussetzung für eine beruflich bedingte Tumorerkrankung des Brustfells sei ein beruflicher Umgang mit Asbest. Eine solche Asbesteinwirkung sei nicht nachweisbar.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Die verarbeiteten Thermoplasten seien seinerzeit mit Talkum und Asbest verstärkt gewesen. Auch Talkum sei asbesthaltig gewesen. Medizinisch gehe es um einen Pleuraerguss über 2 l Flüssigkeit. Der Verdacht auf eine Berufskrankheit nach Nr. 4105 bestehe bei jedem Pleuramesotheliom. Immerhin habe der Rentenausschuss der Beklagten zweimal die von der Verwaltung bestrittene Asbestbelastung nicht glauben wollen. Die Beklagte holte die ergänzende Stellungnahme des Technischen Aufsichtsbeamten K. vom 20.01.2011 ein. Er habe den mittlerweile aus Altersgründen ausgeschiedenen Betriebsleiter O. mehrmals befragt, wobei jedes Mal bestätigt worden sei, dass kein Asbest verwendet wurde. Zur Verwendung von Talkum habe er diesen nicht befragt. Beim Extrudieren werde dies aber seiner Erfahrung nach nicht eingesetzt. Ob Asbest in Talkum vorkomme, hänge von der Lagerstätte ab. Ob zu Lagerstätten mit Asbest in China oder der damaligen UdSSR Handelsbeziehungen bestanden, könne nicht beurteilt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Asbestkontakt sei durch die Präventionsabteilung der Berufsgenossenschaft Chemie nicht festzustellen gewesen.
Der Kläger erhob am 23.03.2011 Klage vor dem Sozialgericht Ulm.
Das Sozialgericht hörte die den Kläger behandelnde Ärztin Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugin. In ihrer Aussage vom 08.06.2011 gab sie an, den Kläger zuletzt am 22.11.2010 untersucht zu haben. Beim Kläger bestünde der unveränderte Befund einer asbestassoziierten Pleuritis mit pulmonaler Fibrose rechts. Ein Mesotheliom sei nicht diagnostiziert worden.
Mit Urteil vom 18.08.2011 wurde die Klage abgewiesen.
Gegen das dem Kläger am 05.09.2011 zugestellte Urteil hat er am 05.10.2011 Berufung eingelegt und wiederholt sein bisheriges Vorbringen, bei der Produktion von Thermoplasten sei Asbest und Talkum, welches seinerzeit ebenfalls asbesthaltig gewesen sei, eingesetzt worden. Ein Mesotheliomverdacht sei nicht von der Hand zu weisen, denn es werde von einem großen Pleuraerguss gesprochen. Angezeigt sei die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Vorliegens eines Mesothelioms. Der Kläger hat am 20.03.2012 per Fax beantragt, nach § 109 SGG Prof. Dr. W. zum Sachverständigen zu ernennen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18.08.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.02.2011 aufzuheben und festzustellen, dass eine Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur BKV vorliegt und die Beklagte zu verurteilen, Entschädigungsleistungen, insbesondere Verletztenrente, zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen, hilfsweise ein arbeitstechnisches Sachverständigengutachten und ein arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, ihre umfangreichen Ermittlungen zur Arbeitsvorgeschichte hätten keine Einwirkungen durch Asbest während der beruflichen Tätigkeit ergeben. Darüber hinaus liege das Krankheitsbild der Berufskrankheit Nr. 4105 nicht vor.
Mit richterlicher Verfügung vom 27.02.2012 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
II
Gem. § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen mit richterlicher Verfügung vom 27.02.2012 hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Die form und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und insgesamt zulässig.
Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Es hat zutreffend ausgeführt, dass die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig ist, jedoch soweit mit der Leistungsklage Entschädigungsleistungen begehrt werden, die Klage unzulässig ist. Der Bescheid der Beklagten vom 05.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2011 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung der Berufskrankheit Nr. 4105 (durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Pericards).
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die für die Entscheidung des Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Es hat ausführlich und zutreffend begründet, dass die Klage teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet ist, weil ein Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Perikards nicht vorliegt. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Zum wiederholenden Berufungsvorbringen ist auszuführen, dass aus den aktenkundigen Entlassungsberichten der Klinik L. vom 27.11.2008 und des Klinikums S. G. vom 12.12.2008 keine Diagnose über das Vorliegen eines Mesotheliom (vom Mesothel ausgehender maligner Tumor der serösen Haut, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch online Stichwort: Mesotheliom) an Pleura, Peritoneum oder Perikard hervorgeht. Eine solche Diagnose wurde während den teils mehrwöchigen stationären Behandlungen nicht gestellt. Die sachverständige Zeugin Dr. B. verneinte in ihrer Aussage vom 08.06.2011 ebenfalls das Vorliegen eines Mesothelioms. Das Tatbestandsmerkmal der Berufskrankheit Nr. 4105, nämlich die Erkrankung an einem Mesotheliom, ist somit nicht erfüllt. Hinweise dafür, dass die bisherige übereinstimmende Diagnosestellung durch verschiedene Ärzte fehlerhaft ist, finden sich nach Aktenlage nicht. Hierzu ist auch nicht qualifiziert vorgetragen worden, vielmehr ergibt sich aus der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. B., dass ergänzende Untersuchungen nicht erfolgt sind. Eine Indikation für eine weitere medizinische Aufklärung ist von keinem der behandelnden Ärzte gesehen worden. Bei dieser Ausgangslage sah sich der Senat ebenso wie das Sozialgericht nicht gedrängt, ein medizinisches oder arbeitsmedizinisches Gutachten einzuholen, denn der medizinische Sachverhalt ist zur sicheren Überzeugung des Senats aufgeklärt.
Dem am 20.03.2012 eingegangenen Antrag des Klägers, nach § 109 SGG Prof. Dr. W. zum Sachverständigen zu ernennen, war nicht stattzugeben. Prof. Dr. W. erstattet als Emeritus keine Gutachten mehr auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung, was sein Sekretariat auf telefonische Nachfrage bestätigt hat. Ein etwa in Betracht kommendes Gutachten nach Aktenlage ist nach dem dargelegten gegenwärtigen Aktenstand kein geeignetes Beweismittel, da die entscheidungserhebliche Diagnose nur auf der Grundlage weiterer Untersuchungen gestellt werden kann. Da auch nach richterlichem Hinweis (Fax vom 22.03.2012) innerhalb der den Beteiligten gewährten Äußerungsfrist kein sachdienlicher Antrag nach § 109 SGG eingegangen ist, hat der Senat aufgrund der Entscheidungsreife auch keine Veranlassung gesehen, eine weitere Äußerungsfrist einzuräumen.
Unabhängig davon ist der Senat auch überzeugt, dass der Kläger eine gesundheitsgefährdende Einwirkung von Asbest während seiner knapp eineinhalbjährigen beruflichen Tätigkeit nicht nachgewiesen hat. Der befragte Betriebsleiter der Nachfolgefirma verneinte den Einsatz asbesthaltiger Arbeitsstoffe sowohl während seiner Tätigkeit als auch für die Produktion in der Vorgängerfirma. Den auf diesem Stand der Ermittlungen beruhenden Bedenken des Rentenausschusses im Oktober 2009 wurde mit weiteren Ermittlungen Rechnung getragen. Bei seiner persönlichen Befragung am 12.11.2009 hat der Kläger zur Asbesteinwirkung jedoch keine konkreten Angaben machen können. Der seinerzeit tätig gewesene Geschäftsführer V. hat altersbedingt keine Angaben machen können. Der Technische Aufsichtsbeamte der für die Entschädigung nicht zuständigen Berufsgenossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie (Rechtsnachfolgerin der Berufsgenossenschaft Chemie), Dipl.-Laborchemiker K., hat seiner Erfahrung entsprechend einerseits eine Verwendung von Talkum während des Extrudierens verneint. Ob andererseits Talkum verwendet worden sein könnte, das in Abhängigkeit von der Lagerstätte Asbest hätte enthalten können, ist nach dem Zeitablauf und den nicht rekonstruierbaren Verhältnissen nicht zu beurteilen (Stellungnahme vom 20.01.2011). Bei dieser Ausgangslage ist die Einholung eines "arbeitstechnischen" Gutachtens nicht geboten. Der Kläger hat auch keine Anknüpfungspunkte genannt, auf die eine hinreichende Beurteilung der Exposition gegenüber Asbest gestützt werden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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